REZENSION

ERDE

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2023
  • Verlag: Skellig Games (deutsche Version) / Inside Up Games
  • Autor: Maxime Tardif
  • Grafik / Illustration: Conor McGoey, Kenneth Spond, Yulia Sozonik, M81 Studio
  • Spieler: 1 bis 5
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 90 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 8/10

Die Schönheiten der Natur

Die Erde - Planet und der Boden, auf dem sich Flora und Fauna in mehr als einer Million Jahre entwickelt haben. Auch im Spiel erschaffen wir einzigartige Ökosysteme und nutzen die natürlichen Synergien, um Pflanzen wachsen zu lassen, Terrains anzulegen und so auf unterschiedliche Weise Punkte zu erzielen.

REGELN

Hinweis vorab: Ausführlich beschrieben werden hier die Standard-Regeln. Das Spiel kann mit Varianten angepasst werden (siehe letzter Abschnitt im Regel-Teil).

Jeder erhält ein eigenes Spieler-Tableau, eine zufällige Insel-, eine zufällige Klima- und eine zufällige Ökosystem-Karten. Die Karten sind beidseitig bedruckt; sucht euch individuell die Seite aus, mit der ihr spielen möchtet. Die Inselkarte gibt euch erste Ressourcen: Handkarten, von denen einige direkt kompostiert (= auf den Komposthaufen des eigenen Tableaus gelegt) werden müssen sowie Erde (das Zahlungsmittel im Spiel). Außerdem liefert die Insel, genau wie die Klima-Karte, eine dauerhafte Fähigkeit. Die Ökosystem-Karte hingegen hält einen Auftrag für euch bereit, der am Spielende ausgewertet wird.

Auf dem Gemeinschafts-Spielplan werden zwei weitere Ökosystem-Karten ausgelegt. Anders als die Karte auf dem eigenen Tableau, gelten diese Aufträge mit Siegpunkte-Option am Spielende für jede Person. Zudem werden auf diesen Plan noch vier zufällige Fauna-Karten gelegt. Die Tiere stellen ebenfalls Aufgaben, die ihr allerdings während des Spiels erfüllen müsst, um Siegpunkte zu erhalten. Diese Aufgaben sind als Wettrennen angelegt - wer eine Aufgabe früher als die Konkurrenz erfüllt, bekommt entsprechend mehr Punkte.

Los geht‘s! Bist du an der Reihe, wählst du eine von vier Aktionen. Die Aktionen sind farbcodiert am oberen Rand des eigenen Tableaus zu finden. Als aktive Person führst du den oberen Teil (= besseren Teil) der Aktion aus, als passive Person den unteren (schwächeren) Teil der Aktion. Die Farbe der Aktion bestimmt dann zudem, welche Karten der eigenen Auslage danach aktiviert werden dürfen. Die Aktivierung gilt sowohl für entsprechend farbige Fähigkeiten auf Karten auf dem eigenen Tableau, wie für Karten in der eigenen Auslage. In der eigenen Auslage werden die Fähigkeiten immer der Reihe nach zeilenweise von links nach rechts (und von oben nach unten) durchgeführt. Die Positionen der Karten in der eigenen Auslage dürfen, einmal gelegt, nicht mehr verändert werden!

Folgende Aktionen stehen zur Auswahl:

Pflanzen (grün):

  • aktiv: Spiele bis zu zwei Handkarten in deine eigene Auslage, ziehe dann vier Karten vom Stapel, von denen du eine auf der Hand behältst und die anderen abwirfst. 
  • passiv: Spiele bis zu eine Handkarte in deine eigene Auslage, ziehe dann eine Karte vom Stapel auf die Hand.
  • aktiv und passiv: Nutzt die grünen Fähigkeiten eurer Karten auf eurem Tableau und in eurer Auslage (jeweils optional).


Die Auslage bildet ein 4x4-Raster, in das die Karten gelegt werden. Neue Karten müssen immer waagrecht, senkrecht oder diagonal angrenzend zu bereits ausgelegten Karten hinzugefügt werden, wobei die erste Karte als Startkarte fungiert. Jede Karte kostet die angegebene Menge an Erde, die dann zurück in den Vorrat gelegt wird. In die Auslage gespielt werden dürfen Flora- und Terrain-Karten. Während die Flora-Karten, neben ihren (ebenfalls farbcodierten) Fähigkeiten, diverse Symbole liefern, die wiederum für Wertungen wichtig sind, bieten sie die Möglichkeit, zu wachsen oder Sprosse zu bilden. Terrain-Karten hingegen liefern Vorteile bzw. individuelle Möglichkeiten, Punkte zu sammeln, z.B. über bestimmte angrenzende Flora-Karten, über Symbole, Ressourcen etc.

Kompostieren (rot):

  • aktiv: Nimm 5 Erde und lege sie in deinen Vorrat. Kompostiere anschließend 2 Karten vom Stapel, indem du sie verdeckt auf den Komposthaufen deines Tableaus legst.
  • passiv: Nimm 2 Erde oder kompostiere 2 Karten vom Stapel.
  • aktiv und passiv: Nutzt die roten und mehrfarbigen Fähigkeiten eurer Karten (jeweils optional).


Am Spielende bringt jede Karte im Kompost 1 Punkt.

Wässern (blau):

  • aktiv: Setze bis zu 6 Sprosse auf freie Sprossfelder der Flora-Karten in der eigenen Auslage. Nimm zudem 2 Erde.
  • passiv: Setze bis zu 2 Sprosse auf freie Sprossfelder der Flora-Karten in der eigenen Auslage oder nimm 2 Erde.
  • aktiv und passiv: Nutzt die blauen und mehrfarbigen Fähigkeiten eurer Karten (jeweils optional).


Sprosse können auch wieder von Karten entfernt werden. 3 Sprosse geben euch bei Bedarf sofort 2 Erde, wobei diese Option nicht zur Verfügung steht, wenn ihr gerade neue Sprosse über das Wässern erhaltet. Am Spielende bringt jeder Spross in der eigenen Auslage 1 Punkt.

Wachsen (gelb):

  • aktiv: Ziehe 4 Karten vom Stapel auf die Hand. Setze dann bis zu zweimal Wachstum (Stamm-Teile) auf Wachstumsfelder der Karten in der eigenen Auslage. 
  • passiv: Ziehe 2 Karten oder setze bis zu zweimal Wachstum auf Wachstumsfelder der Karten in der eigenen Auslage.
  • aktiv und passiv: Nutzt die gelben und mehrfarbigen Fähigkeiten eurer Karten (jeweils optional).


Wie hoch eine Pflanze wachsen darf, steht neben dem Wachstumsfeld. Der letzte Teil bildet immer die Krone, die in einer beliebigen Farbe markiert, dass diese Pflanze die maximale Größe erreicht hat. Während nicht vollendete Pflanzen am Spielende 1 Punkt pro Stamm-Teil einbringen, bringen Pflanzen mit Kronen die Punkte, die neben dem Wachstumsfeld angegeben sind.

Beim Aktivieren von Fähigkeiten gibt es kostenlose Boni wie Erde, Wachstum oder Sprosse. Auch können Karten von der Hand kompostiert werden. Zudem gibt es Fähigkeiten, die nur gegen Bezahlung ausgeführt werden können. Dazu müssen dann z.B. Karten vom Kompost, Wachstum oder Sprosse abgegeben werden.

Ereigniskarten können jederzeit im Spiel aufs eigene Tableau ausgespielt werden für einmalige Boni, teils gegen Bezahlung. Achtung: Manche Ereignisse bringen am Spielende Minuspunkte!

Überprüft nach jedem Spielzug, ob ihr ein Fauna-Ziel erreicht habt. Legt in diesem Fall einen Blatt-Marker eurer Farbe neben das Ziel, immer auf das höchste noch verfügbare Punktefeld. Sollten mehrere Personen in einer Runde ein identisches Ziel erfüllt haben, werden die Blätter in Sitzreihenfolge platziert.

Spielende: Gespielt wird reihum, bis eine Person das eigene 4x4-Raster komplett mit Karten gefüllt hat. Diese Person legt dann einen Blatt-Marker neben das 7-Punkte-Feld auf dem Gemeinschaftsplan. Die laufende Runde wird noch zu Ende gespielt, sodass jede Person gleich häufig aktive Person war.

Dann folgt die Schlusswertung. Punkte gibt es nun für ...

  • Karten mit einem Grundpunktewert (Blatt) auf dem eigenen Tableau und in der eigenen Auslage.
  • ausgespielte Ereigniskarten (das können auch negative Punkte sein!).
  • Karten auf dem eigenen Komposthaufen (1 Punkt pro Karte).
  • jeden Spross auf Karten der eigenen Auslage (jeweils 1 Punkt).
  • Wachstum der Pflanzen (1 Punkt pro Stamm bzw. den angegebenen Wert für ausgewachsene Pflanzen mit Krone).
  • Terrain-Karten in der eigenen Auslage, sofern bzw. wie oft die jeweilige Aufgabenstellung erfüllt wurde.
  • Ökosystem-Karten, sofern bzw. wie oft die Aufgabenstellungen erfüllt wurden.
  • neben Fauna-Karten platzierte Blatt-Marker (je nach Position).
  • denjenigen, der als erste Person sein 4x4-Raster gefüllt hat (7 Punkte).


Wer die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

Varianten:

  • In einer Einsteiger-Variante entfällt das abgestufte Punkte-Wettrennen um die Fauna-Ziele. Die Erfüllung jeder der vier zufällig ausgelegten Ziele auf dem Gemeinschafts-Spielplan bringt dann pauschal 10 Punkte. Die Ökosystem-Wertungen entfallen.
  • In einer Fortgeschrittenen-Variante erhält jede Person zu Beginn zwei Insel-, Klima- und Ökosystemkarten, aus denen jeweils eine Karte (und ihre Seite) ausgewählt wird.
  • Das Spiel bietet auch eine Team-Variante, in der immer zwei Spieler gemeinsam um Punkte spielen. 
  • Das Spiel kann zudem solo gespielt werden.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • interessante Engine-Builder-Mechanik
  • viele Wege, um an Punkte zu gelangen 
  • wunderschöne Optik
  • lehrreiche Kartentexte


CONTRA 

  • teilweise entscheidet auch das Glück beim Ziehen der Karten
  • recht aufwendige Schlusswertung

MEINUNG

Wer ein Auge für die Schönheiten unseres Planeten hat, der wird von Erde begeistert sein. Die über 300 unterschiedlich illustrierten Karten sind ein echter Augenschmaus. Zudem liefern sie auch noch zahl- und lehrreiche Info-Texte; das ist wirklich toll gemacht! Auch die Spielgrafik ist, einmal verstanden, schnell verinnerlicht. Die Informationen auf den Karten sind leicht zu überblicken, die Fähigkeiten sind, wie die Aktionen, zudem farbcodiert, was eine echte Hilfe darstellt. Entscheide ich mich für die gelbe Aktion, weiß ich, dass ich alle gelben Fähigkeiten von ausgespielten Karten aktivieren kann. Und nicht nur das: Auch in passiven Spielzügen gilt dieses Engine-Builder-Element, das einem, die Karten klug kombiniert und positioniert, tolle Vorteile liefern kann.

Die Aktionen von Erde sind schnell erklärt. Im Kern geht es darum, Handkarten - gegen Bezahlung durch Erde - ins eigene 4x4-Raster zu spielen, Pflanzen sprießen und sie in die Höhe wachsen zu lassen. Welche Karten ich nun an welche Stelle spiele, ist mir überlassen. Für die Punkte auf den Karten, die Sprosse und den Wachstum sind die Raster-Plätze erst einmal noch Nebensache. So bringen gesammelte Sprosse und Stämme (bzw. Kronen) am Spielende Punkte. Allerdings werden sie, genau wie kompostierte Karten, auch manchmal für das Auslösen von Fähigkeiten benötigt, sind also dann auf diese Weise auch wieder Zahlungsmittel im Spiel.

Was Erde ausmacht, und was einem auch richtig viele Punkte einbringen kann, sind jedoch die Aufträge. Vier Faunaziele gilt es als Wettrennen zu meistern, also z.B. zwei Reihen des eigenen Rasters komplett mit Karten zu füllen, neun Pflanzen mit mindestens einem Spross in der Auslage zu besitzen, drei Pflanzen mit Farben im Namen vorzuweisen usw. Das ist dann auch das einzige wirklich interaktive Element des Spiels, welches ansonsten überwiegend solitär geprägt ist. Nun gut, die Aktionsauswahl bestimmt auch immer, was die mitspielenden Personen im passiven Spielzug machen können, aber als aktive Person entscheidet man sich meistens dann doch eher für die Aktion, die einem selbst am wichtigsten erscheint.

Noch mehr Herausforderung entsteht dann doch die Ökosystem-Ziele, wobei eines der drei Ziele wiederum ein individuelles ist. So werden alle Personen verschiedene taktische bis strategische Wege einschlagen, um die Ziele zu erfüllen. Und damit immer noch nicht genug! Die Terrain-Karten liefern auch noch einmal Punkte-Optionen, wenn sie taktisch klug ins eigene Raster gelegt werden.

Nun sind zum Erfüllen der Ziele oft bestimmte Symbole, Namen oder Werte von Karten erforderlich. Da spielt natürlich dann schon auch immer etwas Glück beim Ziehen der Karten eine Rolle. Lautet ein Ziel, dass ich Punkte für diagonal an ein Terrain angrenzende Pilze erhalte, dann muss ich diese Pilz-Karten halt auch erst einmal auf die Hand bekommen. Glücklicherweise gibt es kein Handkarten-Limit. Viele Karten zur Auswahl sind immer ein Vorteil.

Um die Karten bezahlen und so manche Fähigkeiten aktivieren zu können, benötige ich Erde oder auch Sprosse oder Wachstum. So ist das Spiel auch vom Ressourcenmanagement geprägt und der Abschätzung, was einem mehr Punkte einbringt. Manchmal kann es auch besser sein, einfach nur viele Pflanzen in die Höhe wachsen zu lassen oder Sprosse zu bilden, ohne sie wieder einzusetzen. Der Kompost mag vielleicht zunächst wenig attraktiv erscheinen, und doch kann auch er zu vielen Punkten führen, wenn man gezielt darauf spielt oder sogar noch eine Wertungskarte dafür besitzt.

Das Puzzeln beim Auslagen der Karten in Kombination mit dem trickreichen Engine Builder-Effekt beim Auslösen farblich passender Aktionen bietet echt schöne Synergien, die man in jeder Partie aufs Neue entdecken kann. Für eine dauerhafte Abwechslung ist aufgrund der vielen verschiedenen Wertungskarten auf jeden Fall gesorgt. Allein, weil die knapp 300 Erde-Karten eh zufällig gezogen werden, gleicht keine Partie einer anderen. Und optisch werden wir dann auch noch belohnt. So eine fertige Auslage mit ihren Sprossen und mit den empor gewachsenen Pflanzen, schmeichelt den Augen des Betrachters.

Die Ausstattung ist dabei auch in der normalen Retail-Version schon hochwertig. Für ca. 50 Euro bekommt man ein umfangreich ausgestattes Spiel mit einer guten Materialqualität. Ja, die Boards auf fester Pappe biegen sich bei unserem Exemplar etwas, was aber kein großes Problem darstellt. Erde sowie Blätter aus Holz bekommt man nur mit den Kickstarter-Goodies, aber letztere sind keine verpflichtende Option. Die Papp-Marker für Erde wirken abstrakter, lassen sich aber sogar noch besser greifen als die Holz-Variante. Kein Nachteil also, wenn man bei der Standard-Ausstattung des Spiels bleibt.

Rein spielerisch besitzt Erde für mich ein an Flügelschlag erinnerndes Spielgefühl, denn auch beim Kennerspiel des Jahres 2019 lieferten die ausgespielten Karten immer wieder Engine-Builder-Fähigkeiten. Wurden bei Flügelschlag Karten hinter anderen versteckt für zusätzliche Punkte, so werden sie bei Erde kompostiert. Und was bei Flügelschlag die Eier sind, sind bei Erde wohl die Sprosse. Keinesfalls fühlt sich Erde aber dadurch wie eine Kopie an, denn die spielerischen Elemente unterscheiden sich dann doch. So führen bei Erde wirklich viele Wege zu Siegpunkten, was einem viel taktische Freiräume gewährt. Dass die Wertung am Spielende dann eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, nehme ich gern in Kauf, wenngleich man schon aufpassen muss, alles korrekt zu werten. Der praktische Wertungsblock lenkt einen aber gut durch diesen Verwaltungsprozess.

Sieht man vom Zufallselement des Spiels ab, was nicht jedem Spielertyp gleich gut gefällt, so ist Erde für mich ein wirklich wunderschönes Spiel geworden, das mich, als Fan von Engine-Builder-Spielen, durch seine vielfältigen Möglichkeiten und durch die Spielmechanik sehr anspricht. Um das Spiel so zu mögen wie ich, solltet ihr einem solitär geprägten Ablauf allerdings nicht allzu negativ gegenüber stehen. Gerade die Auswertungen der Fähigkeiten kann man gut gleichzeitig ausführen, was dann zu kaum Wartezeiten führt, da man auch in passiven Zügen immer etwas zu tun hat. Dass man dabei nicht unbedingt immer von allen Aktionen der mitspielenden Personen etwas mitbekommt, setzt ein Grundvertrauen in das Verständnis und die Ehrlichkeit der Konkurrenz voraus. Ist das gegeben, ist Erde für mich sehr gute 8 Kultpunkte wert, sogar mit persönlicher Tendenz zur 9, einfach, weil mich die Karten-Illustrationen und überhaupt die gesamte Tischpräsenz so reizen, dass sich das Spiel in seiner liebevollen Ausgestaltung diesen Extrapunkt einfach verdient hat. 

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/P8Y18Y0caUg

KULTFAKTOR: 8-9/10

Spielidee: 9/10
Ausstattung: 10/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 23.04.2023

Bildnachweis:
Coverfoto: Inside Up Games / Skellig Games
Weitere Fotos: Spielkultisten