REZENSION
SCHRÖDINGERS KATZEN
- Genre: Kartenspiel
- Jahr: 2023
- Verlag: Amigo Spiele
- Autoren: Chris O'Neill, Heather O'Neill, Adriel Lee Wilson
- Grafik: James Stowe
- Spieler: 2 bis 6
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 20 Min.
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 3/10
Bluff, Bluff, Miau - tot oder lebendig!
Ist die Katze im Karton tot oder lebt sie? Diese Frage stellte sich bereits Erwin Schrödinger, Physik-Nobelpreisträger im Jahr 1933, in seinem Gedankenexperiment, das eine Katze zusammen mit einem radioaktiven Präparat, einem Detektor und Gift in einen Karton sperrt. Sobald radioaktive Strahlung freigesetzt würde, wird diese den Detektor zum Freisetzen des Giftes animieren. Den Gesetzen der Quantenmechanik folgend, so Schrödinger, könne es nun einen Zustand der Katze von gleichzeitig tot und lebendig geben - so lange, bis der Karton geöffnet wird, denn erst dann würde der tatsächliche Zustand festgestellt. Auch ohne ein Physik-Studium werden wir der Idee in diesem Bluffspiel folgen ...
REGELN
Mischt die Karten und legt sie als verdeckten Stapel (mit der Karton-Seite nach oben) bereit. Die Karten zeigen auf ihrer Vorderseite dann entweder eine lebendige Katze, eine tote Katze, einen leeren Karton oder einen „Heisenberg“ (Begründer der Quantenmechanik). Heisenberg-Karten fungieren quasi als Joker und können die anderen Zustände annehmen, wie sie gerade benötigt werden.
Gespielt werden mehrere Runden. In Runde 1 erhält jeder von euch 6 Karten auf die Hand. Der Startspieler gibt nun einen ersten Tipp ab, indem er auf dem Spielplan vorhersagt, wie viele lebendige bzw. tote Katzen oder leere Kartons in dieser Runde wohl im Spiel sind. Die entsprechende Zahl wird dann markiert. Nun kann der Spieler noch freiwillig Karten von der Hand offen zum Beweis vor sich auslegen. Die Anzahl der offen gelegten Karten bestimmt dann die Anzahl der übrigen Handkarten, die der Spieler mit Karten vom Stapel austauschen darf. Auf diese Weise ausgetauschte Karten von der Hand werden auf einem verdeckten Ablagestapel gesammelt.
Dann ist der nächste Spieler am Zug. Dieser hat nun zwei Optionen, aus denen er eine auswählt:
- Der Spieler erhöht den Tipp, dem roten Faden auf dem Spielplan folgend. Dabei darf auch der Zustand gewechselt werden. So folgen „2 tote Katzen“ beispielsweise auf „2 lebendige Katzen“. Wer auf leere Kartons tippt, kann danach auf „1 leeren Karton“ erhöhen, denn leere Kartons gibt es seltener in der Kartenverteilung. Natürlich sind auch gleich größere Sprünge möglich.
- Der Spieler zweifelt den letzten Tipp an. Dann decken alle ihre Karten auf, zum Beweis ausgespielte Karten werden hinzu addiert. Wurde der Tipp erfüllt, scheidet derjenige, der ihn angezweifelt hat, aus dem Spiel aus, andernfalls derjenige, der einen zu hohen Tipp abgegeben hat. Danach werden alle Karten neu gemischt. In jeder folgenden Runde wird immer eine Handkarte weniger ausgeteilt als in der letzten, in Runde 2 also 5 Karten, in Runde 3 dann nur noch 4 Karten usw.
Es gewinnt, wer als letzter Spieler übrig bleibt. Im Spiel zu zweit besitzt jeder 3 Leben. Bei jedem falschen Tipp / Zweifel wird ein Leben abgegeben. Erst beim dritten abgegebenen Leben scheidet ein Spieler aus. Im Spiel zu dritt besitzt jeder 2 Leben und scheidet beim zweiten abgegebenen Leben aus. Die Leben werden in Form kleiner Pfoten-Plättchen dargestellt.
Ihr könnt auch mit den Physikatzen spielen. Jeder erhält vor Spielbeginn eine solche zufällige Karte und hält sie vor den Mitspielern geheim. Übrige Physikatzen werden offen ausgelegt. Einmal pro Spiel kann jeder seine Physikatze einsetzen für eine besondere Aktion, z.B. dem Hinzufügen von 2 lebendigen Katzen, dem Ziehen von 2 zusätzlichen Karten oder dem Entfernen sämtlicher Beweise von toten Katzen etc.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- flottes Bluffspiel
- schöner Ärgerfaktor
- ideal als Absacker
CONTRA
- erinnert stark ans bekannte Spiel Bluff, jedoch mit weniger Freiheiten
- Spieler scheiden aus und gucken nur noch zu
- Physikatzen sind unterschiedlich mächtig
MEINUNG
Die Umsetzung von Erwin Schrödingers physikalischem Gedankenexperiment in Form eines schnellen Kartenspiels ist thematisch gelungen, die Illustrationen sind dementsprechend auch witzig bis makaber.
Die spielerische Komponente beschränkt sich dann darauf, Vorhersagen stetig zu erhöhen oder eben einen Tipp anzuzweifeln, was die Gesamtzahl bestimmter Karten, die in dieser Runde verteilt wurden, angeht. Natürlich ist das zunächst weitestgehend ein Tipp ins Blaue, denn die einzigen Informationen, die man anfangs besitzt, sind die eigenen Handkarten sowie die Kartenverteilung des gesamten Stapels, von dem aber halt nur eine begrenzte Anzahl an Karten verteilt wurde. Da zeigt sich schon, dass die Spielerzahl nicht unwichtig ist. Je mehr Personen mitspielen, umso mehr Karten kommen ins Spiel. Spielt ihr nur zu zweit, sind es in Runde 1 gerade einmal 12 von 52 Karten, sodass Wahrscheinlichkeitsrechnungen nicht allzu viel Sinn machen. Zudem nimmt die Anzahl der Karten auch noch mit jeder weiteren Runde ab.
Die Art und Weise, wie hier Vorhersagen gemacht werden, erinnert stark ans ältere Spiel Bluff, das in Deutschland im Jahr 1993 zum "Spiel des Jahres" gekürt wurde. In der Tat gab es bei unseren Spieletreffs eine Zeit, in der wir Bluff für uns wiederentdeckten und das Spiel als Absacker immer wieder den Weg auf unsere Tische fand. Bei Bluff gibt es keine Karten, sondern Würfel, deren Werte man nach einem sehr ähnlichen Prinzip wie bei Schrödingers Katzen einschätzen muss, statt "Heisenbergs" gibt es da Sterne als Joker. Und hier zeigt sich dann, so finde ich, ein kleiner Nachteil bei Schrödingers Katzen: Es gibt nur drei Zustände, über die geurteilt wird. Konnte man bei Bluff die Anzahl der Würfel einer bestimmten Augenzahl oder aber die Augenzahl an sich erhöhen, so sind die Wege bei Schrödingers Katzen eingeschränkter. Tippe ich ab einem Spiel zu viert falsch, scheide ich direkt aus, während ich bei Bluff die Differenz zum tatsächlichen Wert an Würfeln verliere. Ergo kann ich bei Bluff noch mehr taktieren.
Spielen wir in Vollbesetzung, ist so eine Tipp-Runde in Schrödingers Katzen in der ersten Runde noch am spannendsten, da Überraschungen möglich sind. Spielen wir nur zu zweit (oder sind nur noch zwei Spieler übrig), sieht das schon anders aus. Hat dann eine Person beispielsweise 3 tote Katzen und eine Heisenberg-Karte auf der Hand, sagt also "4 tote Katzen" an, während die zweite Person 4 lebendige Katzen auf der Hand hält, dann kann diese Person keinen sinnvollen Tipp abgeben - erhöhen funktioniert nicht. Da bleibt dann nur noch ein selbstsicherer Bluff übrig, der dem Gegenüber glaubhaft macht, dass man da noch gut mithalten kann. Genau diese Bluffs machen dann auch einen großen Teil des Spielspaßes aus. Spätestens im nächsten Zug wird es dann aber meist doch zur Überprüfung kommen, und man ahnt schon, wie die Sache dann ausgeht ...
So ist Schrödingers Katzen also weniger von Strategie geprägt, wie es die Markierung dieser Kategorie auf der Schachtel-Rückseite suggeriert. Glück und ein gutes Pokerface führen hier zum Sieg. Es handelt sich dabei um ein lockeres Spiel mit simplen Regeln, das gut als Absacker geeignet ist. Da macht es dann auch nicht mehr ganz so viel aus, wenn ein Spieler als erster ausscheidet und in den restlichen Runden nur noch zuschaut, was dennoch ein Spielelement ist, das ich nicht besonders gern mag. Ja, die Runden sind recht fix gespielt, aber Zuschauen führt oftmals dazu, dass nur noch zwei Spieler am Ende konzentriert mitbekommen, wer dann gewinnt. Dass man im Spiel zu zweit und zu dritt erst einmal nur ein Leben verliert und nicht direkt ausscheidet, ist ein guter Kompromiss, um das Spiel in dieser Besetzung nicht zu kurz werden zu lassen.
Als neckische Idee gibt es dann noch die optionalen "Physikatzen", die einem einen individuellen Vorteil bescheren. An sich finde ich den Gedanken gar nicht schlecht, leider sind diese Karten doch sehr unausgeglichen. Die Funktion, den Ablagestapel anschauen zu dürfen, ist doch deutlich schwächer als beispielsweise die Funktion, der Auslage zwei tote Katzen hinzuzufügen, und diese Funktion ist wieder deutlich schwächer als die übermächtigen Funktion, sämtliche Beweise von toten oder lebendigen Katzen vom Tisch zu entfernen. Liegen da beispielsweise schon 6 lebendige Katzen als Beweise aus, und ich räume die mit einer Karte ab, kann ich oft siegessicher danach sofort den Tipp für lebendige Katzen anzweifeln, fehlen doch auf einmal 6 Exemplare. Das führt dazu, dass dann besser gar keine Beweise ausgespielt werden, was dem Spiel aber wiederum eine taktische Komponente nimmt.
Fazit: Schrödingers Katzen ist in gewisser Weise eine abgespeckte Karten-Version des Klassikers Bluff. Im direkten Vergleich würde ich das ältere Bluff bevorzugen, da es einfach, trotz ebenso hohem Glücksfaktor, noch mehr Kniffe beinhaltet und der Bluff-Gedanke auch noch mehr zum Tragen kommt. Schrödingers Katzen geht für alle, die das Spiel des Jahres 1993 nicht besitzen, aber dennoch als flottes Spaßspiel klar, wobei das schnelle Ausscheiden von Spielern nicht von jedem gleich gut aufgenommen wird. Die Physikatzen-Option wirkt auf mich leider etwas aufgesetzt und nicht so gut ausbalanciert. Wer das genauso empfindet, kann diese Karten aber auch einfach weglassen.
Als Absackerspiel erhält Schrödingers Katzen mit seinem Ärgerfaktor für alle, die so etwas mögen, von mir alles in allem 6 Kultpunkte. Zum Vergleich: Bluff würde ich auch heute noch, eine passende Spielgruppe vorausgesetzt, mit bis zu 8 Punkten in diesem Genre belohnen.
KULTFAKTOR: 6/10
Spielidee: 6/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 6/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 10.07.2023
Bildnachweis:
Coverfoto: Amigo Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten