REZENSION

ROCOCO DELUXE EDITION

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Eagle Gryphon / Skellig Games
  • Autoren: Matthias Cramer, Louis Malz, Stefan Malz
  • Grafik: Ian O'Toole
  • Spieler: 1 bis 5
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ca. 60 - 120 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 8/10

Des Spieles neue Kleider

 Wir reisen zurück in die Zeit des Rokoko und verdienen am Hofe König Louis XV unser Geld mit einer eigenen Schneiderei, den den Auftrag erhalten hat, die Gäste rauschender Ballnächte im Königspalast mit prachtvollen Kleidern auszustatten. 

REGELN

Der Spielplan wird mit der für die Spielerzahl passenden Seite nach oben ausgelegt. Die Mitarbeiterkarten, die die Stufen 1 bis 6 aufweisen, werden sortiert. Die einzelnen Stapel werden gemischt und so aufeinander gelegt, dass Stufe 1 oben und Stufe 6 unten ist. Die Rohstoffplättchen werden im Beutel gemischt und als Stapel neben den Spielplan gelegt. Die Kleiderplättchen kommen in den zweiten Leinenbeutel. Jeder Spieler erhält eine Spielerablage und 5 Basis-Arbeiterkarten sowie Besitzmarker, 15 Livre (Geld), eine Spitze und ein Garn. Übriges Geld, Spitze, Garn sowie die Ansehensmarker und das Gunstplättchen werden bereit gelegt. Nachdem der Startspieler ermittelt wurde, geht es los. Es werden sieben Runden gespielt, und jede Runde besteht aus vier Phasen. 

Phase 1: Rundenvorbereitung 
In der ersten Phase wird die Auslage aufgefüllt. 4 neue Arbeiterkarten werden aufgedeckt, freie Felder der Schubladen werden mit Rohstoffplättchen aufgefüllt und neue Kleiderplättchen aus dem Leinenbeutel gezogen. Dabei werden noch verbliebene Kleider der letzten Runde möglichst weit nach rechts verschoben bzw. Kleider auf den beiden Feldern ganz rechts zuvor entfernt. Kleidungsplättchen werden zu Anfang mit der hellen Entwurfseite nach oben gelegt. Außerdem legt ein Spieler, der in der vorherigen Runde die Gunstkarte genommen, diese wieder zurück und erhält dafür den Startspielermarker.

Phase 2: Handkarten wählen
Jeder Spieler nimmt seine Karten aus dem Vorrat auf (am Anfang fünf) und sucht sich drei davon aus, die er diese Runde spielen möchte. Die restlichen Karten kommen wieder zurück verdeckt in den Vorrat. Sollte der Vorrat nicht ausreichen, werden die bereits abgelegten Karten zum neuen Vorrat. 

Phase 3: Aktionen ausführen
Dies ist die eigentliche Spielphase. Beginnend beim Startspieler und dann im Uhrzeigersinn, spielt jeder Spieler eine der ausgesuchten Karten aus und führt damit eine der insgesamt 6 Aktionsmöglichkeiten aus. Dabei haben aber nicht alle Karten die volle Aktionsauswahl.
Jede Karte besteht aus einer Person (Meister, Geselle oder Lehrling) und einer Bonusaktion. Man führt immer zuerst die Hauptaktion aus und anschließend die Bonusaktion. Man darf aber auch auf eine oder beide Aktionen verzichten.

Aktion 1 : Gunst der Königin
Ist nur einmal pro Runde wählbar und auch nur mit Meister oder Geselle. Man erhält 5 Geld und wird in der nächsten Runde neuer Startspieler.

Aktion 2 : Rohstoffe erwerben
Man nimmt sich aus dem Lager ein Rohstoffplättchen und zahlt dafür zwischen 0 und 2 Geld (mehr Geld, wenn das Segment noch voll ist). Danach muss man sich entscheiden, ob man die abgebildeten Stoffballen haben möchte (dann legt man es auf sein Rohstoff-Gestell) oder Spitze und/oder Garn (dann gibt man das Plättchen zurück und erhält die abgedruckte Menge an entsprechendem Material).

Aktion 3 : Kleidungsstück schneidern
Dies ist wieder nur mit einem Meister oder Gesellen möglich. Zunächst sucht man sich aus der Auslage ein Kleidungsstück aus, das man schneidern möchte. Dafür muss man die abgebildeten Stoffballen, Spitze und/oder Garn abgeben und je nach Feld auch Geld bezahlen. Auf einigen Kleidern ist auch ein Hinweis, das man sie nur mit einem Meister schneidern darf. Stoffballen können mit einem oder mehreren Rohstoffplättchen bezahlt werden, evtl. überzähliger Stoff verfällt. Anschließend verkauft oder verleiht man das geschneiderte Stück. Fürs Verkaufen gibt es den abgebildeten Geldbetrag und das Kleid wird auf einen Ablagestapel gelegt. Verliehene Kleider kommen mit einem eigenen Besitzmarker versehen auf ein unbesetztes Feld in einen beliebigen Saal des Spielplans. Je nach Feld wird teilweise wieder ein Meister verlangt. Auf einigen Feldern ist auch ein Bonus verzeichnet, den man sofort erhält. Für die platzierten Kleider gibt es am Spielende die aufgedruckten Siegpunkte plus evtl. noch zusätzliche Punkte.

Aktion 4 : Mitarbeiter einstellen
Dies ist nur mit einem Meister möglich. Man darf eine der ausliegenden Arbeiterkarten aussuchen und auf die Hand nehmen. Dadurch bekommt man eine zusätzliche Aktion in dieser Runde. Mit zunehmender Rundenzahl werden die Mitarbeiterkarten dabei von ihrer Nebenaktion immer wertvoller, Lehrlinge mit rotem Hintergrund geben keine Nebenaktion dafür aber Siegpunkte am Spielende. Umsonst ist das Einstellen aber meist nicht. Diese Aktion kostet bis zu 5 Geld.

Aktion 5 : Mitarbeiter entsenden
Mit dieser Aktion kann man Karten wieder loswerden. Die ausgespielte Karte wird aus dem Spiel entfernt. Man erhält je nach Person eine bestimmte Geldmenge und darf danach noch letztmalig die Nebenaktion der Karte ausführen.

Aktion 6 : Ausstattung finanzieren
Hier darf man eine sogenannte Ausstattung mit einem eigenen Besitzmarker versehen. Es gibt das Feuerwerk, die Musiker, die Statuen und die Küche. Die ersten drei Optionen geben am Spielende Siegpunkte, während die Küche, die zwei getrennte Felder hat, welche jeder Spieler maximal einmal belegen darf, Einkommen gibt. Die Ausstattungsfelder kosten Geld.

Sollte man es nach einer Aktion geschafft haben, in alle Säle auf dem Spielplan mindestens einen Besitzmarker gelegt zu haben, darf man einen Besitzmarker in das erste freie Feld der "Alle Säle"-Sektion legen, wofür es am Spielende Siegpunkte gibt.

Phase 4: Einkommen kassieren
Sobald alle Handkarten gespielt wurden, kassieren die Spieler ihr Einkommen. Das Grundeinkommen beträgt 5 Livre. Wenn man einen Marker in der linken Küchenhälfte besitzt, bekommt man für jedes von einem besetzte Ausstattungsfeld 1 Geld. Für einen Marker in der rechten Küchenhälfte gibt es 1 Geld pro eigenem Kleid auf dem Spielplan. Danach geht es mit einer neuen Runde weiter.

Am Ende der siebten Runde findet eine Endwertung statt.  Zuerst bekommt man für je 10 Geld einen Siegpunkt. Anschließend bekommt man für bestimmte Karten Siegpunkte: Gunstkarte und Mitarbeiterkarten mit blauem Hintergrund. Dann werden Punkte für unterschiedliche Sektionen des Spielplans vergeben. Zunächst wird in jedem Saal ermittelt, wer die meisten und zweitmeisten Kleiderplättchen liegen hat. Diese beiden Spieler erhalten die Siegpunkte, die neben dem Saal aufgedruckt sind (der erste Spieler erhält die größere Zahl). Gleichstände werden so aufgelöst, dass der Spieler, der mehr Meisterfelder belegt hat oder bei erneutem Gleichstand das Musikerfeld belegt hat, den Gleichstand gewinnt.

Eine ähnliche Wertung wird anschließend mit den Feuerwerk-Ausstattungsfeldern gemacht. Danach darf jeder Spieler seine Feuerwerk-Ausstattungsfelder mit Kleiderplättchen aus dem drunter liegenden Thronsaal belegen. Dann werden Punkte für Statuen vergeben. Pro besetzter Statue bekommt man 2 Punkte pro Kleiderfarbe, die man auf dem Spielplan liegen hat. Jedes Kleid darf dabei nur einmal gewertet werden. Abschließend bekommt für alle übrigen Besitzmarker auf dem Spielplan Siegpunkte: Für Kleider den Wert auf dem Plättchen, bei Kleidern auf der Feuerwerks-Terrasse wird die Zahl mit 2 oder 3 multipliziert und für Ausstattungen gibt es den Wert auf dem Spielplan. Derjenige, der die meisten Gesamt-Siegpunkte hat, gewinnt. Bei Gleichstand entscheidet das Restgeld.

Zwei Mini-Add-Ons (zusätzliche Kleidung und Rohstoffplättchen) sowie eine Solo-Variante ergänzen das Grunspiel.

Außerdem liegt der Deluxe-Ausgabe die "Schmuckkästchen"-Erweiterung bei. Neben neuer Karten gibt es nun bei jeder Verleih-Aktion die Möglichkeit, ein Schmuckstück auszuwählen und den Gast damit auszustatten. Auch sind auf dem Extra-Spielplan Aufgaben abgebildet, deren Erfüllung zum Bestehen der Gesellen- bzw. dann Meisterprüfung führen.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • tolle Mischung aus Karten- und Ressourcenmanagement
  • schöne Verzahnung der Mechanismen
  • prachtvolle Ausstattung
  • Erweiterungen bereits enthalten


CONTRA

  • Grundspielprinzip ist ein heute vielfach verwendeter Mechanismus ("tausche Rohstoff gegen Geld oder Punkte")

MEINUNG

Es ist schon einige Jahre her, als wir uns erstmals als Schneider in einem Brettspiel versuchen durften. „Rokoko“ erschien im Jahr 2013 und landete prompt auf der Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres. Kein Wunder also, dass man sich im Jahr 2020 endlich an eine Neuauflage des längst vergriffenen Spiels wagte. Und bei der Neuauflage hat Eagle Gryphon Games (in Deutschland im Vertrieb von Skellig Games) alles andere als gekleckert, nein, man hat geklotzt. Die neue Optik, hervorragend illustriert vom Meister Ian O‘Toole, wirkt elegant, opulent, prunkvoll und dennoch funktionell - ja, das Thema wurde hier einfach perfekt eingefangen, und auch das Spielmaterial ist absolut königlich; man beachte allein die Miniaturen von Garn und Spitze und das wunderbare Inlay. Natürlich hat das wieder seinen Preis. Wie auch schon bei „Vinhos“, „Lisboa“, „On Mars“ und Co. peilt Eagle Gryphon die Zielgruppe der echten Geeks an; wer sonst würde für ein Brettspiel mal eben 100 bis 150 Euro auf den Tisch legen? Als Käufer hat man zumindest das Gefühl, in der Tat etwas Besonderes, ja, etwas Royales in der Hand zu haben. Entscheidet also selbst, ob ihr dazu bereit seid, diese Summe zu bezahlen. Wenn ja, habt ihr euer Geld gut investiert.

Spielerisch hat man am Grundspiel nichts verändert. Der Spielmechanismus ist eine sehr gelungene Mischung aus Karten- und Ressourcenmanagement, gepaart mit kleinen Worker-Placement- und Area-Control-Elementen. Insbesondere die Spielzug-Planung ist ein wirklich schönes taktisches Element. Nicht jeder berufliche Stand der eigenen Mitarbeiter kann jede Aktion durchführen; so darf der Meister alles, während der Lehrling doch sehr eingeschränkt agiert. Man sollte sich also gut im Voraus überlegen, welche Karten man wann auf die Hand nimmt. Einen Glücksfaktor gibt es da nicht; die Auswahl trifft der Spieler selbst. Dabei ist nicht nur die Reihenfolge der Aktionen wichtig, sondern auch die Bonus-Funktionen der Karten. Oft liefert der Bonus einer gespielten Karte die Vorbereitung zur nächsten Aktion. Das ist schön verwoben und auf jeden Fall auf Kennerspiel-Niveau.

Die Hauptaufgabe, das Schneidern der Kleidung, ist dann schon fast gewöhnlich - gib diesen und jenen Rohstoff ab, um ihn gegen das Plättchen zu tauschen. Doch auch hier gibt es wieder zusätzliche taktische Entscheidungen. Werfe ich das Plättchen ab, um mir schnelles Geld zu besorgen (was auch regelmäßig knapp wird, und ohne Geld keine Stoffe, keine Kleidung ...) oder statte ich direkt einen Gast in einem der Säle aus, um mir vielleicht darüber ein Bonusfeld zu sichern und auf jeden Fall am Ende Siegpunkte zu generieren? Auch die Ausstattungsfelder sind gut investiertes Geld, liefern sie doch vergleichsweise viele Punkte. Und während des Spiels gibt es zudem schon Mini-Wertungen in Form der Küchenfelder, die nach jeder Runde zusätzliches Geld für den eigenen Fortschritt liefern. Am Spielende sorgen dann auch noch ein Set Collecting- sowie ein Mehrheiten-Mechanismus für Siegpunkte.

Es gibt also viele Wege, um an Geld und Punkte zu gelangen, man hat stets viele Optionen, und das gefällt mir persönlich sehr gut, wenngleich es auch immer wieder mal etwas Kritik von einzelnen Spielern an solchen „Punktesalat"-Wertungen geben mag. Ich finde, „Rococo“ hat das alles aber wortwörtlich elegant gelöst. Highlight dürfte dann am Spielende tatsächlich das Feuerwerk sein, das noch einmal die Punkte-Rakete zündet, wenn Gäste mit besonders wertvollen Kleidern zum krönenden Abschluss auf die Dachterrasse geholt und ihre Punkte somit verdoppelt oder verdreifacht werden können. Auch wenn der gesamte Spielablauf jetzt gut sieben Jahre nach der Erstveröffentlichung nicht mehr ganz so innovativ wie damals erscheint, so ist er dennoch absolut rund, taktisch geprägt und bis zum Ende gut verzahnt, ohne dass einen die Regeln erschlagen würden. Die Anleitung führt gut verständlich auf wenigen Seiten durchs Spiel.

In der neuen Deluxe-Version verwöhnt man die Spieler zudem mit zwei kleinen Mini-Add-Ons, mit einer Solo-Variante sowie mit der früher separat erhältlichen Schmuckkästchen-Erweiterung, die direkt noch einmal für zusätzliche Abwechslung sorgt und die Herzen der Taktikfans mit Schmuckstücken und Prüfungsaufgaben erobert. Wer es also gern noch etwas komplexer mag, der kann die Erweiterung direkt ins Spiel integrieren.

Fazit: Auch wenn der Kern des Spiels auf den in vielen Strategiespielen üblichen Rohstoff-gegen-Geld-oder-Punkte-Tausch hinausläuft, so besitzt „Rococo“ jedoch seine eigenen Kniffe und vor allem ein immer noch unverbrauchtes Setting. Einige wenige Spiele haben sich schon am Thema Kleidung und Mode versucht, kein Spiel hat es für mich bisher so gut umgesetzt wie eben „Rococo“. Die neue Ausstattung des Spiels ist zudem über jeden Zweifel erhaben. Alles in allem vergebe ich daher nahezu perfekte 9 Kultpunkte. Das Spiel war schon im Jahr 2013 eine klare Empfehlung und ist es auch heute noch, umso mehr aufgrund des wahrlich meisterhaftem Spielmaterials. Dass es dadurch nun preislich in der Oberklasse angesiedelt ist, muss man dann wohl akzeptieren, wenn man in den Genuss des königlichen Spielvergnügens kommen möchte ...

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/KWLdgmQOl3A

KULTFAKTOR: 9/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 10/10
Spielablauf: 9/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 08.02.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Presse-Exemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Eagle Gryphon / Skellig Games
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