REZENSION
TULPENFIEBER
- Genre: Würfelspiel
- Jahr: 2021
- Verlag: Amigo Spiele
- Autor: Uwe Rosenberg
- Grafik: Roberto Freire
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 30 Min.
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 2/10
Verwelkte Würfel
Um Tulpen auf eure Felder zu bekommen, müssen euch die Würfel hold sein. Wer die richtigen Würfelkombinationen erzielt, kann Zusatzwürfel erspielen, Bonusfelder anlegen und schließlich als Sieger aus dem Spiel hervorgehen. Klingt recht blumig? Ja, leider merkt man im Spiel wenig davon.
REGELN
Jeder Spieler erhält eine Spielertafel, die aus 5 Reihen und 7 Spalten besteht. Die 6 braunen Spalten erfordern Würfelergebnisse aus gleichen Zahlen (von 1 bis 6), die mittlere grüne Spalte hingegen immer länger werdende Zahlen-Straßen. Die mit Tulpen markierten Felder werden vor Spielbeginn direkt mit Tulpenplättchen abgedeckt. Macht euch dabei keine Gedanken um die Farben der Blumen - die spielen nämlich gar keine Rolle.
Wer an der Reihe ist, wirft zunächst 4 Würfel. Nun gibt es pro Spielzug bis zu 3 Versuche, in denen Würfel herausgelegt und wieder neu gewürfelt werden können. Hat der Spieler am Ende seines Spielzuges eine noch nicht erfüllte Aufgabe seines Tableaus erwürfelt, deckt er das Feld nun ebenfalls mit einem beliebigen Tulpenplättchen ab (Tulpen sichtbar).
Sollte der Spieler nach seinem dritten Wurf unzufrieden mit dem Ergebnis sein, kann er zwei Tulpenplättchen auf seinem Tableau verkaufen (auf die Rückseite drehen, Tulpen nicht mehr sichtbar) und dann noch einmal beliebig viele Würfel neu werfen. Spätestens nach dem zweiten Verkauf ist der Spielzug dann aber endgültig beendet. Sollte der Spieler nun immer noch kein verwendbares Ergebnis erzielt haben, erhält er zum Trost ein Tulpenplättchen, das er neben sein Tableau legt. Dies kann dann zum Verkauf genutzt werden.
Sollte ein Spieler eine 3x2- bzw. 2x3-Anordnung von Feldern komplett mit Plättchen belegt haben, erhält der Spieler ein Sonderplättchen mit Schubkarre. Vor jedem Spielzug kann darauf ein Würfel auf eine beliebige Zahl gedreht werden.
Schafft es ein Spieler, eine durchgängige Plättchen-Verbindung von Reihe 1 bis Reihe 3, 4 oder 5 zu bilden (senkrecht oder diagonal), so erhält er für jede freigeschaltete Reihe einen Zusatzwürfel, maximal also insgesamt 7 Würfel pro Wurf.
Erzielt ein Spieler 6 oder 7 gleiche Augenzahlen, kann er mit dem Tulpenplättchen ein beliebiges Feld abdecken.
Ein Spieler gewinnt, wenn er entweder sämtliche Felder in Reihe 4 oder aber 4 beliebige Felder bzw. 3 nebeneinander liegende Felder in Reihe 5 mit Plättchen belegt hat.
Das Spiel bietet zudem einen Solomodus.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- wer nicht viel nachdenken möchte beim Spielen, ist hier genau richtig
CONTRA
- wirkt wie ein vereinfachtes Kniffel
- kaum eigene Entscheidungen
- Angaben auf der Schachtel stimmen nicht mit unserem Spielgefühl überein
MEINUNG
Hätte ich diese Rezension mit der Überschrift "Tulpen aus Amsterdam" versehen und an den alten Schlager erinnert, hättet ihr wohl zurecht angemerkt, dass ich wohl ein wenig aus der Zeit gefallen bin. Dummerweise hättet ihr im Bezug auf Tulpenfieber damit sogar den Nagel auf den Kopf getroffen ... aber der Reihe nach.
Das Schachtelcover wirkt schon auf den ersten Blick sehr ... nun, sagen wir, klassisch. Der holländische Stil wurde dabei sogar gut getroffen, trotzdem frage ich mich nach der Zielgruppe. Kinder ab 8 Jahre fahren nicht unbedingt auf dieses Thema ab. Das ist aber erst einmal noch kein wirklich objektiver Kritikpunkt, wenn denn das Spiel zum Thema passt. Es mag ja Leute geben, denen beim Anblick dieses Cover sofern das Blumenherz aufgeht.
So geht es dann also darum, farbige Tulpenfelder entstehen zu lassen - und "wer am Ende die wertvollsten Tulpen besitzt, gewinnt" - so der Schachteltext. Zudem zeigt die verlagsseitige Einordnung des Spiels eine 50-Prozent-Mischung aus Glück und Strategie. Ach ja, und der Name des Erfolgsautors Uwe Rosenberg prangt auf dem Cover. Alles in allem also Merkmale, die durchaus auf ein interessantes Spiel hoffen lassen - vor allem aber Erwartungen wecken. So etwas kann einem Spiel dann zum Verhängnis werden.
Manchmal mag ich meine Rolle als Rezensent nicht. Wenn ich über gute Spiele schreibe, fällt mir das leicht. Ich spare bekanntlich nicht mit Lob. Bei Spielen, die bei mir in den ersten Runden nicht zünden, suche ich meistens weitere Spieler, um eine breitgefächerte Meinung einzufangen. Oft findet sich dann doch noch eine Zielgruppe, die das Spiel spannend findet - oder es zumindest immer wieder gern spielt. In so einem Fall kann ich dann sagen: Meinen persönlichen Geschmack hat das nicht getroffen, aber ...
Genau dieses Aber muss ich Tulpenfieber, so leid mir das tut, aber leider verwehren. Das hat Gründe. Mit dem angepriesenen Tulpen-Geschäft hat das Spiel mal so rein gar nichts zu tun. Ich würfele nach alter Kniffel-Manier und muss abstrakte Aufgaben erfüllen. Die sind hier sogar noch strenger limitiert als beim Klassiker. Und da man Würfel nun einmal nicht beeinflussen kann, sind die erzielten Ergebnisse alles andere als strategisch. Natürlich möchte ich versuchen, eine durchgängige Reihe entstehen zu lassen, um einen Bonuswürfel zu bekommen. So ein Bonuswürfel erhöht dann halt die Chancen, eine bestimmte Kombo zu erzielen. Aber letztlich werde ich dann doch vom Spiel gespielt. Was ich erwürfele, decke ich ab. Wenn ich nicht erfolgreich bin, drehe ich Plättchen auf die optisch fade Rückseite - und es gibt keinen Grund, das nicht zu tun. Dann kann ich neu würfeln - und wieder versagen. Glückspilze hingegen erzielen mit den vier Startwürfeln direkt Aufgaben der vierten Reihe. Wer das oft genug schafft, beendet das Spiel unter Umständen sehr schnell und gewinnt, ohne dass ein Spieler, der alles versucht hat, auch nur irgendeine Chance vor seinen Augen hatte, das Spiel noch zu drehen. Umgedreht kann sich das Spiel mit Pechvögeln endlos hinziehen. Wir spielen hier ganz klar mit Fortuna. Da ist das rechteckige Bonusplättchen, das einen Spieler einen Würfel auf eine beliebige Seite drehen lässt, auch überflüssig, wenn sonst nichts zusammenpassen will.
Generell bin ich Kniffel-ähnlichen Spielen jetzt nicht abgeneigt. Da gibt es durchaus auch reizvolle Vertreter in diesem Genre, Chili Dice, 2020 auch erschienen bei Amigo, zum Beispiel. Das ist mit simplen Modifikationen zum Klassiker grandios! Gipfelkraxler z.B., auch von Amigo, das vor einigen Jahren neben dem Würfeln noch einen reizvollen Verdrängungsmechanismus besaß. Oder Ravensburgers Kribbeln. Auch da ist viel Glück nötig, aber ich kann noch ein wenig zocken, also das Spiel gefühlt mitgestalten. Selbst beim ganz klassischen Kniffel muss ich entscheiden, in welches Wertungsfeld ich erzielte Augenzahlen setze. Und wenn ich ein cooles Thema bevorzuge, dann spiele ich vielleicht King of Tokyo - auch ein moderner Klassiker, bei dem meine Entscheidungen einen interessanten Einfluss auf das Spiel haben.
Genau das fehlt mir bei Tulpenfieber. Die Aufgaben, die hier erfüllt werden müssen (viermal eine 1, dreimal eine 5, zweimal eine 6 etc.) sind für sich schon recht banal. Die Entscheidung, einen Spielzug vorzeitig zu beenden, ist obsolet. Leider gibt es keinerlei Spannungselemente nach dem Push-your-Luck-Prinzip, die mich dazu treiben, zu zocken oder auf Sicherheit zu spielen. Die Tulpenplättchen dienen einfach nur zur Abdeckung der Felder; es gibt keine thematische Einbindung der Tulpen und ihrer Farben ins Spiel, kein Puzzle- oder Lege-Element, das mir das Gefühl gibt, dass ich hier ein buntes Blumenmeer aufbaue. Es gibt keine Endwertung, die mich z.B. für bestimmte Tulpen-Muster belohnt und die mittlere strategische Einordnung auf der Schachtel des Spiels bestätigt. Es ist und bleibt ein einfaches Wettrennen mit dem Ziel, als erster eine bestimmte Anzahl vorgegebener Zahlen gewürfelt zu haben. Solitär, ohne Interaktion, mit austauschbarem Thema, mit sehr hohem Glücksfaktor. Gefühlt ein wenig so, wie wenn ich bei Mensch ärgere dich nicht auf eine 6 warte - und das jeden Spielzug.
Wo genau ist da jetzt der eigene Kniff? Diese Frage habe ich mir schon beim Lesen der Regeln gestellt. Ja, man hat sich bemüht. Aber in der Praxis steht die Beantwortung dieser Frage für mich dennoch leer im Raum. Das Spiel plätschert in meinen Augen vor sich hin, nachdenken muss man da nicht. Und am Ende gewinnt einfach der, der ... ja, wer eigentlich? Das ist einfach mal kompletter Zufall. Hätte man das Spiel ohne Thema, in einer kleinen Schachtel, zum noch günstigeren Preis und als reines Glücksspiel verkauft, wäre ich wohl ein wenig gnädiger in meinem Urteil.
Schreibt mir aber gern eine Nachricht, wenn ihr in Tulpenfieber euer Lieblingsspiel gefunden haben solltet. Schreibt mir, was ihr an dem Spiel mögt. Ja, das Spiel hat simple Regeln, die funktionieren. Ja, das Spiel tut keinem weh. Ja, vielleicht spielt die Oma so ein Spiel mit ihrem Enkel. Ja, vielleicht gibt es wenig spielende Blumenliebhaber, die Kniffel-Spiele über alles lieben. Amigo wird sicher eine bestimmte Zielgruppe im Auge haben - und vielleicht funktioniert das Spiel genau dort, wie es soll. Gern suche auch ich für dieses Spiel weiter nach einer perfekten Zielgruppe. Aber in unseren Rezensionen ist ja letztlich immer die persönliche Meinung gefragt, in die sämtliche Erfahrungen, die wir in unseren diversen Testrunden gemacht haben, mit einfließt. Und da kann ich letztlich nur sagen: Für mich sind diese Tulpen leider verwelkt.
KULTFAKTOR: 3/10
Spielidee: 3/10
Ausstattung: 6/10
Spielablauf: 3/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 02.09.2021
ZWEITMEINUNG
Ganz so streng wie Ingo (oben) möchte ich Tulpenfieber nicht bewerten. Vielleicht können wir Ingo bei der Suche nach der Zielgruppe zumindest ein wenig weiterhelfen. Das Blumenthema kam in unserer Familienrunde (mit zwei Töchtern im Grundschulalter) gut an, wir mögen einfache Würfelspiele, bei denen das Glück im Vordergrund steht, gern. So empfanden wir Tulpenfieber als zwar nicht besonders neuartigen, aber durchaus netten Zeitvertreib. Wer hier echte taktische Möglichkeiten sucht, wird vermutlich enttäuscht werden, aber kleine Entscheidungen, welche Würfel man herauslegt etc. muss man schon treffen - und dann auf sein Glück hoffen. Im direkten Vergleich zu Kniffel muss ich sagen, dass uns das Original immer noch besser gefällt, da es noch spannender ist und man mehr Möglichkeiten besitzt.
Tulpenfieber hat einen Wettrennen-Charakter, der für manche spaßig, aber auch mal frustrierend sein kann, wenn partout die falschen Zahlen fallen. Dann kann das Spielende auch mal zur kleinen Geduldsprobe werden. Ansonsten aber ist es für uns so ein kleines Wohlfühlspielchen, das man sowohl mit Kindern als auch mit den Großeltern einfach mal so nebenher spielen kann, ohne dabei viel nachdenken zu müssen, und bei dem es trotzdem spannend bleibt, wer als erster die Zielvorgabe erfüllt. Das geht auch schon gut mit 6-jährigen. Als No Brainer geht das Spiel in Ordnung, wenngleich die zu große Schachtel und der vergleichsweise hohe Preis von ca. 20 Euro sowie der Autorenname Uwe Rosenberg vielleicht in der Tat bei einigen Leuten falsche Erwartungen wecken könnte, da kann ich Ingo und seine Mitspieler verstehen.
Von unserer Familie gibt es aber alles in allem versöhnliche 5 (von denen, die sonst gar nicht viel spielen, sogar teilweise bis zu 6) Kultpunkte. Für mich ist es ein spielerisch durchschnittliches Kniffel-artiges Spiel, mit unverfänglichem Thema und leicht verständlichen Regeln. Wer einfach nur ohne große Strategien und Taktiken sein Glück herausfordern möchte und an so etwas Spaß findet, kann das mit dem Spiel auf jeden Fall tun.
ZWEITMEINUNG: 5/10
Spielidee: 5/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 5/10
EUERE REZENSENTIN
ANNE
Katzenlady, Tanzschülerin, Mutter und Kinderbespaßerin
Eine Zweitmeinung vom 02.09.2021
Bildnachweis:
Coverfoto: Amigo Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten