REZENSION
TILETUM
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Board & Dice / deutsche Version: Giant Roc
- Autoren: Daniele Tascini, Simone Luciani
- Grafik: Giorgio De Michele, Zbigniew Umgelter
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: 60 bis 100 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Reisen in der Renaissance
Wir befinden uns in den Zeiten der Renaissance. Als wohlhabende Händler begeben wir uns auf Reisen quer durch Europa, um Handelsposten zu errichten, Aufträge zu erfüllen, an Messen teilzunehmen und uns am Bau von Kathedralen zu beteiligen.
REGELN
Bestückt den Spielplan mit zufällig gezogenen Plättchen diverser Arten (Boni, Personen, Verträge, Messen, Korruption), stellt euren Architekten und euren Händler-Wagen in die Stadt Tiletum und errichtet dort auch ein erstes Handelshaus. Jeder erhält ein eigenes Spielertableau, zwei Säulen und zwei Häuser zum Einsetzen, sowie weitere Säulen und Häuser, die allerdings erst vom Tableau aus freigeschaltet werden müssen. Zudem bekommt jeder Spieler erstes Gold sowie von jeder Ressource genau ein Plättchen.
Die Ressourcenfarben (gelb = Gold, rosa = Nahrung, blau = Eisen, dunkelgrau = Stein, hellgrau = Wolle) spiegeln sich auch in den Würfel wieder, von denen pro Spieler je einer jeder Farbe in den Beutel gegeben wird.
Gespielt werden 4 Runden. Zu Beginn jeder Runde wird eine bestimmte Anzahl an Würfeln aus dem Beutel gezogen und geworfen. Die Würfel werden nun nach der Augenzahl den entsprechenden Segmenten des Aktionsrades zugeordnet. Jedes Segment steht für eine eigene Aktion.
In der Aktionsphase, die aus drei Durchgängen pro Runde besteht, wird zunächst immer ein Korruptionsplättchen aufgedeckt. Die Marker der Spieler wandern auf der Königsleiste entsprechend viele Felder zurück.
Nun wählt der Startspieler den ersten Würfel, erhält ggf. (wenn gewünscht) das dort noch ausliegende Bonusplättchen, entsprechend farbige Ressourcen in der Würfelaugen-Anzahl und führt dann die an den Würfel geknüpfte Aktion aus, wobei beim Ausführen der Aktion Aktionspunkte ausgegeben werden. Die Augenzahl des Würfels und die Aktionspunkte addieren sich immer zu sieben, heißt: Ein 1er-Würfel liefert nur eine Ressource der entsprechenden Farbe, dafür aber sechs Aktionspunkte. Umgekehrt liefert ein 6er-Würfel gleich sechs Ressourcen, aber nur einen Aktionspunkt. Für 2 Gold kann ein Würfel im Wert um den Wert von plus / minus 1 verändert werden, auch mehrfach, wenn es der Gold-Besitz zulässt. Das Gold wird dann zurück in den allgemeinen Vorrat gelegt.
Die Aktionen sind:
- Händler: Für je einen Aktionspunkt kann der Händlerwagen in eine Nachbarstadt gezogen werden, ein Bonusteil kann in einer Stadt eingesammelt werden, oder es wird ein verfügbares eigenes Handelshaus auf einem in der angesteuerten Stadt befindlichen freien Bauplatz errichtet, ggf. mit einem Bonus. Pro Stadt darf nur ein eigenes Haus platziert werden.
- Architekt: Der funktioniert genau wie der Händler, nur wird diesmal eine Säule statt eines Hauses auf einem entsprechenden freien Feld einer Stadt errichtet, in der sich gerade der Architekt befindet. Pro Stadt darf nur eine eigene Säule platziert werden.
- Personen: Für je einen Aktionspunkt kann die Auslage der Personenplättchen ausgetauscht werden oder eine Person vom Spielplan genommen und aufs eigene Tableau gelegt werden. Für 1 bis 3 Aktionspunkte kann eine aufgenommene Person in Etage 1 bis 3 eines der eigenen Gebäude auf der Spielertafel gelegt werden. Das bringt den Sofort-Bonus der Person. Wurden sämtliche Etagen eines Gebäudes gefüllt, wird das darüber befindliche Haus freigespielt. Pro Haus darf nur eine Personen-Art gesammelt werden. Keine Personenart darf in zwei verschiedenen Gebäuden untergebracht werden.
- Verträge: Für 1 bis 3 Aktionspunkte kann ein Vertrag aus der Auslage angenommen werden. Auch können für Aktionspunkte Ressourcen getauscht werden.
- Krone: Entsprechend der Aktionspunkte wandert der eigene Marker auf der Königsleiste nach vorn.
- Narr: Diese Aktion kopiert eine beliebige der zuvor genannten.
Als Nebenher-Aktionen kann der Spieler jederzeit ...
- zwei Gold-Münzen in eine beliebige Ressource tauschen.
- ein Gebäude auf der Spielertafel fertigstellen, indem, nachdem alle Etagen mit Personen gefüllt wurden, noch ein Wappen auf das untere Bonusfeld des Gebäudes gelegt wird. Das kostet die angegebene Nahrung und liefert einen sofortigen Vorteil. Zudem wird ein Bonus-Aktionsmarker freigeschaltet, der ab sofort für den Spieler (je nach Höhe des belegten Gebäudes und der Personenart) eine bestimmte Aktion am Aktionsrad um weitere Aktionspunkte dauerhaft verstärkt.
- einen Vertrag erfüllen, indem die geforderte Menge an Ressourcen bezahlt wird. So werden dann Punkte und eine neue Säule zum Einsetzen freigeschaltet.
- am Bau einer Kathedrale mithelfen. Dafür zahlt der Spieler die Stein-Kosten in einer Stadt, in der bereits eine eigene Säule gebaut wurde. Zur Belohnung gibt es das oberste noch ausliegende Kathedralen-Plättchen und entsprechend viele Punkte.
- erhaltene Bonus-Plättchen (Helfer) einsetzen, um ihre Funktionen zu nutzen.
Wichtig! Erhaltene Plättchen (außer Kathedralen) müssen immer erst auf einem der vier Lagerplätze des Spielertableaus untergebracht werden. Ist dort kein Platz, kann ein Plättchen nicht aufgenommen werden!
Wurden drei Durchläufe der Aktionsphase gespielt, werden nun Punkte für die Positionen der eigenen Marker auf der Königsleiste vergeben (oder halt Minuspunkte). Wer am weitesten vorn steht, darf das dort ausliegende Bonusplättchen an sich nehmen; in der letzten Runde gibt es stattdessen einfach 4 Siegpunkte für den führenden Spieler. Die Marker aus dem Minus-Bereich werden anschließend wieder auf das Startfeld gelegt. Die Marker bestimmen auch die neue Spielerreihenfolge.
In der abschließenden Messe-Phase einer Runde werden Punkte entsprechend der Wertungsvorgabe verteilt. Um an einer Messe teilnehmen zu können, muss sich zu diesem Zeitpunkt ein eigenes Haus oder der Händlerwagen in der Messestadt befinden. So gibt es dann beispielsweise Punkte für jedes gebaute Haus, jede gebaute Säule, für Sets etc.
Anschließend wird die neue Runde vorbereitet, in dem neue Bonus-Plättchen auf die Königsleiste und das Aktionsrad gelegt werden und sich das Aktionsrad um ein Segment weiterdreht.
Nach der 4. Runde endet das Spiel. In der Schlusswertung gibt es jeweils einen Punkt für vier übrige Ressourcen, außerdem für die Anzahl mit Wappen fertiggestellter Gebäude, und es wird die Gesamtzahl eigener gebauter Häuser mit der Gesamtzahl eigener errichteter Säulen multipliziert. Wer die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.
Das Spiel bietet auch einen Solo-Modus.
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- strategische Eurogame-Kost
- toll verzahnt
- belohnend durch viele Boni
- taktische Planung
- Varianz in jeder Partie
CONTRA
- das Glück kann auch mal mitentscheiden
- Thema rückt in den Hintergrund
MEINUNG
Ein neues Strategiespiel mit „T“ bei Board & Dice? Autor Daniele Tascini, hier in Kooperation mit Simone Luciani? Geeks wissen da sofort: Tiletum wird ein neues Brett, im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei wird uns auf den ersten Blick gewohnte Eurogame-Kost vorgesetzt: Taktisches Bewegen, Bauen, Ressourcen sammeln, Aufträge erfüllen, Rundenziele erreichen - alles schon mal irgendwo gesehen. Das Thema wirkt klassisch, die Gestaltung ist eher nüchtern.
Und doch wirkt Tiletum frisch. Woran liegt‘s? Da wäre zum einen der trickreiche Würfel-Mechanismus, der Ressourcen und Aktionen in eine direkte konträre Verbindung setzt. Sammele ich viele Ressourcen, ist meine Aktion vergleichsweise schwach, wähle ich eine starke Aktion, erhalte ich vielleicht nur eine neue Ressource. Das ist ein gefälliges Prinzip. Und dadurch, dass sich das Aktionsrad in jeder Runde weiterdreht, werden die Aktionen auch immer wieder neu bewertet.
Ja, an der Stelle ist dann auch durchaus mal Glück im Spiel vorhanden. Wenn nach Runde 1 Punkte für errichtete Säulen verteilt sind, aber kein Würfel mit einer für die Architekten-Aktion passenden Augenzahl geworfen wurde, dann muss man umplanen. Gold kann zwar zum Abändern von Würfelzahlen genutzt werden, aber es muss halt auch erst einmal vorhanden sein. So wird aus dem Startspieler-Vorteil, die freie Wahl zu haben, vielleicht sogar ein Nachteil, einfach weil der Startspieler mit nur einem Gold Startkapital keinen Würfel verändern kann. Im Verlauf des Spiels werden diese Restriktionen geringer, da man sich Bonusplättchen oder Aktionsaufwertungen erspielt, die einem dann helfen, doch mehr machen zu können, als man anfangs vielleicht vermutet.
Ja, die vielen Boni sind der treibende Motor des ansonsten doch eher mechanisch wirkenden Spiels, das im Grundgerüst in jeder Partie gleich bleibt. Ich muss Häuser bauen, um an Messen teilzunehmen. Ich muss Säulen bauen, um Kathedralen zu errichten. Ich muss Aufträge erfüllen, um neue Säulen freizuspielen und Personenplättchen in meinen Tableau-Gebäuden unterbringen, um neue Häuser zu erhalten. Die Akionen sind für sich genommen gar nicht mal schwer, aber die Verzahnung aller Elemente erfordert dann schon eine gute Planung bzw. Optimierung der eigenen Spielzüge, zudem ein gutes Timing beim Einsetzen der Bonus-Plättchen, die ja auf lange Sicht sonst auch das eigene Lager verstopfen.
Grübler können das Spiel mitunter ausbremsen. Und das Thema will auch nicht so richtig durchschimmern. Okay, wir reisen durch Europa, aber alles andere wirkt schon eher technisch und lässt sich nicht immer logisch anhand des Themas erklären. Da steht der Mechanismus klar im Vordergrund, aber das kennen Eurogame-Spieler ja durchaus. Die Illustrationen der echten Kathedralen, die ihren Städten zugeordnet sind, lassen aber dann doch noch das etwas Flair aufkommen. Die Ikonografie ist schnell verinnerlicht, und alles ist zweckmäßig gestaltet, sodass man immer einen guten Überblick hat. Einzig die Bonus-Symbole auf manchen Plättchen sind teilweise recht klein geraten.
Fazit: Tiletum gefällt mir in seiner spielerischen Gesamtheit wirklich gut. Vom trickreichen Auswählen der Würfel bis hin zur Reiseplanung, die so gut sein sollte, dass einem keine Messewertung durch die Lappen geht, ist alles so klug kombiniert, dass es Spaß macht, alle Stellschrauben auszuloten. Und auch wenn ich in jeder Partie erneut Häuser und Säulen baue, so sind die Voraussetzungen durch die modularen Boni, durch die stets neu kombinierten Würfel und ihre zufälligen Augenzahlen, durch wechselnde Wertungen und Reise-Abläufe immer wieder anders, sodass keine Partie exakt einer anderen gleichen wird. Das Spiel erfindet den strategischen Eurogame-Sektor zwar nicht komplett neu, wirkt vielleicht auf den einen oder anderen auch thematisch ein wenig seelenlos, aber dennoch ist es für mich ein persönliches Genre-Highlight des Jahres 2022, dem ich sehr gute 8 Kultpunkte attestiere.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/Le-yknNVbhc
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 29.01.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Board & Dice / Giant Roc
Weitere Fotos: Spielkultisten