REZENSION

SATTGRÜN

  • Genre: Taktik-/ Denkspiel
  • Jahr: 2023 (englischsprachige Ausgabe: Verdant, 2022)
  • Verlag: KOSMOS / Flatout Games / AEG
  • Autoren: Molly Johnson, Robert Melvin, Aaron Mesburne, Kevin Russ, Shawn Stankewich
  • Grafik: Beth Sobel
  • Spieler: 1 bis 5
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel 
  • Taktiklevel: 7/10

Grüner Daumen gesucht!

Denkst du, du besitzt einen grünen Daumen? Dann beweise es in diesem Legepuzzle, bei dem jeder für sich ein Raster aus Zimmer- und Pflanzenkarten erstellt, in dem Pflanzen wachsen, in Töpfe gesteckt, aber auch die Räume mit Möbeln und Haustieren gemütlich gemacht werden.

REGELN

Ich beschreibe hier zunächst das Standardspiel. Die Regeln für das vereinfachte Spiel weichen von diesen Regeln ab; mehr dazu am Ende des Erklärungsteils. 

Mischt die Pflanzen- und Zimmerkarten separat und packt alle Gegenstandsplättchen in den Beutel, in dem ihr sie gut durchmischt. Jeder erhält eine zufällige beider Karten-Arten und legt sie beliebig (waagrecht oder senkrecht angrenzend) aneinander. Dabei muss die korrekte Ausrichtung der Karten erhalten bleiben, sie dürfen also nicht gedreht werden. Eventuell erhältst du nun ein erstes Wachstums-Blatt auf deine Pflanzenkarte, mehr dazu später.

Pflanzenkarten gibt es in 5 verschiedenen Farben (Pflanzenarten). Sie zeigen ihren maximalen Wachstum und die dafür erhältlichen Punkte an. Außerdem zeigen sie an der oberen Kante ein oder mehrere Symbole, die bestimmen, mit welchen Lichtverhältnissen die Pflanze klarkommt. Am unteren Ende der Karte findet sich noch ein informativer Text zur Pflanze; diese Text hat keine Spielrelevanz.

Zimmerkarten gibt es in den selben 5 Farben wie die Pflanzenkarten. Sie zeigen an ihren vier Seiten jeweils ein Symbol für die Lichtverhältnisse, die an dieser Stelle in dem Raum herrschen. Zudem besitzt jede Karte in der Mitte ein Ablagefeld für ein Gegenstandsplättchen (Möbel oder Haustier).

Die Gegenstandsplättchen gibt es ebenfalls in den 5 Kartenfarben, jeweils versehen mit einem von 9 Motiven (fünf Möbelstücke, vier Haustier-Arten). Zu diesen 45 Plättchen im Beutel gesellen sich dann 45 Pflege-Plättchen, je 15 Dünger, Schaufeln und Gießkannen. 

Bildet einen Vorrat an Blumentöpfen, wobei die Anzahl der besonderen Töpfe (1 / 2 / 3 Punkte wert) durch die Spielerzahl bestimmt wird. Die Terrakotta-Töpfe hingegen sind immer in der vollen Anzahl im Spiel, bringen aber auch keine Punkte.

Spielt ihr in der fortgeschrittenen Variante, zieht ihr nun doch 3 zufällige Auftträge (je einen, der sich auf die Pflanzen, einen, der sich auf die Zimmer und einen, der sich auf die Gegenstände bezieht). Diese Aufträge können am Spielende zusätzliche Punkte einbringen. Möchtet ihr das Spiel erst einmal besser kennenlernen, könnt ihr diese Aufträge weglassen.

Bildet nun ein offenes Angebot, indem ihr 4 zufällige Plättchen aus dem Beutel zieht und sie als Reihe nebeneinander auslegt. Zieht zudem 4 zufällige Pflanzenkarten und legt sie jeweils über die Plättchen, zieht außerdem 4 zufällige Zimmerkarten und legt sie unterhalb der Plättchen ab. So bilden sich insgesamt 4 Dreier-Kombinationen (jeweils aus Pflanzenkarte, Plättchen und Zimmerkarte). 

Die letzte Person der Spielerreihenfolge erhält zwei erste "Grüne-Daumen"-Plättchen, die sie auf ihre Ablagekarte legt. Alle anderen eventuell mitspielenden Personen erhalten nur einen grünen Daumen, ausgenommen von der ersten Person - die erhält nämlich keinen grünen Daumen.

Gespielt wird reihum. Bist du an der Reihe, wählst du ein ausliegendes Plättchen und eine der beiden angrenzenden Karten, also entweder die Pflanzen- oder die Zimmerkarte. Die übrig gebliebene Karte diese Kombination wird mit einem grünen Daumen aus dem Vorrat belegt. 

Deine gewählte Karte legst du nun orthogonal angrenzend an bereits ausliegende eigene Karten an. Dabei müssen sich Zimmer- und Pflanzenkarten stets abwechsln, sodass eine Art Schachbrett-Muster entsteht. Aneinander gelegte Karten müssen farblich nicht übereinstimmen, allerdings kann eine Farbgleichheit Extrapunkte am Spielende liefern. Wichtig: Anfangs kannst du noch frei wählen, in welche Richtung du dich ausbreitest, beachte aber, dass deine Auslage am Ende ein Raster aus 5x3 Karten (oder, anders ausgedrückt ,3 Reihen mit je 5 Karten nebeneinander) ergeben muss. Gelegt ist gelegt, d.h. Karten können ihre Positionen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr wechseln. 

Überprüfe nun, ob sich die geforderten Lichtverhältnisse einer Pflanze mit einer angrenzenden Zimmerkarte (an der angelegten Seite) gleichen. Ist dies der Fall, erhältst du pro orthogonal angrenzender Übereinstimmung 1 Wachstums-Blatt auf die jeweilige Pflanze. Das überprüfst du übrigens auch schon vor Spielbeginn bei deinen beiden Startkarten.

Das erhaltene Plättchen kannst du entweder zunächst auf deine Ablagekarte legen, um es für eine spätere Runde aufzuheben (wobei immer nur exakt ein Plättchen gelagert werden darf) - oder du setzt es direkt ein. Ein Gegenstandsplättchen wird dann auf ein freies Ablagefeld einer Zimmerkarte gelegt, sofern es sich um ein Möbelstück oder ein Haustier handelt. Du musst das Plättchen nicht auf eine farblich passende Karte legen, allerdings beschert dir das am Spielende eventuell zusätzliche Punkte.

Hast du alternativ ein grünen Pflege-Plättchen erhalten, kannst du es - je nach Motiv - einmalig verwenden:

  • Dünger lässt exakt 1 Pflanze um 3 Blätter wachsen.
  • Die Schaufel lässt 3 Pflanzen um jeweils 1 Blatt wachsen.
  • Die Gießkanne lässt alle orthogonal an einen von dir gewählten Raum angrenzende Pflanzen um 1 Blatt wachsen.


Überprüfe, ob eine Pfanze ihre maximale Größe erlangt hat, also die Blätter, die auf ihr gesammelt wurden, dem Wert des Wachstums, der auf der Karte angegeben ist, entsprechen. Ist dies der Fall, entfernst du die Blätter von der Karte und legst stattdessen den wertvollsten noch verfügbaren Blumentopf auf die Karte. Diese Pflanze gilt als vollendet und bringt am Ende die gelb unterlegten Punkte sowie evtl. Zusatzpunkte für den Topf. Natürlich können in einem Spielzug auch mehrere Pflanzen auf einmal vollendet werden.

Nachdem du dich entschieden hast, ob du das gerade erhaltene Plättchen einsetzt (ggf. auch zusammen mit einem bereits gelagerten) oder ob du es lagerst (ggf. auch gegen ein gelagertes austauscht), füllst du nun den Markt mit einem neuen Plättchen aus dem Beutel und einer neuen Karte auf. Dann folgt die nächste Person in Spielerreihenfolge. Das Spiel geht nun reihum so weiter. Wählt eine Person eine Karte mit einem oder mehreren grünen Daumen, erhält sie diese Plättchen.

Die grünen Daumen können im eigenen Spielzug jederzeit für Sonderaktionen eingesetzt werden. Gegen Abgabe von 2 Plättchen, hast du die Wahl aus folgenden Optionen:

  • Tausche beliebig viele Pflanzen- und / oder Zimmerkarten (ohne grüne Daumen) aus der offenen Auslage gegen neue vom Stapel aus.
  • Tausche beliebig viele Plättchen aus der offenen Auslage gegen neue aus dem Beutel aus.
  • Wähle eine beliebige Karten-/ Plättchen-Kombination, unabhängig von der Position in der offenen Auslage. 
  • Füge einer eigenen Pflanze 1 Blatt hinzu.


Das Spiel endet, wenn alle mitspielenden Personen 13 Spielzüge absolviert haben. Jeder besitzt nun ein 5x3-Raster aus Karten. Jetzt folgt die Schlusswertung:

  • Erhalte pro vollendeter Pflanze die gelb unterlegten Punkte auf der Karte.
  • Erhalte für je 2 Blätter auf unvollendeten Pflanzen 1 Punkt.
  • Erhalte pro besonderem Blumentopf 3/ 2 / 1 Punkt(e).
  • Betrachte nun nacheinander jede einzelne Zimmerkarte in deinem Raster. Du erhältst 1 Punkt pro farblicher Übereinstimmung mit angrenzenden Pflanzenkarten. Diese Punkte werden verdoppelt, wenn sich auf der Zimmerkarte ein farblich übereinstimmendes Gegenstandsplättchen befindet. 
  • Zähle die verschiedenen (!) Möbelstücke und Haustiere in deiner Auslage. Dabei werden nur die Motive und nicht die Farben betrachtet! Je mehr verschiedene Motive du untergebracht hast, umso mehr Punkte bekommst du (bis zu 25).
  • Erhalte 3 Bonuspunkte, wenn du alle 5 Pflanzenkarten-Farben in deinem Raster liegen hast.
  • Erhalte 3 Bonuspunkte, wenn du alle 5 Zimmerkarten-Farben in deinem Raster liegen hast.
  • Spielt ihr mit den Auftragskarten, erhältst du entsprechend Punkte, je nachdem, ob bzw. wie gut du ein vorgegebenes Ziel erfüllt hast.


Die Person mit den meisten Punkten gewinnt.


Im vereinfachten Spiel wird ohne grüne Daumen und ohne die Funktionen der Pflegeplättchen gespielt. Ein Pflegeplättchen vollendet eine Pflanze sofort. Vollendete Pflanzen sind generell 5 Punkte wert, und Blumentöpfe geben grundsätzlich keine Punkte, die Set-Wertungen bleiben erhalten, Aufträge gibt es keine.

Das Spiel bietet zudem einen Solo-Modus sowie diverse Herausforderungen (Szenarien) in der Anleitung, die erfüllt werden können.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • taktisches Legepuzzle mit vielfältiger Wertung
  • dank Illustrationen und Infotexten besonders reizvoll für Pflanzenfreunde
  • verschiedene Spielmodi


CONTRA 

  • verkopfter als das geniale Cascadia
  • Zimmerkarten wirken ein wenig nüchtern gestaltet

MEINUNG

Es begann mit Calico. Als Flatout Games dieses Legespiel veröffentlichte, begeisterten die niedlichen Katzen auf ihren Quilts sofort viele Puzzlefreunde. Da sich das eigentliche Spiel dann als abstrakte Denksport-Aufgabe erwies, bei der es nicht immer leicht fiel, den Überblick zu behalten, war die Zielgruppe, die so etwas mag, dann tatsächlich schon eingeschränkter.

Als nächstes kam Cascadia. Mit dem trickreichen Auswahlsystem und den optisch klaren Wertungsbedingungen zeigte sich der Nachfolger von Calico deutlich zugänglicher. Trotz großer Varianz durch die verschiedenen Tier-Ziele ergibt sich hier immer eine fluffige Spielweise, die jeden sofort mitnimmt. Ganz klar: Der „rote Pöppel“, also die Spiel des Jahres-Auszeichnung im Jahr 2022 belohnte das überaus gelungene Spielgefühl zu Recht.

Nun folgt also Sattgrün (im Original: Verdant), und es scheint, als sei dieses Spiel ein Hybrid aus den beiden Vorgängern. So erinnert die Auswahl aus Plättchen- und Karten-Duo definitiv an Cascadia, wurde aber um eine zweite Entscheidung erweitert, denn eine weitere Kartenart liegt mit im Angebot. Da nicht gewählte Karten grüne Daumen erhalten, und diese wiederum wertvolle Sonderaktionen liefern, gibt es bei der Auswahl schon mehr zu bedenken, was sich dann durch die Wertungsregeln noch einmal weiter steigert.

Im Gegensatz dazu zeigt sich Sattgrün bei den Legeregeln bewusst tolerant. Ich muss Karten nicht farblich passend aneinander legen. Ich muss Plättchen nicht auf farblich passende Karten legen. Ich muss keine Übereinstimmungen bei den Lichtverhältnissen erzielen, um eine Pflanze mit einem Zimmer (dargestellt durch eine doch sehr abstrakt, ja schon nüchtern wirkende Farb-Karte) zu verbinden. Klingt doch erst einmal versöhnlich. Frustmomente werden so klar reduziert, was bei dem nicht zu unterschätzenden Glücksanteil auch nötig erscheint, denn oft liegt nicht gerade das im Angebot, was mir aus taktischer Sicht den größten Ertrag liefern würde. Optimierung ist also angesagt, und ganz klar: Die Thematik muss da an der einen oder anderen Stelle einen kleinen Schritt zurücktreten und Platz machen für die Mechanik.

Wer nun aber glaubt, dass die zuvor genannten optionalen Bedingungen keinen Grund darstellen, sie nicht doch mit in die Überlegungen einzubeziehen, der irrt sich. Schließlich lassen sich nur mit vollendeten Pflanzen viele Punkte generieren - also sollten die Lichtverhältnisse sehr wohl zum Wachstum einer Pflanze beitragen, wenn man sich nicht allein auf den Dünger verlassen möchte (was man auch nicht sollte...). Das Wettrennen um die besten Blumentöpfe ist dann nämlich ein weiteres punkteträchtiges Element. Und auch, wenn Farben nicht übereinstimmen müssen, so liefern gerade diese Übereinstimmungen am Ende doch bis zu 8 Punkte pro Zimmerkarte mit passendem Gegenstand und passend angeschlossenen Pflanzen.

Nun legt sich Sattgrün aber nicht auf eine Wertung fest. Selbst, wenn meine Auslage suboptiomal gestaltet ist, so kann ich doch noch fette Punkte abgreifen. Die Set-Wertung, die die unterschiedlichen Motive auf Gegenstände belohnt, gleicht fehlende Farbübereinstimmungen ggf. noch einmal aus. Dabei besitzt das Spiel aber auf jeden Fall eine Lernkurve. So kann man in der Erstpartie oft noch nicht überblicken, wie wichtig oder unwichtig Perfektionismus ist. Das Spiel lädt, auch durch den geschickten Einsatz der Pflege-Plättchen, mehr zum Grübeln ein, als es Cascadia machte. Je nach Mitspielern kann da auch mal eine gewisse Downtime entstehen, denn ein Spielzug besteht immer aus 7 kleinen Einzelphasen. Das wirkt dann alles insgesamt etwas verkopfter als Cascadia.

Als Fan von solchen Optimierungspuzzeln gefällt mir Sattgrün aber auf jeden Fall gut. Die so entspannte Atmosphäre, die das Schachtelcover verbreitet, täuscht dabei ein wenig, denn im Kern ist Sattgrün, wie auch schon Calico, eine knackige Denksportaufgabe. Das Spiel ist, trotz Glücksfaktoren, stets taktisch geprägt.

Wem gerade die umfangreiche Wertung schon zu komplex ist, der kann auf eine vereinfachte Variante zurückgreifen, die für mich aber nur dazu dienen sollte, besser ins Spiel zu finden. Auf Dauer überzeugt mich das Standardspiel dann doch deutlich mehr, allerdings mit dem Hinweis, dass doch schon etwas Spielerfahrung vorhanden sein sollte, um sich nicht von den verschiedenen Wertungsregeln überfordert zu fühlen.

Im direkten Vergleich zum Vorgänger Cascadia vergebe ich gute 7 Kultpunkte, würde persönlich Cascadia auch zum Einstieg in solche Legepuzzle bevorzugen. Dennoch gebe ich den Fans von exakt solchen Spielen aber auf jeden Fall eine Empfehlung, dann auch mit Tendenz zu sehr guten 8 Kultpunkten, wenn man Punktesalat-Spiele, oder, freundlicher ausgedrückt, Spiele, bei denen man Multitasking-fähig sein sollte und seinen Perfektionismus auch mal über Bord werfen muss, als Spaß bringende Herausforderung betrachtet. 

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/onz-bNmUAME

KULTFAKTOR: 7-8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 04.06.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten