REZENSION

SOVIET KITCHEN UNLEASHED

  • Genre: Kartenspiel mit App
  • Jahr: 2019
  • Verlag: HYBR
  • Autor: Andreas Wilde
  • Grafik: Andreas Wilde
  • Spieler: 1 bis 6
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 25 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 7/10

Die ganze Geschmackspalette 

 Gegessen wird, was auf den Tisch kommt und so aussieht, wie das, was bestellt war. Zusammen versuchen wir trotz mangelnder Lebensmittel ein Essen zu zaubern, dass die richtige Farbe hat, damit der Gast dieses Essen auch verzehrt und am besten nicht ins Gras beißt. Die Speisen haben wir aber eh in der Fleischwolf-App so klein gemacht, dass bei der Farbbeurteilung schon alles gut werden wird ... 

REGELN

Soviet Kitchen Unleashed ist ein kooperatives Kartenspiel für 1 bis 6 Spieler, welches eine essentielle App besitzt. Wir mischen dort verschiedenen Zutaten, um die richtige Farbe für das bestellte Essen zu erreichen. Zusammen versuchen wir so verschiedene Herausforderungen zu meistern.
 
Zunächst müsst ihr die App herunterladen und öffnen. Dort könnt ihr wählen, ob ihr Missionen für die Kampagne oder Herausforderungen spielen wollt und wie viele Spieler ihr seid. Durch den restlichen Aufbau führt euch auch die App. Ihr mischt alle Karten, die ihr bisher freigeschaltet habt. In der Schachtel befinden sich vier Kartenpakete, die erst im Laufe der Kampagne freigeschaltet werden. Jeder Spieler bekommt so viele Karten, wie die App vorgibt, z.B. sechs Stück.

Das Tablet oder Smartphone, auf dem die App läuft, wird in die Mitte gelegt und die Mission oder Herausforderung gewählt. Euch werden die Bedingungen für die Mission gegeben. Dies ist in der Regel, wie viele Gäste ihr habt, wie kritisch die Gäste sind (Farbübereinstimmung), welche Sonderregeln es gibt und was das Ziel ist. So müsst ihr zum Beispiel vier komplette Mahlzeiten kochen oder 1000 Rubel verdienen.

Die Mission beginnt damit, dass eine Mahlzeit aus 2 oder 3 Komponenten angezeigt wird, zum Beispiel Wurst mit Kraut. Zuerst wird eine Komponente gekocht. Dazu wird in der App der Fleischwolf angeschmissen und die Spieler sprechen sich ab, welche Zutaten sie verwenden möchten. Jede Zutat hat eine bestimmte Farbe. Das Ziel ist es, dass die verwendeten Zutaten eine Farbe haben, die möglichst nahe an der geforderten Farbe ist. Beurteilt werden dabei die Farbe, die Helligkeit und die Sättigung.
 
Die Spieler dürfen sich ihre Karten nicht zeigen, aber alle Informationen auf ihren Karten teilen, solange sie diese geheim halten. Die Karte wird erst gezeigt, wenn diese in den Fleischwolf kommt. Dazu wird die Rückseite der Karte über die Frontkamera des Fleischwolfs gehalten und die Karte dann abgeworfen. 

Bei bis zu vier Spielern spielt jeder eine Karte. Dann wird das Essen durch den Wolf gedreht und die Farbe mit der geforderten von der App verglichen. Wurde mindestens die geforderte Übereinstimmung erzielt, so geht es weiter zur nächsten Komponente. Ist die Komponente nicht ähnlich genug, so verlässt der Gast empört das Restaurant und ihr müsst ein neues Gericht beginnen. Sind alle Gäste weg, so verliert ihr die Mission. Schafft ihr es, alle Komponenten eines Gerichts erfolgreich zu mixen, so werden alle Prozente der Übereinstimmung zusammengezählt und als Rubel gutgeschrieben. Ihr bekommt ein paar neue Karten und das nächste Gericht wird gekocht, bis das Missionsziel erreicht wird.

Bei mehr als 4 Spielern müssen nur 4 Spieler eine Karte spielen und alle Spieler, die keine Karten gespielt haben, dürfen neue Karten ziehen.

Leider kocht ihr mit eher improvisierten Zutaten, wie grünen Kartoffeln, Gammelfleisch, Filzstiefeln, Jeans, rostigen Nägeln, alten Reifen oder Atommüll. Hey, es wir gegessen, was auf den Tisch kommt, solange es die richtige Farbe hat. Die Karten zeigen eine Toxizität, die langsam das Toxometer füllt. Ist diese Anzeige voll, so stirbt der Gast beim Verzehr der Mahlzeit. Das ist ärgerlich, weil ihr einen Gast weniger habt, aber wenigstens hatte der Gast den Anstand, im Voraus zu bezahlen. Jedes Mal wenn ein Gericht abgeschlossen wird, so beseitigt die Verdauung des Kunden etwas von der Toxizität aus dem Toxometer. Stirbt der Gast, wird das Toxometer komplett geleert.

Viele der Karten haben Sonderfähigkeiten bzw. spezielle Effekte. Absolviert ihr mehrere Missionen und schaltet weitere Kapitel frei, so dürft ihr weitere Kartenpakete in euren Stapel mischen und so herausfinden, warum Matrjoschkas und Spiegelglas beim Kochen recht praktisch sind. 

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • App bringt echten Mehrwert
  • lustige Karten
  • einfaches Spielprinzip
  • tolles Design
  • sehr kommunikativ


CONTRA

  • zu kleiner Schachteleinsatz

MEINUNG

Einige von euch werden sicherlich bei unseren Kultspielen des Jahres 2019 über Soviet Kitchen Unleashed gestolpert sein. Es schien ja aus dem Nichts zu kommen, da es noch keine Besprechung von dem Spiel bei uns gab. Dies möchte ich jetzt ändern. Bei einem Gang über die SPIEL 2019 in Essen bin ich über Soviet Kitchen gestolpert, weil der Stand mit seinen archaischen Fleischwölfen und Farbspritzern so interessant aussah.

Ähnlich aufsehenerregend ist das Prinzip von Soviet Kitchen. Wir mixen unsere Spielkarten im Fleischwolf und versuchen, die vorgegeben Farbe zu erreichen. Dies ist natürlich mit wiederbenutzbarem Material in einem Spiel kaum zu realisieren, außer man verwendet digitale Hilfe. Mit Soviet Kitchen kam ein Spiel auf den Markt, dass eine Idee umgesetzt hat und einen Mehrwert geschaffen hat, der einfach ohne App nicht möglich gewesen wäre. Die App ist nicht nur Aufbauhilfe, nicht einfach ein Ersatz für einen Spielleiter, nein, die App ist ein Programm, um Farben zu mischen und zu vergleichen. Ich möchte behaupten, dass dies eine der interessantesten App-Brettspiel-Hybriden ist, die ich bisher gesehen habe.

Überzeugt hat mich auch die Qualität der App. Ich hatte keinen Absturz in dutzenden Partien. Die Frontkamera meines älteren Smartphones hatte keine Probleme mit der App und alles lief reibungslos. Die Einstellungen erlauben es auch schnell, die Sprache der App zu wechseln, solltet ihr mal mit einer internationalen Gruppe spielen. Hierbei hilft auch, dass die Karten sowohl einen deutschen wie auch einen englischen Text haben. Mir gefällt auch das Design der App so wie der Karten. Die Kartenfront ist in schwarz, weiß und grau gehalten - bis auf die Farbe der Zutat, was ja das wichtige Element ist. Die Effekte der Karten sind eindeutig beschrieben und auf dem Deckblatt findet sich immer ein Farbkreis, um zu ermitteln, welche Farben zusammen grau ergeben.

Die Karten sind von guter Qualität und gefallen mir genau wie das Design der App. Für mich gibt es nur einen Mangel am Spielmaterial. Der Einsatz der Schachtel ist zu klein. Jeder Spieler kennt das Phänomen, dass Karten, die aus ihrer Folie geholt werden, langsam scheinbar dicker werden, besonders wenn das Spiel häufig gespielt wird. Ligretto-Fans werden sicherlich wissen, wovon ich rede. Jetzt ist das Tiefziehteil in der Schachtel einfach nicht tief genug, obwohl es noch Platz nach unten gäbe. Es ist mir ein Rätsel, warum es nicht einfach noch einen Zentimeter extra Richtung Schachtelboden gibt.

Der Farbkreis und das Mischen von grauer Farbe ist besonders bei höherer Spielerzahl wichtig. Euer Team muss sich gut absprechen und vielleicht schon alle drei Komponenten einer Mahlzeit im Voraus planen, zumindest grob. Die Sonderfähigkeiten der Karten müssen eingeplant werden, und irgendwie müssen auch Spieler einen Beitrag leisten, die keine passende Karte haben. Vielleicht kann mit der Komplementärfarbe ein Grau gemischt werden oder jemand kann mit einer Granate die Zutat des Problemspielers zerstören.

In der Regel ziehen sich diese Diskussionen aber nicht ewig, irgendwann treffen die Spieler dann doch Entscheidungen, und jeder schaut gespannt, ob die richtige Farbe aus dem Fleischwolf herauskommt. Sehr oft beugen sich alle über die App und hoffen das Beste. Da gibt es manchmal ein Stöhnen oder ein Aufschrei der Erleichterung. Interessant ist auch immer wieder, wie Spieler anfangen, Farben zu beschreiben. "So ein gelb, aber ganz hell, eher so Pastellbeige." "Ich habe hier so grelles grün, aber nicht so grasgrün, eher so blattgrün." Und am Ende kommt tatsächlich etwas heraus, was die App akzeptiert. Ein Erfolgsmoment für die ganze Gruppe. Am Anfang fällt es schwer, jeden dazu zu bewegen, etwas beizutragen, aber schnell merkt die Gruppe, wie wichtig Kommunikation ist. Es macht wirklich Spaß bei kooperativen Spielen über etwas anderes zu diskutieren, als wie viele Schritte wohin wer noch machen kann oder wer das Gold behalten darf.

Die Herausforderung bei 5 oder 6 Spielern ist es, dann noch dafür zu sorgen, dass jeder Spieler mal neue Karten bekommt und nicht irgendwann ein Spieler keine Karten mehr hat. Spielt man häufig in der gleichen Gruppe, so wird man auch in der Kampagne voranschreiten. Diese bietet nicht nur verschiedene Herausforderungen, sondern erlaubt es einem auch, neue Karten freizuschalten. Die neuen Karten bieten mehr Fähigkeiten und mehr Farben. Die Herausforderungen bieten Abwechslung, indem mal die Farbe oder die Toxizität doch egal sind. Gut, im Prinzip versucht ihr dann doch immer wieder die passende Farbe zu mischen, aber eben unter verschiedenen Bedingungen.

Soviet Kitchen Unleashed ist natürlich ein humoristisches Spiel, welches nicht zu ernst genommen werden sollte. Der Humor ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber die meisten Lachen doch, wenn sie das erste Mal ein Radiohörnchen auf der Hand haben oder die Granate in den Fleischwolf werfen. Manche Witze in der Geschichte der Kampagne sind auch nur so lala, aber insgesamt fand ich den Humor in der App und der Anleitung des Spiels schon recht gut.

FAZIT: Soviet Kitchen Unleashed ist ein sehr kreatives Spiel mit einer fantastischen Idee, welche nur mit der richtig gut funktionieren App umsetzbar war. Es muss viel kommuniziert werden und jeder muss dazu animiert werden, sich einzubringen. Am Ende schaut jeder gespannt, was der Fleischwolf für eine Farbe ausgibt. Ich hoffe, ihr habt eine Powerbank dabei, denn schnell werden aus einer Runde gleich zehn oder mehr. 

KULTFAKTOR: 9-10/10

Spielidee: 10/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 27.04.2020

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: HYBR
Weitere Fotos: Spielkultisten