REZENSION

THE GRAND CARNIVAL

  • Genre: Familien-/ Taktikspiel
  • Jahr: 2020 / deutsche Version (Der große Jahrmarkt): 2023
  • Verlag: Uproarious Games / deutsche Version: Skellig Games
  • Autor: Rob Cramer
  • Grafik: Ryan Goldsberry
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 7/10

Rummel auf dem Rummel

Der Jahrmarkt kommt in die Stadt! Da heißt es zunächst einmal, den Festplatz vorzubereiten. Nach und nach siedeln sich immer mehr Attraktionen an, und Besucher lösen Tickets für ihre Belustigungen, sofern sie die Fahrgeschäfte über geschaffene Grünflächen erreichen ...

REGELN

Jeder erhält ein eigenes Spielertableau sowie 8 Spielfiguren in der gewählten Farbe, wobei 5 davon neben die Aktionsfelder des Tableaus gestellt und 3 weitere neben dem Tableau bereit gehalten werden. Das Tableau zeigt den noch unfertigen Festplatz, immerhin schon versehen mit zwei Eingängen, und an jedem Eingang wartet auch bereits ein erster Besucher.

Mischt die Auftragskarten, zieht drei zufällige davon und legt sie offen aus. Alle weiteren Karten kommen zurück in die Schachtel. Bereitet nun noch das Angebot der Fundament-Plättchen vor, indem ihr alle Plättchen verdeckt mischt und daraus zwei Stapel bildet. Deckt vier erste Plättchen auf und legt sie auf die Transport-Felder des separaten Bahnhof-Spielplans, nummeriert von 2 bis 5. Legt die beiden verdeckten Stapel über das Feld mit der 1.  Legt von jeder Attraktionsgröße (1 bis 5 Felder in verschiedenen Polyomino-Formen) eine bestimmte Anzahl an Plättchen bereit (je nach Spielerzahl), und legt übrige Plättchen zurück in die Schachtel.

Gespielt werden 7 Runden, thematisch 7 Tage einer Woche, beginnend beim Sonntag. In jeder Runde belegt ihr nacheinander reihum immer eins eurer fünf Aktionsfelder mit einer eigenen Figur. Jedes Feld (1 bis 5) auf dem eigenen Tableau kann nur einmal pro Runde genutzt werden. Haben alle Spieler alle Aktionsfelder belegt, wandert der Startspieler-Marker um eine Person weiter, die Aktionsfelder werden wieder geleert, und die nächste Runde wird gespielt.

Bin ich am Zug, entscheide ich mich also für ein noch freies Aktionsfeld auf meinem Tableau. Danach entscheide ich mich für eine von drei Aktionen, wobei das Aktionsfeld mit seiner Zahl die Stärke der Aktion bestimmt:

  • Fundament schaffen: Wähle ich diese Aktion, suche ich mir ein neues Fundament-Plättchen aus dem offenen Angebot aus. Die gewählte Aktionszahl bestimmt die Reichweite meiner Auswahl. Während ich mit einer 1 nur ein verdecktes Plättchen vom Stapel ziehe (und optional die offene Plättchen-Auslage austausche), erlauben mir höhere Zahlen auch den Zugriff auf die offen ausliegenden Plättchen. Dabei darf ich auch immer freiwillig überbezahlen. Mit einer 2 kann ich also ein verdecktes Plättchen von Feld 1 oder das offen liegende Plättchen von Feld 2 erhalten, mit einer 5 habe ich Zugriff auf alle Plättchen. Das gewählte Plättchen ist in vier kleinere Felder unterteilt und zeigt eine Mischung aus Grünflächen und Bauplätzen (Hammer-Symbol). Das Plättchen lege ich auf ein freies Festplatz-Feld meines Tableaus (großer Hammer); die Ausrichtung muss dabei immer mit der des Hammers übereinstimmen. Die Plättchen auf dem Angebotsplan rutschen am Ende des Spielzuges nach links, das freie Feld rechts wird mit einem neuen Plättchen vom Stapel aufgefüllt.
  • Attraktion bauen: Je nach gewähltem Aktionsfeld darf ich eine Attraktion der Größe 1 bis 5 bauen, auch hier gilt das Maximal-Prinzip, heißt: Während ich mit einer gewählten 1 nur eine kleine 1er-Attraktion bauen kann, habe ich bei einer gewählten 5 die Auswahl aus sämtlichen Größen (und Formen). Eine neue Attraktion muss immer auf freien Baustellen-Feldern (kleiner Hammer) von zuvor gelegten Fundament-Plättchen gebaut werden, niemals direkt aufs eigene Spielertableau. 
  • Besucher bewegen: Mit dieser Aktion bewege ich einen Besucher vom Eingang aus (oder später von seiner aktuellen Position) über Grünflächen-Felder von ausgelegten Fundament-Plättchen über meinen Jahrmarkt. Die Aktionszahl bestimmt die maximale Bewegungsweite, wobei immer nur waagrecht oder senkrecht, nicht diagonal, gezogen werden darf. Jede Attraktion, die am Ende der Bewegung an den Besucher angrenzt (waagrecht oder senkrecht) wird mit einem Ticket belegt. Jede Attraktion kann im weiteren Spielverlauf maximal so viele Tickets aufnehmen, wie es ihrer Größe entspricht, eine 4er-Attraktion also maximal vier Tickets. 


Wichtig: Haben beide Besucher ihre Eingänge verlassen, rücken zwei neue Besucher nach. Zudem erhalte ich dann einen Rekommandeur (eine Art Marktschreier), der die Besucher künftig noch schneller zum Festzelt lockt. Ihn muss ich auf ein freies Grünflächen-Feld stellen. Der bewegt sich dann bis zum Spielende auch nicht mehr von dort weg, sodass er quasi eine Art Blockade darstellt, dafür aber, pro anwendem Exemplar, immer einen zusätzlichen möglichen Schritt auf die Bewegungsaktion draufrechnet. Wird ein Besucher bis ins Zelt bewegt, verbleibt er ebenfalls bis zum Spielende dort. Er kann keine Tickets mehr lösen, bringt dafür aber bei der Schlusswertung Punkte.

Schaut nach jedem eurer Spielzüge, ob ihr einen der ausliegenden Aufträge erfüllt, z.B. ob die Bewegung eines Besuchers an drei Attraktionen gleichzeitig beendet wird oder ob drei Besucher auf zusammenhängenden Feldern positioniert wurden. Belegt diese Karte dann mit einer eurer zuvor bereit gelegten drei zusätzlichen Spielfiguren. Alle anderen Spieler können die selbe Karte nur noch dann für sich beanspruchen, wenn sie sie in ihrem nächsten Spielzug erfüllen! Ein erfüllter Auftrag bringt dann einen starken Bonus bzw. dauerhaften Vorteil, der für das restliche Spiel gilt, z.B. diagonale Bewegungen der Besucher oder die Möglichkeit, Aktionspunkte beim Bau von Attraktionen aufzuteilen.

Das Spiel endet nach dem 7. Tag, also nach 7 Runden. Jeder hat nun 35 Spielzüge durchgeführt. Jetzt erfolgt die Schlusswertung:

  • Jeder betrachtet sein eigenes Tableau und bestimmt die Anzahl der gebauten Attraktionen jeder Größe. Je mehr Attraktionen einer Größe errichtet wurden (mindestens 3), umso mehr Punkte gibt es, wobei die maximale Wertung fünf Attraktionen einer Größe belohnt. Je größer die Attraktionen, umso mehr Punkte gibt es bei dieser Wertung. Vorsicht! Nur Attraktionen, die mindestens ein Ticket erhalten haben, zählen bei dieser Wertung mit! Attraktionen ohne Ticket werden nicht beachtet!
  • Ist jede Attraktionsgröße mindestens einmal auf dem eigenen Jahrmarkt vorhanden, gibt es dafür 22 Punkte. Auch hier gilt: Die beteiligten Attraktionen müssen mindestens ein Ticket erhalten haben, um gewertet zu werden!
  • Wer mindestens 15 Tickets auf seinen Attraktionen untergebracht hat, erhält 12 Punkte.
  • Je mehr Besucher (1 / 2 / 3 / 4 oder mehr) sich im Zelt befinden, umso mehr Punkte gibt es für diese.
  • Jeder Rekommandeur bringt 3 Punkte.
  • Jedes sichtbare Hammer-Symbol auf dem eigenen Tableau bringt hingegen 1 Minuspunkt.


Wer die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.

Das Spiel bietet auch einen Solo-Modus.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • interessantes Legepuzzle mit doppeltem Boden
  • Mischung aus Optimierung und taktischer Planung
  • schöne Gestaltung im Comic-Stil der 30er-Jahre
  • personalisierte Spielfiguren


CONTRA 

  • grundlegende Aktions-Abfolgen sind (indirekt) vorgegeben
  • zu wenige Tickets vorhanden

MEINUNG

Spiele mit Freizeitpark- oder Jahrmarkt-Thema üben auf mich ja immer noch eine ganz besondere Faszination aus. In meiner anfänglichen Teenager-Zeit bin ich mit meinen Eltern von Kirmes zu Kirmes gefahren, um die neuesten Fahrgeschäfte zu bestaunen. Dabei interessierten mich vor allem Optik und Technik, „Off-Ride" würden Experten sagen. Dementsprechend dankend nahm ich damalige PC-Spiele in den 90er Jahren auf, zunächst Theme Park, später Roller Coaster Tycoon.

In The Grand Carnival, das voraussichtlich im Laufe des Jahres 2023 unter dem Titel Der große Jahrmarkt bei Skellig Games auf deutsch erscheinen wird, reisen wir zeitlich weiter zurück. Die Gestaltung des Spiels wirkt sehr speziell, ist sie doch im Comic-Stil der 30er Jahre gehalten. Mich spricht diese Optik sehr an, auch wenn sie eher dezent, und nicht knallig-bunt, wie man es heute von so einem Thema erwarten würde, daherkommt. Diese Illustrationen mag vielleicht nicht jeder, ich finde sie grandios. Die gezeigten Attraktionen stammen dann auch aus eben diesen früheren Zeiten - von der Feuerschlucker-Show über eine Boxbode bis zur Achterbahn und zum Riesenrad ist alles dabei, was das Jahrmarkt-Herz begehrt. Das Material an sich ist dann auch gelungen, mit individuell gestalteten Figuren und Tableaus aus dicker Pappe. Einzig die Tatsache, dass zu wenige Tickets beiliegen, erstaunt. Im Spiel zu zweit reichen sie aus, im Spiel zu dritt können sie ausreichen, im Spiel zu viert fehlen gegen Ende des Spiels oft welche, und man muss sich behelfen. So habe ich mir dann einfach Zusatz-Tickets ausgedruckt und zugeschnitten. Ob die Anzahl dieser kleinen Plättchen in der deutschen Ausgabe erhöht wird, kann ich an dieser Stelle leider noch nicht sagen.

Die Attraktionen sind natürlich das Herzstück des Spiels. Die liegen in Form von Polyominos vor, wie wir sie bereits aus vielen Legespielen kennen. Jetzt mag der eine oder andere vielleicht denken: Oh nein, noch ein Puzzlespiel! Ja, ein gewisser Grad zur Übersättigung ist in diesem Bereich tatsächlich gegeben, aber The Grand Carnival macht dann doch wieder Dinge neu. So ist es keinesfalls sinnvoll, die Puzzleteile so eng wie möglich, ohne Lücken, aneinander zu legen. Schon thematisch erklärt sich das von selbst: Die Besucher laufen nämlich über die Grünflächen, und wenn ich keinen Platz zwischen meinen Fahrgeschäften lasse, erreichen die zahlenden Gäste sie gar nicht, und somit werde ich keine Tickets los, doch gerade die Tickets benötige ich, damit Attraktionen überhaupt am Ende gewertet werden, und auch die Tickets an sich bringen Punkte. Also muss ich klug planen, wie ich die Besucher über meinen Festplatz lenke, idealerweise so, dass ich mit einer Bewegung gleich mehrere Attraktionen auf einmal bedienen kann.

Nun wäre der Bau der Attraktionen auf einer vollkommen freien Fläche ja noch keine große Herausforderung, gäbe es da nicht wortwörtlich einen doppelten Boden in Form der Fundament-Plättchen, die den Acker erst zum bebaubaren Festplatz werden lassen. Die Anordnung der Bauflächen auf diesen Plättchen muss also schon mit einkalkuliert werden, um später eine entsprechende Attraktion errichten zu können. Gerade bei den großen 5er-Attraktionen kann es natürlich ärgerlich sein, wenn ein Mitspieler einem ein solches Plättchen wegschnappt, aber: Das lässt sich antizipieren, und man kann seine eigenen Pläne dann auch noch abändern. Notfalls passen auch immer mehrere kleinere Attraktionen auf große zusammenhängende Flächen. Auf jeden Fall sollte man aber zusehen, alle Bauflächen zu überdecken, notfalls nur mit bloßen Grünflächen, um am Ende keine Minuspunkte zu kassieren.

Das Spiel ist dann geprägt von einer Mischung aus eben taktischer Planung, auch beim Verwenden der Aktionspunkte, bei denen jede Zahl ja jeweils nur einmal pro Runde zur Verfügung steht, aber auch etwas Glück, welche Fundamente denn gerade so im Angebot liegen. Fundamente darf ich nicht drehen und wenden, wie ich möchte. Da bin ich dann manchmal schon eingeschränkt und muss optimieren. Es gibt eine Auftragskarte, die dieses logistische Problem aufhebt, wenn ich sie erfüllt habe. Gleiches gilt für Besucher, die vielleicht nur diagonal zu Attraktionen stehen, wenn sie ihre Bewegung beendet haben, und noch so einige weitere Details. Ja, die Belohnungen der Auftragskarten sind auf jeden Fall sehr lukrativ, und hier hat man auch ein knallhartes Wettrennen integriert. Wer einen Auftrag als Erster erfüllt, ist aus dem Schneider, alle weiteren müssen den Auftrag zwingend im nächsten Spielzug erfüllen, wenn sie ebenfalls vom Vorteil profitieren wollen, und das ist alles andere als einfach.

Die Aufträge und die zufällige Auslage der Fundamente, teils auch der ausliegenden Attraktionen (es sind nicht alle im Spiel) bringen die Varianz ins Spiel, die The Grand Carnival benötigt, da der Ablauf ansonsten vorbestimmt wäre: Fundament legen, Attraktion bauen, Besucher bewegen. An der Reihenfolge gibt es nichts zu rütteln. Damit aber eine schöne Mischung entsteht, gibt es eben die gewollten Material-Engpässe. Ich kann also nicht erst einen perfekten Untergrund schaffen, dann später erst los bauen und zum Schluss laufen, da wichtige Teile und Aufträge dann einfach schon weggeschnappt wurden. Auch die Marktschreier (auf dem Jahrmarkt eher Rekommandeure) sind begrenzt, dabei aber ein Punkte-Lieferant und Vorteil fürs schnellere Bewegen.

So entsteht also ein interessanter Wettlauf um den punkteträchtigsten Jahrmarkt, dem ich spielerisch gute 7 Kultpunke gebe, ja, insgesamt sogar mal wieder mit persönlicher Tendenz zur 8, einfach weil das Setting und die Gestaltung genau meinen Geschmack treffen. Eine angekündigte Erweiterung wird dabei demnächst (Stand: Februar 2023) noch weitere neue Möglichkeiten eröffnen.

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/7vU23FI-AAI

KULTFAKTOR: 7-8/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 28.02.2023

Bildnachweis:
Coverfoto: Uproarious Games
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