REZENSION

MYTHWIND

  • Genre: Taktikspiel
  • Jahr: 2024
  • Verlag: Board Game Circus
  • Autoren: Nathan Lige, Brendan McCaskell
  • Grafik: Amanda Kadatz
  • Personen: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 30 bis 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Cozy Cozy

In diesem „Cozy“-Brettspiel, also einem Spiel, das man gemütlich vor sich hin spielt, habt ihr die Gelegenheit, euer bisher doch eher beschwerliches Leben hinter euch zu lassen, um mit Hilfe von Waldgeistern ein sagenumwobenes Tal zu erforschen und zu eurer neuen Heimat zu machen. 

REGELN

Vor der ersten Partie werden die vier Charaktersortierkästen entsprechend der jeweiligen Charakteranleitung vorbereitet. Am Ende einer Partie kann man den Fortschritt dort ganz einfach speichern, sodass zu Beginn einer neuen Partie einfach nur der Kasten wieder geöffnet werden muss und man weiterspielen kann.

Ähnlich verhält es sich mit dem Aufbau des Dorfes. Für die erste Partie werden die drei Teile des Spielplans in der korrekten Reihenfolge in die Tischmitte gelegt, die leeren Felder werden mit Jahreszeiten-Plättchen, Ressourcenmarkern, Talkarten, Dorfaktionsplättchen, der Gebäudekarte „Langhaus“ und Arbeitskräften in Form von Würfeln bestückt. Zudem wird der Dorfsortierkasten mit Ereigniskarten, Abenteuerkarten, Wetterkarten und mit Münzen, Zielmarkern und allen übrigen Würfeln gemäß der Anleitung vorbereitet.

Jeder wählt einen Charakter und nimmt sich die zugehörige Miniatur und den passenden Sortierkasten. Charaktere können am Ende einer jeden Jahreszeit gewechselt werden; eine Entscheidung hier ist nicht endgültig. Jeder Charakter spielt sich komplett unterschiedlich und führt in bestimmten Phasen eines Tages Aktionen aus, die komplett anders sind als die der anderen Charaktere. In der Charakteranleitung wird ein Schwierigkeitsgrad für jeden Charakter angegeben.

Und dann kann es schon losgehen – direkt nachdem sich jeder mit den Fähigkeiten und Aktionen seines Charakters mithilfe der entsprechenden Charakteranleitung vertraut gemacht hat.

Das Besondere: Mythwind hat kein eigentliches Ende. Ihr könnt zwar bestimmte Ziele erfüllen und die Geschichte, die ihr erlebt, durch Ereignisse und Abenteuer weiterzuentwickeln, aber prinzipiell spielt ihr euch von Jahreszeit zu Jahreszeit durch eine unbestimmte Anzahl von Jahren. Jede Jahreszeit besteht aus mehreren Runden, die als Tage bezeichnet werden. Diese Tage wiederum bestehen jeweils aus Morgen, Mittag und Abend. Dort vollbringt ihr, teilweise zusammen, aber meist unabhängig voneinander, Dinge, die sich auf die Entwicklung eures Dorfes und die Entdeckung des Tals auswirken. 

  • Morgen: Hier wird das Wetter bestimmt, was eventuell dazu führt, dass Jahreszeiten- und Wettereffekte auslöst und dadurch ausgelöste Ereignisse, die positive oder negative Effekte haben können, ausgeführt werden.
  • Mittag: Zuerst führen alle Personen (in Absprache) jeweils eine Dorfaktion aus. Danach führen alle Personen zeitgleich die Charakteraktion und Hilfsaktionen mit ihrem jeweiligen Charakter aus. 
  • Abend: Die Figuren werden vom Spielplan genommen und die Arbeitskräfte werden angepasst. Eventuell müssen die unterschiedlichen Charaktere noch weitere Schritte ausführen.


Dorfaktionen:
Hier muss sich jeder von euch für eine andere Aktion entscheiden. Alle Charakterfiguren werden gleichzeitig eingesetzt, das heißt, dass ihr euch absprechen müsst. Zudem bestimmt die gewählte Aktion, ob man für den Rest des Tages mit den Waldgeistern oder den Dorfbewohnern verbunden ist. Dies hat Einfluss auf die weiteren Aktionsmöglichkeiten und Entscheidungsmöglichkeiten der einzelnen Charaktere bei ihren Aktionen.

  • Abenteuer: Die oberste Abenteuerkarte wird vom Stapel gezogen, der Text gelesen, eine Entscheidung getroffen, und der Effekt wird ausgeführt. 
  • Ressourcen beschaffen oder neues Land erschließen: Durch das Bezahlen von Münzen können neue Ressourcen für das Dorf gekauft werden. Jeder Charakter zahlt hier unterschiedlich viel. Für 5 Münzen kann alternativ die Talkarte von einem beliebigen Ort auf dem Spielplan entfernt werden, damit dort von nun an ein Gebäude errichtet werden kann.
  • Bauen oder Abreißen: Es kann mit dem Bau eines neuen Gebäudes begonnen, oder ein bestehendes Gebäude kann abgerissen werden.
  • Gebäude nutzen: Ein Gebäude im Dorf kann besucht und sein individueller Effekt genutzt werden.
  • Anwerben: Hierüber kann man sich die Unterstützung von Waldgeistern oder Dorfbewohnern einholen, indem man Münzen bezahlt. 


Charakteraktionen:
Alle einzelnen Charakteraktionen zu beschreiben, ginge an dieser Stelle etwas zu weit. Man kann hier aber sagen, dass sich alle Charaktere komplett asymmetrisch spielen. Die Charakteraktionen ergeben sich aus den Berufen der Charaktere.

  • Farmer (Schwierigkeit 1/5): Der Sortierkasten des Farmers stellt seine Farm da. In einer Art Puzzle puzzelt man Pflanzen-, Tier- und Ausrüstungsplättchen auf das Tableau. Zudem versucht man, Fähigkeiten wie „Aussaat“, „Viehtrieb“ und „Motivation“ zu entwickeln, um Aktionen effizienter ausführen zu können. Die Plättchen werden aus einem Beutel gezogen. Grundsätzlich möchte man so möglichst viele Münzen erwirtschaften.
  • Handwerkerin (Schwierigkeit 3/5): Der Sortierkasten der Handwerkerin stellt ihre Werkstatt dar. Materialplättchen werden aus einem Beutel gezogen und in der Werkstatt verarbeitet, um Aufträge der Dorfbewohner erfüllen zu können. Dies bringt sowohl Münzen als auch zusätzliche Belohnungen ein, und der Ertrag lässt sich durch die Steigerung des Rufs steigern. Um effizienter zu arbeiten, können Fähigkeiten wie „zuverlässig“, „hektisch“ und „Überstunden“ entwickelt werden.
  • Waldhüter (Schwierigkeit 3/5): Der Waldhüter verlässt häufig das Dorf, um das Tal zu erkunden. Dabei hat er Begegnungen und sammelt Gegenstände. In seinem Zug verwaltet er Lager und Inventar und bereitet Streifzüge vor. Hierbei muss man sorgfältig vorgehen und die Hinweise auf den Streifzugkarten nutzen – wer will schon unvorbereitet von schlechtem Wetter überrascht werden. Fähigkeiten wie zum Beispiel „Ortskenntnis“, „Handelsglück“ oder „Improvisieren“ helfen, die Ausflüge erfolgreich zu bewältigen.
  • Händlerin (Schwierigkeit 4/5): Das Lager und der Marktplatz sind das Zuhause der Händlerin. Sie kauft und verkauft Nahrung, Wein, Werkzeug und Fell. Dabei muss sie auf die Angebote der Konkurrenz achten, um selbst die attraktivsten Preise machen zu können. Durch das Entwickeln von Fähigkeiten wie „Spekulation“, „Marktforschung“ und „Treue“ lässt sich der Gewinn erhöhen.

GALERIE

Anklicken / Antippen für Komplettansicht

CHECKPOINT

PRO

  • entschleunigtes Spielen
  • schönes Material
  • wunderschön illustriert
  • superschnell auf- und abgebaut


CONTRA

  • Regeln (zumindest der 1. Auflage) enthalten Fehler
  • ab einem gewissen Zeitpunkt doch repetitiv

MEINUNG

Mythwind habe ich das erste Mal auf der Spielemesse in Essen gesehen, als mich ein Freund zum Stand des Originalverlags geführt hat. Da war ich sofort optisch getriggert von dem schönen und umfangreichen Material und habe mich dann im Nachhinein informiert.

Mythwind bezeichnet sich als „Cozy game“ - das hatte ich bis dahin eher mit Computerspielen in Verbindung gebracht. Kann so etwas in einem Kampagnen-Brettspiel denn überhaupt funktionieren, noch dazu, wenn es kein fest definiertes Ziel gibt? Das Versprechen, dass man das Spiel sowohl solo als auch mit bis zu vier Personen kooperativ spielen kann, fand ich zudem sehr verlockend.

Was soll ich sagen? – Es funktioniert! Das fängt schon damit an, dass ich für den Aufbau keine fünf Minuten brauche. Es gibt also keine Entschuldigung, nicht mal eben noch eine kurze Partie vorm Schlafengehen zu spielen. Kein Sortieren von Markern und Karten, kein Verteilen von Figuren, Rohstoffen und Ähnlichem: einfach die Gametrayz der Charaktere, für die man sich entschieden hat, aus der Schachtel nehmen, Deckel ab, Dorfplan in die Mitte des Tisches legen, anfangen. Genauso schnell ist dann am Ende der Partie alles wieder abgebaut. Der Dorfspielplan hat Vertiefungen für die Gebäude, ist also sozusagen Double-Layer, und kann einfach, so wie er zuletzt war, wieder in seine Schachtel gelegt werden. Alle Würfel, alle Marker und das Geld haben ihren Platz und brauchen beim Spielaufbau auch nicht aus ihren Schachteln herausgenommen zu werden. Perfekt gelöst.

Wie sieht es dann beim eigentlichen Spielgeschehen aus? Die Bezeichnung „cozy game“ ist hier mehr als passend. Das Spielgeschehen ist nicht auf Action angelegt, sondern es plätschert eher so vor sich hin. Jede Person ist hier mit dem Minigame ihres Charakters beschäftigt. So pflanzt der Farmer neues Gemüse auf seinen Feldern und kauft Werkzeuge und Tiere, die den Ertrag vergrößern. Jeden Tag versucht er aufs Neue, die Felder zu optimieren und Produkte möglichst gewinnbringend zu verkaufen und Ressourcen dann preiswert einzukaufen. Was in derselben Zeit die Konkurrenz macht, ist allerdings komplett irrelevant. Die Geschäfte der Händlerin, die Abenteuer des Waldhüters und die Produktion der Handwerkerin haben auf die jeweils anderen Charaktere keine unmittelbare Auswirkung. Eigentlich etwas schade, denn so gibt es relativ wenig Interaktion im Spiel. Austauschen muss man sich lediglich darüber, wer welche Dorfaktion durchführt oder welches Gebäude als nächstes gebaut werden soll.

Eine Jahreszeit hat neun Züge, und in denen bekommt man nicht wirklich viel geschafft. Das heißt nicht, dass es keinen Fortschritt gibt. Man macht ein paar kleine Upgrades, und in der Regel gelingt es auch immer, das Jahreszeitenziel zu erfüllen. Das Dorf wächst und verändert sich nur langsam. Je nachdem, mit wie vielen Charakteren man gleichzeitig spielt, dauert es auch länger oder eben weniger lang, bis man das Geld für die nötigen Rohstoffe zum Bauen von Gebäuden erwirtschaftet hat. Da ist durchaus Geduld gefragt. Abenteuer, die durch ihr Ergebnis die Dorfentwicklung auch beschleunigen können, werden nur erlebt, wenn eine Person diese Dorfaktion wählt. Insgesamt ist es also ein sehr beschauliches, absolut entschleunigtes Spielgefühl, gerade wenn man es mit knackigen Euros vergleicht, wo man neun oder zwölf Züge im gesamten Spiel hat. Es ist einfach entspannt, man hört ein wenig der Geschichte zu, die an ein Märchen erinnert. Positiv fällt auf, dass dadurch, dass nach der Dorfaktion alle Personen die Charakteraktion(en) gleichzeitig ausführen, kaum Downtime zwischen den einzelnen Zügen aufkommt. Langweilen tut man sich also nicht, muss sich aber auch selten wirklich strecken, um etwas zu erreichen. Wenn es gerade nicht passt, kann man es meist auch einfach am nächsten Tag machen.

Wenn einem einmal der eigene Charakter langweilig wird – meiner Meinung nach kann das durchaus passieren, nachdem man seine kleine Engine ans Laufen bekommen hat, dann kann man ohne viel Aufwand in der nächsten Jahreszeit den Charakter tauschen oder einen weiteren zusätzlich hinzunehmen. Das wird einem durch die Gametrays sehr bequem gemacht, da das Speichern eines Spielstandes keinen Aufwand erfordert und die Nichtverzahnung der einzelnen Charaktere es ermöglicht, einfach mit einer anderen Charakterkombination weiterzuspielen. Was an anderer Stelle vielleicht als Minuspunkt angesehen werden mag, ist dann hier doch von enormem Vorteil.

Wie ist es denn um den Langzeitspielspaß bestellt? Das Ereignisdeck hat eine nicht geringe Anzahl von Karten und der Abenteuerstapel ist noch dicker und wird durch bestimmte Ereignisse immer wieder aufgestockt. Der Spielfortschritt in Bezug auf die Dorfentwicklung ist gemütlich, und alles ist entspannt. Man kann eine Jahreszeit durchspielen oder auch fünf, ganz nach Zeit und Lust. Was sich jetzt hier gechillt anhört, kann aber auch im weiteren Verlauf des Spiels zu einem Problem werden. Jeden Abend eine Jahreszeit durchzuspielen (Gesetz dem Fall, dass man es mit Partner/ Familie zuhause spielt) führt dazu, dass alles eine gefühlte Ewigkeit dauert. Und seien wir mal ehrlich, auch wenn wir uns hier vielleicht noch im Familienspiel- bzw. unteren Kennerbereich bewegen, ist dieses Spiel bei dem Anschaffungspreis doch eher nichts für Wenig- oder Gelegenheitsspieler.

Mythwind in einer wöchentlichen oder monatlichen Spielerunde auf den Tisch zu bringen, finde ich schwierig. Und zuhause ein und dasselbe Spiel mehrmals die Woche über Wochen hinweg auf den Tisch zu bringen – danach ist mir auch nicht. Deshalb fand ich es zwischendurch mitunter ein wenig schwierig, die Motivation aufrecht zu erhalten. Klar, irgendwie will man ja wissen, was noch so passiert, aber die Story plätschert halt auch nur und rauscht nicht. Dieses Empfinden mag nun in anderen Gruppen komplett anders sein, besonders, wenn man gern Kampagnenspiele spielt. Ich persönlich bringe ja durchaus ein klitzekleines bisschen Ungeduld mit an den Tisch und brauche es dann nicht, dass etwas ewig und drei Tage benötigt, bis wieder etwas passiert.

Vieles hier ist also ein wenig Geschmackssache und man muss herausfinden, ob das Spielkonzept das richtige für die eigene Gruppe ist. Vor dem ersten Spiel würde ich empfehlen, dass sich zumindest eine Person komplett einarbeitet und die anderen Personen sich vorab mit den individuellen Regeln für ihren Charakter beschäftigen – also das spezielle Charakterregelheft studieren. Und es sollte auch gesagt werden, dass die Regeln nicht so richtig gut geschrieben sind, besonders die der ersten Auflage. Sie enthalten Fehler und Unklarheiten. Man sollte sich auf jeden Fall die FAQs auf der Verlagsseite herunterladen und sich anschauen, was da verändert oder verbessert wurde. Insbesondere bei der Handwerkerin sind Passagen in den Regeln schlichtweg falsch. So etwas sollte auch in einer ersten Auflage nicht passieren, schon gar nicht in diesem Umfang, denn bei den Korrekturen und Klarstellungen handelt es sich um ein 26-seitiges Dokument.

Davon aber mal abgesehen – macht mir das Spiel Spaß? Ganz klar: ja! Würde ich es immer wieder spielen? Jein. Ich würde es immer wieder mitspielen, wenn ich irgendwo hinkomme und meine Mitspieler es dort auf den Tisch bringen wollen. Würde ich es jetzt am Ende der Kampagne quasi im Endlosmodus weiterspielen? Eher nicht. Dazu gibt es zu viele Spiele, auf die ich auch noch gespannt bin und die ich dann einfach ausprobieren möchte.

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 7/10

EURE REZENSENTIN

BRITTA

Vielspielerin, Südtirol-Urlauberin, Hundeliebhaberin

Eine Rezension vom 18.02.2025

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Board Game Circus
Weitere Fotos: Spielkultisten