REZENSION
MYCELIA
- Genre: Familienspiel
- Jahr: 2023
- Verlag: Ravensburger
- Autor: Daniel Greiner
- Illustrationen: Justin Chan, Matt Paquette Co.
- Art Direction: Chiara Bellavite
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 9 Jahren
- Dauer: ca. 45 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
- Taktiklevel: 7/10
Pilze, die den Tau einsammeln
Im magischen Zauberwald versuchen wir in einem Wettrennen, sämtliche Tautropfen zum Schrein des Lebens zu bringen. Derjenige, der das mit Hilfe von Mycelias Helden am schnellsten schafft, hat gute Chancen auf den Sieg.
REGELN
Baut zunächst den "Schrein des Lebens" zusammen und legt den Würfel auf das große runde Feld am Ende des Abschnitts, der zu eurer Spielerzahl passt. Jeder erhält ein Spielertableau, das aus 5x4 Feldern besteht. Jedes Feld zeigt eine Landschaftsart, ein Feld zeigt zudem das Schrein-Symbol. Zieht eine zufällige Aufbaukarte und belegt euer Tableau, wie auf der Karte vorgegeben, mit 20 Tautropfen. Die Rückseiten der Spielertafeln bieten dabei die Möglichkeit, unter asymmetrischen Bedingungen zu spielen, wobei die Verteilung der Tropfen für alle identisch bleibt. Nehmt euch zudem jeweils ein Aktionskärtchen der Sorten „a“ und „b“.
Jeder erhält ein Set aus 6 Startkarten. Die weiteren Karten werden gemischt und als verdeckter Stapel bereit gelegt. Von diesen Karten (Basiskarten und ggf. auch Erweiterungskarten) werden 5 Karten offen als Angebot ausgelegt. Diese Karten sind stärker als die Startkarten, kosten aber eine vorgegebene Anzahl an Blättern, die Währung im Spiel. Mischt zunächst eure Startkarten, bildet daraus einen verdeckten Stapel und zieht 3 Karten auf die Hand.
Gespielt wird reihum. Wer am Zug ist, spielt seine 3 Handkarten nacheinander, in einer Reihenfolge der eigenen Wahl, aus. Damit verbunden ist dann eine mögliche Nutzung der Funktion jeder Karte, wobei man auch ganz oder teilweise auf Funktionen verzichten kann. Die Startkarten liefern zunächst einmal Blätter (teilweise auch für die Mitspieler) sowie erste Bewegungen der Tropfen von vorgegebenen Feldern (rot, grün oder blau). Dabei gilt: Die Anzahl der blauen Tropfen, die auf einer Karte zu sehen sind (auf den Startkarten 1 Tropfen), muss sich mindestens (!) auf einem gewählten farblich passenden Feld befinden. Von so einem Feld darf dann also z.B. bei der grünen Karte (mit einem Tropfen) ein Tropfen von einem grünen Feld auf ein orthogonal angrenzendes Feld gezogen werden. Ziel ist es, die Tropfen zum Schrein-Feld des Tableaus zu bewegen.
Jederzeit können, gegen Bezahlung der geforderten Anzahl an Blättern, im eigenen Spielzug weitere Karten aus dem Angebot hinzu gekauft werden. Diese werden dann verdeckt auf den eigenen Nachziehstapel gelegt. Später liefern sie, wie eben schon erwähnt, bessere Funktionen als die Startkarten. Da können gleich mehrere Tropfen bewegt werden, die Anzahl der möglichen Bewegungen wird erhöht, es gibt aber teilweise auch spezielle Voraussetzungen. So gibt es z.B. eine Karte, die ein vorgegebenes Farbfeld zeigt, um das herum dann je 1 Tropfen von jedem orthogonal angrenzenden Feld entfernt werden darf. Entfernen bedeutet: Direkt zum Schrein schicken. Es gibt kombinierte Karten, die sowohl Tropfen bewegen und entfernen, manche Karten verlangen auch mindestens 2 Tropfen auf einem Feld, um die Aktion ausführen zu dürfen.
Eine Besonderheit stellen die Karten mit einem Käfer-Symbol dar. In diesem Fall muss die vorgegebene Anzahl an Tropfen auf einem Feld exakt vorhanden sein, um die Funktion nutzen zu können! Sehen wir auf einem Feld einer solchen Karte also beispielsweise einen Tropfen, darf sich auf dem für diese Aktion genutzten Feld auch nur exakt ein Tropfen befinden.
Nehmt ihr die Erweiterungskarten mit ins Spiel, gibt es dann auch die Möglichkeit, ungeliebte Karten aus eurem Deck zu entfernen sowie Sofort-Effekte beim Anheuern wie das Entfernen eines Tropfens, die Hinzunahme eines weiteren Aktionskärtchens („c“, „d“ oder „e“) oder gar die Möglichkeit, einen Tropfen von einem Feld mit exakt einem Tropfen zu entfernen und dort ein weiteres Schrein-Feld zu errichten.
Die Aktionskärtchen dürft ihr in eurem Zug jeweils einmal nutzen, wenn ihr die Aktion (Austausch des Karten-Angebots, Bewegung eines Tropfens, Entfernung eines Tropfens etc.) mit den dafür verlangten Blättern bezahlt.
Zurück zum Ziel des Spiels: die Tropfen zum Schrein bringen. Bewegt ihr einen Tropfen auf das Schrein-Feld eures Tableaus oder dürft ihr einen Tropfen direkt von eurem Board entfernen, dann legt ihr ihn auf ein noch freies rundes Feld des großen 3D-Gemeinschafts-Schreins. Am Ende jedes Spielzuges wird dort kontrolliert, ob sämtliche Felder des Bereichs, der zu eurer Spielerzahl gehört, mit Tropfen belegt wurden. Ist dies der Fall, wird die Drehscheibe des Schreins nun einmal um die eigene Achse gedreht. Durch einen pfiffigen Mechanismus leeren sich die Ablagefelder für die Tropfen automatisch, zudem rollt der Würfel vom Schrein und zeigt nun ein Symbol. Wählt für eure Partie eine zufällige Nachschubkarte aus. Diese zeigt nun 1 oder 2 Felder mit dem gewürfelten Symbol. Die Vorgabe gilt für die Tableaus aller Spieler. Legt darauf dann jeweils einen neuen Tropfen aus dem Vorrat, den Würfel anschließend wieder auf das entsprechende runde Feld des nun geleerten Schreins.
Auf diese Weise wird das Spiel reihum fortgesetzt, bis es einem Spieler gelingt, sämtliche Tropfen aus dem eigenen Wald (also vom eigenen Tableau) zu entfernen. Die laufende Runde wird noch zu Ende gespielt, und es werden auch keine neuen Tropfen mehr nachgelegt, sollte sich der Schrein füllen. Ist der Spieler, der das Spielende ausgelöst hat, nach der letzten Runde der einzige, der seine Tafel geleert hat, ist er der Sieger. Sollte das in der letzten Runde jedoch noch weiteren Spielern gelungen sein, dann entscheidet der höchste Wert der Blätter im Besitz der am Gleichstand beteiligten Spieler über den Sieg.
Das Spiel bietet auch einen Solomodus. Dabei wird genau wie im Spiel zu zweit gespielt, nur dass der Gegner ein virtueller ist, der kein eigenes Wald-Tableau besitzt, sondern seine Tautropfen einfach durchs zufällige Aufdecken der Solo-Kärtchen von einem Blätterhaufen entfernt und damit ebenfalls in die Konkurrenz ums schnellere Loswerden der Tropfen tritt, während man selbst dem zuvor beschriebenen Karten-/ Bewegungs-Puzzle folgt.
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- interessantes Einstiegs-Deckbauspiel
- spannendes Wettrennen
- märchenhafte Illustrationen
- hochwertige Ausstattung
- anpassbarer Schwierigkeitsgrad
- gut integrierter Solospiel-Modus
CONTRA
- Symbolik kann unerfahrene Spieler anfangs noch überfordern
- manchmal steht der Sieger auch schon vorzeitig fest
MEINUNG
Die zarten rosa Farbtöne, die märchenhaft illustrierten Pilze, der Untertitel „im Tal der tausend Tautropfen“ - all das zeigt bereits, welche Zielgruppe Mycelia anpeilt. Es sind ganz klar die Familien, die mit diesem Deckbau-Spiel angesprochen werden sollen. Das Deckbau-Prinzip ist dabei simpel gehalten - Karten ziehen, Karten ausspielen, ggf. Karten hinzu kaufen, Karten nachziehen. Das ist schnell verstanden, und so eignet sich das Spiel auch als idealer Einstieg in die Welt des Deckbuildings.
Dabei steht der Deckbau gar nicht einmal allein im Vordergrund des Spielgeschehens, er ist mehr das Mittel zum eigentlichen Zweck, denn das Ziel des Spiels ist an ein Wettrennen gekoppelt, und das ist ebenfalls schnell verstanden und lautet: „Entferne alle Tautropfen von deiner Spielertafel“. Dadurch, dass das Ziel bewusst eindimensional gehalten wurde, gibt es einen klaren Auftrag, den man stets vor Augen hat. So fällt es leichter, die Karten und ihre Funktionen einzuschätzen. Während ich anfangs versuche, Tropfen zum Schrein-Feld zu bewegen, wird mir schnell auffallen, dass ich mit besseren Karten auch einfach Tropfen direkt vom Board entfernen kann, was eine enorme Hilfe darstellt. Und dann wird das Spiel sogar zum taktischen Puzzle, auch teilweise unter Einbeziehung der optional nutzbaren Aktionskärtchen. Da erfordert so manche Aktion eine Vorbereitung, z.B. das Bewegen von Tropfen auf bestimmte Stellen, um Voraussetzungen für Karten-Funktionen zu schaffen, oder um diese Funktionen voll und ganz ausnutzen zu können und keine Option zu verschenken.
Die Symbolik ist, einmal verstanden, klar, allerdings zeigte sich in unseren Partien, dass es doch vorteilhaft ist, wenn sich ein etwas erfahrenerer Spieler mit am Tisch befindet, um die unterschiedlichen Darstellungen der Tropfen und Felder auf komplexeren Karten sofort zu durchdringen. Andernfalls muss öfters in der Anleitung nachgeschlagen werden. Dass die kleinen Käfer-Symbole zudem eine exakte Anzahl an Tropfen einfordern, kann man im Eifer des Spiels auch mal schnell übersehen, denn diese Käfer befinden sich teilweise recht unscheinbar in der Ecke eines dargestellten Feldes. Mit jeder Wiederholungspartie geben sich aber eventuelle Anfangsschwierigkeiten an dieser Stelle.
So geht es also bei Mycelia ums Optimieren des eigenen Kartendecks, um schneller ans Ziel zu gelangen. Ich benötige sowohl Blätter als Währung, als eben auch die Möglichkeit, auf meinem Wald-Tableau durch Karten-Funktionen agieren zu können. Mit den Erweiterungskarten, die erfahrene Spieler auch direkt mit in den Kartenstapel einmischen können, gibt es dann auch die in einem Deckbau-Spiel gern gesehene Option, Karten aus dem eigenen Deck entfernen zu dürfen. Ja, da gibt es dann auch Karten mit starken Sofort-Effekten beim Kauf, die manchmal andere Spieler betreffen, die aber auch Vorteile für einen selbst liefern können, zum Beispiel zusätzliche Aktionskärtchen oder sogar den Zusatz-Schrein. Die beiden Karten mit dem zusätzlichen Schrein, über den dann Tropfen entfernt werden können, wirken fast schon übermächtig, wenn ein Spieler eine solche Karte vergleichsweise früh erwirbt.
Das Wettrennen, bei dem man das Ziel immer vor Augen hat, ist meistens spannend, zumal durch die regelmäßige Drehung des großen Schreins auch wieder neue Tropfen ins Spiel kommen, vielleicht auf Felder, die man gerade mit Mühe freigeräumt hatte. So kann ein schönes - Achtung, Wortspiel - "Tauziehen" entstehen. Wir hatten aber auch Partien, in denen eine Person den anderen davon eilte. Da war eigentlich dann schon klar, dass diese Person mit nur noch 2 Tautropfen auf der eigenen Tafel in der nächsten Runde sicher gewinnt, wenn man selbst noch 10 Exemplare des blauen Plastik-Taus im Wald rumliegen hat. Da lädt Mycelia dann aber auf jeden Fall zur Revanche ein, denn die Mischung aus Glück und Taktik lässt immer wieder neue Voraussetzungen - und im Idealfall auch Synergien - entstehen.
Das Spielmaterial ist dabei hochwertig. Karten und Papp-Teile haben eine gute Qualität, die Tautropfen sind hübsch und lassen sich gut bewegen. Die Illustrationen der Pilze sind herzig, ebenso die kleinen Texte auf den Karten. Die Symbolik wiederum ist dann abstrakt gestaltet, also mehr als zweckmäßig einzustufen. Der große runde Schrein ist ein Hingucker - ja, man könnte vielleicht sogar sagen, dieses Element ist überproduziert, da es eine einfache Ablagetafel und ein Würfel, der geworfen wird, auch getan hätten, aber der 3D-Aufbau wirkt natürlich imposanter, versehen mit der witzigen Mechanik, das sich die Ablage dann bei einer Drehung von selbst leert und der Würfel automatisch geworfen wird. Gerade Kinder sind davon fasziniert, was den Spielablauf auf jeden Fall auflockert.
Fazit: Mycelia ist ein optisch starkes Familienspiel, das super in den Mechanismus des Deckbaus einführt, dabei aber auch für erfahrene Spieler durch die taktische Komponente beim Wettlauf ums schnelle Loswerden der Tautropfen interessant bleibt - eine Idee fürs klar definierte Spielende, wie wir sie beispielsweise in abgewandelter Form schon in Nova Luna vorfanden. Auch da sorgte das visuell definierte Ziel bereits für Spannung. Der Solomodus wurde zudem gut in das Spiel integriert und bietet, trotz virtuellem Gegner, ebenfalls eine schöne Herausforderung.
Mycelia erfindet jetzt den Deckbau nicht neu, kombiniert ihn aber mit einem sympathischen Puzzle. Dafür vergebe ich insgesamt sehr gute 8 Kultpunkte.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/Tr3ZYXDMKpo
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 09.07.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Ravensburger
Weitere Fotos: Spielkultisten