REZENSION
SPACE STATION PHOENIX
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Rio Grande Games
- Autor: Gabriel J. Cohn
- Grafik: Martin Hoffmann, Claus Stephan
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: 60 bis 120 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 8/10
Alien-Building
Die Erde in ferner Zukunft. Außerirdische installieren Raumstationen und erfüllen dort ihre Aufgaben, doch auch menschliches Leben ist hier möglich. Wer seine Raumschiffe geschickt nutzt, immer mehr Ressourcen generiert, mit Diplomatie wichtige Boni erzielt, der kommt dem Traum einer großen Space Station immer näher. Tja, und manchmal müssen Raumschiffe auch verschrottet werden, wenn das Metall für neue Stations-Sektoren fehlt ...
REGELN
Legt von jeder Sorte an Raumstations-Sektoren so viel zufällige Plättchen auf den Tisch, wie Spieler teilnehmen. Die Sektoren gibt es in vielfacher Ausführung in 3 Farben und jeweils in 3 Größen. Die Spielerzahl bestimmt zudem über die Gesamtzahl an Menschen und Aliens, die bereit gelegt werden.
Nun legt jeder Spieler seine Start-Raumschiffe (in Form von Karten) vor sich aus. Die fünf Start-Schiffe liefern die fünf Haupt-Aktionen im Spiel. Weitere vier Karten werden nun über zwei Auswahlrunden, zunächst Level 3-, dann Level 2-Karten, individuell der eigenen Auslage hinzugefügt. Somit besitzt nun jeder 9 Karten in einem 3x3-Raster. Die Level 2- und Level 3-Karten liefern teilweise die Möglichkeit, schneller an Wasser- und Pflanzen-Ressourcen zu gelangen, ansonsten zeigen sie verstärke Basis-Aktionen. Durch die zusätzliche Kartenauswahl entsteht eine erste Asymmetrie.
Jeder erhält ein eigenes Spielertableau und eine Auswahl aus zwei Hubs. So ein Hub liefert Ressourcen in der Einkommensphase und bestimmt Vorteile bei Aktionen oder individuelle Bedingungen für Punkte am Spielende. Zudem sind auf der Rückseite jedes Hubs die Start-Ressourcen aufgeführt. Da gibt es die Galaktischen Edelstein-Minerale (GEMs, das ist die Währung im Spiel), es gibt, wie eben schon erwähnt, Wasser und Pflanzen (damit werden die Aliens und Menschen versorgt), und es gibt Metall (damit werden neue Sektoren für die Raumstation gebaut). Außerdem liefern manche Hubs erste Schritte auf der Diplomatie-Tafel (es gibt vier verschiedenen Leisten, die den Basis-Aktionen zugeordnet sind), zusätzliche Raumschiffe oder gar einen ersten kostenloses Sektor.
Gespielt wird reihum. Es gibt keine festgelegte Rundenzahl, auch keinen wechselnden Startspieler. Die Spieler wechseln sich so lange ab, bis ein Spieler die Endbedingung des Spiels erfüllt.
Wer an der Reihe ist, hat die Wahl aus zwei Optionen:
(A) Aktion ausführen: Der Spieler belegt ein freies Raumschiff seiner Auslage mit seinem Aktionsmarker und zahlt anschließend so viele Edelsteine, wie auf der Karte vorgegeben. Die Edelsteine werden auf die Karte gelegt. So lange sie sich auf der Karte befinden, kann diese Karte nicht mehr genutzt werden. Anschließend wird die Aktion ausgeführt. Das geht übrigens auch mit Karten der Mitspieler, allerdings muss dann ein zusätzlicher Obolus an den Besitzer der Karte gezahlt werden. Alternativ kann auch ein „neutrales Schiff“ (auf einem separaten Board) für eine Standard-Aktion belegt werden, dann aber auch zu einem höheren Preis als auf den eigenen Startkarten.
Nach jeder ausgeführten Aktion schaut der Spieler, ob er einen Aktions-Bonus über die aktivierten Sektoren seiner Raumstation erhält. Danach schauen alle (!) Spieler, ob sie Boni über die Diplomatie-Leiste der ausgeführten Aktion erhalten. Die Aktionen sind zur besseren Übersicht farbcodiert.
(B) Einkommen generieren: Der Spieler erhält neue Ressourcen gemäß seines Hubs sowie eventuellen Einkommens-Boni in den aktivierten Sektoren seiner Raumstation. In einem Einkommenszug werden zudem sämtliche eigene Raumschiffe wieder von Edelsteinen befreit, sodass sie danach wieder nutzbar sind. Zudem darf der Spieler am Ende dieses Zuges bereits eingesetzte Aliens oder Menschen in seinen Sektoren verschieben. Dafür muss allerdings ein Edelstein pro Bewegung bezahlt werden.
Der Einkommenszug ist nur möglich, wenn der Spieler 7 oder weniger Edelsteine besitzt ODER mindestens ein eigenes Schiff mit Edelsteinen belegt ist ODER keine sonstige Aktion möglich ist; das soll verhindern, dass ein Spieler mehrere Einkommenszüge direkt hintereinander ausführt.
Folgende Aktionen gibt es im Spiel:
- Bauen: Der Spieler zahlt die auf einem zur Auswahl stehenden Sektor angegebene Menge an Metall (ggf. mit einem Rabatt) und legt den Sektor an seine Raumstation an. Jeder „Flügel“ der eigenen Station muss, vom Hub ausgehend, von klein nach groß gebaut werden. Außerdem muss jeder Flügel einfarbig gebaut werden. So entsteht dann jeweils ein rosafarbener, ein türkisfarbener und ein brauner Sektorenzweig. Die Räume der Sektoren liefern dann, wie eben schon gesagt, Boni im Einkommenszug oder Vorteile in Aktionen bzw. Siegpunkte am Ende - allerdings nur, wenn die damit verbundenen Räume mit Aliens oder Menschen besetzt sind. Wie die dorthin gelangen, erfahrt ihr gleich.
- Verschrotten: Der Spieler entfernt ein unbenutztes Raumschiff dauerhaft aus seiner Auslage und erhält dafür die angegebene Menge an Metall.
- Transportieren: Der Spieler führt eine auf der Aktionskarte vorgegebene Anzahl an Tausch-Aktionen durch. So wird eine bezahlte Kombination aus Pflanze und Wasser in einen Alien einer beliebigen der drei Farben verwandelt. So ein Alien wird dann direkt in einen freien Raum eines farblich passenden eigenen Sektors gesetzt. Die Räume müssen dabei immer aufsteigend von links nach rechts gefüllt werden. Die Aliens aktivieren die damit verbundenen Boni / Vorteile der Räume. Wird beim Tausch ein Edelstein hinzu gezahlt, kann sich der Spieler einen goldenen Alien nehmen, der als Joker fungiert, was die Farben angeht. Zwei beliebige Ressourcen dürfen zudem in eine andere umgetauscht werden (z.B. zwei Wasser in ein Metall oder ein Metall und eine Pflanze in ein Wasser etc.). Auch kann für 3 Edelsteine eine beliebige Ressource gekauft werden.
- Erkunden: Der Spieler wirft die angegebene Anzahl an Würfeln und darf davon dann eine ebenfalls angegebene Anzahl nutzen. Würfel liefern Wasser, Pflanzen (jeweils auf 2 Würfelseiten) oder Metall (auf einer Würfelseite). Wird ein Mensch gewürfelt (ebenfalls auf einer Würfelseite), kann sich der Spieler dafür einen Punkt nehmen oder alternativ ein Wasser, eine Pflanze und ein Metall bezahlen, um den Menschen im silbernen Raumanzug in einen freien Raum der eigenen Station zu setzen. Die Einsetz-Regeln sind identisch mit denen der Aliens. Menschen sind an keine Sektoren-Farben gebunden.
- Diplomatie: Wird diese Aktion gewählt, rückt der Spieler auf einer Diplomatie-Leiste seiner Wahl um eine Stufe nach oben. Jede Stufe muss mit Edelsteinen bezahlt werden.
Am Ende jeder der vier anderen Aktionen (egal, wer sie ausgeführt hat), erhält jeder Spieler, der auf der Diplomatie-Leiste bereits vorangeschritten ist, einen Bonus für diese Aktion, und zwar einen oder zwei Edelsteine, einen Punkt, Metall, Pflanzen, Wasser - je nachdem, wo der eigene Marker auf der Diplomatie-Leiste steht. Gewählt werden darf nur ein Bonus von einer der Stufen weiter unten, es sei denn, ein Spieler führt alleine! In diesem Fall darf er auch den Bonus der Stufe wählen, auf der er gerade steht.
Ende des Spiels: Gespielt wird, bis ein Spieler seinen neunten Sektor der Raumstation gebaut hat, also dann je 3 Sektoren unterschiedlicher Größe in 3 Farben besitzt ODER ein Spieler die 40-Punkte-Marke überschreitet ODER der vor Spielbeginn abgezählte Alien-Vorrat auf 4 oder weniger sinkt. Der Spieler, der das Ende auslöst, ist nun kein weiteres Mal an der Reihe, alle anderen Mitspieler haben noch einen finalen Zug.
Bei der Schlusswertung gibt es Punkte für
- jeden gebauten Sektor (je größer, umso mehr Punkte).
- Aliens und Menschen in der eigenen Station (je 2 Punkte).
- Mehrheiten jeder Alien-Farbe und der Menschen (für den Erst- und Zweitplatzierten).
- lilafarbene Spielende-Bedingungen auf dem eigenen Hub oder in den Sektoren der eigenen Raumstation (individuelle Anzahl, je nach Erfüllung).
- je 20 übrige Edelsteine und je 5 übrige beliebige Ressourcen.
Wer nun die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.
Hinweis: Das Spiel ist (Stand: August 2022) nur in englischer Sprache erhältlich, wobei das nur für die Anleitung und die ggf. nötige Erklärung der Plättchen wichtig ist. Das Spiel an sich ist sprachneutral.
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- toller Mix aus Worker-Placement, Ressourcen-Management und Engine-Building
- abwechslungsreich durch viele verschiedene Sektoren in immer neuen Kombinationen
- taktisch, interaktiv und belohnend
- Beteiligung auch in passiven Zügen
- ausführliche Beschreibungen aller Plättchen
CONTRA
- Ressourcen-Handhabung ist ein klein wenig friemelig geraten
- angegebene Spieldauer ist kaum zu schaffen
MEINUNG
Ohne es spannend zu machen: Ich bin verliebt, Space Station Phoenix ist für mich ein echtes Highlight unter den komplexeren Vielspieler-Spielen des aktuellen Jahrgangs!
Dabei ist der Grundablauf echt simpel: Aktionsmarker platzieren, Aktion bezahlen, Aktion ausführen. Bestes Worker-Placement, hier gekoppelt an die Entscheidungen, einfache Standard-Aktionen auszuführen oder teurere Upgrades, die dafür kleine Goodies mit sich bringen. Auch die Option, ein gegnerisches Schiff zu belegen, kann reizvoll sein - bietet es doch die Möglichkeit, eine bereits genutzte Aktion ein zweites Mal zu verwenden oder gar gezielt den Kontrahenten zu blockieren.
Die Aktionen an sich sind dann ebenfalls nicht schwer zu verstehen, aber sie sind nett verzahnt. Dabei ist der Glücksfaktor im Spiel sehr gering, einzig die Würfel-Aktion bringt dann auch Fortuna ins Spiel, aber selbst erfahrene Strategiespieler empfanden dieses Element in unseren Spielrunden als angenehme Auflockerung und nicht als wirklich störend. Bei der Tausch-Aktion ist dann gutes Ressourcenmanagement gefragt. Und die Diplomatie-Aktion sollte man auch nicht unterschätzen, liefern Marker auf den Diplomatie-Leisten doch fortlaufend Boni, auch in den passiven Spielzügen. So kommt einem die Downtime zwischen den Spielzügen auch gar nicht wie eine Wartezeit vor, wobei die Spielzüge eh recht schnell von der Hand gehen.
Ein sehr interessantes Konzept stellt zudem die Verschrottung der Raumschiffe da. Um neue Sektoren bauen zu können, die ja mit der späteren Aktivierung ihrer Räume das zentrale Element des Spiels darstellen, wird Metall benötigt. Und Metall ist knapp. Wie gut, wenn man da durch den Abriss eines Schiffes schnell an die Ressource gelangt. Allerdings ist hier Timing gefragt: Möchte ich auf die abgerissene Aktion dann auch wirklich dauerhaft verzichten? Ohne Abriss läuft hier nichts. Aber eine Wiederkehr einmal abgerissener Schiffe ist auch nicht möglich. Wichtig ist also eine geschickte Auswahl dieser Schiffe und der Zeitpunkt für diese Option. Ich habe Partien erlebt, in denen manche Spieler mit 8 von 9 Schiffen in die Endwertung gingen, in anderen Partien besaß ich am Spielende nur noch 4 Schiffe - und die Endergebnisse waren trotzdem knapp.
Das Belegen der neu gebauten Sektoren mit Aliens fühlt sich belohnend an. Nicht nur, dass jeder Bewohner am Ende Punkte bringt, nein, viel mehr sind es die unterschiedlichsten Erträge und Regel-Vorteile für jede Aktionsart, die über die Sektoren freigeschaltet werden können. Auch zusätzliche Siegpunkte am Spielende lassen sich so freischalten. Da ist wirklich eine tolle Varianz im Spiel vorhanden, die auch die Einkommenszüge interessant werden lässt. Baue ich eine kluge Engine auf, bekomme ich - trotz Verschrottung meiner Schiffe - zunehmend mehr, und noch mehr Erträge. Genau das Belegen der Sektoren lässt aus dem Spiel dann ein Vielspieler-Spiel werden, das eine schöne Spieltiefe besitzt, ohne zu überfordern.
Space Station Phoenix funktioniert zu zweit ebenso gut wie in Vollbesetzung, einzig die Spieldauer erhöht sich. Die angegebenen 30 Minuten pro Spieler sind kaum zu schaffen. Selbst in Runden mit schnellen Spielern haben wir fast immer 45 Minuten pro Spieler benötigt, anfangs gar 60 Minuten. Das Spiel wird dabei aber nicht langweilig. Es trägt die Spieldauer, da man durch hinzukommende Sektoren, die in jeder Partie in ihrer Kombination wechseln, immer wieder neue Belohnungen und Möglichkeiten erhält.
Das Spielmaterial ist gut, einzig die Handhabung der kleinen stilisierten Aliens ein wenig friemelig, was auch die Edelsteine angeht. Wer das Spiel besser kennt, wird schnell merken, dass es genügt, nur einen Edelstein zur Kennzeichnung auf eine genutzte Karte zu legen und den Rest direkt in die Bank zu zahlen, anstatt alle Kosten komplett auf die Karten zu entrichten. Dann geht es auch in den Einkommenszügen schneller. Zudem benötigt das Spiel gerade anfangs sehr viel Platz, weil dann alle zufällig ausgewählten Sektoren wie eine Art Markt-Auslage den Spieltisch füllen. Da die Sektoren nach und nach gebaut werden, steht hier im Laufe des Spiels jedoch wieder mehr Platz zur Verfügung.
Sehr lobenswert ist die Farbcodierung der Aktionen. Hat man einmal die Symbolik verinnerlicht, leiten einen die Farben geschickt durch die verschiedenen Spiel-Elemente. So fallen einem freigeschaltete Aktionsvorteile auch sofort ins Auge. Führe ich die grüne Aktion aus, schaue ich auf alles, was bei mir grün eingefärbt ist. Führe ich die orangefarbene Einkommensphase durch, schaue ich auf alles, was orange eingefärbt ist. Möchte ich Bedingungen für Punkte am Spielende schaffen, schaue ich auf alles, was lila eingefärbt ist usw. Das ist wirklich super gelöst!
Wer sich übrigens über die recht schleppende Punkte-Vermehrung während des Spiels wundert: Die 200er-Chips haben durchaus ihre Berechtigung, denn die Hauptmenge an Punkten wird tatsächlich erst nach Spielende in der Schlusswertung generiert. Bis dahin ist das Spiel geprägt von Taktik und Timing, und das in einer wirklich gelungenen Form. Bislang (Stand: August 2022) ist das Spiel nur in englischer Sprache erhältlich, durch die lobenswert erwähnte Farbcodierung und die Symbolik ist es aber rein spielerisch sprachneutral. Aufkommende Fragen beantworten die Spiele-Übersichten gut; dafür sind dann aber (zumindest bei mindestens einer mitspielenden Person) Englisch-Kenntnisse erforderlich. Sind alle Fragen geklärt, läuft das Spiel ohne Sprachbarrieren flüssig.
Eine deutsche Lokalisierung wäre auf jeden Fall wünschenswert, schon allein, damit das Spiel auch hier nicht nur als Auslands-Import erhältlich ist, sondern einer breiteren Zielgruppe leichter zur Verfügung steht. Ich bin jedenfalls begeistert: Worker-Placement, Ressourcen-Management, Engine Building - meine bevorzugten Mechanismen in einem Spiel: Alles genau mein Ding, und dann auch noch mit Weltraum-Thema! Das sind, bis auf die kleinen erwähnten Abzüge in der B-Note, für mich galaktisch gute 8 Kultpunkte, sogar mit Tendenz zur 9.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/zmtf0PE9ogg
KULTFAKTOR: 8-9/10
Spielidee: 9/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 21.08.2022
Bildnachweis:
Coverfoto: Rio Grande Games
Weitere Fotos: Spielkultisten