REZENSION
PRAGA CAPUT REGNI
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2020
- Verlag: Delicious Games
- Autor: Vladimír Suchý
- Grafik: Milan Vavroň
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: 30 bis 120 Min.
- Schwierigkeitsgrad: schwer
- Taktiklevel: 8/10
Sammeln Sie Bonuspunkte?
Wieder einmal haben wir uns durch Brettspielmagie in eine aufstrebende Stadt im Umbruch begeben, diesmal nach Prag. Unter anderem errichten wir im Königreich Böhmen zur Zeiten von Karl IV. die berühmte Karlsbrücke und den Veitsdom. In diesem Expertenspiel wählen wir unsere Aktionen klug, um unter anderem Rohstoffe zu sammeln, Häuser und Mauern zu bauen sowie Boni einzusammeln ... und noch einen Bonus ... und noch einen Bonus!
REGELN
Das Spiel geht über eine fest vorgegebene Rundenanzahl, die von der Spielerzahl abhängt. Dies wird durch einen Rundenanzeiger festgehalten, der bei jeder vollen Umdrehung des Aktionsrades fortschreitet.
Im besagten Aktionsrad stecken 6 Aktionsplättchen mit je 2 Aktionen darauf. Der Spielzug eines Spielers beginnt damit, sich eines dieser Aktionsplättchen auszusuchen. Die ersten vier Positionen des Rads verlangen, dass dieses Plättchen mit Gold bezahlt wird. Die letzten fünf von zwölf Positionen bringen sogar noch Bonus-Siegpunkte. Der Platz, in dem das Aktionsplättchen steckte, bietet auch noch einen Bonus. Dies kann einfach Stein oder Gold sein, aber auch das Recht, Spezialplättchen oder Eier (die wohl früher tatsächlich als Mörtel zum Einsatz kamen) zu kaufen.
Dann kann der Spieler eine der beiden Aktionen des Plättchens ausführen sowie Fensterplättchen für eine weitere Aktion oder Schritte in den Monumenten nutzen. Anschließend wird das Plättchen auf die letzte Position des Rades gesteckt und das Rad eine Position im Uhrzeigersinn gedreht, sodass das gerade eingesetzte Plättchen auf der ersten Position liegt und alle anderen Plättchen weiter vorrücken.
Die Aktionsplättchen bieten 6 verschiedenen Aktionen.
Der Steinbruch kann erweitert werden oder produzieren. Bei dieser Aktion muss sich der Spieler entscheiden, entweder so viele Steine zu bekommen wie sein Steinbruch vorgibt, oder das Klötzchen auf seinem Steinbruch vorwärts zu bewegen; dies bedeutet mehr Steine und noch weitere Boni beim Produzieren. Wird der Steinbruch maximal ausgebaut, gibt es noch einen Punktebonus am Spielende. Steine nehmen sich Spieler, indem sie ihren Kran auf höhere Werte drehen. Beim Überschreiten bestimmter Werte gibt es wieder einen Bonus, z.B. in Form von Technologiepunkten. Ein bestimmter Fortschritt auf der Technologie-Leiste schaltet Technologien frei. Dies sind individuelle Plättchen, die dem Spieler mehr Boni einbringen.
Die Aktion Goldmine (Erweiterung oder Produktion) funktioniert völlig analog zum Steinbruch.
Die Aktion Aufwertung nehmen erlaubt es, aus der Auslage ein Aufwertungsplättchen zu nehmen. Hier liegen 3 Plättchen offen aus, die nachgefüllt werden, und 1 Spezialplättchen, welches nur mit entsprechendem Rad-Bonus genommen werden darf. Ein Aufwertungsplättchen deckt eine der Standardaktionen auf dem Spielertableau ab und verstärkt so diese Aktion, z.B. indem es 1 Bonuspunkt gibt, wenn die Aktion Steinbruch erweitern oder Produktion gewählt werden. Weiterhin bringen diese Plättchen einen Fortschritt auf der Universitätsleiste, welche wiederum den Fortschritt auf der Technologieleiste mit Punkten am Spielende belohnt. Die Aufwertungsplättchen zeigen am Rand Symbole. Werden Symbole passend angelegt, gibt es weitere Boni.
Eine Mauer bauen funktioniert ähnlich. Auch hier gibt es eine Auslage von 3 regulären und einem Spezialplättchen. Die Mauer kostet Stein und eventuell Gold. Sie wird dann an das Spielertableau angelegt. Auf den Mauern sind Boni, die ausgeschüttet werden. Auch finden sich Randsymbole (wie bei den Aufwertungen) auf Mauern. Weiterhin finden sich auf Mauerplättchen die Symbole der Hungermauer. Diese erlauben es, auf der Hungermauer einen Seitwärtsschritt zu machen. Dies erhöht den Siegpunktewert von blauen Markern, die es als Randboni bei Gebäuden gibt.
Gebäude bauen ähnelt der Aktion der Mauerplättchen. Auf manchen Gebäuden findet sich eine Kathedrale und ein Platz für ein Spielklötzchen. Die Kathedrale erlaubt es Schritte seitwärts auf der Kathedrale zu machen. Dies erhöht den Wert roter Scheiben, welche es als Bonus bei Mauern und Upgrades gibt. Wer ein Gebäude mit Platz für ein Klötzchen legt, der legt ein Klötzchen in seiner Farbe darauf. Jedes Gebäude grenzt an einen Platz. Wurde der Platz komplett von Gebäuden umschlossen, so gibt es für alle Spieler mit Klötzchen am Platz einen Bonus und für den mit den meisten Klötzchen noch was oben drauf.
Die letzte Aktion ist das Fortschreiten auf dem Königsweg, welcher mit der Karlsbrücke endet. Hier schreitet der Spieler einfach ein Feld weiter, was bei 5 Feldern 20 Prozent der Wegstrecke ausmacht. Bei den ersten 3 Schritten gibt es einen Bonus, der mit einem Ei zu dem Bonus, den es auf diesem Feld sowieso gibt, dazu gekauft werden kann. Eier gibt es allerdings nur auf bestimmten Gebäuden, Mauern oder dem Rad. Die letzten zwei Felder dürfen nur bei Abgabe eines Eis betreten werden. Hier gibt es noch einmal sehr flexibel Boni, und beim letzten Feld auch Siegpunkte fürs Spielende.
Am Rande wurden hier ja schon die zwei imposanten Monumente, Hungermauer und Kathedrale, erwähnt. Diese bieten einerseits die Möglichkeit durch Seitwärtsschritte Punkte für bestimmte Scheiben zu bringen, andererseits kann durch die Abgabe von 2 Silberfenstern auf dem Monument weiter nach oben gewandert werden. Dies bringt Punkte. Auf den Feldern dieser beiden Monumente finden sich dann noch Bonusschritte und Bonuspunkte für jene, die diese Felder betreten.
Wurden eine feste Anzahl an Runden absolviert, so werten die Spieler noch ein paar Dinge für Punkte aus:
- nicht ausgelöste Plätze in der Stadt
- die Akademieleiste gibt Punkte für die Technologieleiste
- die Monumente geben Punkte für die Stufe, auf der man steht und für die gesammelten Scheiben
- eine bestimmte Anzahl an Mauern gibt Punkte
- das Ende der Goldmine, des Steinbruchs, der Karlsbrücke und der Kathedrale bietet auch jeweils noch Bonuspunkte
- übrige Eier
Der Spieler mit den meisten Punkten hat dem König Kalle ordentlich geholfen.
Die Regeln sind mit noch viel mehr Details gespickt, aber das würde hier den Rahmen sprengen. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, die Aktionsplättchen umzudrehen, um diese zu variieren. Die Königsstraße bietet alternative Bonusplättchen. Die Brücke, die Kathedrale und die Hungermauer bietet optional eine andere Anordnung der Boni.
Das Spiel beinhaltet zudem eine Solo-Variante.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- gute Symbolsprache
- Aktionsrad
- verzahnte Aktionen
- austauschbare Bonusplättchen
- verschiedene Strategien
CONTRA
- es gilt viel zu beachten und keinen Bonus zu vergessen
MEINUNG
Praga Caput Regni hat das Interesse vieler Brettspieler geweckt, weil der Autor Vladimír Suchý im selben (noch recht neuen) Verlag Delicious Games bereits Underwater Cities veröffentlichte, und dieses konnte wirklich viele begeistern. Somit musste sich Praga hohen Erwartungen stellen.
Dieses Mal nimmt uns Vladimír Suchý mit auf eine Reise durch seine Stadt: Prag. Obwohl Prag heute noch sehr schön und sicherlich einen Besuch wert ist, begeben wir uns in die Zeit, als König Karl IV. Prag zu einer prächtigen Stadt umbaute. Berühmte Sehenswürdigkeiten wie die Karlsbrücke oder die Kathedrale entstehen gerade.
Die Spieler sollen König Kalle dabei helfen, die Stadt auf Vordermann zu bringen. Das Szenario „Eine berühmte Stadt wird aufgebaut“ wurde in Spielen dabei in der Tat schon deutlich häufiger verwendet als das Thema der Unterwasserstädte. Das Thema ist hier jedoch passend, und es ist liebevoll umgesetzt. Kann so ein Standard-Setting dann heute nur noch Prag-Fans anlocken? Nein, zum Glück bin ich ja über eine solche Oberflächlichkeit erhaben … ;)
Mechanisch macht Praga jetzt gar nicht viel Neues. Es werden Aktionen von einem Rad gewählt. Aktionen, die nicht gewählt werden, werden mit der Zeit attraktiver, und jede Aktion bietet einen eigenen Weg, Siegpunkte zu sammeln. Interessant wird Praga dadurch, wie diese Aktionen verknüpft sind. Gold und Steine müssen besorgt werden, um Häuser und Mauern zu bauen. Häuser sorgen für Fortschritt in der Kathedrale, was mehr Punkte für bestimmte Mauer-Boni bringt. Das ist clever gelöst.
Der Weg zum Sieg liegt hierbei darin, die verschiedenen Aktionen so zu kombinieren, dass nicht nur die Punktebeschaffung effizient ist, sondern auch die ganzen Boni optimal genutzt werden - zum einen die Belohnungen, wenn z.B. Gebäude errichtet werden oder der Goldvorrat auf 6 anwächst, aber auch der Bonus, wenn zum richtigen Zeitpunkt ein Schritt an der Hungermauer gemacht wird etc. Hinzu kommen dann noch die Boni, die es auf dem Rad gibt, wenn eine Aktion an bestimmter Stelle gewählt wird. Wer sich übrigens Technologien der Stufe 1 oder 2 besorgt, kann gleich noch mehr Boni bekommen … oder auch mit den Aufwertungsplättchen Boni einsammeln. Jeder Bonus selber ist klein, aber wer stetig die richtigen Boni sammelt, kommt einfach in jedem Zug etwas weiter als die anderen.
Bei dieser Bonus-Orgie, die selbst Payback-Coupons vor Neid erblassen lässt, ist es öfters gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Ich wähle dieses Plättchen, dann bekomme ich einen Stein, und wähle die Aktion Mauer bauen. Dann baue ich eine Mauer. Die gibt mir ein Fenster, welches ich nutze, um bei der Kathedrale aufzusteigen, was 3 Punkte bringt. Dann bekomme ich noch von der Mauer 2 Punkte und ein Ei. Ach, und mein Aufwertungsplättchen gibt mir einen weiteren Punkt, während ich durch meine Technologie ein Gold und einen Punkt erhalte. Da muss jeder Spieler schon gut aufpassen, nicht einen Bonus zu verpassen. Dies ist vermutlich schon das einzige Handhabungsproblem bei Praga, denn das Material hat eine super Qualität, und die Symbole, Spielerhilfen etc. helfen wirklich bei der Orientierung im Spiel.
Die sich drehenden Kräne der Spielertableaus, das Aktionsrad und die 3D-Sehenswürdigkeiten sind schon geschickt gemacht und leicht zusammengebaut, dank detaillierter Anleitung. Ich empfehle etwas Kleber beim Zusammenbauen zu verwenden (Anmerkung von Ingo: Ja, das sollte man tun. Die Karlsbrücke hat mich beim Zusammenbau nämlich beinahe an den Rand des Wahnsinns getrieben. Da fehlte doch ganz klar der Eier-Mörtel ...). Die 3D-Bauten sind im Spiel nicht immer so praktisch, wenn z.B. jemand auf der falschen Seite sitzt, das Licht nicht gut darauf fällt etc. Das sind die Modelle eher hinderlich. Dies ist aber kein Problem, da die entsprechenden Elemente auch direkt auf den Spielplan gedruckt sind. Das gefällt mir alles wirklich sehr gut.
So werde ich nur von der Aktionswahl meiner Mitspieler bei meinen Plänen behindert und nicht durch Regelprobleme. Die Interaktion bei Praga ist jetzt kein direktes Angreifen anderer Spieler, aber sie ist schon wichtig. Das Wettrennen um verschieden Boni (Brücke, Fluss, Siegel) ist dabei nicht so wichtig wie das Aktionsrad. Jede Aktion ist zweimal vorhanden, sodass die Spieler im Spiel zu zweit doch meist ihren Plan umsetzen können, wenn vielleicht auch nicht immer so optimal wie erhofft. Bei drei oder vier Spielern sieht das schon ganz anders aus. Viel öfter muss darüber nachgedacht werden, ob so viel Gold für eine Aktion bezahlt werden sollte - oder ob nicht diese auf einmal sehr punkteträchtige Aktion genommen werden sollte. Meist wird aber nicht so stark gegen die anderen gespielt, denn einem Gegner eine Aktion nur zu dessen Nachteil und nicht dem eigenen Vorteil wegzunehmen, könnte doch schnell teuer werden, außer vielleicht im 2-Spieler-Spiel.
Auch wenn Praga jetzt nicht mit viel Innovation gespickt ist, so ist es doch zumindest mit viel Variation versehen. Die Aktionsplättchen haben alternative Rückseiten, die Brückenstege können getauscht werden, die Böden der Denkmäler sind austauschbar und dazu kommt noch der Einfluss der zufällig ins Spiel kommenden Technik, der Gebäude, Mauern und Aufwertungsplättchen. Besonders gut finde ich die alternativen Boni für den Königsweg, denn dieser war in der Standardaufstellung eben kein Königsweg, sondern eher das Gegenteil. Bei uns verlor meist der, der diesen Weg beschritt. Mit den alternativen Boni für den Königsweg sieht dieser schon gleich attraktiver aus.
FAZIT: Wer taktische Planung der Aktionswahl plus Strategie für sein Punktekonto mag, und auch im heftigsten Bonusregen nichts übersieht, sollte sich Praga Caput Regni trotz des eher mäßig interessanten Themas auf jeden Fall ansehen. Es handelt sich um ein toll verzahntes Punktesammeln mit interessanter Aktionsauswahl auf Expertenspiel-Niveau. Ich vergebe fast perfekte 9 Kultpunkte!
KULTFAKTOR: 9/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 9/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 04.07.2021
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Presse-Exemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Delicious Games
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