REZENSION
VOLL VERPLANT
- Genre: Denkspiel (Flip & Write)
- Jahr: 2021
- Verlag: Schmidt Spiele
- Autor: Hisashi Hayashi
- Grafik: Olga Cress
- Spieler: 1 bis 6
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 20 Min.
- Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
- Taktiklevel: 7/10
Flip and Ride
Ja, so Streckenpläne von U-Bahn-Linien können schon mal ordentlich verwirren. In diesem Spiel versuchen wir dennoch, möglichst alle Stationen einer Linie anzufahren, Extrapunkte für Umsteigemöglichkeiten zu erhalten und stets die Werte der Karten taktisch klug auf die verschiedenen Linienstränge zu verteilen.
REGELN
Zunächst wählen die Spieler eine der vier Städte (Berlin, Amsterdam, Paris oder Madrid) und erhalten jeweils einen identischen Spielzettel sowie einen Stift.
Die 14 Karten werden gemischt und als verdeckter Stapel bereit gelegt. Alle spielen gleichzeitig. Die erste Karte wird aufgedeckt, abgehandelt, danach wird die nächste Karte aufgedeckt. Wird eine 6 aufgedeckt, werden die Karten nach diesem Spielzug neu gemischt.
- Bei einer Zahlenkarte tragen die Spieler die Zahl in das erste freie Fenster eines Waggons auf einer von ihnen gewählten Linie ein und setzen anschließend, ausgehend vom Waggon, so viele Kreuze auf die nächsten freien Felder der Linie, wie es eben der Kartenwert vorgibt. Nun kreuzen sich die verschiedenen Linien an mehreren Stellen jedoch, und es kann passieren, dass eine Linie bereits ein Kreuz durch eine andere Linie, mit der sie sich eine Station teilt, erhalten hat. Das kann dann auch dazu führen, dass auf einer Linie nicht alle Kreuze, die von einer Zahlenkarte verlangt werden, komplett gesetzt werden können, denn bereits gefüllte Felder gelten als Hindernisse. Wir beginnen das Setzen der Kreuze immer auf dem ersten freien Feld, ausgehend vom Waggon der Linie. Sollte z.B. eine 4 aufgedeckt werden, es aber vom Waggon ausgehend nur 3 freie Felder vor dem nächsten schon gesetzten Kreuz gibt, so können diese zwar gefüllt werden, überzählige Kreuze verfallen dann aber, da das Erreichen eines gefüllten Feld den Spielzug abbricht.
- Bei einer Express-Karte (2 oder 3) hingegen dürfen gefüllte Felder zwischen leeren Feldern beim Eintragen übersprungen und das Ankreuzen fortgesetzt werden.
- Wird die Karte „Umsteigemöglichkeit“ aufgedeckt, wird ein Kreuz in eine freies Fenster eines Waggons der gewählten Linie gesetzt und zudem auf das erste freie Feld dieser Linie eine Zahl mit Quadrat-Umrandung eingetragen. Die Zahl wird bestimmt durch die Anzahl der Linien, die sich an dieser Station treffen. Das Feld gilt dann als gefüllt und bringt am Spielende Sonderpunkte.
- Wird die „Freifahrt“ aufgedeckt, kann ein beliebiges Feld mit einem Kreuz gefüllt werden, ohne dass dafür ein Waggonfenster gefüllt werden muss. Das ist praktisch, da auf jeder Linie nur eine sehr begrenzte Anzahl an Fenstern zur Verfügung steht. Meistens wird die Unterstützung durch andere Linien benötigt, um wirklich alle Stationen einer Linie ausfüllen zu können.
Linie abschließen: Sind alle Felder einer Linie ausgefüllt, sagt der Spieler das laut an. Ist er der erste Spieler, der diese Linie vervollständigt hat, bekommt er die höhere der beiden angegebenen Punktezahlen, alle anderen Spieler spielen dann nur noch um die niedrigere Punktezahl. Sollten mehrere Spieler in einem Spielzug ein und die selbe Linie abschließen, können sie ggf. auch alle die höhere Punktezahl erzielen.
Gespielt wird, bis alle Waggonfenster komplett ausgefüllt wurden. Nun folgt die Schlusswertung:
- Für jede abgeschlossene Linie auf dem eigenen Spielzettel gibt es die markierten Punkte. Diese Punkte werden aufsummiert.
- Die Zahlen der Umsteigemöglichkeiten (mit Quadraten umrandet) werden verdoppelt und ebenfalls als Summe notiert.
- Die Anzahl der freien Stationen hingegen wird durch zwei geteilt und ggf. abgerundet. Dieser Wert wird von den beiden Wertungen zuvor subtrahiert.
Wer die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.
Das Spiel kann auch solo gespielt werden.
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- trickreiches Strecken-Puzzle
- taktische Planung notwendig
- alle spielen gleichzeitig
CONTRA
- das Glück spielt oft auch eine wichtige Rolle
- wirkt insbesondere auf jüngere Spieler (ab 8 Jahren) eher trocken
MEINUNG
Im Jahr 2018 erschien mit Metro X diese Spielidee bereits zum ersten Mal, drei Jahre später, im Herbst 2021, kommt sie nun als Voll verplant nach Deutschland.
Die Spielzettel haben rein optisch dabei den Charme eines aus öffentlichen Verkehrsmitteln bekannten Streckennetzes. Illustrationen gibt es da nicht, alles ist abstrahiert. Für ein Spiel, das ab 8 Jahren empfohlen wird, ist die Optik sicher für nicht wenige Personen schon ein kleines Ausschlusskriterium, wirkt das Spiel dadurch einfach ziemlich trocken. Eigentlich schon schade, denn spielerisch bietet Voll verplant mehr Spieltiefe, als man vielleicht denkt.
Fest steht: Man muss abstrakte Optimierungsaufgaben mögen. Ist diese Voraussetzung gegeben, entsteht ein schöner Wettkampf darum, wer seine Strecken am geschicktesten abfährt. Obwohl alle gleichzeitig spielen, wird es recht schnell große Unterschiede im Ausfüllen des eigenen Plans geben, Abgucken wäre möglich, aber sollte natürlich vermieden werden.
Schnell wird man merken: Die Waggonfenster für jede Linie sind doch arg knapp bemessen, um allein schon mit hohen Zahlen überhaupt das Streckenende erreichen zu können. So geht es im Spiel viel mehr darum, die verschiedenen Linien im Wechsel zu bedienen, um Vorlagen für andere Linien zu schaffen. Immer wieder gibt es Stationen, die von mehreren Linien angefahren werden, und so kann ein gesetztes Kreuz durchaus helfen, auf einer anderen Linie vorwärts zu kommen, umgekehrt aber auch dafür sorgen, dass ein durchgängiges Eintragen mehrere freier Felder unterbrochen wird. Das ist schon tricky, zumal man sich auch noch gute Möglichkeiten für eventuell gezogene Umsteigemöglichkeiten offen lassen möchte.
Ebenso schnell wird man merken: Nein, Perfektion gibt es hier nicht. Alle Linien abschließen zu wollen, ist ein nahezu sinnloses Unterfangen. Dabei hängt, bei aller taktischen Planung, auch viel von den gezogenen Karten ab. Ja, generell wissen wir, welche Karten sich im Deck befinden und noch aufgedeckt werden könnten. Würden stets alle 14 Karten durchgespielt, wäre hier mehr Planungssicherheit gegeben, obwohl es auch da schon ärgerlich sein kann, wenn mehrfach hintereinander sehr hohe Zahlen gezogen werden, sodass Lücken entstehen oder Felder verfallen. Der Worst Case tritt jedoch ein, wenn immer recht schnell die 6 gezogen wird und die Karten neu gemischt werden. Wir hatten da dann auch Partien, in der die so wichtige „Freifahrt“ kein einziges Mal aufgedeckt wurde, obwohl man sie so dringend benötigt hätte. Kurz und knapp: Das Glück entscheidet auf jeden Fall mit über die Erfolgsaussichten der Spieler.
Interessant ist es dennoch, dass oftmals doch eindeutige Punkteergebnisse am Ende des Spiels entstehen, obwohl alle Spieler mit den gleichen Voraussetzung spielen. Das zeigt, dass man mit einer taktischen Spielweise auf jeden Fall Spieler übertreffen wird, die nur aus dem Bauch heraus spielen.
Die vier verschiedenen Städte sorgen für Abwechslung, dennoch stellt sich bei Voll verplant ein wenig die Frage nach der Zielgruppe. Nach meinen Erfahrungen finden 8-jährige so ein Spiel nur mäßig spannend, und überhaupt besitzen nicht alle Spieler den für das Spiel nötigen Überblick. Bei Spielern, die schlecht im Lesen von Streckenkarten sind, wird der Titel des Spiels dann oft zum Negativ-Motto - wer sich mehrfach verplant, wird am Ende nicht um den Sieg mitspielen.
Ich persönlich mag Voll verplant, vor allem auch als Solospiel. Nun bin ich aber auch jemand, der so eine Mischung aus Taktik und Glück als Herausforderung sieht, aus dem Gegebenen das Beste zu machen. Wer hingegen rein strategisch spielen möchte, der könnte vom nötigen Kartenglück ausgebremst werden. Das Spiel ist durch und durch abstrakt, eine Spielstory gibt es quasi nicht. Für Freunde taktischer Optimierungsaufgaben ist das kleine Spiel aber auf jeden Fall empfehlenswert - wenngleich es, nach meinen Erfahrungen, nicht jedermann anspricht. Für mich sind das dann insgesamt gute 7 Kultpunkte (mit einem Punkt mehr oder weniger, je nachdem, wie die Karten gerade so mit den eigenen Plänen harmonieren ...).
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/MCHpqWXEmxc
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 15.11.2021
Bildnachweis:
Coverfoto: Schmidt Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten