REZENSION

BOREAL

  • Genre: Karten-/ Taktikspiel
  • Jahr: 2024
  • Verlag: Game Factory
  • Autor: Masafumi Mizuno
  • Grafik: Yuko Iwase
  • Spieler: 2 
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 15 bis 20 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 5/10

Verlorene Welt, gewonnenes Duell?

Zwei Forscherinnen erkunden die Landschaft einer Welt, die lange Zeit als verloren galt. Die Natur hat sich diese Gegend längst zurückerobert, und was wir da zu sehen bekommen, ist beeindruckend. Über verschlungene Wege setzen wir unsere Entdeckungen neu zusammen, und das möglichst punkteträchtig.

REGELN

Puzzelt den Spielplan zusammen. Er zeigt an beiden Seiten eine nummerierte Leiste von 1 bis 8. Die Leisten verlaufen gegenläufig. Belegt die acht Felder mit acht zufälligen Startkarten. Mischt die Entdeckungskarten zusammen mit drei zufälligen Archivkarten und bildet daraus einen verdeckten Stapel. Legt euren Entdeckungsmarker jeweils ans Feld 5 eurer Leiste, der große Pfeil zeigt in absteigende Richtung.

Los geht‘s. Wer am Zug ist, hat die Wahl aus zwei Optionen:

  • Eine Karte entdecken: Dazu müssen die Kosten der Karte mit dem Entdeckungsmarker bezahlt werden, d.h. der Marker wird entsprechend zurückgeschoben. Achtung: Übersteigen die Kosten die Position des Markers oder befindet sich die Karte nicht im durch den Marker vorgegebenen verfügbaren Bereich der Leiste, kann die Karte nicht entdeckt wird. Eine entdeckte Karte wird in der eigenen Auslage platziert, ggf. mit einem Platzierungseffekt, wie einem Kartentausch auf der Leiste etc. Die eigene Auslage muss dabei zur Pyramide werden. Im Idealfall liegen am Spielende in der untersten Reihe vier, darüber drei, dann zwei und ganz oben eine Karte. So muss also mit der untersten Reihe begonnen werden. Liegen mindestens zwei Karten nebeneinander, kann darauf eine Karte in der nächsten Ebene platziert werden. Zwei Karten liefern also immer das Fundament für eine darauf platzierte Karte.
  • Eine Karte reservieren: Wer die Kosten einer Karte nicht aufbringen kann oder eine Karte aus dem nicht verfügbaren Bereich der Leiste nehmen möchte, kann sie alternativ reservieren. Eine solche Karte wird dann erst einmal in die eigene Reserve gelegt. Ab dem nächsten Spielzug kann sie dann von dort „entdeckt" werden, d.h. die Bezahlung und das Einfügen in die Pyramide erfolgt verzögert zu einem Zeitpunkt der eigenen Wahl. Reservieren kann auch ein taktisches Element sein, um einen Karteneffekt erst später auszulösen.


Wichtig: Von den drei eingemischten Archiv-Karten (mit Tempel-Symbol) darf jeder maximal eine besitzen.

Nachdem eine Karte entdeckt oder reserviert wurde, folgt die Einkommensphase des eigenen Spielzuges. Liegt der Entdeckungsmarker gerade auf Feld 0 oder 1 der eigenen Leiste, wird er auf Feld 2 verschoben; das ist quasi das Grundeinkommen. Weiteres Einkommen liefern nun alle Karten in der eigenen Pyramide, die bislang keine Karte über sich liegen haben. Der Marker wird entsprechend angepasst.

Die Karten gibt es in vier verschiedenen Landschaftstypen (Farben) und mit unterschiedlichen Siegpunkten. Nicht wenige Karten verlangen nach einer vorgegebenen Voraussetzung, um am Spielende Punkte zu liefern, z.B. „2 Punkte für jede blaue Karte“, „2 Punkte für jede angrenzende gelbe Karte“, „4 Punkte pro komplettem Farbset" etc. Auch gibt es Karten, die am Spielende benachbarte Karten erneut werten.

Spielende: Das Spiel endet nach der Runde, in der mindestens eine Person die eigene Karten-Pyramide vervollständigt hat, also zehn Karten verbaut hat. Zählt nun die Punkte eurer Auslage. Wer die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • kleines Optimierungsduell
  • schön illustrierte Karten
  • schnell gespielt
  • interessante Einkommens-Mechanik


CONTRA

  • es gibt ähnliche Optimierungsspiele
  • wer Pech hat, kann schnell ins Hintertreffen geraten

MEINUNG

Manchmal lohnt es sich einfach, Spielen eine zweite Chance zu geben, andernfalls wäre Boreal nach meiner Erstpartie wohl genauso verloren gewesen wie die Landschaft, in der wir uns thematisch befinden. Eine hübsch illustrierte Landschaft übrigens; die Karten sehen sehr ansprechend aus, und auch der Rest des Spielmaterials ist von guter Qualität.

Boreal ist ein typisches Optimierungsspiel, bei dem jeder seine erhaltenen Karten in ein taktisch klug zusammengesetztes Raster legt, damit sie im Idealfall richtig viele Punkte liefern. Dieses Element kennen wir aus diversen anderen Spielen, Boreal macht da nicht viel neu. Mal geht es um Farbsets, mal um passende angrenzende Karten - in ähnlicher Form haben wir das alles schon einmal in anderen Spielen gesehen. Das Besondere an Boreal ist dabei auch nicht die geforderte Anordnung in Form einer Pyramide, sondern der Bezahlmechanismus. Der Entdeckungsmarker ist quasi gleichzeitig unser Bezahlkonto, außerdem bestimmt er die Karten, auf die wir Zugriff haben.

Das mögliche Reservieren beliebiger ausliegender Karten hebelt die Einschränkungen, die der Entdeckungsmarker vorgibt, aus. Da ist es dann egal, ob eine Karte zu teuer ist oder rechts vom Marker liegt - egal, einfach die Karte an sich nehmen und erst später bezahlen und verbauen. Praktisch, und ganz ohne Zinsen. Über diesen Umweg kann man zum einen Einkommen aufbauen, zum anderen auch punkteträchtige Möglichkeiten erhalten, die einem sonst verwehrt worden wären.

Dennoch ist dieser schöne Mechanismus durchaus auch von Glück geprägt. Gerade anfangs ist es sinnvoll, sich erst einmal einen Einkommensvorsprung zu verschaffen. Das geht in der untersten Pyramidenreihe besonders gut, wenn man dort erst einmal vier Karten nebeneinander platziert. Alle Karten liefern dann nach jeder Runde Einkommen - so lange, bis sie überbaut werden. Je mehr Karten in höhere Ebenen gelangen, umso geringer wird das Einkommen ausfallen, wobei es auch einzelne Karten gibt, die einem gleich doppeltes Einkommen liefern.

Meine Erstpartie von Boreal verlief dennoch ernüchternd, und das nicht mal für mich selbst, sondern für meine Kontrahentin. Die fand zunächst gefühlt keine passenden Karten in ihrer Reichweite (oder war sie gar zu wählerisch?), was dann dazu führte, dass ihr Einkommen auch nicht anstieg, da sie immer nur Karten reservierte. Das Spiel plätscherte dann auch für mich so vor sich hin, weil es keine großen Spannungsmomente gab. So stellte ich dann meine Pyramide fertig und gewann, während sie zu diesem Zeitpunkt erst fünf Karten verbaut hatte. Nein, das war kein so schönes Spielgefühl, da wir beide den Eindruck gewannen, dass nicht unsere spielerischen Fähigkeiten, sondern einfach der Zufall zu diesem Ergebnis geführt hatten. Aber war das wirklich so?

Glücklicherweise habe ich Boreal dann nicht direkt ins Regal verbannt. Die zweite Partie verlief deutlich enger, und mit jeder folgenden Partie entwickelte sich bei mir auch mehr Spielreiz. Ja, ich habe sogar das Gefühl, dass Boreal besser wird, wenn man alle Karten kennt. Denkt man da anfangs noch, dass die Spieltiefe aufgrund der eher geringen Kartenanzahl (insgesamt gibt es nur 44 Karten, von denen immer 35 im Spiel sind) eher gering ist, so trägt das Wissen um die möglichen Kombinationen maßgeblich dazu bei, wie ich die Karten in folgenden Partien anordne, mir vielleicht auch Stellen freihalte für die eine optimale Karte, auf die ich noch hoffe, dir mir mein Kontrahent aber dann natürlich streitig machen kann. So glänzt Boreal nicht mit den vielen Kombinationsmöglichkeiten eines Mischwald, sondern eher mit den Vorzügen, die man sonst aus Micro-Spielen kennt.

Ja, so habe ich mittlerweile echt Gefallen an dem kleinen Spiel gefunden, auch wenn es, was die Punktewertung und das Aneinanderpuzzeln der Karten angeht, jetzt nicht übermäßig innovativ erscheint. Das Wechselspiel aus dem Entdecken und Reservieren von Karten (was mich ein wenig an Splendor erinnert), das daran geknüpfte Gefühl fürs richtige Timing - das alles eignet sich gut als flottes Zwischendurchspiel. Wenn beide Duellanten das Spiel und seine Finessen kennen, entsteht da dann auch gern mal ein netter Spannungsfaktor um die höhere Punktezahl. Insgesamt für mich daher gut, sympathische 7 Kultpunkte!

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 6/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 27.08.2024

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Game Factory

Weitere Fotos: Spielkultisten