REZENSION

RAJAS OF THE GANGES: THE DICE CHARMERS

  • Genre: Würfelspiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: HUCH! / R&R Games
  • Autoren: Inka und Markus Brand
  • Grafik: Dennis Lohausen
  • Spieler: 2 bis 5
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 30 - 45 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 8/10

Roll'n'Rajas

 Auch in der Roll-and-Write-Version des beliebten Kennerspiels errichten wir Gebäude und handeln mit Waren, um unserer Provinz zu Geld und Ruhm zu verhelfen!

REGELN

Jeder Spieler erhält einen eigenen Spielzettel (die Spieler einigen sich vorher, ob sie mit der Sonnen- oder der Mond-Variante spielen wollen). Außerdem erhält jeder Spieler einen Stift (nicht im Spiel enthalten). Gespielt wird reihum.

Der Startspieler der laufenden Runde nimmt alle acht Würfel und wirft sie. Aus dem Ergebnis sucht er sich einen Würfel heraus, platziert ihn auf sein Ablagetableau und legt den zweiten Würfel der gewählten Farbe auf den Elefanten. Dieser Würfel ist erst einmal für die anderen Spieler geblockt. Mit dem gewählten Würfel führt der Spieler nun eine Aktion aus. Dann folgt der nächste Spieler. Er wählt einen Würfel aus den verbliebenen Würfeln aus, legt ihn auf sein Tableau, führt die Aktion aus, und es folgt der dritte Spieler. Das geht so lange, bis jeder Spieler einen Würfel gewählt und die Aktion ausgeführt hat. Im Spiel zu zweit wählen beide Spieler abwechselnd zwei Würfel und führen zwei Aktionen aus. Danach wechselt der Startspieler zum nächsten Spieler im Uhrzeigersinn. Er wirft die Würfel und wählt den ersten Würfel aus ... Das setzt sich nun bis zum Spielende fort.

Welche Aktionen sind im Spiel möglich?
- Lilafarbene Würfel liefern dem Spieler die abgebildeten Waren. Diese werden in der jeweiligen Warenleiste von links nach rechts auf dem eigenen Zettel eingekreist.

- Grüne Würfel liefern dem Spieler Wege. Ein Weg muss im eigenen Wegenetz eingetragen werden, beginnend bei der bereits markierten Residenz. Alle weiteren Wege müssen eine Verbindung zur Residenz aufweisen. Dabei gilt: Eine Gerade oder Kurve muss vollständig auf einem (!) Wegefeld eingetragen werden, zwei halbe Wege lassen sich zu einer Gerade oder Kurve formen - oder aber sie ergänzen vorhandene Wege auf begonnenen Feldern zu Kreuzungen / Abweigungen. Nur so ist es manchmal möglich, neue Geraden und Kurven anzuschließen. Ein halber Weg darf nie einzeln auf einem neuen Feld eingetragen werden; eine Gerade darf nie über zwei Felder verlaufen.

Schließt der Spieler ein lilafarbenes Zelt ans Wegenetz an, so erhält er dafür einmalig Geld, indem er 1-3 Waren unterschiedlicher oder gleicher Art (je nach Zelt) verkauft, d.h. zuvor eingekreiste Waren durchkreuzt (immer von links nach rechts) und dafür so viel Geld auf der Geldleiste (graue Leiste rund um den Spielzettel, im Uhrzeigersinn) markiert, wie es dem Wert der Waren entspricht (Warenwert unter den eingekreisten Waren). Hat ein Spieler alle Waren in einem der Zelte verkauft, erhält er dafür einen Bonus (siehe weiter unten).

Schließt der Spieler ein Gebäude ans Wegenetz an, so erhlält er dafür einmalig so viele Ruhmespunkte, wie diese Gebäudeart gerade wert ist (Gebäudewert auf der Schriftrolle des Spielzettels). Zu Beginn des Spiels gibt es für ein neu angeschlossenes Gebäude 1 Ruhmespunkt, doch der Wert aller drei Gebäudearten lässt sich über Aktionen / Boni auf bis zu 3 Punkte steigern. Ruhmespunkte werden auf der gelben Leiste, die gegen den Uhrzeigersinn rund um den Spielzettel verläuft, markiert.

Schließt der Spieler ein Bonusfeld am Rand ans Wegenetz an, erhält er den aufgedruckten Bonus (z.B. eine Palastaktion, Warenverkauf, eine Aufwertung oder eine Fahrt mit dem Schiff, siehe unten).

- Blaue Würfel liefern dem Spieler eine Fahrt mit dem Schiff. Das Schiff erreicht von links nach rechts stets das nächste Feld mit dem auf dem Würfel angegebenen Symbol, und der Spieler erhält dort den entsprechenden Bonus (Waren, Warenverkauf, Geld, Ruhm, Palastaktionen, Wege, Karma ...). Es wird immer vorwärts gefahren, d.h. übersprungene Bonusfelder sind erst einmal nicht mehr erreichbar.

- Orangefarbene Würfel liefern dem Spieler eine Palastaktion. Der Spieler kreuzt eines der drei Fenster der auf dem Würfel befindlichen Person durch (von links nach rechts) und erhält dann die Aktion dieser Person (Joker-Aktion, Schifffahrt (auch rückwärts!), Gebäude-Aufwertung, halbe Wege, Waren, Warenverkauf). Jede Person darf nur dreimal genutzt werden. Sobald drei Fenster untereinander angekreuzt sind, gibt es dafür wieder einen Bonus. Weitere Boni gibt es zudem bei den Gebäude-Aufwertungen, auf der Geld- bzw. Ruhmesleiste und beim Karma.

Karma: Dies kann eingesetzt werden (zuvor eingekreiste Felder durchkreuzt), um einen beliebigen Würfel plus den auf dem Elefanten blockierten Würfel neu zu werfen. Der Spieler darf dann einen dieser beiden neu geworfenen Würfel auswählen und die entsprechende Aktion durchführen. Der nicht gewählte Würfel wandert dann auf den Elefanten.

Spielende: Mit dem Verkauf von Waren (und über Boni) erhält der Spieler also Geld, durch Gebäude (und Boni) erhält der Spieler Ruhmespunkte. Dabei entsprechen zwei Münzen auf der grauen Leiste stets dem Wert von einem Ruhmespunkt auf der gelben Leiste. Sobald es ein Spieler schafft, die gegenläufigen Leisten so weit zu füllen, dass sie sich in mindestens einem Feld überschneiden, wird die laufende Runde noch zu Ende gespielt. Der Spieler, der nun die größte Überschneidung beider Leisten vorweisen kann, gewinnt. 

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • gute Umsetzung des großen Spiels
  • viele taktische Entscheidungen
  • spannender Ablauf


CONTRA

  • in Vollbesetzung: hohe Downtime

MEINUNG

Und wieder setzt sich der Trend fort, kleinere Würfel-Varianten von großen Brettspielen an die Spieler zu bringen. Leider war das bisweilen nicht immer von Erfolg gekrönt, und allein die Tatsache, dass "Rajas of the Ganges" (> Testbericht) ja eh bereits ein Spiel mit Würfeln war, macht die Sache auf den ersten Blick noch paradoxer. Skeptisch ging ich also in meine erste Spielpartie ... Ich brauche kein großes Geheimnis daraus machen, dass sich meine Bedenken schnell in Luft auflösten, denn das seht ihr ja bereits an meiner grandiosen Wertung. Ja, "The Dice Charmers" haben voll und ganz ihre eigene Daseinsberechtigung und meinen Spielernerv getroffen. Warum ist das so?

Erst einmal hat man sich wirklich eng am Original orientiert, und ich mag "Rajas of the Ganges" wirklich gern. Alles, was dieses Spiel so ausmachte, wurde auch ins kleine Spiel übertagen - also der Ausbau eines Wegenetzes, der Warenverkauf, die Fahrt auf dem Fluss, die Palastaktionen, vor allem aber die Zusammenführung der beiden gegenläufigen Leisten (Geld und Ruhm). Statt Dice-Placement und Bezahlung von Aktionen treiben die "Dice Charmers" noch stärker nach vorn, heißt: Einmal erlangtes Geld werde ich nicht wieder verlieren. Das verleiht dem Spiel schon mal ein gewisses Tempo und einen noch stärkeren Wettrennen-Charakter als das Original.

Der Mechanismus konzentriert sich nun auf die taktische Würfelauswahl, stets verbunden mit der Möglichkeit, Würfel für die Gegner zu blockieren bzw. ihnen Chancen wegzuschnappen. Neu hinzugekommen, und das macht dieses Spiel wirklich für alle Taktiker absolut reizvoll, sind die vielen kleinen Boni, die ich auf verschiedene Weise abgreifen kann. So verlängert sich eine einzelne Aktion dann idealerweise über Winkelzüge, über Kettenreaktionen, die an die abstrakte "Ganz schön clever"-Reihe erinnern. "The Dice Charmers" ist kein Spiel für Wenigspieler, nein, es ist ein Roll-and-Write-Spiel auf Kennerspiel-Niveau, wobei die Altersangabe "ab 12 Jahren" in spielerfahrenen Familien auch auf "10 Jahre" abgeändert werden darf.

Taktiker haben jedenfalls ihre helle Freude daran, tolle Aktions-Kombos auszutüfteln, manchmal auch Vorbereitungen treffen zu müssen (Wege, Aufwertungen), um später so richtig zuzuschlagen. Schon öfters passierte es uns, dass es so aussah, dass einem Spieler der Sieg quasi sicher schien, bevor ein Konkurrent dann im letzten Spielzug doch noch mehr als 10 Punkte aufholte und gewann. Das Spiel ist kurzweilig und hat einen wirklich gelungenen Spannungsbogen. Bis zum Ende fiebert man mit, wie man doch noch die zum Sieg nötigen Punkte hervorzaubern kann. Spielen die Spieler auf ähnlichem Niveau, sind die Ergebnisse oft sehr, sehr eng.

Der Zugang zum Spiel ist für erfahrene Spieler kein Problem. Die Anleitung führt sicher durch eventuelle Regelunklarheiten. Das Verständnis dafür, wie man Wege korrekt einzeichnet, entpuppt sich dabei dennoch als Knackpunkt, der erst einmal durchdrungen werden muss. Gerade anfangs passiert es immer wieder, dass Spieler intuitiv Wege falsch einzeichnen, z.B. eine Gerade über zwei Felder von Gebäude zu Gebäude führen. Dass man dies erst mit halben Wegen vorbereiten muss, gleichzeitig aber keinen einzelnen halben Weg nutzen darf, um ein neues Feld zu erschließen, das muss erst richtig verstanden werden. Dann aber läuft das Spiel flüssig, wobei ...

Klar, manchmal gibt es Situationen, die auch zum Grübeln einladen. Schließlich möchte man ja keine Punkte verschenken. Und wenn sich dann noch Boni häufen und kombinieren lassen, ist auch gutes  Timing gefragt. Das kann die Wartezeiten dann schon einmal etwas ansteigen lassen. Die Tatsache, dass der Startspieler nach jeder Runde wechselt, führt dazu, dass ich bis zu 8 Spielzüge warten muss, bis ich wieder am Zug bin (in Vollbesetzung). Von daher: Ich empfinde "The Dice Charmers" als optimales 2-Spieler-Spiel, auch zu dritt ist das Spiel noch wirklich gut spielbar. Mit 4 (oder gar 5) Personen sollte man allerdings nicht zu den Ungeduldigen gehören ...

Gehen wir einmal von der zuvor genannten optimalen Spielerzahl aus, dann kann ich allen Fans von taktischen Roll-and-Write-Spielen eine bedenkenlose Empfehlung aussprechen. Auch, wenn gewisse Handlungsweisen sicher erfolgsversprechender als andere sind, so gibt es doch verschiedene Wege, um ans Ziel zu gelangen. Die Varianz ist durch die Würfel natürlich eh gegeben. Mit Glücksmomenten sollte man aber klarkommen können und darin die Herausforderung sehen, aus dem Gegebenen das Optimum herauszuholen. Für mich ist diese Mischung aus Taktik und Glück genau richtig, zumal hier eindeutig die Taktik überwiegt und man nie das Gefühl hat, während des Spiels einen völlig unnötigen Spielzug machen zu müssen.

Für mich ist die Roll-and-Write-Version der "Rajas of the Ganges" jedenfalls mindestens ebenbürtig zum großen Kennerspiel. "The Dice Charmers" greift das Flair und den Spielwitz der großen Vorlage gekonnt auf und entwickelt dennoch ein eigenes Spielgefühl. Da lassen sich auch die fehlenden Kali-Statuen aus dem Grundspiel und die manchmal vorhandenen kleinen Spielpausen gut verkraften - ich vergebe jedenfalls nahezu perfekte 9 Kultpunkte! Ganz klar: Daumen hoch für mein persönliches Würfelspiel-Highlight des Jahres 2020 und für eine Top-Platzierung in meiner All-Time-Bestenliste der Roll-and-Write-Spiele!

Ein Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/A9o1HrMY8AQ

KULTFAKTOR: 9/10

Spielidee: 10/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 9/10

TEAM-TREND

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Die Kultfaktor-Wertungen weiterer Spielkultisten:

Anke: 9-10/10
Beate: 8/10
Lutz: 7/10
Ulf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 27.11.2020

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: HUCH! / R&R Games
Weitere Fotos: Spielkultisten