REZENSION
THE SEA MERCHANTS
- Genre: Taktikspiel
- Jahr: 2023 (Original: Handelsfürsten: Herren der Meere, 2007)
- Verlag: Trefl
- Autor: Reiner Knizia
- Grafik: Piotr Sokołowski
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 30 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Initiativlevel: 6/10
Leinen los für die Kaufleute der Meere
Wer versuchen würde, im tiefsten Winter Strandsandalen an den Mann oder die Frau zu bringen, hätte wohl seinen Beruf verfehlt. Nicht anders gestaltete sich das Leben als Kaufmann im 16. Jahrhundert. Als solcher gilt es im Spiel, die Nachfrage nach bestimmten Waren stets im Blick zu behalten und die Schiffsbeladung entsprechend darauf abzustimmen. Nur wer geschickt agiert, hat am Ende die Nase vorn und lässt seine Mitspieler im Kielwasser zurück.
REGELN
In der Auslage befinden sich sechs offene Warenkarten, darunter in zufälliger Anordnung Tuch, Getreide, Holz, Porzellan, Gewürze und Fisch. Die übrigen Karten bilden den Nachziehstapel. Ebenso werden die Handelskarten (Kontor, Schiff, Vertrag, Dock), die Warenklötzchen und Geldmünzen bereit gelegt. Jeder Spieler hat zuvor sein Schiff, das offen vor ihm liegt, mit einem beliebigen Warenklötzchen beladen. Diese Klötzchen gibt es in verschiedenen Farben, die exakt denen der Warenkarten entsprechen. Drei zufällige Warenkarten vom Stapel nimmt jeder Spieler auf die Hand, dann kann der Handel beginnen.
Euer Spielzug besteht aus zwei Phasen, von denen ihr euch eine Möglichkeit aussuchen könnt (oder passt) – nämlich diese hier:
In der ersten Phase dürft ihr ein Warenklötzchen vom eigenen Schiff gegen eine andere Ware aus der allgemeinen Auslage eintauschen. Alternativ könnt ihr eine Handelskarte erwerben, deren Kosten den jeweiligen Karten zu entnehmen sind:
- Das Schiff (Kosten: 10 Geld) ergänzt fortan eure Flotte und ermöglicht es, eine weitere Ware aufzunehmen. Sofort mit Erhalt des Schiffs dürft ihr euch ein Warenklötzchen vom Vorrat aussuchen und auf euer neu erworbenes Schiff platzieren.
- Der Vertrag (Kosten 11 Geld) bringt euch immer dann 2 Geld zusätzlich ein, wenn in der zweiten Phase der Handel eingeleitet wird, sofern ihr ein Einkommen habt.
- Mit dem Kontor (Kosten: 8 Geld) dürft ihr am Ende der zweiten Phase eine Warenkarte vom Stapel ziehen, selbst wenn ihr eine andere Aktion gewählt habt als diejenige des Kartenziehens.
- Das Dock (Kosten: 12 Geld) ermöglicht euch, in der ersten Phase zusätzlich eine Ware auf den Schiffen auszutauschen, unabhängig von der gewählten Aktion. Das gilt also auch dann, wenn ihr euch für den Erwerb einer Handelskarte entscheidet.
Wem beide genannten Möglichkeiten (also der Tausch eines Warenklötzchens oder der Kauf einer Handelskarte) nicht zusagen, darf die erste Phase überspringen und gleich zur zweiten übergehen.
Jetzt dürft ihr eine oder mehrere Warenkarten auf den Markt legen und damit den Handel eröffnen. Und der läuft dann so ab: Zuerst wird geprüft, welche Warenkarte soeben ausgespielt wurde und wie viele Karten dieses Kartentyps sich jetzt in der Marktauslage befinden. Sagen wir mal, es wurden soeben zwei Fische ausgespielt und eine Warenkarte „Fisch“ lag bereits offen. Dann befinden sich also drei Fische auf dem Markt. Exakt so viel Geld erhält nun jeder Spieler pro Schiff, das diese Warenart beladen hat. Die entsprechende Anzahl an Geldmünzen nehmt ihr aus dem Vorrat und legt sie vor euch ab. Das gilt also sowohl für den aktiven als auch für den oder die passiven Spieler.
Wer in der zweiten Phase keinen Handel eröffnen möchte, kann auch alternativ zwei Warenkarten vom Nachziehstapel ziehen und auf die Hand nehmen. Ein Handkartenlimit gibt es nicht.
Das Spiel endet umgehend, sobald die letzte Warenkarte vom Nachziehstapel gezogen wurde. Gewinner ist, wer am meisten Geld vorweisen kann und somit das größte Handelsgeschick an den Tag gelegt hat. Bei Gleichstand teilen sich mehrere Kaufmannsfamilien den Ehrentitel.
Hinweis: Für diese Rezension stand uns ein Prototyp des Spiels aus einer 2023er Pre-Production-Charge zur Verfügung, was man u.a. an den Karten erkennt, die auf den Fotos noch nicht die Qualität der finalen Ausgabe besaßen.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- setzt auf schnelle Entscheidungen
- sehr gut zu zweit spielbar
- Sonderkarten erhöhen die Möglichkeiten
CONTRA
- höherer Glücksfaktor ab drei Spielern
- Neuauflage ohne spielerische Erweiterungen
MEINUNG
Wem die obigen Regeln bekannt vorkommen sollten, dem sei gesagt, dass The Sea Merchants bereits im Jahr 2007 unter dem Titel Handelsfürsten: Herren der Meere veröffentlicht wurde, damals noch bei Pegasus. Der Titel in der kleinen Schachtel avancierte zu einem beliebten Handelsspiel, dem jetzt eine Neuauflage bei Trefl spendiert wurde.
Handelte man früher mit Cuprum, Gossypium, Indicum, Linum, Piper und Sal, so werden die Waren jetzt vereinfacht dargestellt. Die historischen Illustrationen sind eher simplen Warenabbildungen gewichen, die so aber schon auf den ersten Blick deutlich besser rüberbringen, um welches Handelsgut es in der laufenden Runde geht. Auch die Handelskarten haben eine neue Optik erhalten, die das Flair gekonnt aufgreift. Bei den Münzen hat man sich für Kunststoffchips in drei Farben entschieden, was für ein Spiel dieser Schachtelgröße eine durchaus gelungene Materialqualität bedeutet.
Abgesehen davon ist The Sea Merchants komplett identisch mit der früheren Auflage und auch sonst noch immer ein recht mechanisches Spiel, dem das Setting aber dennoch gut zu Gesicht steht: Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Kaufmannsfamilien des 16. Jahrhunderts, die sich ihr Geld mit Warenhandel verdienen und dabei stets ein Auge auf Angebot und Nachfrage werfen müssen. Nüchtern betrachtet schieben wir bunte Klötzchen hin und her, spielen farblich passende Karten aus und berechnen in der Handelsphase unseren Ertrag nach dem Motto „Anzahl der ausliegenden Karten des soeben ausgespielten Warentyps multipliziert mit der Zahl der Klötzchen auf unseren Schiffen“.
Aber gerade dieses schnelle, taktische Ausspielen von Karten entfacht schnell seinen Reiz, denn ich kann mir nie sicher sein, von einer bestimmten Warenart allzu lange zu profitieren, da mein eigener Handkartenvorrat nun mal sehr beschränkt ist. Horte ich zu lange meine Handkarten in der Hoffnung, irgendwann von jeder Ware genügend Karten zu besitzen, verliere ich schnell den Anschluss, da meine Mitspieler sich rasch eine lukrative Handelskarte sichern, die mit nützlichen Vorteilen verbunden ist. Ich bin also gezwungen, meine Taktik stets aufs Neue zu justieren, den Gegenspielern möglichst keine hohen Erträge zu gönnen, obwohl ich natürlich ihre Handkarten nicht kenne, sondern mich lediglich an den ausliegenden Warenklötzchen orientieren kann.
Der eigene spielerische Einfluss ist trotz aller Limitationen nicht zu unterschätzen und erfordert bei jedem Spielzug eine neue Herangehensweise. Ich bevorzuge The Sea Merchants definitiv zu zweit, da bei höherer Besetzung der Glücksfaktor deutlich ausgeprägter ist. So etwas muss man mögen. Zu zweit lässt sich der beabsichtigte Spielzug recht gut (wenn auch nicht allzu weit im Voraus) planen, ohne dass zwischenzeitlich ein Mitspieler die eigene Strategie zunichte machen kann. Wird bevorzugt zu dritt oder zu viert gespielt, vergebe ich 7 Kultpunkte, im Spiel zu zweit aufgrund des taktischen, schnellen Spielablaufs auch einen Punkt mehr.
KULTFAKTOR: 7-8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7-8/10
EUER REZENSENT
CHRISTOPH
Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer
Eine Rezension vom 25.04.2024
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Trefl
Weitere Fotos: Spielkultisten