REZENSION
AZUL: DIE BUNTGLASFENSTER VON SINTRA
- Genre: Familie, Denken
- Jahr: 2018
- Verlag: Next Move Games
- Autor: Michael Kiesling
- Grafik: Chris Quilliams
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 30 - 45 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 6/10
Das glänzt!
Nachdem der Palast in Evora mit Fliesen ausgestattet wurde, sind nun die Fenster des Palastes in Sintra an der Reihe. Als Glaser machen wir aus Buntglas wahre Schmuckstücke daraus.
REGELN
Jeder Spieler erhält ein Palast-Tableau und acht Fensterstreifen, die er mischt und beliebig nebeneinander legt. Einzig die Jokerfelder auf einem Streifen müssen zunächst nach unten zeigen. Seinen Glaser stellt jeder Spieler über dem ersten Streifen (ganz links) ab.
Das Grundprinzip, um an die Steine in fünf verschiedenen Farben zu gelangen, ist gegenüber dem Ursprungsspiel "Azul" (> Testbericht) gleich geblieben, heißt: Es werden so viele Manufakturen ausgelegt, wie Spieler teilnehmen, multipliziert mit zwei, plus eins, also bei 4 Spielern 4 x 2 + 1= 9 Manufakturen. Jeder Manufaktur wird mit vier zufällig aus dem Stoffbeutel gezogenen Glassteinen (die eigentlich aus Plastik sind ...) bestückt.
Gespielt werden 6 Runden. In jeder Runde gibt es eine Glasfarbe, die einen Bonus einbringt, wenn man ein Fenster mit Steinen dieser Farbe komplettiert.
Jede Runde läuft nach dem selben Prinzip ab:
Ist ein Spieler am Zug, so nimmt er alle Steine einer (!) Farbe von einer Manufaktur und schiebt die restlichen auf dieser Manufaktur ausliegenden Steine in die Mitte. Später können auch alle Steine einer Farbe aus der Mitte genommen werden, der Erste, der das macht, wird Startspieler, muss dafür aber einen Minuspunkt in Kauf nehmen.
Die genommenen Steine müssen auf einen (!) Fensterstreifen des eigenen Palastes auf farblich passende Felder gelegt werden. Die Reihenfolge, in der die Felder belegt werden, ist egal. Wichtig: Es darf nur der Streifen gewählt werden, auf dem der Glaser steht oder ein Streifen weiter rechts davon. Die Steine dürfen nicht auf verschiedene Streifen aufgeteilt werden. Im zweiten Fall wird der Glaser dann zu dem Streifen gezogen, auf dem die Steine abgelegt werden. So schränkt sich die Auswahl der Streifen mit jeder Glaser-Bewegung nach rechts weiter ein. Verzichtet der Spieler in seinem Spielzug auf das Nehmen neuer Steine, darf er stattdessen seinen Glaser wieder nach ganz links ziehen, sodass beim nächsten Spielzug wieder alle Streifen ausgewählt werden können.
Sollte ein Spieler einmal mehr Steine erhalten, als er auf passenden Feldern einer Leiste unterbringen kann, wirft er die überschüssigen Steine in den Turm. Dort werden Steine gesammelt, bis der Beutel zum Nachziehen leer ist; erst dann werden die Steine aus dem Turm wieder in den Beutel gegeben.
In den Turm werden auch sämtliche Steine (bis auf einen) eines Streifens geworfen, der vollständig belegt wurde. Ein Stein davon wird auf das erste Wertungsfeld unter diesem Streifen gelegt. Der Spieler bekommt Punkte: Jeder zuvor verbaute Stein dieses Streifens in der Bonusfarbe der Runde bringt 1 Punkt, außerdem bringt die Fensterleiste dann so viele Punkte wie auf dem Palast-Tableau angegeben. Der Clou: Sämtliche Streifen, die sich weiter rechts befinden und ebenfalls schon mindestens einmal gewertet wurden, zählen erneut mit. Punkte werden immer direkt auf der Punkteleiste festgehalten.
Nach einer ersten Wertung wird der Streifen auf die Rückseite gedreht. Wird er zum zweiten Mal vervollständigt, erfolgt die Wertung wie zuvor beschrieben und einer der gewerteten Steine wird auf das zweite Wertungsfeld des Palast-Tableaus unter diesen Streifen gelegt, allerdings wird der Streifen danach entfernt.
Eine Runde endet, wenn alle Steine (von den Manufakturen und aus der Mitte) vergeben wurden. Die Manufakturen werden zu Beginn einer neuen Runde neu aufgefüllt.
Gespielt werden insgesamt 6 Runden. Dann erfolgt eine Schlusswertung:
- Je 1 Punkt gibt es für 3 gesammelte, aber noch nicht gewertete Glassteine auf den Streifen des eigenen Palastes.
- Um jede schwarze Raute zwischen den Wertungsfeldern wird die Anzahl der angrenzenden Glassteine gezählt, je mehr sich darum befinden (mindestens 2!), umso mehr Punkte gibt es.
- Gesammelte Minuspunkte werden subtrahiert.
Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
Variante: Gleiches Spielprinzip, allerdings gibt es auf der B-Seite des Palast-Tableaus jedes Spielers keine schwarzen Rauten mehr zwischen den Wertungsfeldern. Stattdessen wird die Anzahl aller zweifach gewerteten Streifen (also quasi die Anzahl der entfernten Streifen) mit der Anzahl aller auf den Wertungsfeldern gesammelten Glassteine in einer selbst bestimmten Farbe multipliziert (z.B. vier entfernte Streifen, fünf rote Glassteine: 4 × 5 = 20 Punkte).
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- neue taktische Herausforderungen
- Grundmechanismus ist unangetastet geblieben
- fühlt sich trotz bekanntem Auswahlmechanismus anders an
- schöne Optik (bis auf die abgeschnittenen Fensterbögen)
CONTRA
- höherer Glücksfaktor
- haptisch nicht so ansprechend wie das Ursprungsspiel
- durch die erhöhte Anzahl an Möglichkeiten weniger fokussiert
MEINUNG
Wann immer irgendwo etwas über das "Spiel des Jahres 2018", eben "Azul", zu lesen war, tauchte das Wort Haptik aus. Ja, die Fliesensteine aus dem Ursprungsspiel waren bzw. sind einfach echte Handschmeichler, da kommen die neuen "Buntglassteine" (Plastik im Bonbon-Look, unbedingt vor unbeaufsichtigten Kinderhänden schützen, da sie tatsächlich mit Süßem verwechselt werden können) aus "Azul 2", wie ich das hier gezeigte Spiel verkürzt nenne, leider nicht heran. Optisch sieht aber zumindest alles wieder top aus; auch hat man sich mit Symbol-Alternativen Gedanken um Menschen gemacht, die unter einer Sehbeeinträchtigung leiden. Warum man allerdings die Fensterstreifen so gestanzt hat, dass die oberen Fensterbögen, die eigentlich mitgedruckt auf dem Stanztableau zu finden sind, abgeschnitten sind, entzieht sich meinem Verständnis, irgendwie sieht das ungewollt falsch aus ... Auch das Drehen der Streifen, sobald ein Fenster komplett gefüllt ist, ist einfach zusätzliche Administrationsarbeit, zu der man auch noch ein ruhiges Händchen besitzen sollte, um den Palast nicht ungewollt auseinanderzunehmen. Der neue Sammelturm für abgelegte Steine dagegen ist ein praktisches Gimmick und der nun zentrale Wertungsplan (leider aus ziemlich dünner Pappe) verhindert das in "Azul" immer wieder genannte ärgerliche Phänomen des versehentlichen Verrutschen des Wertungssteins.
Den genialen Auswahlmechanismus aus "Azul" hat Autor Michael Kiesling 1:1 übernommen, hier gibt es keinerlei neue Regeln. Die Hauptänderung dürften wohl die deutlich erhöhten Möglichkeiten sein, in seinem Spielzug irgendetwas Sinnvolles machen zu können. Der wandernde Glaser ist dabei ein netter Kniff, verbunden mit der Pumktewertung. Die Streifen rechts bringen weniger Punkte als die ganz links, allerdings werde ich, möchte ich sie direkt belegen, öfter die Notaktion "Glaser zurücksetzen" nutzen (was übrigens manchmal auch eine Rettungsaktion sein kann, um keine Minuspunkte durch nicht passende Steine machen zu müssen), jedoch zählen halt sämtliche Reihen weiter rechts auch jedes Mal bei einer Wertung weiter links mit. Ein kleines Dilemma also, das durchaus reizvoll ist und dessen spielerische Taktik, die hier möglich ist, oftmals erst bei Wiederholungspartien erschlossen wird. Noch taktischer wird es, wenn man mit der B-Seite spielt. Dann nämlich ist die Farbwahl bei den Wertungsfeldern ebenfalls von Bedeutung.
Andererseits kommt mit der Bonusfarbe in jeder Spielrunde eine eigentlich überflüssige Glückskomponente ins Spiel. Da die Fensterstreifen jedes Spielers vor Beginn zufällig ausgelegt werden, kann es passieren, dass sie perfekt passend zu den Bonusfarben der einzelnen Runden ausliegen. Da können dann aber auch schon mal unbeeinflussbar Punkte flöten gehen, wenn meine Streifen eher ungünstig zur Rundenvorgabe liegen, heißt, wenn die Farben aus den Runden 1 bis 3 z.B. zufällig bevorzugt auf den Rückseiten der Streifen zu finden sind.
Im direkten Vergleich wird man dann auch feststellen, dass der Spannungsbogen, der in "Azul 1" an den Ärgerfaktor geknüpft war, den Mitspielern absichtlich Steine wegzuschnappen bzw. ihnen einen Haufen Steine in der Mitte zu hinterlassen, durch die diversen Legemöglichkeiten weniger ausgeprägt ist. Ich selber empfinde das Ursprungs-"Azul" in dieser Hinsicht eine Spur knackiger. Manchmal kann weniger eben mehr sein.
Dennoch: "Azul 2" macht schon Spaß, wenn man abstrakte Spiele mag. So lässt sich also nun an mehreren kleinen Stellen noch mehr taktieren als im ersten Spiel. Gäbe es "Azul" noch nicht, hätte ich vermutlich weniger kritisch auf einige Dinge geguckt und bedenkenlos 8 Kultpunkte vergeben. Doch "Azul" gibt es schon. Und so kann ich zusammenfassend sagen, dass man in "Azul 2" das bekannte Spielprinzip neu verwertet und in andere Bahnen gelenkt hat. Herausgekommen ist ein gutes Spiel, das in meinen Augen aber nicht ganz an seinen Vorgänger herankommt. Hier gehen die Meinungen jedoch auseinander. Nicht wenige Spieler sind der Meinung, das zweite "Azul" sei sogar das Bessere, da man mehr Entscheidungen treffen kann ... Bei mir war das zweite "Azul" auch eher eine Liebe auf den zweiten Blick. Eine Empfehlung ist es somit auf jeden Fall wert, wenngleich ich persönlich das Fliesenlegen aus Teil 1 trotzdem noch einen Tick spannender, da fokussierter, finde. Im direkten Vergleich aber immer noch gut, 7 Kultpunkte!
Ein Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/Lm9zqN8Lf2Y
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10
TEAM-TREND
Die Kultfaktor-Wertungen weiterer Spielkultisten:
Doro: 8/10
Torsten: 7/10
Andreas: 6/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 17.12.2018
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Next Move Games
Weitere Fotos: Spielkultisten