REZENSION
MY LIL' EVERDELL
- Genre: Familienspiel
- Jahr: 2023
- Verlag: Pegasus Spiele / Starling Games
- Autoren: James & Clarissa A. Wilson
- Illustrationen: Andrew Bosley, Jacqui Davis
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 20 bis 40 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 7/10
Taktische Träumereien Light
Everdell ist ein bezauberndes Tal, in dem niedliche Tiere wohnen. Wie im großen Kennerspiel, sammeln wir nun in der Familien-Variante Zweige, Harz und Beeren, um neue Bewohner anzulocken und Bauwerke zu errichten. Und wer das besonders gut macht, der nimmt auch an den prachtvollen Paraden teil, die wertvolle Zusatzpunkte bringen!
REGELN
Jeder von euch erhält ein Heimatort-Tableau sowie 3 Tierfiguren einer Art. Zur Auswahl stehen da Mäuse, Füchse, Eidechsen und Schmetterlinge. Möchtet ihr den Zugang zum Spiel erleichtern, gebt jedem Mitspieler vor Spielbeginn jeweils eine Ressource jeder Sorte. Auch könnt ihr bereits erste Karten, nämlich den Hauptmann eurer Tierart und die Festung an euer Tableau anlegen. Möchtet ihr das Spiel schwieriger machen, lasst Ressourcen und / oder die Startkarten weg.
Bereitet den Spielplan vor, indem ihr ihn mit den Vorratskisten bestückt, die die Ressourcen bereithalten. Außerdem sortiert ihr die Parade-Marker nach Motiv und legt sie als Stapel bereit, wobei die Punktewerte in jedem Stapel absteigend sortiert sind. Deckt außerdem 8 zufällige Karten auf und legt sie unterhalb des Spielplans bereit.
Die Karten unterteilen sich in Wesen und Bauwerke. Die Kosten findet ihr am oberen Rand jeder Karte. Wesen verlangen stets eine bestimmte Anzahl an Beeren, während Bauwerke die Baumaterialien (Harz, Zweige) in unterschiedlicher Anzahl und Kombination einfordern. Jede Karte liefert Siegpunkte am Spielende (Zahl im gelben Kreis). Zudem gehört jede Karte einer von fünf verschiedenen Kategorien an. Dazu gleich mehr.
Gespielt werden insgesamt 4 Runden. Jede Runde ist unterteilt in 5 Phasen.
Phase 1: Würfeln
Werft für jede Person, die am Spiel teilnimmt, einen der grünen Ressourcen-Würfel und platziert die Ergebnisse dann in zufälliger Reihenfolge auf den Würfel-Orten des Spielplans.
Phase 2: Ressourcen sammeln
Alle vor euch liegenden grünen Karten (Produktions-Karten) schütten nun ihre Effekte aus, die auf der Karte verzeichnet sind (Ressourcen, Punkte).
Phase 3: Aktionen ausführen
Reihum setzt ihr immer genau eine eigene Figur auf ein Einsetzfeld und führt die entsprechende Aktion aus. Die Würfel-Orte nehmen dabei jeweils nur eine Figur auf, die weiteren Orte auf dem Spielplan haben hingegen Platz für eine beliebe Anzahl an Figuren. Auf diese Weise sammelt ihr Ressourcen und Punkte in unterschiedlicher Anzahl und Kombination.
Nachdem du eine Figur eingesetzt und den Effekt des Ortes ausgeführt hast, kannst du mit deinen verfügbaren Ressourcen eine neue Karte aus der Auslage kaufen. Die legst du an deinen Heimatort an (Wesen nach links, Bauwerke nach rechts). Der freie Platz im Angebot wird dann mit einer neuen Karte vom Stapel aufgefüllt.
Folgende Karten-Arten sind im Spiel:
- Produktionskarten (grün) erzeugen direkt beim Ausspielen sofort einmalig den aufgedruckten Ertrag, außerdem liefern sie diesen erneut in jeder Phase 2 weiterer Spielrunden.
- Verwaltungskarten (blau) liefern dauerhafte Vorteile im Spiel, nach dem Prinzip „Immer wenn du ein Wesen ausspielst, erhältst du einen Siegpunkt“ etc.
- Bewegungskarten (braun) liefern einen einmaligen Bonus.
- Zielkarten (rot) zeigen neue Einsetzfelder für Figuren. Hast du eine solche Karte in deiner Auslage, kannst du beim Einsetzen deiner Figuren einen solchen Ort belegen, um den individuellen Effekt der entsprechenden Karte auszuführen.
- Wohlstandkarten (lila) bringen Siegpunkte am Spielende für bestimmte Voraussetzungen (z.B. für jede Produktionskarte in der eigenen Auslage etc.).
Kontrolliere nun, ob du die Bedingung einer Parade erfüllst. In diesem Fall erhältst du das wertvollste noch verfügbare Plättchen. Jede Parade darfst du nur einmal erfüllen. Du erhältst einen solchen Marker, wenn du ...
- ... 5 Wesen angelockt hast.
- ... 5 Bauwerke errichtest hast.
- ... von jedem Kartentyp mindestens eine Karte in der eigenen Auslage besitzt.
- ... von einem Kartentyp (außer Produktion) mindestens 3 Karten in der eigenen Auslage besitzt.
Nach dem Einsetzen einer Figur und dem Ausführen der Aktion, dem eventuellen Kauf einer neuen Karte sowie dem Paraden-Check ist die nächste Person in Sitzreihenfolge am Zug. Das geht reihum weiter, bis ihr alle Figuren eingesetzt habt.
Phase 4: Zum Heimatort zurückkehren
Nehmt eure 3 Figuren zurück von den Einsetzfeldern und stellt sie wieder auf euren Heimatort.
Phase 5: Sonne- und Mond-Marker weiterbewegen
Der Mond-Marker markiert am oberen Spielplan-Rand die aktuelle Runde. Bewegt ihn nach jeder Runde eine Position weiter. Der Sonnen-Marker markiert den Startspieler einer Runde. Gebt ihn nach jeder Runde entgegen dem Uhrzeigersinn an die Person, die in der letzten Runde als letzte Person an der Reihe war.
Spielende und Wertung
Nach 4 Runden endet das Spiel. Addiert nun eure Punkte:
- 1 Punkt für je 2 übrige Ressourcen
- alle Punkte eurer ausgespielten Karten in der eigenen Auslage
- alle im Spiel gesammelten Punkte (in Form von Punkte-Markern)
- alle Punkte auf gesammelten Parade-Markern
- alle Punkte, die über eventuell vorhandene lilafarbene Wohlstandskarten generiert werden
Wer nun die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.
Das Spiel bietet auch einen Solo-Modus. Da trittst du gegen "Prinzessin Immergrün" oder "Prinz Pumpernickel" an. Diese virtuellen Gegner sammeln keine Ressourcen, erhalten aber in ihren Spielzügen kostenlos Karten aus der Auslage, die ausgewürfelt werden.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- bezauberndes Spielmaterial
- ideal, um Einsteigern Worker Placement und Engine Building näherzubringen
- wem das große Everdell zu kompliziert oder lang war, erhält eine einfachere, schnellere Version
CONTRA
- rein spielerisch auf lange Sicht keine allzu große Herausforderung (für die Zielgruppe aber völlig okay)
MEINUNG
Hach, Everdell ... meine große Brettspiel-Liebe. Kaum hat es bisher ein anderes Spiel geschafft, eine so verträumte Welt zu erschaffen, die spielerisch dennoch eine Herausforderung darstellt. So sortierte sich Everdell in die Kategorie der Kennerspiele ein, was fast schon schade war, da unerfahrenere Spielerinnen und Spieler sowie Kinder doch noch größtenteils aus der Zielgruppe ausgeklammert wurden. Die Synergien, die ausgespielte Karten im „großen“ Everdell erzeugen, haben eine schöne taktische Tiefe, die das Spiel, nicht zuletzt auch durch diverse Erweiterungen, auch für Vielspieler interessant gemacht haben.
My Lil‘ Everdell kommt in einer schmaleren Box daher und lässt vom Titel auf ein Kinderspiel schließen. Nein, das ist My Lil‘ Everdell nicht, und das unterstreicht auch die Verlagseinordnung der deutschen Version als "Familienspiel". Letztlich sollte man den Namen so verstehen, wie er gelesen wird, nämlich als „kleines“ Everdell. Die Optik ist dabei erneut zauberhaft geworden, die Karten-Illustrationen sind einfach niedlich, und auch die Figuren und die Ressourcen sind wieder kleine Hingucker. Dabei wurde, um den Namen gerecht zu werden, einiges reduziert. Der große zusammensteckbare Immerbaum ist nicht mehr vorhanden, der Spielplan wurde nun mit kleinen Sortierboxen für die Ressourcen dreidimensional aufgewertet. Ansonsten ist er Ablagefläche für die Parade-Marker sowie die neuen Ressourcen-Würfel, die in jede Runde immer eine gewisse Varianz bei der Aktionsauswahl verursachen.
So wurden auch die Regeln für den Spielablauf entschlackt. Es gibt nun fest vorgegebene Runden und Spielzüge, die immer einem gleichbleibenden Schema folgen: Figur einsetzen, Ressourcen sammeln, ggf. Karte kaufen und Parade-Bedingungen überprüfen. So kann es nun nicht mehr passieren, dass ein Spieler schon näher am Spielende ist als ein anderer, der geschickter gespielt hat, was im Ursprungs-Everdell ja für eine gewisse Asymmetrie sorgte.
Nun ist es meistens so, dass sich die Spielerinnen und Spieler zunächst auf die Würfel-Orte stürzen, gibt es doch hier immer bessere Erträge als auf den fest aufgedruckten Orten des Spielplans. Dennoch ist es nicht immer hilfreich, den letzten Würfel-Ort zu belegen, wenn die Ressourcen darauf gar nicht weiterhelfen. Da kann sich durchaus auch mal ein Ort mit geringerem Ertrag bezahlt machen, einfach, um eine Karte aus der Auslage kaufen zu können, die einem besonders ins Auge fällt.
Karten lassen sich leichter erwerben als im großen Spiel, und so lässt sich auch leichter eine Engine aufbauen, die besonders von den grünen Produktionskarten angetrieben wird, liefern diese Karten doch schon beim Ausspielen die darauf angegebene Belohnung, aber ebenfalls halt auch noch einmal in jeder weiteren Produktionsphase. So kommen Runde für Runde mehr Ressourcen ins Spiel, die dann auch den Kauf von höherwertigen Karten erleichtern. Für Abwechslung sorgen zudem die Zielkarten, die dann persönliche Einsetzfelder offerieren, was eine große Erleichterung sein kann. Ja, natürlich ist an dieser Stelle auch etwas Glück im Spiel vorhanden, wann welche Karte in die Auslage kommt. Theoretisch kann es passieren, dass ich nie eine rote Karte erwerben kann, weil mir diese Karten immer vor der Nase weggekauft werden. In der Praxis gleicht sich das aber dann doch meistens über die Runden hinweg aus.
Interaktion entsteht also durchs Wegschnappen von Karten und Einsetz-Orten, aber auch durch das Wettrennen um die Paraden. Da es vier verschiedene Wege gibt, um so einen Marker zu erhalten, können Strategien auch entsprechend angepasst werden.
My Lil‘ Everdell führt mit seinen simplen Regeln ganz hervorragend ans Spielprinzip der Worker Placement- und Engine Builder-Spiele heran. Klar, wer sich in diesen Kategorien bereits zuhause fühlt, wird trickreichere Titel auf dem Spielemarkt finden. Und wer das große Everdell liebt und sich schon mit sämtlichen Erweiterungen eingedeckt hat, wird in der kleinen Version keine wirkliche Herausforderung sehen. My Lil‘ Everdell möchte aber auch eine andere Zielgruppe ansprechen, nämlich die Familienspieler, ja, oder einfach auch die Gelegenheitsspieler, die Spiele mit einfachen Regeln bevorzugen. Da schafft es das Spiel durch sein wunderschönes Setting, direkt für Aufmerksamkeit und Spielreiz zu sorgen. Kinder ab 8 Jahren können gut mitspielen, vielleicht sogar schon jüngere, wenn man ihnen die Kartentexte vorliest.
Nein, ein Kinderspiel ist My Lil‘ Everdell, wie gesagt, nicht. Auch wenn es einen kindgerechteren Zugang besitzt, so ist es doch ein Familienspiel, an dem auch Erwachsene ihren Spaß haben. Wer echtes Everdell-Feeling haben möchte, aber nur eine halbe Stunde Zeit, der kann My Lil‘ Everdell auch gut als vollwertiges Zwischendurch-Spiel verwenden.
Fazit: Rein spielerisch bietet My Lil‘ Everdell jetzt keine große Revolution mehr, und doch ist das für die anvisierte Zielgruppe ein ideales Einstiegsspiel, um Geschmack an Spielen dieser Art zu finden. So können Neulinge damit gut angefüttert werden, um später auf die komplexere Variante umzusteigen. Genau dafür erhält My Lil‘ Everdell von mir sehr gute 8 Kultpunkte, sogar mit einer Tendenz zur 9 aufgrund seines traumhaften Settings. Everdell-Profis unter sich brauchen diese neue Variante rein spielerisch wohl eher nicht, obwohl ... Vielleicht locken sie Neulinge so ja auch zum großen Spielerlebnis. Genau für diese Zwecke und die erwähnte Zielgruppe gibt es von mir eine klare Empfehlung!
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/BmKDs-BJiSE
KULTFAKTOR: 8-9/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 10/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 07.05.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Pegasus Spiele / Starling Games
Weitere Fotos: Spielkultisten