REZENSION

ENCYCLOPEDIA

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2023
  • Verlag: Holy Grail Games / im Vertrieb von Asmodee
  • Autoren: Éric Dubus, Olivier Melison
  • Grafik: Joëlle Drans, Jérémie Prugneaux, Ronan Toulhoat
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 60 bis 120 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Forschung durch Würfel

Im Jahr 1739 wurde Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon, zum Direktor des königlichen Botanischen Gartens, inklusive naturhistorischem Kabinett, ernannt. Dort begann die Arbeit an einem wichtigen Werk im Zeitalter der Aufklärung: Die Enzyklopädie über die "Allgemeinen Historie der Natur". Genau an dieser arbeiten wir nun auch.

REGELN

Bereitet zunächst den Spielplan vor und belegt ihn mit Experten- und Tierkarten. Jeder sucht sich - entgegen der Spielerreihenfolge - zwei erste Tierkarten aus und legt sie unter das eigene Spielertableau. Außerdem gibt es für jeden ein erstes Expeditionssiegel sowie Geld (2 bis 4 Münzen, je nach Reihenfolge). Die Tierkarten werden danach noch einmal komplett aufgefüllt. Legt zudem sechs Runden-Plättchen verdeckt auf die Runden-Leiste und deckt das erste auf. Den Bonus erhält jeder von euch, z.B. drei Münzen oder ein Expeditionssiegel.

Gebt alle Würfel in den Beutel. Zu Beginn jeder Runde zieht ihr jeweils vier zufällige Würfel aus dem Beutel, werft sie und legt sie anschließend in der gewünschten Reihenfolge auf die Würfelfelder eures eigenen Tableaus.

Gespielt wird reihum. Wer am Zug ist, nimmt einen Würfel, setzt ihn auf dem Spielplan ein und führt die entsprechende Aktion aus. Dabei darf ein Würfel vom eigenen Tableau genommen werden oder aber der Würfel von einer gegnerischen Tafel. Je nach Würfelfeld erhält der Gegner dafür aber ggf. einen Bonus (Ansehenspunkte auf der Ansehensleiste, die wiederum weitere Boni generiert, Siegpunkte oder Münzen).

Würfel können im Spiel manipuliert werden:

  • Jede abgegebene Münze erhöht den Wert des Würfels um 1, auch über 6 hinaus.
  • Jedes Expeditionssiegel erhöht den Wert während einer Expedition um 2. Alternativ ändert so ein Siegel während einer beliebigen Aktion die Farbe des Würfels.
  • Jedes königliche Siegel färbt einen Würfel um und erhöht gleichzeitig seinen Wert um 5. Alternativ gibt es für so ein Siegel 5 Münzen, am Rundenende eine Extra-Aktion oder 4 Siegpunkte am Spielende.


Je nach gewählter Aktion beeinflussen Würfelfarbe und Wert die eigenen Möglichkeiten:

In der Botschaft gibt es 1 bis 3 Expeditionssiegel - je nach Würfelwert (Farbe egal).

In der Bank gibt es 5 Münzen (Würfelwert und Farbe egal). Der erste, der in einer Runde die Bank wählt, wird zudem neuer Startspieler.

In der Universität gibt es einen der ausliegenden Experten (Würfelwert und Farbe sind grundsätzlich egal; stimmt die Farbe des Würfels jedoch mit dem Experten überein, gibt es als Bonus ein Expeditionssiegel). Die Experten haben einmalige, dauerhafte Vorteile oder Effekte am Spielende. Jeder besitzt 4 Slots auf seinem Tableau, auf denen Experten liegen können. Bei mehr als 4 Experten müssen Karten verdeckt oder unter andere geschoben werden. Nur die sichtbaren Karten liefern ihre Effekte. Am Spielende zählen aber alle gesammelten Karten (auch die verdeckten) für die Schlusswertung.

In der Akademie kann ein neues Tier in den eigenen Fokus rücken. Um ein Tier eines bestimmten Kontinents aufzunehmen, muss die Würfelfarbe der des Tier-Kontinents entsprechen. Zudem bestimmt die Würfelzahl die zusätzlichen Ansehenspunkte. Ein so erworbenes Tier wird unter das eigene Tableau gelegt.

Bei einer Expedition können sämtliche vor einem liegende Tiere eines Kontinents erforscht werden, und das in vier aufsteigenden Merkmalen. Der platzierte Würfel muss in seiner Farbe dem Kontinent der zu erforschenden Tiere entsprechen und liefert - je nach Einsetzfeld - sofortige Ansehenspunkte plus ggf. Bonus-Aktionspunkte, die auf den Würfelwert draufgerechnet werden. Der Würfelwert kann mit Siegeln und Münzen gesteigert werden.

Um Merkmale auf Karten zu erforschen, braucht es pro Platzierung eines Forschungsmarkers 2/4/7/10 Aktionspunkte, je nach Merkmalsstufe. Um beispielsweise auf drei blauen Tier-Karten das Merkmal der Stufe 3 zu belegen, braucht es 3x 7= 21 Aktionspunkte. Es dürfen so viele Felder auf beliebig vielen Tieren eines Kontinents belegt werden, wie Aktionspunkte zur Verfügung stehen. Das Belegen der Merkmale bringt die jeweils angegebenen Siegpunkte der Stufe.

Bei der Veröffentlichung wähle ich ein „Referenztier" aus meiner Auslage und muss einen dazu farblich passenden Würfel einsetzen. Der Wert des Würfels gibt an, bis zur welcher Merkmalstufe Veröffentlichungen stattfinden dürfen. Bei einer 6 beispielsweise stehen einem alle Stufen zur Auswahl. Beginnend bei der höchsten mit einem Forschungsmarker belegten Merkmalsstufe, entferne ich den Marker vom Referenztier. Nun darf ich weitere Marker von anderen Tieren entfernen, sofern sie das selbe Merkmal besitzen, also z.B. „Lebensraum: gemäßigte Klimazone“ oder „Pflanzenfresser“ etc. Das können auch Marker von Tieren anderer Kontinente sein. So werden alle Merkmale absteigend durchgegangen.

Die von den Karten „veröffentlichten“ Marker kommen auf ihre entsprechenden Sammelfelder des Spielplans und liefern pro Marker die angegebenen Punkte.  Zum Schluss werden alle Karten, die gewertet wurden, kurz auf die Hand genommen. Das können auch Karten ohne Marker sein, sofern sie dem Kontinent des Referenztieres entsprechen. Gewertete Karten, die nicht dem Kontinent des Referenztieres entsprechen, werden nun aber dauerhaft aus dem Spiel entfernt. Die anderen gewerteten Karten wandern als verdeckte Sammlung neben das eigene Tableau. Eventuell überschüssige Marker auf gewerteten Karten, die nicht durch das Referenztier auf die Sammelfelder gewandert sind, müssen dabei entfernt werden, wobei jede Wertung eines Tieres immer freiwillig ist! Diese Aktion schenkt einem zudem ein königliches Siegel.

Wurden alle Würfel einer Runde verbraucht, kann jeder, der ein königliches Siegel einsetzt, noch eine Bonusaktion mit einem beliebigen Würfel auf dem Spielplan machen, der dann neu geworfen wird. Danach werden alle Würfel eingesammelt, und erst jetzt wird die Kartenauslage an Experten und Tieren wieder aufgefüllt. Dann beginnt die nächste Runde.

Schlusswertung: Nach 6 Runden endet das Spiel. Führt zunächst sichtbare Effekte von eigenen Experten aus, die sich auf das Spielende beziehen. Dann gibt es Punkte für Sets aus mindestens 4 Markern auf den einzelnen Sammelfeldern und für gesammelte Tier- und Expertenkarten, sortiert nach Kontinenten. Je mehr Marker / Karten da pro Set zusammenkommen (wie gesagt: 4 ist das Minimum!), umso mehr Punkte gibt es. Jedes übrige königliche Siegel bringt zudem 4 Siegpunkte, jedes Expeditionssiegel 1 Siegpunkt und je 2 Münzen ebenfalls 1 Punkt. Wer die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

Das Modul „Sepultus Creatura“ bringt bislang unbekannte Kreaturen ins Spiel, die als Joker fungieren, also für einen beliebigen Kontinent gewertet werden dürfen. Zur Aufnahme benötigt es jedoch eine bestimmte Würfelzahl. Außerdem kann auf so einer Karte nur eines von drei Merkmalen zu einem fest angegebenen "Preis" (Aktionspunkte während einer Expedition) belegt werden.

Auch bietet das Spiel einen Solo-Modus, der jedoch im Rahmen dieser Rezension nicht getestet wurde.

GALERIE

Anklicken / Antippen für Komplettansicht

CHECKPOINT

PRO

  • tolle Tischpräsenz mit lehrreichen, schön illustrierten Tierkarten
  • interessante Verzahnung der Aktionen
  • vielseitiger Würfeleinsatz / vielfältige Manipulationen möglich
  • Variation durch wechselnde Experten


CONTRA 

  • in Vollbesetzung etwas lang geraten
  • grundlegend sind diverse Einzelschritte in ihren Abläufen vorbestimmt

MEINUNG

Als der französische Verlag Holy Grail Games im Winter 2023 überraschend verkündete, mit sofortiger Wirkung sein Bestehen zu beenden, reagierte die Spielerwelt teils geschockt, lieferte der Verlag doch in der Vergangenheit schon kleine Perlen wie Museum oder Museum Pictura. Encyclopedia war zudem noch über Crowdfunding finanziert worden. Glücklicherweise waren die Rechte für den Vertrieb der Retail-Version bereits vergeben, sodass Asmodee die deutsche Version des Spiels wie geplant im März 2023 veröffentlichte. Aufatmen!

Encyclopedia sticht erst einmal durch seine wunderschöne Tischpräsenz ins Auge. Die hübsch illustrierten Tierkarten sind Hingucker, ganz im Stil der namensgebenden Enzyklopädie lernen wir sogar auch noch nebenbei etwas über die verschiedenen Tierarten - Herkunft, Klimazone, Fress-Eigenschaften, Lebensraum - sehr schön!

Das Spiel an sich ist definitiv ein Kennerspiel. Der zugrunde liegende Worker- (bzw. Dice-) Placement-Mechanismus ist raffiniert. So gibt es, je nach gewählter Aktion, bestimmte Restriktionen, die erst einmal verinnerlicht werden wollen. Je nach aufgesuchtem Ort kann also die Farbe und der Wert des Würfels über die Möglichkeiten entscheiden, wobei da viele Hintertürchen offen gelassen wurden. So kann jeder Ort öfters besucht werden, auch können die Würfel auf verschiedene Weise mit Münzen und Siegeln manipuliert werden, sodass die Einschränkungen gar nicht mehr so einschränkend sind, wenn man einigermaßen klug spielt.

Ein schöner Kniff ist auch die Tatsache, dass ich mich bei meinen Mitspielern bedienen kann, wenn dort bessere Würfel ausliegen, als ich sie gezogen habe. Mir entsteht dadurch kein Nachteil, allerdings schenke ich einem Konkurrenten dadurch vielleicht einen Bonus. Da muss ich mir überlegen, ob mir das die Sache wert ist. Letztlich fällt das aber auch positiv auf mich zurück. Nutze ich gegnerische Würfel, fehlen die diesen Spielern ja nun fortan, und auch sie müssen vielleicht auf meine Würfel zurückkommen. Wenn ich da gut antizipiere, welche Würfelfarbe oder welcher Wert wohl besonders begehrt ist, kann ich so einem Würfel eben auch einen für mich lukrativen Bonus zuweisen.

Nun gibt es drei einfach Aktionen: Expeditionssiegel nehmen, Geld nehmen, Experten nehmen. Da sind keine weiteren Schritte nötig. Die Experten-Auswahl mit ihren verschiedenen Vorteilen ist dann aber doch schon taktischer Natur, zumal man immer schauen muss, welche Experten man aktiv auf dem eigenen Tableau belässt und welche Funktionen mit neuen Karten verdeckt werden können.

Die drei weiteren Aktionen beziehen sich dann auf die Tiere, und da sind die grundsätzlichen Abläufe vorgegeben: Erst ein Tier nehmen, dann Tiere gleichen Kontinents erforschen und schließlich die Forschungsergebnisse über identische Merkmale veröffentlichen - Schritt 2 und 3 für sofortige Punkte und letztlich auch Set-Punkte am Spielende. Es lohnt sich also immer, Karten gleicher Farbe zu sammeln.

Wer das nacheinander abarbeitet, wird mit den Einzel-Aktionen nicht überfordert sein. Dennoch sollte man die Aktionen möglichst effizient ausreizen, also mit einem Würfel gleich mehrere Dinge tun können. Um bei einer Afrika-Expediton am besten gleich 20 oder 30 Aktionspunkte einsetzen zu können, benötigt es Vorbereitung in Form von Afrika-Tieren, Münzen und Siegeln. So lassen sich dann gleich mehrere Merkmale auf verschiedenen gleichfarbigen Karten mit nur einer Aktion belegen.

Bei der Auswahl der Tiere sollte man, im Rahmen der Möglichkeiten einer zufälligen Karten-Auslage, aber auch auf identische Merkmale achten, denn die werden bei der Veröffentlichung wichtig. Ich kann mit einem eingesetzten Würfel alle Merkmale des von mir gewählten Referenztieres werten, aber eben auch alle identischen Merkmale auf anderen Karten, die zuvor in Expeditionen erforscht wurden.

So mache ich also mehrfach Punkte: Beim Belegen der Merkmale, beim Werten der Merkmale und beim schließlich auch beim Auswerten von Sets am Spielende in den einzelnen Bereichen und über gesammelte Karten. Das alles ist mit etwas Rechnerei verbunden. Allein die Aktionspunkte bei den Expeditionen zu bestimmen und sie gut zu verteilen, erfordert eine gewisse Affinität zum Kopfrechnen, da die zu erzielenden Werte für einzelne Merkmale nicht sofort intuitiv verinnerlicht sind. Da geht einem auch manchmal ein wenig die Übersicht flöten. Das bessert sich aber mit jeder Folge-Partie.

Die Verzahnung der Aktionen führt dazu, dass sich die aufbauenden Schritte immer ähnlich anfühlen und einzig durch die Würfelfarben und -Werte sowie die Experten an Variation gewinnen. Für das, was wir da letztlich über mehrere Runden aufbauen, ist das Spiel für mich, gerade in Vollbesetzung, und dann auch noch mit Grüblern, gefühlt etwas lang geraten. Eine 4-Personen-Partie dauerte bei uns geschlagene 3 Stunden, wobei man das auch in 2 Stunden schaffen kann, wenn alle das Spiel und die Symbolik bereits kennen. Ich würde trotzdem eher zum 2- oder 3-Personen-Spiel tendieren, da die Wartezeiten dann geringer ausfallen, auch wenn die Würfel-Auswahl ebenfalls geringer ist.

Alles in allem gefällt mir Encyclopedia - mit den kleinen zuvor beschriebenen Abzügen in der B-Note - spielerisch aber gut, und so vergebe ich auch gute, grundsolide 7 Punkte - ja, sogar mit einer Tendenz zur 8, allein wegen des Settings und der wunderschönen Gestaltung. 

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/KqG71lBBj4k

KULTFAKTOR: 7-8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 26.03.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Holy Grail Games / Asmodee
Weitere Fotos: Spielkultisten