REZENSION
PRECOGNITION
- Genre: Taktikspiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Ludonaute / im Vertrieb von Asmodee
- Autor: Julien Prothière
- Grafik: Sébastien Caiveau
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 60 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Als mein Arzt ein hellsehender Fischmensch war ...
Alle Menschen sind krank, buchstäblich. Die Krankheit kann nur von den Ärzten der Ymune geheilt werden. Wir führen eine Rettungsexpedition der Ymune an, denn wir können in die Zukunft sehen.
REGELN
In diesem Kartenauswahl-(Drafting-)Spiel mit einem neuen Auswahlsystem (Dual Select) versuchen wir kranke Menschen, Ärzte, Wächter, Batterien und Essen zu sammeln, um am Ende die meisten gesunden Menschen zu haben.
Um unsere 12 Runden Kartensammelei zu beginnen, muss erst mal alles vorbereitet werden. Der Fluss beginnt mit drei zufälligen der vier Sommerteile, dann folgt die Sommerinsel, dann drei zufällige Herbstteile, die Herbstinsel, drei Winterteile und schließlich die Winterinsel.
Nun bekommt jeder Spieler ein Boot, einen Anzeiger für Nahrung, einen für Gefahr und einen Satz Karten. Ins Boot kommen vier gesunde Menschen und ein Ymune-Arzt. Die Nahrung wird auf 8 gestellt und die Gefahr auf 0. Die Karten werden nach Phase 1, 2 und 3 getrennt gemischt. Dann wird ein Stapel (mit Phase 3 ganz unten und Phase 1 oben) gebildet.
In eurem ersten Spiel bekommen alle zwei Streifen mit insgesamt sechs Standardmaschinen. Bei folgenden Partien könnt ihr aus drei Streifen mit fortgeschrittenen Maschinen zwei Streifen wählen. Vier Karten werden gezogen, davon wandern zwei an die Person auf der rechten Seite. Die anderen Karten gehen wieder oben auf den Stapel zurück.
Jetzt geht es los. Jede der 12 Runden besteht aus den gleichen Schritten.
Zunächst werden zwei Karten vom eigenen Stapel gezogen. Die zwei Entscheidungskarten, Behalten und Weitergeben, werden aufgenommen. Alle haben jetzt je vier Karten auf der Hand, zwei Entscheidungskarten und zwei Erkundungskarten, sowie zwei offene Erkundungskarten vor sich. Eine der beiden offenen Karten muss mit der verdeckten Weitergeben-Karte belegt werden. Dann wird eine der anderen drei Erkundungskarten mit der Behalten-Karte markiert. Die letzten beiden Erkundungskarten bilden ein Paar.
Sind alle bereit, werden die Karten aufgedeckt und verteilt. Die Erkundungskarte mit der Behalten-Karte wird oberhalb des eigenen Schiffs abgelegt. Die offene Erkundungskarte mit der Weitergeben-Karte geht an die Person links. Die zwei übrigen Karten gehen an die Person rechts. Diese zwei Karten sind praktisch die Vision der Zukunft. In der nächsten Runde wird eine dieser Karten wiederkommen, denn auch die Person auf der rechten Seite gibt eine Karte nach links, also an mich. Die Karte kommt direkt neben die Karte, die ich zum Behalten ausgesucht haben. So liegen jetzt also zwei Erkundungskarten oberhalb des eigenen Schiffes aus. Zwei Erkundungskarten, welche von links kamen, liegen offen vor mir.
Entweder kann eine Karte oberhalb des eigenen Schiffes gratis genutzt werden oder beide Karten für die Summe derer Kosten. Kosten werden bezahlt, indem gesunde Menschen von ihrem Quartier in die Krankenstation gelegt werden, d.h. sie sind auf ihrer Erkundungsmission krank geworden.
Die Karten bringen Essen, kranke Menschen, Batterien oder Ymune. Neue Ymune können dabei als Ärzte auf der Krankenstation oder Wächter im Bug eingesetzt werden. Batterien werden sofort in Maschinen eingesetzt. Haben die beiden Karten die gleiche Farbe, so gibt es noch weitere Belohnungen.
Danach wird geschaut, ob Bedingungen für Maschinen erfüllt wurden, welche auch mit Batterien bestückt wurden. Diese Bedingungen können sich auf die Farben, Kosten oder andere Eigenschaften der behaltenen oder weitergereichten Karten beziehen.
Danach heilt jeder Arzt einen kranken Menschen, dieser wandert also von der Quarantäne ins Quartier.
Ab Zug 5, also dem Herbst, gibt es auch Gefahren auf den Karten. Diese erhöhen das Gefahrenniveau des Schiffes. Durch Abgeben von Wächtern kann die Gefahr reduziert werden. Jeder verbliebene Punkt Gefahr bedeutet, einen Menschen abgeben zu müssen.
Als letzter Punkt wandert noch das Schiff ein Feld weiter. In den ersten drei Zügen geben die Felder noch einen Bonus., danach liefern die Felder nur noch schlechte Ereignisse, die aber durch je einen Wächter abgewendet werden können. Jedes vierte Feld verlangt immer, dass alle gesunden Menschen ernährt werden. Für jeden gesunden Menschen muss eine Nahrung bezahlt werden. Wer kein Essen bekommt, der muss abgelegt werden.
Dies wiederholt sich zwölfmal, und dann gewinnt die Fischperson mit den meisten gesunden Menschen.
Es gibt auch eine kooperative Variante. Großteils sind die Regeln gleich, nur müssen jetzt in jedem vierten Zug mehrere Aufträge erfüllt sein, sonst verlieren alle. Am Ende werden alle gesunden Menschen addiert, und die Gruppe schaut, ob dies genug Menschen für den Sieg sind.
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- clevere Kartenauswahl
- tolles Thema
- schöne Grafik
- interessante Rohstoffverwaltung
CONTRA
- kann ein schnelles Spiel sein, muss es aber nicht
MEINUNG
Präkognition, Wahrsagerei, Hellseherei usw.: Es gibt sicherlich viele Namen für das zweite Gesicht und die Fähigkeit in die Zukunft zu sehen, und sicherlich gibt es auch einige Spiele mit diesem Thema. Allerdings hat Precognition einen ganz besonderen Schauplatz gewählt. Wir sind in einer Zukunft, in der alle Menschen erkrankt sind und nur die Fischmenschen, die sich von den Algen im großen Fluss ernähren, sind immun. Passenderweise heißen diese Fischmensch Ymune. Jetzt repräsentiert eure Gruppe nicht irgendwelche Fischmenschen, sondern hellsichtige Fischmenschen. Als Leiter einer Expedition entlang des großen Flusses versuchen wir so viele Menschen wie möglich gesund werden zu lassen. DAS ist ja mal ein Thema.
Auf unserer Reise den Fluss hinab sammeln wir dann Ymune, die als Ärzte oder Wächter mithelfen. Wir sammeln Menschen, die krank sind und gesund werden müssen. Außerdem sammeln wir Essen, das die gesunden Menschen bekommen, und Batterien für Maschinen, die Einkommen ausschütten.
Dabei können wir durch das Dual-Select-System ein bisschen in die Zukunft schauen. Im Prinzip funktioniert dieses System so, dass wir aus vier Karten zwei auswählen, die wir unserem Nachbarn geben. Eine dieser Karten kommt dann im nächsten Zug zu uns zurück und wird dann auch aktiviert. Da wir zwei Karten in eine Richtung weitergeben und in die andere Richtung nur eine Karte, die vorher die Vision des Nachbarn war, bleibt dann noch eine Karte, die wir auch aktivieren. Also: Eine Karte bestimmt die Person neben uns aus einer Auswahl von zwei Karten, die wir dieser Person gaben. Die andere wählen wir aus unseren aktuellen Karten aus.
Aufgrund der verschiedenen Funktionen der Rohstoffe, ist jeder Rohstoff wechselnd beliebt. So gibt es keine Karte, die immer schlecht ist. Wer aber wirklich viele Dinge in einem Zug sammeln möchte, der probiert, zwei Karten gleicher Farbe zu aktivieren, denn diese bringen nochmal jeweils einen Bonus. Dies sollte mit unserer Hellsicht ja leicht zu bewerkstelligen sein, aber da die Zukunft noch nicht feststeht, zeigen unsere Visionen zwei mögliche kommende Ereignisse. Sind diese sehr verschieden, ist es gar nicht so leicht, für beide Eventualitäten gewappnet zu sein. Es fühlt sich aber sehr belohnend an, wenn richtig erkannt wurde, welche Karte mir mein Nachbar geben wird, und so auf einmal zwei gleichfarbige Karten vor mir liegen. Natürlich können auch zwei Karten gleicher Farbe an meinen Nachbarn gegeben werden, dann wird die Zukunft gleich etwas vorhersehbarer.
Hier ist es dann die eigene Entscheidung, wie weit ich den Denkprozess ausweiten möchte. Habe ich eine Menschen- und eine Nahrungskarte weggegeben, und neben mir herrscht akuter Nahrungsmangel, so werde ich vermutlich die Menschen wiederbekommen. Bei noch mehr Weitsicht kann geschaut werden, was meine rechte Seite von ihrer rechten Seite bekommen könnte, sodass ich vielleicht eine bessere Idee habe, welche Karte ich schlussendlich erhalte. Und wenn ihr jetzt den Kopf in die andere Richtung dreht, dann könnt ihr euch auch fragen, welche eurer Karten besonders unangenehm für eure linke Seite sind. Es ist aber auch möglich, einfach zu schauen, welche Karten für einen selbst die besten sind. Die zurückkommende Karte ist dann halt eine 50:50 Chance. So kann das Spiel so trivial sein, wie ich es gerade sein möchte. Precognition kann dementsprechend flott oder auch grüblerisch gespielt werden.
Das alles gefällt mir sehr gut, und normalerweise funktioniert diese ganze Auswahl recht flink, besonders weil nach einer oder zwei Runden alle am Tisch die meisten Sachen parallel machen können. Es kann aber auch sein, dass jemand mit dem Weitergeben der Karten etwas kämpft; da müssen dann alle mithelfen, Verwirrung zu vermeiden.
Die Kartenkosten stellen mich in jeder Runde auch wieder vor wichtige Entscheidungen. Möchte ich beide Karten aktivieren, so müssen als Preis Menschen dafür krank werden. Kranke Menschen sind im Prinzip nicht schlimm und müssen ja auch nicht ernährt werden, nur werden gesunde Menschen zum Bezahlen benötigt, und am Ende des Spiels zählen nur gesunde Menschen. Habe ich viele Ärzte, werden die Menschen schnell gesund, und das kann beim Ernähren schnell teuer werden. Wer viele Ärzte hat, hat aber auch vielleicht keine Wächter, und ohne Wächter kann es gegen Ende des Spiels immer prekärer werden, denn die Gefahren steigen, die Ereignisse werden gemeiner und nur Wächter schützen, aber der Arzt bringt vielleicht noch einen Punkt bei der Schlusswertung. Berufswahl ist eben nicht leicht.
Batterien sind toll, um generell den Ertrag durch die eigenen Maschinen zu verbessern, aber Batteriekarten sind selten und lassen sich so schlecht für den Bonus kombinieren. Wer ein oder zwei Partien Precognition gespielt hat, kann dabei auch direkt zu den fortgeschrittenen Maschinen greifen. Diese bringen mehr Abwechslung in die Partien, denn vielleicht werden in einer Partie grüne Karten recht unspannend, da alle Heilung oder Ymune aus Maschinen kommen. So ist für Abwechslung gesorgt, denn verschiedene Kombinationen bringen verschiedene Synergien hervor.
Für Freunde des gemeinschaftlichen Spiels gibt es sogar noch eine kooperative Variante. Diese funktioniert gut, hat aber meines Erachtens kleine Schwächen. Hat eine, oder haben sogar zwei Personen gute Synergien bei ihren Maschinen, wird die Partie recht einfach. Ein weiterer Regler für die Schwierigkeit ist die Kommunikation. Wird sich viel berät, wird es leichter haben. In kooperativen Runden können sich die Spieler somit selber aussuchen, wie schwierig das Spiel sein soll. Precognition schweigend zu bestreiten, könnte interessant werden ...
Precognition sieht dann auch noch toll aus, etwas dunkel insgesamt, aber hey, es soll ja eine Endzeitstimmung sein. Die verwendeten Symbole sind leicht zu verstehen, die Markierungen auf dem Brett und den Karten sind sehr logisch. Die Holzteile fühlen sich gut an, also gibt es hier sicherlich nichts zu meckern.
FAZIT: Precognition bietet ein neues Kartenauswahlsystem, das mir sehr gut gefällt, und das gut in das originelle Setting des Spiels passt. Die Verwaltung der eigenen Rohstoffe ist eine spannende Aufgabe, und die Gestaltung ist sehr atmosphärisch. Freunden von Kennerspielen (im Sinne der Spiel des Jahres-Jury) empfehle ich Precognition sehr.
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 19.03.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Ludonaute / Asmodee
Weitere Fotos: Spielkultisten