REZENSION

AZUL: DIE GÄRTEN DER KÖNIGIN

  • Genre: Taktik, Denken
  • Jahr: 2021 / 2022
  • Verlag: Next Move Games, im Vertrieb von Asmodee
  • Autor: Michael Kiesling
  • Grafik: Chris Quilliams
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel bis hoch 
  • Taktiklevel: 7/10

Gartenarbeit ist anstrengend ...

... Das weiß jeder, der selbst einen Garten pflegt. Und so ist der vierte Teil der beliebten Azul-Reihe, in der wir nun die Gärten der Königin bewirtschaften, auch der komplexeste. Die Geiz ist geil-Mentalität wurde nun endgültig abgeschafft. Wenn unser Spielplan in bunten Farben erblühen soll, dann müssen wir dafür zahlen. Und überhaupt ist die Queen auch noch sehr pingelig, was die Anordnung der Tiere und Pflanzen betrifft ...

REGELN

Jeder erhält eine Gartenablage mit einem Gartenplättchen, das als Startplättchen in die Mitte der Ablage gelegt wird und sechs erste Pflanzmöglichkeiten bietet. Neben die Gartenablage wird das eigene Lager gelegt, das Platz für bis zu 12 Spielsteine und 2 Gartenausbauten beherbergt. 3 Plätze werden direkt mit 3 Joker-Steinen belegt.

Mischt nun die Gartenausbauten und bildet daraus 5 Stapel (4 Rundenstapel plus einen Vorratsstapel, der mit dem 6er-Schild abgedeckt wird). Der erste Rundenstapel wird in die Mitte gelegt und mit 4 farbigen Gartensteinen aus dem Beutel bestückt.

Gespielt wird reihum, der jüngste Mitspielende beginnt. In den weiteren Runden startet immer derjenige, der den Startspieler-Stein besitzt. Wer an der Reihe ist, hat immer genau eine Aktion zur Verfügung, die er aus vier Optionen auswählt, danach ist der nächste Mitspielende an der Reihe. Die möglichen Optionen sind:

(A) Steine und / oder Gartenausbauten nehmen: Entscheidest du dich für diese Option, so nimmst du sämtliche Steine einer Farbe mit unterschiedlichen Symbolen ODER sämtliche Steine mit dem selben Symbol, aber unterschiedlichen Farben aus der Auslage und legst sie in dein Lager. Nimmst du Steine vom Rundenstapel, dann legst du die oberste Tafel nun neben den Stapel (samt übrigen Steinen) und befüllst die nächste Tafel des Stapels mit vier neuen Steinen aus dem Beutel. Wurde eine Tafel komplett geleert, wird sie umgedreht und gibt nun ebenfalls ein Hexagon-Feld frei - also eine Kombination aus Symbol und Farbe. Solche offen ausliegenden Ausbauten können nach dem selben Prinzip einzeln - oder zusammen mit Steinen, je nach gewähltem Kriterium, aus der Mitte genommen und ins eigene Lager gelegt werden.

Wichtig: Diese Aktion kannst du auch dann nutzen, wenn der Stapel bereits durchgespielt ist. So lange noch Steine und / oder Ausbauten in der Mitte liegen, können diese aufgenommen werden, wenn du am Zug bist!

Ebenfalls wichtig: Sollte der Platz im Lager für die so aufgenommenen Steine nicht ausreichen, kannst du diese Aktion nicht wählen!

(B) Einen Stein platzieren: Um einen Stein im Garten zu platzieren, musst du zunächst die Kosten (1 bis 6, je nach Symbol) zahlen. Ein platzierter Stein zahlt auch immer für sich selbst, d.h. ein Stein im Wert von 1 (Baum) kann, ohne weitere Steine bezahlen zu müssen, aus dem Lager in den Garten umplatziert werden. Ein Stein im Wert von 3 (Schmetterlinge) hingegen benötigt, neben der Zahlung für des Steins für sich selbst, dementsprechend zwei weitere Steine, die bezahlt werden müssen. Das müssen Steine der selben Farbe (wie die des zu platzierenden Steins) sein, dann aber alle mit verschiedenen Symbolen! Oder es sind Steine mit identischem Symbol, aber dann alle in verschiedenen Farben! Steine, die als Zahlungsmittel verwendet wurden, werden anschließend in den Sammelturm geworfen. Es kann auch mit Hexagon-Feldern von Gartenausbauten bezahlt werden oder mit ergänzenden Joker-Steinen.

Beim Legen eines Steins gibt es Legeregeln

  • Ein neuer Stein darf auf einem freien grünen Feld im eigenen Garten platziert werden, wenn kein anderer Stein an ihn angrenzt.
  • Ein neuer Stein kann auch angrenzend zu einem bereits liegenden Stein platziert werden (oder auch zu mehreren), muss dann aber wenigstens ein Kriterium eines Nachbarsteins erfüllen, also ein identisches Symbol oder eine identische Farbe zeigen. 
  • Eine sich so bildende Gruppe aus mindestens zwei Steinen mit identischem Kriterium darf nie zwei identische Steine enthalten. Heißt also: In einer Gruppe aus gleichen Symbolen müssen alle Steine verschiedene Farben aufweisen. In einer Gruppe aus identischen Farben müssen alle Steine verschiedene Symbole aufweisen!


Wurde durch das Legen von Steinen ein Dekorationsfeld (Brunnen, Bank, Statue, Pavillon) komplett umschlossen, gibt es dafür die auf dem Spielerboard angegebene Anzahl an Joker-Steinen zur Belohnung, sofern noch genügend Platz im eigenen Lager vorhanden ist. Sollte der Platz nicht ausreichen, muss ggf. auf einzelne Joker verzichtet werden.

(C) Genauso funktioniert das Legen und Bezahlen von Gartenausbauten. Gartenausbauten können immer in beliebiger Ausrichtung auf einem dafür vorgesehenen freien Platz platziert werden. Auch können Gartenausbauten gegen die Abgabe von 6 Punkten vom Vorratsstapel gekauft werden; so ein Gartenausbau zeigt kein Symbol, sodass er beliebig platziert werden kann.

(D) Passen: Möchtest du keine neuen Steine bzw. Ausbauten mehr nehmen oder platzieren, passt du für diese Runde. Der erste, der passt, erhält den Startspieler-Stein, muss dafür aber direkt 1 Minuspunkt auf der Punkteleiste hinnehmen (gestartet wird auf Feld 15).

Haben alle Spielenden gepasst, folgt eine Zwischenwertung. Betrachtet die drei Wertungskriterien, die durch die Drehscheibe auf dem zentralen Spielplan angezeigt werden. Jedes vorhandene Hexagon in der angegebenen Farbe bzw. mit dem angegebenen Symbol im eigenen Garten bringt die angegebenen Punkte. Auch jeder Pavillon auf Gartenausbauten im eigenen Garten bringt 1 Punkt. Alles, was noch im Lager liegt, bringt keine Punkte. Nach jeder Runde wird die Drehscheibe um ein Viertel-Segment weitergedreht, sodass nach jeder der vier Runden neue Farben und Symbole gewertet werden.

Ende des Spiels: Nach Runde 4 gibt es Minuspunkte für noch übrige Steine im eigenen Lager (pro Stein so viele Minuspunkte, wie es dem Wert des Steins entspricht), jeder Joker hingegen bringt 1 Pluspunkt. In der abschließenden Schlusswertung werden nun noch einmal sämtliche Farb- und Symbol-Gebiete im eigenen Garten bewertet, die aus mindestens 3 zusammenhängenden Hexagonen bestehen. In jedem Gebiet bringt jedes Hexagon (Stein oder Ausbau) so viele Punkte, wie es seinem Wert entspricht. Zudem bringt jedes 6er-Gebiet einen Bonus von 6 Punkten. Wer nun die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

Für etwas Variation kann der zentrale Spielplan auch auf die Rückseite gedreht werden. Dann gibt es eine veränderte Reihenfolge der Punktewertung und zusätzlich Extrapunkte für bestimmte Gebietsgrößen.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • ideal für diejenigen, die es komplexer mögen
  • strategischer als alle Vorgänger
  • am besten zu zweit


CONTRA 

  • die Leichtigkeit der Azul-Reihe ist nun gänzlich verloren gegangen
  • sehr viele Einschränkungen bei vergleichsweise hohen Glücksfaktoren
  • mitunter sehr mühsam bei langer Spieldauer
  • Anleitung lässt teilweise Fragen offen
  • keine optimale Farbwahl der Steine

MEINUNG

... und noch ein Azul. Hätte es das wirklich gebraucht? Eine Spiele-Reihe so lange zu melken, wie sie sich gut verkauft, birgt immer das Risiko, das irgendwann die Stimmung kippt. Bei Azul ist das nun mit den „Gärten der Königin“ bei mir tatsächlich passiert. Doch beginnen wir von vorn ...

Zunächst einmal vorab: Das Material ist soweit wieder gelungen, wenngleich die Joker-Steine aus einfachem Plastik haptisch etwas gegenüber den wertigen Farbsteinen abfallen. Dass die Tableaus mittlerweile bei vielen Spielen aus recht dünnem Material gefertigt sind, möchte ich Azul nicht ankreiden. Schade ist jedoch, dass man bei der Farbwahl teils ähnliche Farben gewählt hat (hell- und dunkellila). Schade ist auch, dass die Anleitung teilweise Fragen offen lässt, die erst über das Internet geklärt werden können. So gibt es Formulierungen, die missverstanden werden können ("Um einen Stein zu bezahlen, müssen die abgegebenen Steine die selbe Farbe, aber andere Symbole zeigen als der platzierte Stein". Kann ich mit identischen Symbolen zahlen, die nicht dem Symbol des platzierten Steins entsprechen? Antwort im Netz: Nein, im gesamten Spiel darf sich niemals etwas doppeln!), oder es werden einfache Spielsituationen gar nicht beschrieben (Was passiert, wenn die letzte Tafel eines Stapels in die Mitte gelegt wird und keine Tafel mehr zum Nachfüllen da ist? Antwort im Netz: Nichts! Steine können weiterhin genommen werden!). Da wäre also noch etwas Optimierungsbedarf.

Das Spiel an sich ist dann deutlich strategischer als seine Vorgänger. Ich muss viel mehr planen, um überhaupt Steine aus dem Lager in die eigene Auslage, also in den eigenen Garten, zu bekommen. Schon beim Nehmen der Steine und dem Auffüllen des Lagers müssen da wichtige Entscheidungen getroffen werden. Aus dem Bauch heraus spielt sich das nicht gut, denn schnell ist man sonst vielleicht sogar handlungsunfähig. Tipp: Es ist keine gute Idee, zu Beginn direkt 6er-Steine zu sich zu holen. Bäume sind dagegen kostenlos zu bauen und eignen sich perfekt, um schnell an Joker zu gelangen und Bonuswertungen mitzunehmen. Im Spiel zu zweit ist das alles noch recht überschaubau und gut planbar, aber spätestens in Vollbesetzung wird einem laufend etwas weggeschnappt, sodass die Planung auch mit vielen Glücksfaktoren leben muss. Das ist bei einem Spiel, das ja deutlich mehr auf Planung setzt, dann doch schade.

Überhaupt ist durch den neuen Mechanismus die Leichtigkeit des Originals verlorengegangen. Das Bezahlen der Steine ist mühsam, der Fortschritt teilweise ebenso. Das spielt sich nicht mehr so fluffig, nicht mehr so intuitiv, wie die Teile zuvor. Und dass man nun selbst den simplen Verteilmechanismus, der Azul ja immer geprägt hat, geopfert hat, zeigt mir, dass man sich im Grunde schon innerlich von dem Ursprungsspiel verabschiedet hat. Das ist quasi ein neues Legespiel, aber für mich kein so brillantes wie Azul es sonst immer war. Teil 1 spiele ich heute noch gern, Teil 2 gefiel mir vom Handling weniger gut, Teil 3 war wieder top - aber Teil 4? Nun, wer gern grübelt und sich auf neue Mechanismen einlässt, wer mit Mangel-Wirtschaft in Spielen gut klarkommt, der kann auch Gefallen am anspruchsvollsten Teil der Reihe finden.

Mir persönlich sind die Regeln jedoch zu einschränkend. Dass sich sowohl beim Legen als auch beim Bezahlen immer bestimmte Kriterien gleichen müssen, gleichzeitig aber kein Hexagon jemals doppelt in Erscheinung treten darf, ist schon echt hart. Was sich in der Beschreibung noch recht easy anhört, was in unserem Video auch noch recht easy aussieht, ist im echten Spiel echte Arbeit, denn da kommen die Steine meist nicht so, wie man sie gerade braucht. Das zieht sich dann alles in die Länge; das ist für mich teilweise sogar zäh. Mühsam eingesammelte Steine muss ich z.B. für einen einzelnen 5er-Stein opfern, der mir dann noch nicht einmal eine Wertung am Schluss garantiert ... So eine Partie kann schon ganz schön grübellastig werden - oder gar frustrierend, wenn nichts zusammenpassen will. Das wirkt sich dann auch auf die Spiellänge aus. Zu dritt haben wir meistens 90 Minuten gebraucht, zu viert mitunter 2 Stunden. Das ist definitiv nicht mehr das Azul, was viele von uns kennen und lieben.

Nun ist Azul 4, wie ich es verkürzt nenne, jetzt aber deswegen kein grundlegend schlechtes Spiel. Es hebt den Anspruch nur auf eine sehr hohe Ebene, die weit weniger belohnend wirkt als bei den Vorgängern. Wer nicht gut plant, verliert im schlimmsten Fall am Spielende eine Menge Punkte durch zu viele übrige Steine im Lager, die man nicht mehr loswird, einfach, weil kein passender Stein mehr in die Auslage kommt, der damit bezahlt werden könnte. Zudem ist die Interaktion jetzt nur noch aufs Wegschnappen von Steinen und Ausbauten beschränkt. Das schöne Ärger-Element beim Aufteilen der Steine, das Azul doch so liebenswert gemacht hat, ist nun gänzlich verschwunden. Jeder bestimmt selbst, wann er passt. Ja, auch das ist taktischer / strategischer, aber mir fehlt es dabei am Kurzweiligen, das ich von Azul erwarte.

Fazit: Unterm Strich sind die Gärten der Königin solide, fühlen sich für mich persönlich aber danach an, als ob ein falsches Etikett auf dem Spiel klebt. Von allen Azul-Teilen finde ich den vierten Teil am wenigsten unterhaltend. Wer hingegen gerade diese neue Herausforderung sucht und sich nicht vor einem qualmenden Kopf beim Denken abschrecken lässt, der wird sicher auch Gefallen an Teil 4 finden. Für mich sind das alles in allem nur noch 6 Kultpunkte, einzig nur dann mit Tendenz zur 7, wenn zu zweit gespielt wird und man zur neuen angesprochenen (Kenner- bis Experten-)Zielgruppe gehört, die somit definitiv eine andere ist, als die von Teil 1!

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/9_nB0pue8V8

KULTFAKTOR: 6-7/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 6/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 03.07.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Next Move Games / Asmodee
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