REZENSION

NEW EDEN

  • Genre: Taktikspiel
  • Jahr: 2023
  • Verlag: Schmidt Spiele
  • Autor: Benjamin Schwer
  • Grafik: Dennis Lohausen
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
  • Taktiklevel: 6/10

Unrund laufende Motoren

Wir schreiben das Jahr 2442. Der Meeresspiegel ist unaufhaltsam gestiegen. Um der Menschheit ein Überleben zu ermöglichen, müssen autarke Unterwasserstädte her. Über drei Jahre lang errichtet ihr eine Tiefseestation, die gleichzeitig lebenswert und sicher zu sein hat.

REGELN

Die Hauptkuppel eurer Unterwasserstadt, errichtet auf einem weißen Raucher, erhaltet ihr in Form eures persönlichen Spielertableaus, das aus fünf Modul-Armen besteht. Puzzelt die vier Ausbauplättchen mit der inaktiven Seite an eure Station. Außerdem erhaltet ihr eine erste Werft mit einem „Deeple“ (einer Art Ein-Mann-U-Boot) sowie zwei Start-Sauerstofftanks. Legt euren Schadensmarker auf das Feld 0 und den Schadenszeiger auf die Linie zwischen Feld 0 uns 1 der Schadensleiste. Legt 10 Münzen hinter euren Sichtschirm.

Gespielt werden 3 Runden, die sich jeweils aus verschiedenen Phasen zusammensetzen.

Phase A: Entwicklung
Bestückt die A-Seite des Gemeinschafts-Spielplan mit den A-Karten der entsprechenden Runde. Die Karten werden zuvor gemischt und dann zufällig verteilt. Übrige Karten werden in die Schachtel gelegt. Deckt außerdem zwei Karten vom Bonuskarten-Stapel auf.

Gespielt wird reihum. Wer an der Reihe ist, wählt eine von drei möglichen Aktionen:

  • Karte kaufen: Die Karten liegen in vier Reihen auf dem Spielplan. Je weiter oben sich eine Karte befindet, umso teurer ist sie, ermöglicht aber das Zurückziehen des eigenen Schadensmarkers. Karten aus der unteresten Reihe sind am günstigsten, verursachen aber Schaden, der mit dem Schadensmarker auf dem eigenen Tableau festgehalten wird. Die Karten sind dann den verschiedenen Modulen zugeordnet, mehr dazu im Anschluss. Wurde eine Reihe komplett geleert, rutschen die weiter oben liegenden Karten jeweils um eine Zeile nach unten und werden so günstiger.


  • Deeple bewegen: Um Karten mit einem Einsetzfeld zu aktivieren, muss ein Deeple bewegt werden. Ausgehend von der Werft, wird er zunächst kostenlos zu einem Arm der Station gezogen. Nun kostet die Bewegung Sauerstoff pro Karte auf diesem Arm. Je mehr Karten also an einem Arm anliegen, umso mehr Sauerstoff wird benötigt, um die später hinzugefügten Karten von der Station aus zu erreichen. Um Sauerstoff zu erhalten, werden die Karten mit Sauerstofftanks genutzt. Pro Sauerstofftank darf ein Deeple um die Anzahl an Karten bewegt werden, die in der Flasche angegeben ist. Ein Deeple kann dabei auch auf einer Karte „zwischengeparkt“ werden, um von dort aus später auf eine weiter entfernte Karte bewegt zu werden. Um eine Karte zu aktivieren, wird der Deeple dann aufrecht auf das Einsetzfeld der Karte gestellt. Manche Karten haben mehrere solcher Felder. Die Aktivierung erfolgt dann erst, wenn alle Felder mit Deeple belegt wurden. Was die einzelnen Karten für Funktionen haben, klären wir später.


  • Passen: Wer weder Geld ausgeben möchte oder kann und auch keinen Sauerstoff mehr zur Bewegung verwenden kann oder möchte, der steigt aus dieser Spielphase aus und erhält dafür 3 Siegpunkte. Zusätzlich gibt es den Nautilus-Marker, der den Startspieler für die nächsten Phasen bestimmt. Im Spiel zu dritt bzw. viert gibt es auch noch (weniger) Punkte, wenn als zweiter bzw. dritter Spieler gepasst wird.


Darüber hinaus gibt es freie Aktionen:

  • Für 6 Geld kann ein Ausbauplättchen auf die aktive Seite gedreht werden. Auf diese Weise wird das entsprechende Modul verbessert.
  • Im Kraftwerk können bis zu dreimal pro Runde 5 Münzen generiert werden, allerdings mit zunehmendem Schaden. Nutzt ihr das Kraftwerk, legt ihr jeweils einen Vorfallmarker auf eines der drei zur Verfügung stehenden Felder.


Phase B: Der Schwarzmarkt
Jeder erhält nun 3 B-Karten der aktuellen Runde auf die Hand. Nun entscheidet jeder, wie viele Karten er davon kaufen möchte. Je mehr Karten das sind, umso mehr Münzen müssen bezahlt, und umso mehr Schaden muss in Kauf genommen werden. Nicht gekaufte Karten werden in einer Reihe des nun umgedrehten Spielplans (B-Seite) gelegt. Jede Person verwendet da eine eigene Reihe. Im Spiel zu zweit / dritt werden nicht verwendete Reihen mit zufälligen Karten belegt.

Phase C: Versteigerung
Nacheinander werden nun die einzelnen Reihen mit den in Phase B auf den Spielplan gelegten Karten versteigert. Reihum gebt ihr Gebote ab, bis der Höchstbietende den Zuschlag für eine Reihe erhält. Freie Plätze einer Reihe gehören mit zur Versteigerung. Sie bieten jeweils die Möglichkeit, einen Deeple zu bewegen, sofern noch Sauerstoff vorhanden ist. Für 1 Schaden darf diese Aktion auch einmal in dieser Phase pro Person erkauft werden.

Phase D: Rundenwertung
Nun werden die beiden ausliegenden Bonus-Karten ausgewertet und entsprechend Punkte oder Münzen verteilt, z.B. 2 Punkte pro Muschelhabitat etc. Alle Deeple kommen zurück auf ihre Werften, die Sauerstofftanks werden reaktiviert, und die Vorfallmarker werden von eurem Kraftwerk entfernt.

Die Karten
Die Karten sind den verschiedenen Modulen der Station zugeordnet. Viele Karten zeigen zudem in der oberen rechten Ecke Effekte fürs Spielende (zusätzlicher Schaden, Reduzierung von Schaden, Punkte). Beim Kauf einer Karte wird diese ans entsprechende Modul angelegt:

  • Werften liefern zusätzliche Deeple.
  • Sauerstofftanks liefern zusätzätzlichen Sauerstoff.
  • Erntekrabben liefern (bei ihrer Aktivierung durch Deeple) Geld.
  • Muschelhabitate liefern (bei ihrer Aktivierung durch Deeple) Punkte.
  • Reparaturkrabben liefern (bei ihrer Aktivierung durch Deeple) eine Reduktion von Schaden. Sollte der Schaden dagegen bis zum Maximum steigen, führt er bei weiterem Schaden zum Verlust von Karten, die an den Stationsarmen von außen nach innen entfernt werden.
  • Forschungskarten besitzen keinen eigenen Arm an der Station, an den die Karten angelegt werden. Diese Karten werden einfach unterhalb des eigenen Tableaus gesammelt und liefern einmalige Vorteile oder dauerhafte Effekte, teilweise auch Siegpunkte am Spielende oder sonstige Boni. 


Das Spiel endet nach Runde 3. Nun gibt es eine Schlusswertung:

  • Für je 5 Münzen gibt es 1 Punkt.
  • Wertet nun die Schlusswertungs-Symbole auf euren Karten aus. Bewegt den Schadenzeiger und den Schadensmarker entsprechend der Symbole auf eurer Schadensleiste. Nur wenn der Marker unterhalb des Zeigers verbleibt, ist die Station sicher genug, und liefert euch nun noch alle zusätzlichen Punkte in der rechten oberen Ecke auf euren gekauften Modulkarten. 


Wer nun insgesamt die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.


Das Spiel bietet auch einen Solo-Modus.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • interessantes Thema
  • netter Engine-Builder-Effekt


CONTRA 

  • unrunder, repetitiv wirkender Spielablauf
  • thematische Brüche
  • Versteigerungen machen zu zweit meistens wenig Sinn

MEINUNG

Spätetens seit Underwater Cities, wissen Vielspieler, was es bedeutet, eine autarke Unterwasserstadt zu errichten. New Eden greift dieses Thema nun auf Kennerspiel-Niveau auf, was mein Interesse direkt geweckt hat. So erzeugt das Spiel dann mit den immer größer werdenden Tiefseestationen auch eine schöne Tischpräsenz, allerdings benötigt ihr dafür auch viel Platz auf dem Tisch. Schöner wäre es gewesen, hätten die Karten in irgendeiner Form geschachtelt ausgelegt werden können, so werden die Modul-Arme am eigenen Tableau oft so lang, dass man zusehen muss, wie man das alles vernünftig auf die Spielfläche bekommt.

Das Thema wirkt abenteuerlich, und die Idee, Karten durch U-Boote anzusteuern und sie so zu aktivieren ist durchaus interessant. Das gilt leider nur bedingt für die Modulkarten. Über die drei Runden hinweg gleichen die sich in ihren Funktionen, ja, sie werden teilweise stärker, aber letztlich geht es halt immer darum, neue Deeple anzuheuern, den Sauerstoff zu erhöhen, um sie bewegen zu können und dann auf einen der drei Arme zu schicken - für Punkte, für Schadensminimierung oder für Geld. Mehr ist das nicht. Am interessantesten sind da noch die Forschungskarten, die kleine asymmetrische Funktionen ins Spiel bringen. Ob es dabei auch destruktive gebraucht hätte, sei dahin gestellt.

So spielen wir also die verschiedenen Phasen vor uns hin, um alles in einer guten Balance zu halten und letztlich die meisten Siegpunkte zu generieren. Die Schadensleiste ist ein ganz nettes Element, das am Ende tatsächlich über den Sieg entscheiden kann. Wer da nicht aufpasst, dem entgehen bei der Schlusswertung wichtige Punkte. Letztlich ist das aber alles berechenbar, und wer gut plant und mitzählt, der wird da nicht in Bedrängnis kommen. So stellt sich schnell heraus, dass man anfangs gern mal mehr Schaden in Kauf nimmt und später dann auf Minimierung spielt.

Das Auslegen von immer mehr Karten soll eine Engine erzeugen, die sich jedoch nur bei den Muschelhabitaten und bei den Erntekrabben wirklich belohnend anfühlt, ansonsten ist das alles mehr Administration. Warum die Erntekrabben auf einem weißen Raucher eigentlich Münzen liefern, bleibt thematisch wohl ein ebenso großes Rätsel, wie die Tatsache, dass man Module in der zweiten Phase plötzlich auf einem Schwarzmarkt erwirbt, der nicht so wirklich zum Thema passen möchte. Und besitzt man dann einmal gute Karten, dann schickt man, wann immer man kann, die Deeple zu den Karten, um die Effekte einzulösen. Einmal, zweimal, vielleicht sogar dreimal.

Da wären wir auch schon beim Spielablauf. Autor Benjamin Schwer lieferte mit Hadara im Jahr 2019 ein stimmiges taktisches Zivilisationsspiel mit eleganten Regeln, das grundlegend ein ähnliches Spielgerüst besitzt. Auch New Eden wird über drei Runden in aufgeteilten Phasen gespielt, bei den die Karten auf verschiedene Weise erworben werden, und bei denen auch abgewählte Karten wieder ins Spiel kommen. Was bei Hadara dann wirklich einen stetigen spannenden Aufbau-Effekt in sich trug, verwässert sich bei New Eden leider in einem etwas kruden Mix aus einzelnen Mechanismen.

Mal werden Karten vom Board gekauft, dann wird das Board gedreht, neue Karten kommen ins Spiel, zunächst auf die Hand, um von dort gekauft zu werden, restliche kommen aufs Board, wo sie dann versteigert werden, freie Felder bringen Bewegungsmöglichkeiten, die oftmals gar nicht benötigt werden, da der Sauerstoff fehlt ... Dann gibt es noch so Nebenher-Aktionen, die einem Kredite einbringen oder Module verbessern (im Stil der Tavernen im tiefen Thal). Was sich hier schon zusammmengewürfelt liest, spielt sich dann leider auch so. Ein richtiger Flow wollte in unseren Partien nicht entstehen, der Spielablauf wirkt auf mich mit seinen ständigen Pausen und neuen administrativen Vorbereitungen etwas holprig und uneleganter als beim erwähnten Hadara.

Dass Versteigerungen in Spielen mit zwei Personen fast nie gut funktionieren, zeigt dann auch New Eden. Ich würde das Spiel am ehesten in Vollbesetung empfehlen, zumindest zum Ausprobieren. Die Deeple-Aktivierung ist eine ganz nette Idee, und die Challenge, alle Module irgendwie in der Waage zu halten und dabei über Bonus- und Forschungskarten zusätzliche Boni zu erzielen, ist grundlegend ja auch noch ganz motivierend. Dennoch wollte New Eden in keiner unserer Runden so richtig zünden, einfach, weil die wirklich interessanten Entscheidungen fehlen. Da wäre es sicher schön gewesen, wenn es noch mehr verschiedene Karten-Optionen gegeben hätte, die auch langfristig immer wieder neue taktische Vorgehensweisen offerieren würden.

Alles in allem ist New Eden jetzt kein grundlegend schlechtes Spiel, das nicht, aber es wirkt auf mich dann leider doch zu wiederholend. Und dass die Sichtschirme der Spieler bei der kleinsten Bewegung auseinandefallen, ist da schon fast ein Sinnbild meines Eindrucks von diesem Spiel. Das ist alles gut gemeint, das hat nette Ideen, und doch hatte ich in jeder Partie das Gefühl, Thema und Mechanik stehen auf einem etwas zu wackeligen Fundament. Obwohl ich ein großer Fan von Engine Builder- und kartenbasierten Aufbauspielen bin, ist New Eden für mich dann leider nicht zum selbigen geworden. So kann ich dann leider insgesamt nur 5 Kultpunkte verteilen, ja, in Vollbesetzung, und wenn man das Spiel nicht zu häufig auf den Tisch bringt, können, stören einen die administrativen Zwischenschritte nicht, noch 6 Punkte drin sein. An die (leider in Spielerkreisen teilweise auch verkannte) schlichte, aber spannende Eleganz eines Hadara, das ich auch heute noch mit Freude spiele, kommt New Eden für mich somit nicht heran, schade!

KULTFAKTOR: 5-6/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 6/10
Spielablauf: 5/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 09.05.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Schmidt Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten