REZENSION

TREPANATION

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2023 
  • Verlag: dlp Games / Games 4 Gamers
  • Autor: Robin David
  • Grafik: Natàlia Romero
  • Spieler: 2 bis 5
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 50 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Mehr Zuschauer dank Zahnbehandlung

Wir befinden uns im frühen 19. Jahrhundert, der medizinische Fortschritt ist unaufhaltsam. Als Quacksalber erregen wir in diesem Worker-Placement-Spiel Aufsehen durch öffentliche Vorführungen - von Nasenbluten über Tollwut bis zur Hodentransplantation ist alles dabei, was die Menschenmassen interessiert ... Dass wir uns dabei am Rande der Vertrauenswürdigkeit bewegen, interessiert uns zur zweitrangig. Wofür gibt es es schließlich Komplizen oder die Möglichkeit der Bestechung?

REGELN

Legt den Spielplan, der verschiedene Orte einer Stadt zeigt, mit der zur Spielerzahl passenden Seite in die Mitte. Deckt drei vorgegebene Orte ab, wenn ihr zu dritt oder viert spielt. Jeder erhält ein eigenes Charakter-Tableau und 5 Spielfiguren, die auf das Tableau gestellt werden. Die sechste Spielfigur markiert die Spielerreihenfolge. Legt außerdem eure beiden Presse-Marker auf den Beginn der beiden Presse-Leisten. Deckt zwei zufällige Zusatzaktionskarten auf und legt sie auf das kleine Zusatz-Tableau. Deckt zudem so viele Showkarten auf, wie sie zur Spielerzahl passen.

Entgegen der Reihenfolge sucht sich jeder eine Startbonus-Karte aus und erhält die darauf angegebenen Plättchen, die dann auf der Spielertafel gesammelt werden. Da gibt es zum einen Komplizen und Bestechungen, die in beliebiger Anzahl zunächst auf das linke der drei Sammelfelder in der Mitte des eigenen Tableaus gelegt werden. Zum anderen gibt es Arznei, Ausrüstung und Münzen. Diese werden auf separaten Feldern der Tafel gelagert, wobei da jeweils eine maximale Anzahl vorgegeben ist. Münzen sind im Spiel übrigens Joker für die anderen Plättchen.

Gespielt werden 6 Runden. Zu Beginn einer Runde wird der Bonus, den die Runde vorgibt, auf den Spielplan-Koffer gelegt. Ab der zweiten Runde werden in der Vorbereitungsphase nun Showkarten aufgefüllt, eine Zusatzaktionskarte gegen eine neue ausgetauscht und zudem alle Komplizen- und Bestechnungsmarker auf dem eigenen Tableau auf das nächste Sammelfeld nach rechts verschoben. Gelangen Marker auf das letzte Feld („Payday“), werden sie zurück in den allgemeinen Vorrat gelegt. Als kleinen Ausgleich gibt es aber immerhin eine Münze, wenn es drei oder mehr Marker sind, die ungenutzt aus der eigenen Sammlung verschwinden.

Nun folgt die Planungsphase. Reihum setzt ihr jeweils eine Spielfigur auf ein freies Einsetzfeld an einen beliebigen Ort des Spielplans. Das wiederholt sich, bis alle Figuren eingesetzt wurden. Die Einsetzfelder sind mit Uhrzeiten versehen, die wichtig für die Aktionsphase sind, die im Anschluss folgt.

Beginnend bei der frühesten Uhrzeit und in Spielerreihenfolge, führt in der Aktionsphase jeder die von ihm gewählte Aktion aus. Sollte jemand zwei oder mehr Figuren an verschiedenen Orten auf die selbe Uhrzeit gestellt haben, so darf nur eine davon genutzt werden; die anderen Figuren liefern in dieser Runde keinen Effekt. Auch die Aktionsfelder auf den Sonderaktionskarten werden dabei auf die selbe Weise abgehandelt. Heißt also: Zunächst führen alle, die eine 9-Uhr-Aktion gewählt haben, diese in Spielerreihenfolge aus. Dann führen alle, die eine 11-Uhr-Aktion gewählt haben, diese in Spielerreihenfolge aus usw.

Wurden alle Uhrzeiten chronologisch abgehandelt, endet die Runde und es geht weiter mit der nächsten, wie zuvor beschrieben. Dazu hat dann jeder wieder alle Figuren zum Einsetzen zur Verfügung.

Welche Aktionen sind möglich? Gleich mehrere Orte liefern Plättchen (Komplizen, Bestechung, Arznei, Ausrüstung, Geld) - je nach Uhrzeit in verschiedenen Kombinationen oder unterschiedlicher Anzahl; bei der Ausrüstung hängt die Anzahl von freien Feldern ab, die sich rechts neben der eigenen Figur befinden. Zudem gibt es die Möglichkeit, den Inhalt des Koffers zu leeren und sich so auf Platz 1 der Spielerreihenfolge zu schieben, es gibt die Möglichkeit auf einer oder oder beiden Presseleisten vorzurücken oder eine Show aufzuführen.

Das Vorrücken auf den Presseleisten kostet ab dem dritten Schritt Plättchen aus der eigenen Sammlung. Am Ende gibt es umso Punkte, je weiter eine Leiste gesteigert wurde. Einige Felder auf den Leisten liefern Boni (Münzen oder Spezialisierungsmarker). Die Spezialisierungsmarker bringen wiederum am Spielende Zusatzpunkte für aufgeführte Shows der gewählten Sorte (Pharmakologie / Traumatologie / Psychologie / Chirurgie).

Um eine Show aufzuführen, müssen die auf der ausliegenden Karte aufgeführten Plättchen bezahlt werden. Je mehr Punkte eine Show am Ende bringt, umso teurer sind die Kosten. Die Karten der aufgeführten Shows sammelt jeder neben seinem Tableau.

Einige Aktionsfelder liefern kleine Boni wie Münzen oder Ruhmesmarker, andere Felder erlauben auch spezielle Aktionen wie das Stehlen von zwei Plättchen eines Mitspielers gegen Geld oder das Verschieben der Komplizen- und Bestechungsmarker nach rechts oder links.

Nach 6 Runden endet das Spiel mit der Schlusswertung:

  • Jede aufgeführte Show bringt so viele Punkte, wie es die Karte vorgibt.
  • Pro Spezialisierungsmarker gibt es 1 Punkt pro aufgeführter Show dieser Art.
  • Sets aus ausgeführten Shows der selben Art bringen umso mehr Punkte, je öfter die Show-Art gesammelt wurde (zwischen 1 und 11 Punkte).
  • Ein Set aus vier verschiedenen Show-Arten bringt 5 Punkte.
  • Die Positionen der eigenen Pressemarker bestimmen die Punkte für die beiden Leisten.
  • 1 Punkt gibt es pro gesammeltem Ruhmesmarker.
  • 1 Punkt gibt es auch noch für 5 übrige Ressourcen.


Wer nun die meisten Punkte gesammelt hat, ist der Sieger.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • neuartiges Worker-Placement verlangt wortwörtlich gutes Timing
  • spielt sich auch in Vollbesetzung flüssig (Ausnahme: Grübler am Tisch)
  • Zusatzaktionen verändern jede Partie ein wenig
  • teilweise witzige Kartenillustrationen für die, die auf etwas makabren Humor stehen


CONTRA

  • kann mit Grüblern Wartezeiten in der Planungsphase verursachen
  • Aufführung der Shows ist gewissen Glücksfaktoren unterlegt
  • destruktive Elemente kommen nicht bei jedem gut an  

MEINUNG

Willkommen in Frankensteins Horrorkabinett. Tja, wer als Quacksalber im 19. Jahrhunderts "Likes" erhalten wollte, der musste die Massen mobilisieren. Da gibt es doch nichts besseres, als Wundermittel am lebenden Objekt zu präsentieren oder auf dem Friedhof nach Vorführungsobjekten zu suchen. Klingt gruselig? Ja, ist es auch, wie so manche Show-Karten, die allesamt mit einem makabren Humor illustriert sind. Nein, so eine Hodentransplantation wünscht man sich da nicht wirklich. Sagen wir mal so: Das Thema ist unverbraucht, definitiv, und sehr speziell ... So sorgen die Show-Karten dann gerade anfangs für echtes Aufsehen am Tisch.

Ist die Neugierde verflogen, präsentiert sich Trepanation auf den ersten Blick wie ein klassisches Eurogame mit Worker-Placement-Mechanik. Figuren einsetzen, Aktionen ausführen, Ressourcen sammeln, Ressourcen tauschen gegen Siegpunkte auf Leisten und Auftragskarten (hier eben den Shows): Klingt nach bekanntem Terrain im ungewöhnlichen Setting. Die Art, wie man an Ressourcen gelangt und sie auf verschiedene Weise lagert, erfordert dann schon Vorausplanung, wobei die Thematik durch die kleinen bunten Plättchen etwas hintenansteht; schnell geht man dazu über, nur nur von roten, grünen und blauen Plättchen zu sprechen, als von Komplizen, Arznei oder Ausrüstung.

Der besondere Kniff ist das wortwörtliche Zeitmanagement im Spiel. Wann ich welche Aktion durchführe, hängt von der gewählten Uhrzeit ab. Da muss ich sinnvolle Reihenfolgen einhalten, um keine Aktionen zu verschenken, und noch dazu kommt mir ja auch die Konkurrenz in die Quere. Die belegt natürlich die Slots, die ich auch schon auserkoren hatte - vielleicht gar nicht mal aus bösartiger Absicht, sondern einfach zu ihren eigenen Gunsten. Natürlich können Felder aber auch absichtlich blockiert werden, sogar Aktionen verschenkt werden, nur, damit sie der vermeintlich Führende nicht bekommt. Worker Placement meets Timing - das ist echt ein tolles Prinzip, das mir richtig gut gefällt, Grübler aber auch dazu einladen kann, länger über das Einsetzen der eigenen Figuren nachzudenken, als es dem Spiel gut tut. Das Abhandeln der Aktionen dagegen verläuft flüssig und ohne weitere Wartezeiten.

Bis zu diesem Punkt attestiere ich Trepanation sehr gute 8 Kultpunkte, letztlich sind es für mich dann aber insgesamt 7 geworden. Warum? Da gibt es kleine Punkte, die das Spiel keinesfalls zu einem schlechten Spiel machen, aber die - bei aller Taktik, die ich beim Planen meiner Aktionen aufwende - mich dann doch manchmal ein klein wenig stören. So ist das Erfüllen der Aufträge oder, um im Thema zu bleiben, das Aufführen der Shows, doch gewissen Glücksfaktoren unterlegen. So hatte ich beispielsweise eine 3-Spieler-Partie, in der ich zu Beginn gleich zwei Chirurgie-Shows aufführte, mir dann auch den Spezialisierungsmarker dafür holte, und dann tatsächlich ständig nur noch andere Show-Arten in die Auslage kamen. Pech für die Set-Wertung, Pech für den genommenen Marker. In Vollbesetzung ist der Kartendurchlauf höher, da fällt das weniger ins Gewicht, aber auch hier gibt es immer noch die Momente, in denen die Konkurrenz einem eine anvisierte Show vor der Nase wegschnappt. Schade um die gesammelten Ressourcen, wenn dann plötzlich nichts mehr Passendes in der Auslage liegt. Eine verschenkte Aktion, insbesondere dann ärgerlich, wenn eingeplante Komplizen und Bestechungsmarker in der nächsten Runde den Payday erreichen.

Ja, man kann da auch taktisch gegen anspielen, indem man erst einmal eine bunte Sammlung an Ressourcen anhäuft und dann einen Slot zu einer früheren Uhrzeit belegt, um eine größere Auswahl zu haben. Dennoch ist auch dann nicht immer alles so vollständig planbar. Mich erinnerte das vom Gefühl ein wenig an Splendor, nur dass ich da die Möglichkeit habe, meine Wunschkarte vorab zu reservieren. Auch beim für mich immer noch genialen Stone Age können mir Aufträge vor der Nase weggeschnappt werden, allerdings verliere ich dadurch meist keine Aktion. Wer da lieber auf Nummer sicher gehen möchte, kann sich die Ressourcen auch für den Einsatz auf den Presseleisten aufheben. Mit der Presse allein wird man aber nicht gewinnen.

Trepanation hat da noch weitere kleine Ärger-Elemente im Köcher. So kann ich Mitspielern Ressourcen stehlen - ein Element, das nicht bei jedem gut ankommt, zumal es auch immer die selbe Person treffen kann. Ich kann Mitspieler dazu bringen, dass sie ihre gesammelten Komplizen und Bestechungsmarker schneller verlieren, umgekehrt meine eigenen vielleicht noch eine Runde sichern. Und dann gibt es noch diese „New Show"-Felder, auf denen eine beliebige Show aus dem Angebot entfernt und gegen eine neue ausgetauscht wird. Natürlich kann ich hoffen, dass ich die Auslage zu meinen Gunsten verbessere. Ich kann aber auch einfach gemein sein, und so ein sicher geglaubtes Set eines Mitspielers verhindern.

Diese Elemente sind für mich jetzt keine prinzipiell schlechten Spielelemente. Gerade im verglichenen Splendor sind diese Wegschnapp-Optionen ja da Salz in der Suppe, und ich mag Splendor gern. Die zusätzlichen „Ich stehle etwas von meinen Mitspielern"-Momente hätte es für mich allerdings nicht benötigt, der Fokus auf eine geschickte Zeitplanung hätte mir bei Trepanation völlig genügt. Je nach Gruppe kommen diese destruktiven Elemente glücklicherweise aber gar nicht so oft zum Tragen.

Ein Wort noch zum Material: Das geht völlig in Ordnung. Klar, Komplizen, Bestechung, Arznei und Ausrüstung werden nur durch kleine Papp-Chips symbolisiert, aber zum aufgerufenen Preis von rund 30 Euro erhält man da auf jeden Fall ein vollwertiges Spiel, das auf jeden Fall zu unterhalten weiß. Einzig die Spielanleitung dürfte gern noch etwas optimiert werden. Die Informationen kommen da beim ersten Lesen gefühlt etwas unsortiert an; wichtige Regeln werden in Beispielen oder Abschnitten präsentiert, wo man sie nicht spontan suchen würde. Die Schlusswertung wird einem teilweise erst durch die Startbonus-Karten klar, und die Joker-Regel, die die Münzen betrifft, wird anfangs auch gern übersehen.

Fazit: Trepanation überzeugt mich durch seinen raffinierten Worker-Placement-Mechanismus, der eine gute Planung der Abfolge der gewählten Aktionen voraussetzt. Das ist wirklich ein richtig schönes Element, das durch die Mitspieler auch äußerst interaktiv gestaltet ist. Dafür ganz klar: Daumen hoch! Das gilt auch für das Thema und die damit verbundenen Illustrationen. Da bin ich echt froh um jedes Eurogame, bei dem ich mal nicht Wolle in Weizen tausche. Dass das Spiel auch Zufallsfaktoren besitzt, verbunden mit - für mich gar nicht nötigen - Ärger-Elementen, ist eine Tatsache, die einem bewusst sein sollte, und die, wie gesagt, nicht bei jeder Person der Zielgruppe des Spiels gleich gut ankommt. Wer sich darauf einlassen kann, wird aber definitiv mit einer schönen Herausforderung belohnt, sich als bester Quacksalber zu beweisen. Mir gefällt's! 

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/FnruAS3SvOs

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 11.06.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar. 

Bildnachweis:
Coverfoto: dlp Games
Weitere Fotos: Spielkultisten