REZENSION

RISE

  • Genre: Taktikspiel
  • Jahr: 2022 
  • Verlag: dlp Games
  • Autoren: Remo Conzadori, Marco Pranzo
  • Grafik: Christian Opperer
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Durch Leistung auf Leisten mehr leisten

In Rise befinden wir uns inmitten der Industrialisierung und wollen einer Stadt zu Wohlstand verhelfen, indem wir Kultur, Wissenschaft, Umweltschutz, Banken, Industrie, glückliche Menschen, Schulen, die Presse, Politik und Verwaltung fördern. Mit dem cleveren Aktionswahlmechanismus und den Belohnungskaskaden könnte Rise auch glatt Ganz Schön Clever – Das Brettspiel sein.

REGELN

In Rise suchen wir uns wechselnde Aktionen auf einer Leiste aus, und je weiter hinten wir uns platzieren, desto mehr Ereignisse treffen uns, und umso teurer wird die Aktion. Ist das gut? Hängt davon ab, auf welchen der zehn Leisten wir vorrücken wollen.

Aber zunächst muss das ganze aufgebaut werden. Alle  bekommen je ein Set aus mehreren Markierungssteinen, einer kleinen Holz-Fabrik, einem Tresor-Plättchen und einem Punktezähler in der Spielerfarbe. Die Fabriken werden zufällig auf der Spielerreihenfolge-Leiste verteilt. Die Punktezähler kommen auf das Feld 15 der Punkteleiste. Jeder bekommt etwas Geld (abhängig von der eigenen Startposition) sowie ein zufälliges Start-Schulplättchen.

Für die zehn zentralen Leisten wird bestimmt (oder gelost), ob mit der A- oder B-Seite gespielt wird, wobei alles beliebig kombinierbar ist. Dann kommt auf jedes Startfeld jeder Leiste ein Markierungsstein pro Spielerfarbe. Einige Leisten müssen dann noch mit Plättchen versehen werden, aber danach geht es los.

Es werden 12 Runden gespielt. In jeder Runde liegen vier zufällige Aktionskarten aus (in den ersten vier Runden Karten der Stufe 1, danach vier Runden Karten der Stufe 2 und schließlich vier Runden Karten der Stufe 3). Zwischen den Aktionskarten liegt jeweils ein zufälliges Ereignis, also insgesamt drei pro Runde. In der Spieler-Reihenfolge werden die Fabriken unter den Aktionskarten platziert. Je weiter hinten die Karte, desto mehr Geld kostet das Einsetzen der Fabrik, von 0 bis 3 Münzen. Die Fabriken werden unter den Karten aufgereiht, mehrere Spieler können die selbe Karte wählen. Wird eine Fabrik links neben einer bereits vorhandenen platziert, erhält der Besitzer des rechten Nachbar-Fabrik nun den Bonus eines noch verfügbaren Schulplättchens, zu Beginn also des Start-Schulplättchens. Eingesetzte Schulplätten werden dann auf die inaktive Rückseite gedreht, und erst über eine entsprechende Aktion wieder aufgefrischt.

Dann werden die Aktionen und Ereignisse abgehandelt. Die Karten werden von links (niedrigster Preis) nach rechts (höchster Preis) abgehandelt. Dabei werden zunächst die Fabriken auf der ersten Aktionskarte abgehandelt, sofern vorhanden. Wer an der Reihe ist (bei mehreren Fabriken unter einer Karte ebenfalls in der Reihenfolge von links nach rechts), entscheidet sich für eine der beiden Aktionen auf der Karte: Die obere Aktion ist schwächer, dafür meist kostenlos, während die untere Aktion Geld kostet oder negative Effekte einläutet, dafür aber bessere Belohnungen bietet. Die entsprechende Aktion wird ausgeführt, und die eigene Fabrik auf den niedrigsten Platz der Spielerreihenfolge gestellt.
Jetzt folgt die erste Ereigniskarte. Diese trifft nur auf diejenigen zu, deren Fabrik noch unter einer Aktionskarte, also weiter hinten, steht. Meist geben Ereignisse Schritte auf Leisten, Geld oder Siegpunkte, teilweise aber auch einen Malus.

Dann folgt die Abhandlung der zweiten Aktionskarte, dann wieder ein Ereignis für alle, die noch im Spiel sind, die dritte Aktionskarte, das dritte Ereignis und schließlich die letzte Aktionskarte. So bekommt jeder also immer die Aktion für die eigene Fabrik (aus einer Auswahl von zwei) sowie 0 bis drei Ereignisse, je nachdem, wie weit hinten sich die gewählte Karte befindet.

Die Aktionen bringen meist Leistenschritte. Zwei Leisten verlaufen in zwei Richtungen, eine positive und eine negative. Hier lassen einen Naturschutz und Zufriedenheit nach vorne gehen und Umweltverschmutzung sowie Aufruhr rückwärts. Generell bringen eine verdreckte Umwelt und schlechte Stimmung Minuspunkte und Nachteile, Zufriedenheit und eine gute Umwelt bringen Punkte.

Andere Leisten bringen meist bei jedem Schritt einen Bonus. Dieser Bonus ist in vielen Fällen ein Schritt auf einer anderen Leiste. Manchmal können auch Schulplättchen aktiviert werden oder die Schulplättchen werden wieder auf die aktive Seite gedreht. Es gibt auf den Leisten auch Punkte und Münzen als Belohnungen. Mancher Bonus muss auch bezahlt werden, entweder mit Geld, Aufruhr oder Umweltverschmutzung. Es gibt Felder, die stellen zwei Boni zur Auswahl, andere liefern auch direkt zwei Boni. Das Ausführen der Boni ist stets optional, nicht jedoch ein rotes Symbol (= Malus). Umweltverschmutzung und Aufstände müssen eingesammelt werden, da gibt es kein Pardon.

Die verschiedenen Leisten haben noch eigene Spezialisierungen:

  • Die Schule bringt beim Voranschreiten Schulplättchen und die Aktivierung von Schulplättchen.
  • Politik bringt auf bestimmten Feldern mehr Punkte für die Person, die diese Felder zuerst betritt, und sie bringt am Ende Punkte entsprechend der Schritte auf der Leiste.
  • Wissenschaft bringt oft Fortschritte auf anderen Leisten und gegen Ende viele Punkte.
  • Kultur bringt gegen Geld Zufriedenheit, und auf der B-Seite gibt es noch Plättchen, die dem Besitzer bei Spielende Punkte abhängig von anderen Dingen geben, z.B. wenn eine Mindestmenge an Geld vorhanden ist.
  • Industrie bringt ab Runde 2 zu Beginn jeder Runde ein regelmäßiges Einkommen an Geld (und ggf. auch Punkten), aber verursacht Umweltverschmutzung. 
  • Banken hingegen verursachen Aufruhr, aber bringen Geld oder einen Rabatt beim Einsetzen der Fabriken.
  • Das Amt schüttet erst ihre Boni aus, wenn man sich auf der Leiste freiwillig zurück zum Anfang begibt. So werden die eingesetzten Schulplättchen reaktviert, der Tresor erhöht seine Kapazität etc.
  • Die Presse besteht aus mehreren kurzen Pfaden aus drei einzelnen Aktionsfeldern, die danach wieder zum Anfang führen. Im Gegensatz zu allen anderen Leisten, kann hier immer nur ein Marker pro Feld platziert werden. Besetzte Felder werden dann einfach übersprungen und nicht mitgezählt.


Nach jeder Runde Runde werden Punkte auf der Zufriedenheitsleiste vergeben, zudem wird kontrolliert, ob die Kapazität des eigenen Tresors für die Mitnahme des eigenen Geldes in die nächste Runde ausreicht. Tut sie dies nicht, muss das Geld entsprechend reduziert werden.

Für jede Runde werden vier neue Aktionskarten und drei neue Ereignisse ausgelegt. Die Aktionen werden dabei immer stärker. Nach 12 Runden ist das Spiel vorbei. Politik, Stimmung (und evtl. Kultur) geben noch Punkte am Spielende. Wer die meisten Punkte hat, wäre dann wohl der Held der Industrialisierung gewesen

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • Aktionsauswahl
  • Belohnungskaskaden
  • verschiedene Seiten der Leisten ermöglichen 1024 Kombinationen


CONTRA 

  • eher nüchterne Gestaltung
  • Übersicht geht bei Kettenaktionen schon mal verloren

MEINUNG

Die Schachtel von Rise verspricht nichts Spezielles. Wir sehen Fabriken, Menschen in altmodischen Kleidern und eine Dampfmaschine. Wir befinden und scheinbar in der Zeit der Industrialisierung. Wer durch dieses Cover so richtig Lust auf das Thema bekommt, überrascht mich. Die Gestaltung geht ähnlich auf den verschiedenen Leisten des Spiels weiter. Die Optik ist okay, aber aufregend sieht das jetzt nicht aus. Nett ist, dass jede Leiste ein eigenes, einzelnes Spielbrett darstellt, sodass man sich die Spielfläche entsprechend des eigenen Tisches zusammenpuzzeln und zudem die Tafeln immer wieder neu kombinieren kann. Die Leisten sind auch ganz nett und passend zu ihrem Thema gestaltet, aber ein optischer Brüller ist Rise für mich nicht.

Mein Eindruck ist, dass das Spiel auch gar keinen Wert auf eine opulenten Ausgestaltung des Themas legt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich lange Zeit um ein abstraktes Spiel handelte, aber bei  zehn verschiedenen Leisten ist ein Thema einfach hilfreich, um sich die verschiedenen Effekte besser merken zu können. Die Fähigkeiten der Leisten passen dann auch gut zu ihrem Bereich. Kultur bringt für Geld Zufriedenheit, Industrie bringt Einkommen, aber verursacht Umweltverschmutzung usw.

Für mich war das Spannendste an Rise die Aktionsauswahl. Jeder möchte, dass andere sich zur eigenen Fabrik setzen, aber niemand möchte sich zu anderen setzen, denn immerhin darf, wer schon dort steht, dann ein Schulplättchen aktivieren. Die Auswahl der Aktionskarte wird aber noch zusätzlich erschwert durch die Fragen, welche Aktionen gerade nützlich für einen sind und wie viele Ereignisse man mitnehmen möchte, denn die sind nicht immer nur positiv. Das Ereignis „Mieterhöhungen“ gibt beispielsweise viel Geld, aber sorgt für Aufruhr.

Nehmen nur zwei Personen teil, so gibt es eine Sonderregel für die Aktivierung der Schulplättchen. Es reicht, wenn eine Fabrik des Konkurrenten weiter vorn platziert wird, also auch unter einer anderen Aktionskarte. Dies macht die Auswahl bei zwei Personen für mich am interessantesten. Hier bedeutet es für den Startspieler, mit der Wahl der teuersten Aktionskarte auch garantiert ein Schulplättchen nutzen zu dürfen (sofern nicht bereits alle verbraucht und noch nicht reaktiviert wurden). Bei drei (und letztlich auch bei vier) Spielern ist die Situation dagegen etwas mau, da es genug Aktionskarten für alle gibt und die Schulplättchen nicht so oft aktiviert werden.

Das Voranschreiten auf den Leisten ist etwas für Fans von Belohnungskaskaden im Stil von Ganz Schön Clever, denn auch hier bringen viele Leisten als Bonus Schritte auf den anderen Leisten. Dadurch fühlen sich viele Züge belohnend an, und wer gut aufpasst, kann schnell mit wenig Schritten viel erreichen. Dabei sollte auch stets darauf geachtet werden, wofür es Punkte gibt, denn schnell kann man sich auch in den ganzen Symbolen verlieren.
Im letzten Drittel des Spiels werden die Aktionen recht stark und viele Belohnungen auf den Leisten ebenfalls. Dadurch gibt es auch recht umfangreiche Aktionsreihen. Da wäre manchmal eine Zählhilfe für die verschiedenen Aktionen praktisch gewesen. Ich habe mich vermutlich dabei schon das eine oder andere Mal verzettelt, wenn ich im zweiten von vier Schritten auf der Kulturleiste einen Schritt auf der Wissenschaftsleiste bekomme, woraufhin ich ein Schulplättchen aktiveren darf, dafür zunächst aber mit der Verwaltung kurz noch alle Plättchen auffrische, dann das Schulplättchen fprür Politik aktiviere, um dort voran zu schreiten und den Bonus einsammele, der dort zu finden ist … und, ja, äh, wie viele Schritte hatte ich jetzt noch bei Kultur übrig?

Die verschiedenen Seiten der Leisten sind leicht unterschiedlich, sodass sich neue Kombinationen ergeben und so manche Drehung einer Leiste dann ein neues Element mit sich bringt. Dies hält die Abwechslung hoch.

Fazit: Wer gerne ein größeres Spiel im Stil von Ganz Schön Clever spielen möchte, ohne Würfel, dafür mit taktischer Aktionsauswahl, der sollte sich Rise mal näher ansehen. Insgesamt wird sich Rise für mich persönlich aufgrund der Gestaltung und dem einfachen Fortbewegen auf Leisten aber nicht aus diesem Spielejahrgang hervorheben. 

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/Kftippz_TEk

KULTFAKTOR: 6/10

Spielidee: 6/10
Ausstattung: 5/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 14.03.2023

ZWEITMEINUNG

Nun bin ich Lutz' Rat gefolgt. In der Tat bin ich ein großer Fan der Ganz Schön Clever-Reihe, und zudem ziehen mich Fortschrittsleisten magisch an. Tapestry ist zum Beispiel immer noch eines meiner Lieblingsspiele, und auch da bewegte man sich über verschiedene Leisten, um Aktionen auszulösen. Das Grundprinzip von Rise kommt mir also schon mal entgegen.

Doch zunächst frage ich mich, warum das auf dem Spieltisch eigentlich recht bunt wirkende Spiel so ein düsteres Cover erhalten hat. Das erzeugte weder bei mir, noch bei meinen Mitspielern, die sofortige Lust aufs Ausprobieren. Das ist echt schade. Aufgebaut sieht das alles dann schon freundlicher aus, wenngleich ich Lutz Recht gebe: Wer das Spiel einmal gespielt hat, wird merken, dass es eher abstrakter Natur ist. Das Thema unterstützt dabei nur (wie eine Art Eselsbrücke) die vielen Aktionen auf den Leisten. Ich bin mit der Optik aber durchaus zufrieden.

Die taktische Aktionsauswahl stellt mich dann immer wieder vor ein schönes Dilemma. Möchte ich mich weiter hinten platzieren, um von vielen Ereignissen zu profitieren, benötige ich Geld. Um mehr Geld zu erhalten, fange ich mir aber auch negative Effekte ein. Das muss ich gut ausbalancieren. Die Umwelt ist schnell verschmutzt, was dazu führt, dass Schulplättchen wirkungslos werden, es zu Aufständen kommt, und man am Ende der Leiste dauerhaft Siegpunkte verliert. Da sollte man also immer schnell mit passenden Aktionssymbolen gegensteuern. Da kann es dann auch schon mal hilfreicher sein, eine der vorderen Aktionskarten auszuwählen, einfach, weil  die mich auf den für mich gerade passenden Leisten voran bringen.

Die belohnenden Kettenreaktionen beim Ausführen der erhaltenen Schritte erzeugen bei mir immer ein befriedigendes Spielgefühl, auch wenn dadurch mal Rückschläge einkalkuliert werden müssen. In der Tat muss man sich aber bei der Ausführung der Aktionen wirklich konzentrieren, um nicht zu vergessen, womit man eigentlich begonnen hat. Ja, auch bei uns kamen am Tisch dann Fragen auf wie „Wie bin ich jetzt nochmal an diese Stelle gelangt?“. Spielzüge rückgängig machen ist bei solchen Kaskaden schwer möglich. Mit Konzentration und etwas Übung macht man aber immerhin keine Fehler. Es empfiehlt sich, dass auch die anderen Personen am Tisch verfolgen, was da gerade passiert, sodass notfalls jemand zur Hilfe eilen kann, wenn der aktive Spieler tatsächlich mal den Faden verloren haben sollte.

Ach ja, Rise könnte, trotz der rein mechanischen Spielweise, wirklich ein Kandidat sein für eine persönliche Höchstnote, denn es trifft eben mit dieser Mechanik genau meinen Geschmack. Einzig der Hang dazu, kurzfristig mal komplett die Übersicht zu verlieren, verhindert für mich noch mehr Kultpunkte, zumal genau diese Kaskadeneffekte auch noch Grübler dazu einladen, erst einmal sämtliche Aktionsketten im Voraus zu durchdenken. Wer da manchmal auch einfach ein wenig aus dem Bauch heraus spielt, kann aber letztlich ebenso erfolgreich sein. Eine Lernkurve besitzt das Spiel dabei auf jeden Fall. In den ersten zwei Partien ist man vielleicht noch ein wenig „lost“, wie gute Synergien aussehen können, das bessert sich aber mit jeder Folgepartie. Und genau für solche Folgepartien bin ich dann auch wirklich jederzeit zu haben, zumal durch die vielen Kombinationsmöglichkeiten der Spieltafeln und der zufälligen Kartenreihenfolge auch immer Raum für Varianz ist. 

Bis auf die beschriebenen Abzüge in der B-Note, gibt es dafür von mir sehr gute 8 Kultpunkte.

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/Kftippz_TEk

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Zweitmeinung vom 14.03.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: dlp Games
Weitere Fotos: Spielkultisten