REZENSION

TEKHENU: DER SONNENOBELISK

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Board & Dice / Giant Roc
  • Autoren: Daniele Tascini, Dávid Turczi
  • Grafik: Jakub Fajtanowski, Michał Długaj, Zbigniew Umgelter, Aleksander Zawada
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: 60 bis 150 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: schwer 
  • Taktiklevel: 8/10

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Als Beamte im alten Ägypten nutzen wir die Würfel zu Fuße des Sonnenobelisken, um Ressourcen zu sammeln, Bauwerke zu errichten und die Götter für uns zu gewinnen. Doch Vorsicht! Der Sonnenstand ändert sich ständig, und gerade noch reine Würfel sind plötzlich verdorben ...

REGELN

Bereitet den Spielplan mit Markern und Karten vor. Als klarer Eyecatcher fungiert der große Obelisk, um den herum Würfel auf die sechs Kreissegmente gelegt werden. Die Würfel werden zufällig aus dem Beutel gezogen, geworfen, und dann - ja nach Sonnenstand - auf die einzelnen Kreisringe ihres Segments verteilt. Je nachdem, ob ein Segment in der Sonne, im Schatten oder im Dunkeln liegt, gelten bestimmte Würfelfarben als rein, verdorben oder verboten. Diese Einordnung ist bei der Auswahl der Aktionen wichtig. Verbotene Würfel dürfen standardmäßig nicht gewählt werden, reine Würfel kommen auf die linke Waagschale des eigenes Spielertableaus, verdorbene auf die rechte Schale. Regelmäßig im Spiel wird das Gleichgewicht beider Schalten durch Maat, Göttin des Gesetzes und der Gerechtigkeit, bewertet und damit eine Spielerreihenfolge festgelegt.

In der ersten Runde wird die Reihenfolge durch die Auswahl der Startkarten bestimmt. So erhalten die Spieler bereits erste Ressourcen und Karten sowie einen Schreiber, dazu sämtliches Spielmaterial in der eigenen Farbe (Gebäude, Statuen, Säulen, Produktionsmarker).

Gespielt wird reihum. Wer an der Reihe ist, wählt einen reinen oder verdorbenen Würfel aus der Auslage. Nun hat der Spieler zwei Optionen:

  • Er nimmt Ressourcen (Papyrus, Kalkstein, Granit, Brot) in der durch die Augenzahl des Würfels vorgegebenen Menge. Achtung: Der jeweilige Produktionsmarker gibt vor, wie viele Ressourcen ein Spieler besitzen darf. Sammelt ein Spieler mehr Ressourcen, als es der Marker erlaubt, verderben diese, d.h. sie gelangen mit auf die negative Seite der Waagschale. 
  • Er führt die Gottesaktion des Kreissegmentes aus, aus dem der Würfel genommen wurde. Die Augenzahl bestimmt dann weitere Vorgaben innerhalb der Aktion.


Das Einsetzen eines Schreibers erlaubt es, einen Würfel um bis zu 2 Augenzahlen zu verändern, 2 Schreiber erlauben es, eine beliebige Aktion mit einem beliebigen Würfel durchzuführen; auch verbotene Würfel sind dann ausnahmsweise erlaubt. So erhaltene Würfel werden nicht auf die Waage gelegt.

Die Aktionen der Götter:

  • Horus: Eine Statue wird vom Spielertableau entfernt und - entsprechend der Augenzahl des Würfels - auf einen freien Platz, gegen Bezahlung von Granit, rund um den Obelisken errichtet. Wann immer ein Spieler die dem Platz zugeordnete Gottesaktion durchführt, erhält der Besitzer der Statue nun einen Bonus. Auch kann eine Statue für einen Gold-Bonus in der Tempelanlage oder über den Werkstätten und in den Steinbrüchen des Osiris-Bereichs errichtet werden. 


  • Re: Um eine Säule in der Tempelanlage zu errichten, wählt der Spieler zunächst ein Fundament aus der Auslage - je nach Würfelzahl stehen verschiedene Plättchen zur Auswahl. Das Platzieren eines solchen Fundament-Plättchens kann Punkte für Gebäude in der selben Reihe oder Spalte liefern, zudem Punkte für übereinstimmende Farben der Kanten (angrenzend an den Tempelrand oder an andere Plättchen). Die Schattierung des Plättchens aktiviert - je nach Übereinstimmung mit dem Sonnenstand des Kreissegmentes, von dem der Würfel stammte - noch eine Fähigkeit. Zu guter Letzt wird dann eine eigene Säule auf dem Plättchen errichtet.


  • Hathor: Der Spieler errichtet (für 2 bis 4 Brot) ein Gebäude an der Tempelanlage. Nun wird wieder die Reihe bzw. Spalte des Bauplatzes betrachtet. So erhält der Spieler dann auf freien Feldern verfügbare Ressourcen je 1x bzw. Punkte für eigene Säulen sowie einen Fortschritt auf der Bevölkerungsleiste.


  • Bastet: Für 2 Papyrus kann der Spieler seinen Zufriedenheitsmarker nach vorn ziehen, und zwar um so viele Felder, wie die Würfelzahl vorgibt. Zur Belohnung gibt es Schreiber oder später auch Gold oder eine Gratisaktion.


  • Thoth: Der Spieler darf, entsprechend des Würfelwertes, eine bestimmte Anzahl an Karten aus der Auslage nehmen. Der Fortschritt auf der Zufriedenheitsleiste bestimmt dabei die Abschnitte, aus denen Karten gewählt werden dürfen. Es gibt Segen, die einen einmaligen Vorteil bringen, Technologien mit einem dauerhaften Vorteil sowie Dekrete, für die es am Spielende Punkte geben kann, wobei jede Dekret-Art nur einmal in die Wertung gebracht werden darf.


  • Osiris: Der Spieler errichtet ein Gebäude als Werkstatt oder Steinbruch; die Würfelzahl gibt die Reihe vor, in der dort gebaut werden darf. Dafür gibt es dann zur Belohnung einen Aufstieg des angegebenen Produktionsmarkers. 


Bei vielen Aktionen müssen Ressourcen gezahlt werden. Gold zählt dabei stets als Joker-Ressource.

Rotation: Alle zwei Spielzüge ändert sich der Sonnenstand, d.h. der Obelisk wird weitergedreht. Die Würfel werden nun den neuen Lichtverhältnissen angepasst - ein gerade noch reiner Würfel kann nun verdorben sein. Außerdem kommen neue Würfel ins Spiel.

Nach zwei Drehungen (also nach 4 Spielzügen) wird das Spiel zusätzlich von der Maat-Phase unterbrochen. Jetzt werden die Augenzahlen der Würfel in den Waagschalen gegeneinander verrechnet und die Differenz entsprechend markiert. Ist die Differenz zu hoch, sind die Götter verärgert, und der Spieler verliert Punkte. Maat bestimmt dann auch die neue Spielerreihenfolge, die Würfel werden von den Tableaus entfernt, und es wird weitergespielt.

Nach zwei Maat-Phasen (also nach 8 Spielzügen) findet zusätzlich eine Wertung statt. Nun gibt es Punkte für Mehrheiten in den vier Produktionsbereichen von Osiris, für errichtete Statuen und Gebäude, für den Fortschritt auf der Zufriedenheitsleiste, für die höchsten Positionen auf den Produktionsleisten und für (durch errichtete Gebäude) freigespielte Felder auf dem eigenen Tableau. Wurden Felder mit Brot freigespielt, muss die Anzahl an Brot bezahlt werden, sonst droht Siegpunkteverlust.

Nach der zweiten Wertung (also nach 16 Spielzügen) endet das Spiel. Nun werden noch bei der Schlusswertung, wie zuvor bereits erwählt, die gesammelten Dekrete gewertet. Der Spieler, der sich bei der Maat-Wertung auf Platz 1 der Reihenfolge gebracht hat, erhält noch 3 Zusatzpunkte. Wer nun die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.

Das Spiel kann auch in einem Solo-Modus gespielt werden.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • komplex verzahntes gehobenes Kenner-/ Expertenspiel
  • viele strategische Optionen
  • tolle Tischpräsenz
  • interessante Aktionsauswahl


CONTRA

  • viele Detailregeln
  • ständiges Würfel-Umsortieren
  • Karten mit kleiner Schrift können teils schwer gelesen werden

MEINUNG

Im Schatten des Obelisken leben die Götter, zumindest die ägyptischen. Sie finden sich wohlgeordnet in den Symbolen und Bildmotiven des klar strukturierten Spielplans wieder. Und der zeigt bereits beim ersten Anblick eine reichliche Anzahl von Möglichkeiten auf. Wird das weitere Material ausgepackt, fallen Würfel, unterschiedliche Karten und reichlich Marker ins Auge. Schnell wird klar: Das ist ein Spiel für Strategen, vor allem eines für erfahrene Spieler. 

Um im Spiel vorwärts zu kommen, sollte man sich der Fähigkeiten der Götter gut bewusst sein. Die kleine Kurzübersicht ist hier sehr hilfreich. Und die Götter wiederum wollen bezahlt werden. Es werden Häuser gebaut, Tempelsäulen, Statuen zu Ehren der Götter und der Menschen. Je zufriedener sie sind, desto besser stehe ich da, und desto mehr Auswahl steht mir in der offenen Kartenauslage zur Verfügung. 

Interessant ist die Würfelnutzung. Sie werden geworfen, den Göttern zugeordnet und gezielt genommen. Unpassende Würfel können über Götter und Karten positiver gewertet werden. Zudem werden sie immer mal, beim Drehen des Obelisken, den unterschiedlichen Waagschalen des Lebens neu zugeordnet. Ziel beim Nehmen des gewählten Würfels ist es, bei der Auswahl immer auf eine Balance im Leben zu achten. Die Würfel sind entweder rein, unrein oder gleich ganz verboten. Eine zu große negative Ausrichtung kostet wertvolle Spielerreihenfolge-Platzierungen. Aber manchmal lohnt es sich auch, diese in Kauf zu nehmen. Man muss eben nur wissen, was einem mehr bringt. Die Erstauswahl als Startspieler ist immerhin auch nicht unerheblich, da die Start-Boni doch recht unterschiedlich stark sind.

Würfelnutzung mit eingeschränktem Würfelglück: Dice-Placement der feinen Art. Insgesamt sind Spielthema, -mechanik und -material überaus angenehm miteinander verwoben. Das Spiel gefällt in Optik und Spielgefühl vor allem jenen, die gern planen und möglichst viel aus ihren Spielsituationen herausholen wollen. Über welche der zahlreichen Möglichkeiten ein Spieler letztlich Siegpunkte generiert, ist jedem selbst überlassen. Einzig ein zu starkes Springen innerhalb verschiedener Strategien empfiehlt sich nicht.

Die Tatsache, dass verschiedene Kartenkombinationen sich recht stark auf die Punktverteilung auswirken, kann teilweise für Kummer sorgen. Allerdings müssen die Kombinationen tatsächlich auch rechtzeitig "zusammengefunden" werden, und das passiert zum Glück recht selten. Und zugegeben, auch Glück spielt in Tekhenu ein wenig mit. Das wiederum kann Grüblern ein wenig in die Hände spielen, die dann doch noch versuchen, jeden Zug doppelt durchzuplanen. 

Mit im Durchschnitt 90 Minuten Spielzeit bei drei Spielern liegt die Spielzeit in einem guten Rahmen. Die reichlichen, aber gut überschaubaren Möglichkeiten, wecken recht häufig den Wunsch nach einer weiteren Runde. Die allgemeine Erfahrung unserer Tester war eine dauerhafte Sympathie zum Spiel, allerdings oft erst nach einer etwas zähen ersten Runde zum Kennenlernen. Tekhenu ist ein Spiel für Vielspieler. Die tolle Tischpräsenz unterstreicht dabei den sehr guten Gesamteindruck.

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10

EURE REZENSENTIN

GABI

Immer-und-Überall-Spielerin, Spieleberaterin, Krankenschwester

ZWEITMEINUNG

Tekhenu ist ein weiteres Expertenspiel von Daniele Tascini, das eine alte Zivilisation als Thema aufgreift. Das dargebotene Spielmaterial hat eine sehr gute Qualität, wobei der Obelisk ein Augenfang ist.


Die Regeln sind sehr umfangreich, und vor allem in den ersten Partien wird man die Anleitung immer mal wieder aufschlagen, da man kein Detail vergessen möchte. Jedoch werden Vielspieler, die auch andere Expertenspiele spielen, sich sehr schnell in das Spiel einfinden und schon nach der zweiten oder dritten Partie wissen, wie was miteinander verzahnt ist. Unterstützt wird das Regelwerk durch die gute Symbolik auf dem Spielbrett, da bei den Aktionen angegeben ist, welche Kosten man zu tragen hat oder wie man später einen Bereich wertet.


Das Spiel an sich hat eine angenehme Spielzeit für ein Expertenspiel. Je nachdem, wie viele Spieler mitspielen, und wie vertraut diese mit den Regeln sind, ist man nach 90 bis 150 Minuten mit einer Partie durch.

Am angenehmsten finde ich das Spiel zu dritt. In Tekhenu besteht das Kompetitive darin, dass man sich gegenseitig Würfel und Bauplätze wegschnappt. Mit nur zwei Spielern kommt dies natürlich nicht so zum tragen, dafür kann man dann besser planen und muss sich z.B. auch nicht so stark um eine Wertung bei der Osiris Aktion bemühen. Mit vier Spielern fällt das Vorausplanen schwerer, was auch die Downtime erhöhen kann. Hier ist es nämlich des Öfteren so, dass Würfel, die man eigentlich benötigen würde, bereits von den Mitspielern verwendet wurden. Im Gegenzug hierzu muss man aber sagen, dass bei vier Spielern die Wichtigkeit des Startspielers enorm zunimmt, um entsprechende Würfel zu erhalten. Auch wird die Aktion von Horus bei mehr Mitspielern wesentlich lukrativer, da man von den Aktionen der anderen Boni erhalten könnte. Bei drei Spielern hält sich das gerade Beschriebene in der Waage, was mir den meisten Spaß bereitet.


Übrigens Waage. Der Mechanismus, dass man seine Würfel im Einklang halten sollte, ist mal mehr und mal weniger wichtig. Hier kommt es ebenfalls auf die Spieleranzahl an. Mit zwei Spielern kann man es verkraften, nicht der Startspieler zu sein und ggf. die Minuspunkte zu kassieren, da die zuvor genommene Würfelaktion entsprechend viel Ertrag gebracht hat. Bei mehr Spielern kann der Startspielervorteil entsprechend entscheidend sein. Auch die Limitation der Produktionsleiste spielt in diesen Mechanismus rein, da man aufpassen muss, dass man keinen Überschuss produziert, der sich direkt negativ auf die Waage auswirkt.

Was ich sehr mag, sind die diversen Karten, die das Spiel abwechslungsreich machen. So kann man auch nicht ständig die selbe Herangehensweise nutzen. Gleichzeitig hat man einen Zwang, dass man seine Spielweise in eine bestimmte Richtung lenken muss, was jemanden eventuell aufstoßen könnte. Sollte man also eine Taktik ausprobieren wollen, die nicht der Startkarte dient, muss man sich später weitere Dekrete organisieren, welche entsprechend der Taktik erst mal verfügbar sein müssten.


Es gibt dann noch zwei Kleinigkeiten, die mich an dem Spiel stören. Auch wenn es nicht den größten Aufwand darstellt, nervt mich auf Dauer das ständige Verschieben der Würfel um den Obelisken. Noch ärgerlicher wird es, wenn ein Würfel einmal falsch platziert wird und  man den entsprechenden Würfel einplant, den Fehler aber doch noch vorher bemerkt, der Würfel auf seinen richtigen Platz gelangt und man so einen Zug verloren hat. Ja, dies kann man vermeiden, es ist jedoch ab und an bei uns vorgekommen.


Den Obelisken benötigt man spielerisch nicht, auch wenn die Mechanik um diesen herum aufgebaut wurde. So verdeckt er manchmal ein wenig die Sicht, jedoch konnte er auch schon Spieler zum Spielen des Spiels anregen, da dieser das Ganze optisch aufwertet und interessanter, ja, imposanter wirken lässt.


Das größte technische Manko an dem Spiel sind jedoch die Karten bzw. die kleine Schrift der Karten. Sitzt man nicht direkt vor der Auslage, hat man eigentlich keine Chance, die Karten gut zu lesen, sodass es öfters vorkommt, dass man aufstehen und ums Spielbrett gehen muss, um diese eben zu erfassen. Den Spieler, der vor den Karten sitzt, kann man nicht darum bitten, einem eine Karte zu geben, da die Mitspieler sonst direkt wüssten, in welche Richtung eine Taktik verfolgt wird. Auch kann man nicht ständig die Karten miteinander vergleichen (wenn man nicht davor sitzt), was ich persönlich sehr gerne mache. Es empfiehlt sich daher zumindest, jede neue ausgelegte Karte einmal für alle laut vorzulesen, auch wenn die Karten eine gute Symbolik besitzen, mit der man etwas anfangen kann, sobald man das Spiel einige Male gespielt hat. 


Insgesamt ist Tekhenu dennoch ist ein sehr schönes Spiel, bei dem die Aktionen wunderbar verzahnt sind und man sich stets eine Strategie überlegen muss, die teilweise durch das Spiel zu Beginn vorgegeben wird. Glück spielt hier, trotz geworfener Würfel, kaum eine Rolle. Das Spiel richtet sich an Expertenspieler, welche auch gerne mal zwei Züge im Voraus planen möchten und nicht zu frustriert sind, wenn es dann doch nicht klappen sollte.

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10

EUER REZENSENT

MANUEL

Paragraphenreiter, Pausenclown, Erklärbär, Nintendo-Kind

Eine Rezension vom 24.09.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Board & Dice / Giant Roc
Weitere Fotos: Spielkultisten