REZENSION

SCHICHTWECHSEL

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: Spielefaible
  • Autor: Thomas Spitzer
  • Grafik: Christoph Clasen
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: 60 bis 90 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 9/10

Kohle für Kohle

Im Jahr 2018 schloss mit dem dem Steinkohle-Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop die letzte Zeche Deutschlands. Schichtwechsel zeigt sich als eine Art Hommage an den Bergbau im Ruhrgebiet. Wir fördern Kohle, verarbeiten sie weiter und verkaufen sie gewinnträchtig, errichten Fördertürme sowie eine gute Infrastruktur und erleben nebenbei den Tagesablauf einer Bergmannsschicht.

REGELN

Herzstück des Worker Placement-Spiels sind die Aktionskarten, die, angepasst an die Spielerzahl, rund um den Spielplan ausgelegt werden. Jeder Spieler erhält ein Zechentableau sowie einen eigenen Aktionsmarker seiner Farbe, außerdem fünf Häuser, die zunächst die Bonusfelder auf dem eigenen Tableau blockieren, zwei Fördertürme, die die zwei Aktionsfelder der eigenen Aktionskarte abdecken und 11 Koks-Marker, dazu 1 Münze und 6 Werkzeug-Plättchen. Der Grubenwasseranzeiger jedes Spielers wird auf das markierte Feld der Grubenwasseranzeige gelegt.

Gespielt werden 5 Runden. In jeder Runde wird eine zufällige Wertungskarte aufgedeckt, die die Spieler für bestimmte Dinge am Ende der Runde belohnt.

Jeder Runde besteht aus 3 Phasen.

(A) Vorbereitungsphase 

Diese Phase wird in 6 Schritten abgehandelt:

  1. Zunächst wird der Beutel, der bereits vor Spielbeginn schon mit ersten Kohle- und Abraum-Klötzchen gefüllt wurde, mit weiteren Klötzchen befüllt - je eine Kohle (schwarz) und ein Abraum (grau) pro Spieler. Dann zieht der Startspieler für jeden Spieler drei zufällige Klötzchen aus dem Beutel. Diese 3er-Bündel verteilt er nach seinem Belieben an die Mitspieler und sich selbst. Kohle und Abraum kommen zunächst in die passenden Loren des eigenen Tableaus. Dabei gibt es Loren unterschiedlicher Größe. In manchen Loren kann sowohl Kohle als auch Abraum deponiert werden, allerdings immer nur sortenrein.
  2. Die Spieler wählen ein Auswahlplättchen aus der Auslage. Das beschert ihnen jeweils eine Sofortaktion sowie eine mögliche Zusatzaktion unter Schritt 6. Nach jeder Runde muss ein neues Plättchen gewählt werden.
  3. Das Grubenwasser steigt um einen Schritt nach oben. Vorsicht! Gelangt es an die Spitze der Leiste, erhält der Spieler ein Werkzeugplättchen. Schon zu Spielbeginn besitzt jeder Spieler sechs solcher Plättchen, die am Spielende je 2 Minuspunkte einbringen. Diese Plättchen möchte man also vermeiden bzw. loswerden. Sinkt das Grubenwasser dagegen auf das Minimum, gibt es dafür einen Siegpunkt. 
  4. Jetzt wird bestimmt, wie viele neutrale (weiße) Aktionsmarker jeder Spieler erhält. Dazu werden alle Felder der eigenen Farbe / des eigenen Tableaus betrachtet, auf denen ein solcher weißer Marker abgebildet ist. Ist ein Feld frei, gibt es den Marker in den Vorrat des Spielers. Ist ein Feld belegt, bekommt der Spieler entsprechend einen Marker weniger.
  5. Ab der zweiten Runde kann nun fertig produziertes Koks für 1 weiteren Aktionsstein und eine Münze aus dem voll beladenen LKW heraus verkauft werden. Am Spielende gibt jedes Koks-Paar, das ausgeliefert wurde, Siegpunkte.
  6. Ebenfalls frühestens ab der zweiten Runde können die Spieler nun von links nach rechts freigespielte Boni / Zusatzaktionen auf ihrem Tableau ausführen. Bei jedem Bonusfeld muss dafür das darauf platzierte Haus ins Spiel gebracht worden sein. Eine Aktion erlaubt es dann z.B., die Zusatzaktion (bzw. den Bonus) des Auswahlplättchens zu nutzen, einen zusätzlichen Aktionsstein zu erhalten etc. 


(B) Aktionsphase
Reihum nutzen die Spieler nun ihre erhaltenen weißen sowie den eigenen Aktionsmarker und ggf. Münzen, um Aktionen durchzuführen. Kann oder möchte ein Spieler keine Aktion mehr ausführen, muss er passen. Die Aktionsphase dauert so lange, bis alle Spieler gepasst haben.

Beim Ausführen der Aktionen gelten zwei generelle Regeln:

  • Schwarz umrandete Karten können nur einmal pro Runde belegt werden.
  • Weiß umrandete Karten können mehrfach pro Runde (von verschiedenen Spielern und / oder vom selben Spieler) belegt werden.

Viele Karten können über Bonus-Aktionen kopiert werden, davon ausgenommen sind Karten mit dem Kopierverbot-Symbol.


Die Kosten für eine Aktion finden wir oben auf der jeweiligen Aktionskarte. 

  • Die günstigste Aktion fordert einen weißen Aktionsmarker, manche Aktionen verlangen aber auch direkt zwei dieser Marker.
  • Die nächsthöhere Stufe fordert den Aktionsmarker in Spielerfarbe.
  • Die höchste Stufe fordert eine Münze.

Dabei kann jederzeit ein höheres Zahlungsmittel verwendet werden, um ein niedrigeres zu ersetzen, falls das gerade nicht mehr im Besitz des Spielers ist.

Die Aktionen sind vielfältig:

  • Lorenaktion: Die vorgegebene maximale Anzahl an komplett gefüllten Loren wird weiter transportiert: Abraum landet pyramidenförmig auf der Halde, Kohle in den Waggons.


  • Kokereiaktion: Pro vollständig beladenem Waggon wird die Kohle entfernt und gegen 1 Koks in der Kokerei ausgetauscht. Da gibt es dann wieder verschiedene Einsetzfelder, die zum Teil auch einen Bonus oder Malus generieren.


  • Verladeaktion: Die vorgegebene maximale Anzahl an Koks aus der Kokerei wird aufs eigene Tableau verladen, zunächst in den oberen Ladebereich bzw., sofern noch Platz im LKW ist, direkt auf freie Felder des LKW. Nur wenn beide LKW-Felder mit Koks gefüllt wurden, kann Koks dann in der nächsten Vorbereitungsphase verkauft werden.


  • Streckenaktion: Hier kann der eigene Marker auf der jeweiligen Infrastruktur-Leiste nach vorn gezogen werden (Kanal, Schiene, Straße). Auf markierten Feldern können Werkzeug-Plättchen abgegeben werden. Außerdem liefert die Überquerung einer Schranke Vorteile: Es gibt Siegpunkte, ein Förderturm kann errichtet (von der Spielerkarte auf den Spielplan gestellt) oder ein Haus gebaut werden. Häuser geben nicht nur zusätzliche Boni auf dem Tableau frei, sondern liefern, je nach Platzierung auf dem Spielplan, am Spielende Vorteile oder, sofern in der Mitte der Zeche platziert, bereits während des Spiels Zusatzschritte für die folgende Aktion:


  • Bergmannaktion: Der Bergmann wird auf seiner Tagesschicht 1 Feld (plus eventuelle Zusatzschritte durch Häuser) nach vorn gezogen. Jedes Feld liefert einen Bonus (z.B. Siegpunkte, Münze, das Kopieren einer Aktionskarte etc.). Von anderen Spielern besetzte Felder werden übersprungen.


  • Grubenwasseraktion: Eine solche Karte senkt das Grubenwasser auf dem eigenen Tableau.


  • Eigene Aktionskarte: Auch hier wird das Grubenwasser gesenkt. Pro weggespieltem Förderturm kann der Spieler zusätzlich einen Schritt auf der Eisenbahnstrecke machen.


  • Förderturmaktion: Hier kann ein bereits errichteter Förderturm (oder auch beide) auf ein Bonusfeld im Förderturm-Bereich gestellt werden. Werden beide Türme aktiviert, muss ein Turm auf einen senkrecht angeordneten und ein Turm auf einen waagrecht angeordneten Bonus gestellt werden. 


  • Startspieler-Aktion: Das Belegen dieser Karte lässt den entsprechenden Spieler zum neuen Startspieler werden, zudem kann noch eine Aktionskarte kopiert werden.


Als Nebenher-Aktion kann jederzeit angesammelter Abraum ausgegeben werden, um die daneben stehende Belohnung für 3, 5 oder 6 Klötzchen zu erhalten (Strecken-Fortschritt, Siegpunkt, Münze).

Achtung: Wann immer ein Spieler Kohle oder Abraum erhält bzw. transportiert und die Ressourcen nicht regelkonform unterbringen kann, erhält er dafür ein Werkzeug-Plättchen (Minuspunkte!).

(C) Wertungsphase: Die Wertung der Rundenkarte wird durchgeführt. Alle eingesetzten Marker werden wieder von den Karten entfernt, die Fördertürme geben ebenfalls wieder die belegten Aktionsfelder frei.

Schlusswertung: Nach Runde 5 werden noch einmal verschiedene Dinge gewertet:

  • Der eigene Bergmann bringt Punkte, wenn er das Ende der Tagesschicht erreicht hat; der erste Spieler erhält 8, jeder weitere Spieler noch 5 Punkte.
  • Die gleiche Wertung gibt es auch auf den Endfeldern der drei Strecken-Leisten (Bahn, Straße, Kanal), wobei diese auch bereits Punkte bringen, wenn ein bestimmter Punktewert auf der Leiste überschritten wird.
  • Die eingesetzten Zechenhäuser bringen, je nach gewähltem Feld, ebenfalls Punkte, z.T. unter bestimmten Bedingungen oder noch einmal finale Bonus-Aktionen.
  • Verkaufter Koks bringt pro Koks-Paar die darunter sichtbaren Punkte.
  • Wer den Startspieler-Marker besitzt, erhält 2 Punkte.
  • Hinzu kommen die Punkte von während des Spiels eingesammelten Siegpunkte-Chips.
  • Jedes Werkzeugplättchen bringt 2 Minuspunkte.


Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • thematisch gut umgesetzt
  • trickreiche Aktionsauswahl
  • Melancholie-Bonus fürs Ruhrgebiet


CONTRA

  • auf lange Sicht eher geringe Variation
  • Symbolik teilweise schwer zu erkennen

MEINUNG

Als Kind des Ruhrgebiets macht sich bei mir sofort ein wenig Melancholie breit, wenn ich Schichtwechsel auf den Tisch bringe. Wirklich groß geworden bin ich in den 80er Jahren zwar mit dem Steinkohlebergbau schon nicht mehr, aber zu dieser Zeit gab es dann halt doch noch aktive Zechen, das Thema wurde uns bereits in der Grundschule im Sachunterricht näher gebracht, der Besuch des Bochumer Bergbaumuseums gehörte in unserer Gegend immer wieder zum Pflichtprogramm, und in fast jeder Familie gab bzw. gibt es sogar heute noch Freunde, Bekannte oder Verwandte, die aus eigener Erfahrung vom Bergbau berichten. Der Spielplan lässt einen da direkt an alte Zeiten denken, auch wenn der dargestellte Tagesablauf des Bergmanns jetzt keine direkten spielerischen Bezüge offeriert, sondern mehr als Deko der vierten Leiste (neben Straße, Schiene und Schifffahrt) dient.

Die Optik des Spiels gefällt mir mit ihrer fast schon als Retro-Stil zu bezeichnenden Gestaltung gut, einzig die Ikonographie sorgt für etwas Kummer. Hat man sie einmal verstanden, erschließt sie sich weitestgehend, dennoch ist sie an mehreren Stellen ein wenig unglücklich ausgefallen: Mal stehen die Förderturm-Symbole für den Bau, mal für ihre Aktion. Die Siegpunkte werden oft mit den Münzen verwechselt, und ob ein Werkzeug-Plättchen durchgestrichen ist oder nicht, lässt sich auch nur bei genauem Hinsehen erkennen. Letzteres gilt auch für die Umrandung der Grubenwasser-Anzeige. Ein schmaler Rahmen entscheidet, ob das Wasser steigt oder sinkt. Auch da passieren schnell mal unabsichtliche Fehler; hier wäre eine Nachbesserung für eine klarere Darstellung wünschenswert, auch wenn man sich mit diesen Mankos arrangieren kann.

Spielerisch haben wir es mit einem Worker Placement-Mechanismus zu tun, der nicht direkt von Arbeiterfiguren gesteuert wird, sondern über die Bezahlung der Aktionen. So gibt es drei Währungen im Spiel (weiße Marker, farbige Marker und D-Mark), die dann entsprechend klug auf die Aktionen verteilt werden müssen; zudem gibt es Aktionskarten, die manchmal mehrfach, meistens aber auch nur einfach belegt werden können. Das alles muss man in seinen Spielzug-Planungen mit berücksichtigen. Ein schöner Mechanismus, der durchaus herausfordernd ist, denn Schichtwechsel ist eines dieser Spiele, bei denen man versucht, sich möglichst lange in einer Aktionsphase zu halten. Das schafft man hier durch das taktische Ausnutzen von Boni, das Generieren von zusätzlichen Aktionssteinen oder gar Münzen.

Schichtwechsel ist wenig glücksabhängig, vielleicht auch dadurch aber auch nicht sonderlich variabel. Der Spielplan und die Boni sind stets gleich, einzig die Kohle-/ Abraum-Ausbeute verändert sich zufällig - und die Rundenwertungen kommen ebenfalls in zufälliger Reihenfolge. Ansonsten ist vieles Routine. Wenn ich einmal weiß, wo ich welche Boni finde, kann ich mir bestimmte ideale Spielzüge bzw. Abfolgen überlegen. Somit besitzt das Spiel auf jeden Fall eine Lernkurve, und erfahrene Spieler werden Neulingen überlegen sein, da sie wissen, wie man die Boni, wohl ganz klar der zusätzliche Motor dieses Spiels, am besten auslöst.

Damit wir im Thema bleiben, wurde die Förderung der Kohle thematisch gut umgesetzt. Aus dem Bergwerk (Beutel) in die Loren, von den Loren auf die Waggons, dann in die Kokerei und zum Schluss in den Verkauf. Ja, dieser Kreislauf ist schnell verstanden und sollte dann auch möglichst jede Runde zum Erfolg führen, denn jedes nicht verkaufte Koks-Paar kostet am Spielende ordentlich Punkte. Das heißt aber nicht, dass man das nicht noch anders kompensieren könnte. Wer sich auf die Infrastrukturen konzentriert, kann hier noch wertvolle Bonuspunkte machen. Oder wer gar Zechenhäuser auf dem Wertungsfeld errichtet, das es einem erlaubt, am Spielende noch einmal zusätzlich Koks loszuwerden, der kann auch mal eine Runde mit dem Verkauf pausieren. Trotzdem: So ganz ohne Koks-Verkauf läuft hier nichts; das soll aber thematisch natürlich auch so sein.

Schon fast etwas schade ist die Tatsache, dass man die Bergmann-Aktion, die so wichtige Bonus-Akionen offeriert, deutlich seltener durchführt, was einfach an den Kosten liegt. Eine Münze bekommt man nur schwer, und das Ende dieser Leiste kann man daher nur erreichen, wenn man Zechenhäuser in die Spielplanmitte zur Beschleunigung der Arbeitszeit setzt.

So gibt es auf jeden Fall anfangs taktisch viel auszuprobieren, um den eigenen Highscore zu knacken - naja, und um die Konkurrenz zu besiegen ja sowieso. Mit jeder Wiederholungspartie habe ich mich, sobald ich das Spiel einmal erschlossen hatte, jedoch dabei ertappt, bestimmte Muster runterzuspielen zu wollen. Ja, auf lange Sicht hätte ich mir noch etwas mehr Variabilität gewünscht, z.B. modular veränderbare Boni oder mehr als sechs verschiedene Wertungskarten. Das Spiel macht aber auf jeden Fall Spaß, von daher gibt es von mir auch gute 7 Punkte. Damit es dann aber nicht buchstäblich zur zu absolvierenden Arbeitsschicht wird, sollte man es vielleicht einfach nicht ZU oft auf den Tisch bringen.

Ach ja: Wer mit dem Bergbau im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, kann gern noch einen emotionalen Bonuspunkt draufrechnen, denn Schichtwechsel lässt einen sowohl in der Gestaltung und im spielerischen Ablauf das schwarze Gold geradezu riechen. Allein für diese Hommage bleibt das Spiel auf jeden Fall dauerhaft in meinem Spieleregal!

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/neoKtrjxfgs

KULTFAKTOR: 7-8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 17.11.2021

Bildnachweis:
Coverfoto: Spielefaible
Weitere Fotos: Spielkultisten