REZENSION

WHISTLE MOUNTAIN

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Bézier Games
  • Autoren: Scott Caputo, Luke Laurie
  • Grafik: Alanna Kelsey, Mila Harbar, Taylor Bogle
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: 60 bis 90 Min. 
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Tiefer Fall oder hoch hinaus?

In Whistle Stop haben wir den Osten Amerikas durch ein Eisenbahnnetz mit dem Westen verbunden. In Whistle Mountain steht nun ein neues Projekt an. In den Rocky Mountains setzen wir unsere Arbeiter ein, um Maschinen zu errichten. Doch die Schneeschmelze beginnt - und langsam steigt der Wasserpegel ...

REGELN

Bereitet den Spielplan vor, indem ihr ihn mit Karten und Plättchen bestückt. Jeder Spieler erhält ein Spielertableau, eine Spezialfähigkeit, 9 Arbeiter (von denen 7 in den Baracken warten, während 2 leider schon in den Stausee gefallen sind) sowie erste Startressourcen. Zudem legt jeder Spieler ein Puzzleteil auf den Spielplan (zunächst angrenzend an die Bodenlinie, die den Wasserpegel symbolisiert), später angrenzend. 

Jeder Spieler besitzt 3 Luftschiffe, die in ihrer Größe 1 / 2 / 3 Felder des Spielplans abdecken. Ist ein Spieler am Zug, hat er zwei Möglichkeiten: Ein Luftschiff einsetzen oder Luftschiffe zurückholen.

Das Einsetzen eines Luftschiffes erfolgt entweder an einem der Worker Placement-Feldern oder auf dem Spielplan. 

Am Rand des Spielplans sind kleine Einbuchtungen, in die die Schiffe eingesetzt werden können, sofern der Platz noch verfügbar ist. Hierüber erhält der Spieler eine Maschine (klein / mittel / groß), eine Karte, ein Upgrade (von denen jeder maximal 6 besitzen kann; Upgrades bringen individuelle Vorteile im Spiel), Puzzleteile (Gerüst mit Ressourcen) oder die Möglichkeit, einen Arbeiter aus dem Stausee zu retten. 

Auf dem Spielplan hingegen generiert ein eingesetztes Luftschiff Ressourcen. Das Luftschiff muss auf ein freies Feld / auf freie Felder des Plans gestellt werden. Alles, was nun waagrecht oder senkrecht an das Luftschiff an Symbolen angrenzt, erhält der Spieler. Achtet darauf, dass eure Lagerkapazitäten für Eisen, Gold, Kohle und Wasser begrenzt sind. Das gilt auch für die Pfeifen, die teils explizit als Zahlungsmittel gefordert werden, ansonsten aber auch als Joker fungieren. Im späteren Verlauf können Luftschiffe auch auf bzw. neben Maschinen platziert werden. Diese werden dann ebenso aktiviert und liefern bestimmte Boni, Tauschmöglichkeiten oder Regeländerungen.

Die Alternative zum Einsetzen von Luftschiffen ist die Rückholaktion. Egal, wie viele Luftschiffe bereits eingesetzt wurden, kehren sie nun zurück zum Spielertableau. Nun darf der Spieler bis zu 3 Bauaktionen und 1 Bewegungsaktion durchführen. Dies kann darf er auch, wenn er die Aktion ausführt, obwohl sich alle Luftschiffe bereits am eigenen Tableau befinden. Bei der Bauauktion können zuvor organisierte Puzzleteile auf den Spielplan gelegt werden. Für jede angrenzende Kante eines neu gelegten Plättchens gibt es 1 Siegpunkt. Maschinen hingegen müssen auf (!) Puzzleteile gelegt werden, d.h. es darf sich keine Lücke unter ihnen befinden! Maschinen bringen auch immer direkt die aufgedruckten Punkte.

Bei der Bewegungsaktion wird für 1 Gold 1 Arbeiter aus den Baracken bzw. für 2 Gold aus dem Stausee auf einen freien Platz im Baugerüst (auf die Puzzleteile) platziert. Wird so eine Figur von einer Maschine überbaut, wandert sie auf die entsprechende Ebene des Gerüsts nach rechts. Dort wartet für den ersten Spieler ein Bonus-Plättchen (Orden); auf jeder Ebene dürfen mehrere Figuren stehen. Am Spielende gibt es Punkte - je höher ein Arbeiter auf dem Gerüst nach rechts verschoben wurde, umso mehr Punkte sind das. 

Als Zusatzaktion kann jederzeit im Spielzug eine zuvor aufgenommene Karte bzw. ein Bonus-Orden ausgespielt werden. 

Immer wenn eine Maschine über der „Danger"-Linie gebaut wird, steigt der Wasserpegel. Dazu wird ein Wasserstreifen auf die nächste freie Reihe von unten auf das Gestell gesetzt. Sollten dadurch Figuren überdeckt werden, fallen sie in den Stausee. Achtung! Jede Figur im Stausee ist am Ende 5 Minuspunkte wert. Werden Maschinen (teilweise) überdeckt, sind sie fortan außer Betrieb.

Das Spiel endet, wenn die letzte Figur aus den Baracken auf den Spielplan gebracht wurde. Jeder andere Spieler hat nun noch genau einen Spielzug, dann erfolgt die Schlusswertung:

  • Jede Figur, die aus dem Gerüst nach rechts verschoben wurde, bringt so viele Punkte, wie es der Punktezahl auf der Ebene entspricht. 
  • Jede Figur im Stausee bringt 5 Minuspunkte.
  • Upgrades bringen Punkte wie aufgedruckt.
  • Außerdem gibt es Punkte für übriges Material im eigenen Besitz: 1 Punkt für jede nicht verbaute Maschine, für je 2 Puzzleteile, für je 2 Karten, für jeden Bonus, für je 4 Ressourcen.


Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.

GALERIE

Anklicken / Antippen für Komplettansicht

CHECKPOINT

PRO

  • interessante Spielidee
  • taktische Rohstoff-Generierung
  • Puzzle-Element
  • schöne Optik


CONTRA

  • Spielablauf z.T. etwas unelegant
  • teilweise friemelig
  • Balancing z.T. nicht optimal

MEINUNG

Das Spiel Whistle Stop ist für mich eines der besten Eisenbahnspiele. Umso neugieriger war ich auf Whistle Mountain, das als Nachfolger angekündigt wurde. Schnell musste ich jedoch realisieren: Nein, eigentlich sind das zwei völlig verschiedene Spiele. Einzig einige Spielelemente (wie die Zahnrad-Upgrades oder die Ressourcen-Lagerung) sind bereits vertraut. Wofür man die Whistles (Pfeifen) nun eigentlich genau bei Luftschiffen benötigt, sei thematisch besser nicht weiter hinterfragt, zur Eisenbahnwelt passten sie besser, aber nun gut, das kann man einfach mal so hinnehmen.

Das Spielmaterial ist qualitativ gut. Die Ressourcen sehen hübsch aus und kommen als 3D-Spielteile. Die Luftschiffe aus Holz sind ebenfalls Hingucker. Dass der Spielplan nicht gefaltet, sondern als vierteiliges Puzzle daherkommt, ist wahrscheinlich der Produktionstechnik geschuldet. Die Halterung für die Wasserstreifen ließ sich vermutlich so besser realisieren. Die funktioniert auch super. Hier hat man eigentlich alles richtig gemacht. Naja, fast. Die Thematik geht auf dem Material teilweise flöten. Die Karten zeigen nur die nötigsten Illustrationen und die Maschinen sind halt einfach einfarbige, mit Symbolen oder Text bedruckte Plättchen. Hier hätte man noch mehr Atmosphäre entstehen lassen können, wenn jede Maschine auch noch als Maschine erkennbar gewesen wäre. Trotzdem: Das Spiel hat eine schöne Tischpräsenz.

Nun ist das, was schön aussieht, nicht immer praktisch. Und in der Tat hakt es bei Whistle Mountain etwas am Handling und der Übersichtlichkeit. Die kleinen Arbeiter sind schwer von ihren Positionen in den Baracken zu verschieben, sie erfordern Fingerspitzengefühl. Die Luftschiffe verbauen einem zum Teil die Sicht auf den Spielplan bzw. decken wichtige Symbole ab. Das ist alles etwas fummelig, man muss öfters schon ganz genau hinschauen. Für Grobmotoriker stellt das teilweise schon ein kleines Problem dar.

Hinter dem Spielprinzip steckt dagegen auf jeden Fall eine sehr schöne Idee. Das Andocken an Worker Placement- bzw. Ressourcenfelder ist tricky, denn jedes Luftschiff hat eine andere Größe. Da ist dann etwas Planung nötig, für was ich welches Schiff am besten gebrauchen kann. Ich kann meine Schiffe jederzeit zurückholen, um sie dann neu einsetzen zu dürfen, aber das ist dann quasi ein verschenkter Zug, es sei denn, ich nutze sofort auch die Bauaktion im entsprechenden Umfang und bringe meine Arbeiter aufs Gerüst. Das ist ja eigentlich auch ein Ziel des Spiels. Planung ist also nicht unwichtig, wenngleich ich das Spiel auch eher aus dem Bauch heraus spielen kann. So muss ich also erst puzzeln, dann Arbeiter platzieren und sie schließlich überbauen.

Dadurch, dass die Maschinen und Upgrades oftmals Nebenschauplätze eröffnen, also irgendwelche Bonus-Spielzüge bzw. einen Ressourcentausch ermöglichen, kommt der Spielfluss zwischendurch öfters mal ins Stocken. Das fällt gerade in Vollbesetzung auf. Da kann die Downtime dann schon mal etwas ansteigen. Auch wenn das Spielkonzept gut durchdacht ist, so spielt es sich das ganze Spiel gefühlt etwas hakelig und nicht so elegant, wie es andere Spiele tun; dazu gibt es zu viele spielerische und technische Hindernisse, die den Flow immer wieder ein wenig ausbremsen. Damit sollte man also klarkommen können. Ich selber empfand diesen Aspekt jetzt nicht als allzu störend, aber ich hatte immer wieder Mitspieler am Tisch, die das anders sehen.

Das Spiel funktioniert mit jeder Spielerzahl. Nun sind im Spiel zu viert die Räume enger, die Einsetzfelder schneller belegt, es herrscht einfach mehr Konkurrenz. Im Spiel zu zweit hat man mehr Freiräume, dafür spielt man dann öfters ein wenig nebeneinander her. So würde ich wohl 3 Spieler als optimale Spielerzahl ansehen.

Auch wenn ich einige Kritikpunkte anbringe: Insgesamt gefällt mir Whistle Mountain von der Idee und der Optik wirklich sehr gut; rein spielerisch muss man einfach damit leben, dass die einzelnen Spielzüge nicht immer so flott von der Hand gehen. Whistle Stop war da für mich klarer strukturiert, während es bei Whistle Mountain dagegen mehr taktische Möglichkeiten gibt. Wer also mit etwas mehr Administration klarkommt (was z.B. auch die Siegpunkte betrifft, die als Chips ausgezahlt und nicht auf einer Leiste festgehalten werden), der wird sicher Spaß haben mit diesem Spiel.

Eine Sache führte dann allerdings doch noch zu einer Diskussion. Manchen Spielern kam es so vor, dass eine bestimmte individuelle Startfähigkeit oder ein Upgrade stärker erschien als andere dieser Art. Das ist immer etwas schade, wenn sich Spieler benachteiligt fühlen. Man kann das im Zweifel vor Spielbeginn ein wenig anpassen, indem man z.B. bestimmte Startfähigkeiten aus dem Spiel nimmt, aber eigentlich sollte so etwas nicht die Aufgabe der Spieler sein.

Fazit: Trotz der genannten kleinen Schwächen mag ich Whistle Mountain. Zu sehen, wie das Gerüst immer größer wird, immer mehr Maschinen gebaut werden, das Wasser stetig ansteigt, wie man seine Arbeiter auf sichere Plätze im Gerüst verschiebt - das ist auf jeden Fall kurzweilig und auch taktisch. Insgesamt vergebe ich gute 7 Kultpunkte. Würde man an der einen oder anderen Stelle noch einmal kleine Stellschrauben zur Optimierung ansetzen, wären auch noch ein oder zwei Punkte mehr drin.

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 9/10
Ausstattung: 7-8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 30.08.2021

Bildnachweis:
Coverfoto: Bézier Games
Weitere Fotos: Spielkultisten