REZENSION

TERRAKOTTA-ARMEE

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: Giant Roc (deutsche Version), Board & Dice (Originalversion: Terracotta Army)
  • Autoren: Przemysław Fornal, Adam Kwapiński
  • Grafik: Zuzanna Kołakowska, Jan Lipiński, Aleksander Zawada
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ca. 90 bis 120 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: hoch
  • Taktiklevel: 9/10

Eine Armee fürs Jenseits

 Der Kaiser ist tot. Lassen wir ihn hochleben, und vor allem eine riesige Armee aus Statuen bauen, um ihn damit zu beschützen. Klar, es ist nur eine defensive Aufrüstung. Und so schlüpfen wir in die Rolle von talentierten Handwerken, die mit Geschick und jeder Menge Ton eines der legendärsten Mausoleen aller Zeiten erschaffen. 

REGELN

Der Spielplan von Terrakotta-Armee ist grob in vier Regionen aufgeteilt. Das Aktionsrad ist der Worker-Placement-Bereich, welcher in zwölf Segmente unterteilt ist. Das Rad besteht aus drei Scheiben, sodass jedes der zwölf Segmente drei Aktionen erlaubt. Neben dem Aktionsrad befindet sich das Mausoleum, in dem die Terrakotta-Armee selbst gebaut wird. Es besteht aus einem 7x9-Raster und ist in vier Quadranten unterteilt. Im Meisterbereich können sechs verschiedene Meister erworben werden, die dauerhafte Vorteile bieten. Neben dem Spielbrett befindet sich noch das Kriegersortiment für den Bau der vier Standardkrieger.


Im Spiel gibt es zwei Ressourcen: Geld und Ton (feucht oder trocken). Außerdem besitzt jeder Spieler je vier Waffenplättchen, die zunächst auf der inaktiven Seite liegen.


Terrakotta-Armee wird über einen Zeitraum von fünf Runden gespielt. Jede dieser Runden wird in drei Phasen unterteilt. In der Arbeiterphase, dem Kern des Spiels, werden Arbeiter auf ein freies Feld des Aktionsrades gesetzt, um bis zu drei Aktionen durchzuführen. Danach gibt es eine „Begutachtungsphase“, in der Siegpunkte verteilt werden und eine „Aufräumphase“ in der die nächste Runde vorbereitet wird. Am Ende des Spiels gibt es noch eine Schlusswertung. 


(1) Arbeiterphase

In Spielerreihenfolge setzt man jeweils einen Arbeiter auf ein freies Aktionsfeld. Jeder Bereich hat Platz für einen kleinen (Handwerker) und großen (Kunsthandwerker) Arbeiter. Handwerker können in Bereiche gestellt werden, in der sich noch kein weiterer Arbeiter befindet. Kunsthandwerker können auch in Bereiche gestellt werden, in denen sich ein Handwerker befindet. Nachdem der Arbeiter platziert wurde, kann für zwei Münzen das innere Aktionsrad ein Segment im Uhrzeigersinn oder das mittlere Aktionsrad gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden. Danach werden die drei Aktionen der Scheiben der Reihe nach durchgeführt. Kann oder möchte der Spieler die innere oder mittlere Aktion nicht durchführen, kann er sich eine Münze oder einen feuchten Ton nehmen. 


Die Aktionen:

  • Eine Statue bauen: Man gibt die entsprechende Anzahl an nassen Ton ab und kann einen der vier Krieger-Statuen (General, Wächter, Armbrustschütze, Fußsoldat) aus dem Sortiment bauen (die Statuen werden mit dem Sockel der eigenen Spielerfarbe markiert). Der Ton wird in den allgemeinen Vorrat zurückgelegt, ein Tonplättchen aber mit der trockenen Seite auf das Lagerhaus, in dem der Arbeiter steht. Man erhält die entsprechenden Siegpunkte, die neben dem Krieger abgebildet sind. Zusätzlich, wenn möglich, kann man das dem Krieger zugeordnete Waffenplättchen deaktivieren, um den Bau-Bonus dieser Statue zu erhalten (z.B. einen Siegpunkt und zwei Münzen für den General). 


  • Eine Meisteraktion nutzen: Im Spiel gibt es insgesamt sechs Meisteraktionen. Wenn die Meisteraktion gewählt wird, wird überprüft, ob schon ein Meisterplättchen der entsprechenden Spielerfarbe im Bereich dieses Meisters liegt. Falls dies der Fall ist, kann die Aktion sofort genutzt werden. Ansonsten wählt der Spieler eines seiner noch verfügbaren Meisterplättchen, bezahlt die darauf abgebildeten Kosten (1-6 Münzen) und kann die Aktion im Anschluss durchführen. Die Meisteraktionen sind besonders mächtig. So kann zum Beispiel der „Meister der Aufseher“ die Aktion der inneren Scheibe nochmals nutzen. Beim „Meister der Verwaltung“ kann man den trockenen Ton aus genau zwei Lagerhäusern in den eigenen Vorrat nehmen. Zusätzlich erhalten die Meister Boni während der Aufräumphase.


  • Eine besondere Statue bauen: Hier kann eine der insgesamt vier besonderen Statuen (Pferd, Musiker, Bogenschütze, Diener) gebaut werden. Dazu muss das entsprechende Waffenplättchen umgedreht, und es müssen die aktuellen Kosten (Münzen) bezahlt werden. Im Gegensatz zu den Krieger-Statuen werden besonderen Statuen nicht mit einem Sockel markiert. 


  • Sonstige Aktionen: Neben den bisher beschrieben Aktionen gibt es noch eine Anzahl von verschiedenen Aktionen. Zum Beispiel das Erhalten von Ressourcen (Münzen, Ton), das Befördern eines Handwerkers zu einem Kunsthandwerker, das Umdrehen aller trockenen Tonplatten auf die feuchte Seite, das Aktivieren einer entsprechenden Waffe oder das oberste Vorrangsplättchen (Spielerreihenfolge für die nächste Runde) nehmen.


(2) Die Begutachtungsphase

Wurden alle Handwerker eingesetzt, kommt es nun zur Begutachtungsphase. Diese besteht aus drei Abschnitten, in denen Siegpunkte für die aktuelle Runde verteilt werden. Nun ist ein guter Zeitpunkt über „Mehrheit & Präsenz“ zu sprechen, denn fast alle Wertungen verlaufen nach diesem Prinzip. Eine Mehrheit hat man erlangt, sobald man allein die meisten Statuen oder geforderten Ressourcen besitzt. Für die Präsenz reicht genau eine Statue oder Ressource.


  • Inspektion: Beide Inspektoren (zunächst auf der linken, dann auf der unteren Leiste) überprüfen die „Mehrheiten“ oder „Präsenz“ für die eigenen Kriegerstatuen in der entsprechenden Zeile, und man bekommt entsprechend Siegpunkte (7 für die Mehrheit, 3 für eine Präsenz). Bei Gleichstand entscheiden die Bogenschützen. Danach rückt der Inspektor ein Feld auf der Leiste weiter.


  • Unterhaltungswert: Nun werden die Musiker einzeln gewertet. Für jeden Musiker bekommt man einen Siegpunkt pro eigener Krieger-Statue in der Spalte und Reihe des Musikers.


  • Auftragserfüllung: Zuletzt wertet man den Auftrag der aktuellen Runde. Auch hier wird nach Mehrheit und Präsenz geschaut. Jeder Auftrag fordert etwas anderes, zum Beispiel Mehrheiten in einem bestimmten Viertel des Mausoleums, die Anzahl eines bestimmten Kriegers oder die Anzahl an bestimmten Ressourcen. Man erhält nun die Siegpunkte für die entsprechende Runde.


(3) Aufräumphase

Nun folgt die Aufräumphase. Die Spielerreihenfolge wird entsprechend der Vorrangsplättchen aktualisiert, alles feuchten Tonplättchen im eigenen Vorrat trocknen aus (einige Meister können dies verhindern), man erhält Münzen für Meister und dreht die mittlere und innere Scheibe um ein Segment. Danach nimmt man all seine Handwerker zurück und eine neue Runde beginnt.


Endwertung

Nach der fünften und letzten Runde kommt es nach der Beurteilungsphase zur Endwertung. Zunächst wird jeder gebauter Diener einzeln gewertet (Mehrheit in Bezug auf alle Felder um den Diener herum). Hierfür gibt es 8 bzw. 2 Siegpunkte. Danach werden alle Krieger aus dem Mausoleum entfernt, die nicht zu einer Gruppe gehören. Eine Gruppe wird als eine aus mindestens zwei Krieger-Statuen des selben Typs definiert, die orthogonal zueinander benachbart sind. Nun wird jede einzelne Gruppe bewertet. Man erhält pro eigenem Krieger so viele Siegpunkte, wie Spieler in der Gruppe vertreten sind. Sind in der Gruppe mindestens zwei Spieler vertreten, gibt es nochmals Punkte für Mehrheiten (5/2). Jeder Krieger, der von einem Bogenschützen direkt angeschaut wird, gibt nochmals zwei Siegpunkte, sowie einen halben Punkt für jede Ressource im eigenem Vorrat.

Das Spiel bietet auch einen Solo-Modus.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • gelungener Worker-Placement/ Aktionsrad-Mechanismus
  • schwierige Entscheidungen
  • schöne Miniaturen
  • hohe Spieler-Interaktion


CONTRA

  • keine Spielerhilfe
  • Punktesalat

MEINUNG

Board & Dice hat sich in den letzten Jahren zu einem meiner Lieblingsverlage gemausert. Ich war schon immer Freund der „T-Serie“, und auch abseits von dieser gab es mehr Licht als Schatten. Mittlerweile sind Board & Dice-Titel fast „Blind Buys“ für mich geworden. Tekhenu und Trismegistus waren für mich absolute Highlights in ihren Jahrgängen. Und selbst Titel am unteren Ende meines Rankings wie Tiletum würde ich immer noch als mindestens „solide“ bezeichnen. Nun kam also im Jahr 2022 Terrakotta-Armee heraus. 

Adam Kwapiński konnte mich schon im Jahr davor mit Origins positiv überraschen. Und auch seine Zusammenarbeit mit Przemysław Fornal weiß durchaus zu gefallen.


Optisch ist Terrakotta-Armee ein typischer Board & Dice-Titel. Das Spielbrett und die Komponenten kommen in einem urigen Grau /Braun daher und sind erst einmal optisch nicht erwähnenswert. Aber dann ist da noch der Hingucker. Bei Tekhenu war es der Obelisk, der auf dem Spielplan thronte, bei Teotihuacan die zu bauende Pyramide und bei Terrakotta-Armee sind es natürlich die Miniaturen. Diese sind zu diesem Preis für mich absolut am oberen Ende der Skala zu bewerten. Und spätestens am Ende des Spiels, wenn wir alle unsere Krieger, Pferde, Musiker und Diener im Mausoleum platziert haben, sind die Grau-in-Braun-Töne des Spielplans vergessen. Die Aufbewahrungsbox für die Minis möchte ich hier besonders hervorheben. Der Rest des Materials ist ebenso von guter Qualität und effizient, naja, zumindest das, was da ist. Mal wieder sucht man bei einem Board & Dice-Titel vergeblich nach einer Spielerhilfe - nicht für die Aktionen, die sind schnell verinnerlicht, aber gerade für die verschiedenen Wertungen, insbesondere am Spielende, wäre eine Spielerhilfe mehr als hilfreich. Hier mussten wir immer wieder in die Anleitung schauen, für was es jetzt genau wie viele Punkte gibt. 


Apropos Punkte. Die gibt es in diesem Spiel reichlich und genug. Alle unsere Partien gingen über die 200er-Marke hinaus. Davon bin ich eigentlich kein Freund, denn ich mag Spiele lieber, in denen um jeden Punkt gekämpft werden muss, aber dies ist nur eine persönliche Präferenz. Wer Feld’sche Punktesalate mag, wird hier auf jeden Fall auf seine Kosten kommen. Wovon es auf jeden Fall gefühlt nicht genug gibt, sind Aktionen. Im Drei-Personen-Spiel hat jeder Spieler immer genau vier Worker, im Vier-Personen-Spiel sogar nur drei. Entscheidungen müssen also getroffen werden. Ich brauche jetzt wirklich, wirklich schnell neuen Ton, um in dieser Runde noch einen General bauen zu können. Aber der einzige Spot, der mir Ton gibt, lässt mich nur noch mein Schwert umdrehen, und das habe ich doch schon umgedreht. Hole ich mir trotzdem den Ton und verzichte auf die dritte Aktion? Oder investiere ich die zwei Geld und drehe das Rad? Aber welches? Ist die dritte Aktion, die ich dafür bekomme, wirklich die zwei Geld wert? Diese Entscheidungen sind neben der Puzzelei am Mausoleum die Seele des Spiels. 


Und dann sind dann noch diese störenden Mitspieler. Okay, sie nehmen mir die besten Spots weg, sie versetzen einfach den Inspektor oder bauen MEINEN General, auch noch an der Stelle, an dem ich ihn bauen wollte. Aber es geht halt nicht ohne sie (sofern wir nicht solo spielen wollen), denn am Ende des Spiels möchte ich Mehrheiten sammeln, und nicht in meiner eigenen Gruppe. Meine Soldaten sollen viele Punkte wert sein. Und dazu sollten sie halt in Gruppen stehen, in denen möglichst viele Mitspieler vertreten sind.


Terrakotta-Armee ist meiner Meinung nach wieder ein gelungener Titel aus dem Hause Board & Dice, mit einigen Abzügen in der B-Note. An meine persönlichen absoluten Highlights des Verlages kommt der Titel nicht ganz heran, und im Jahrgang 2022/23 gab es Titel im Experten-/ Kennerspielbereich, die ich als mechanisch und spielerisch innovativer empfunden habe. Trotzdem würde ich mich jederzeit immer wieder in diesem speziellen Kunsthandwerk versuchen und vergebe deswegen gute 7 von 10 nassen Tonplatten!


Ein Hinweis noch zum Abschluss: Wenn hier die ganze Zeit von Board & Dice die Rede ist, dann ist das der Verlag, der dieses Spiel im Original veröffentlichte. In Deutschland hat sich erneut der Verlag Giant Roc dem Spiel angenommen. Durch die Lokalisierungen haben wir Giant Roc mittlerweile viele Board & Dice-Titel auch in deutscher Spache zu verdanken.

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7-8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

MATTHIAS

Traingames, you say? Hold my beer!

Eine Rezension vom 23.08.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Presse-Exemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Giant Roc / Board & Dice
Weitere Fotos: Spielkultisten