REZENSION
POWERLINE
- Genre: Taktik- / Würfel-/ Denkspiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Queen Games
- Autor: Dirk Henn
- Illustration: Patricia Limberger
- Spieler: 1 bis 6
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 45 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
- Taktiklevel: 6/10
Der Strom wird grün
Powerline greift ein aktuelles Thema unserer Zeit auf. Um die Städte mit erneuerbarer Energie zu versorgen, müssen Stromtrassen gebaut werden und Kraftwerke möglichst in voller Auslastung laufen, um viele Punkte zu liefern.
REGELN
Legt den Wertungsplan, der auch die Punkteleiste und die Würfelablage beinhaltet, in die Mitte. Ihr könnt mit den vorgedruckten Wertungen spielen oder die optionalen Wertungstafeln nutzen. Ihr startet mit 10 Punkten und einem eigenen Spielerboard, das bereits den Plan des Energie-Netzwerkes zeigt. Jeder Plan ist generell gleich in seiner Aufteilung und den Siegpunkten, allerdings sind die Felder, die die einzelnen Sektoren der Stromleitungen darstellen, mit unterschiedlichen Würfelaugen bestückt.
Gespielt werden 15 Runden. Jede Runde beginnt damit, dass die sechs Würfel geworfen und auf ihre farbige Felder gelegt werden. In genau der selben farblichen Anordnung warten auf den Spielertableaus bereits die Arbeiter. Nun gilt es, die Arbeiter möglichst effizient einzusetzen.
Um den Bau einer Trasse zu beginnen, muss eine passende Würfelzahl ausgewählt werden. Eine Strecke kann von beiden Seiten aus begonnen werden. Nach dem Bau des ersten Abschnitts muss jedoch von dort weitergebaut werden. Im eigenen Zug dürfen bis zu 3 Strecken auf einmal mit Arbeitern besetzt werden. Der Clou: Die Würfel müssen von links oder von rechts in der vorgebenenen Reihenfolge genutzt werden. Liegt da z.B. die Reihenfolge 2-5-6-1-4-4, dann müsste ich, wenn ich am Zug bin, eine Strecke mit einer 2 anfangen (von links) oder mit einer 4 (von rechts). Der Arbeiter dieser Farbe kommt dann auf den entsprechenden Streckenabschnitt. Möchte ich weitere Arbeiter platzieren, folge ich der Würfel-Reihenfolge, muss also (von links) nach der 2 eine 5 belegen, dann eine 6, dann eine 1 etc. bzw. aus umgekehrter Richtung erst eine 4, dann noch eine 4, dann eine 1 usw. Zum Schluss werden alle mit Arbeitern belegte Felder mit grünen Powerline-Plättchen bestückt, die Arbeiter stehen in der nächsten Runde wieder zur Verfügung.
Möchte ich beim Einsetzen einen Würfel „überbrücken“, indem ich eine Zahl auslasse, muss ich den entsprechenden Arbeiter auf die Insel stellen. Für jeden Arbeiter auf der Insel gibt es nach der aktuelle Runde einen Minuspunkt. Einmal pro Partie kann ich mein Urlaubsplättchen einsetzen, um die Minuspunkte der Insel-Arbeiter zu vermeiden.
Alternativ kann ich auch ein Joker-Plättchen einsetzen, um aus einer Würfelzahl eine beliebige zu machen. Joker erhalte ich nach jeder Wertung und immer dann, wenn ich in einer Runde nur einen einzigen Arbeiter eingesetzt habe (bis zu zweimal im Spiel).
Wichtig: Nach jeder Runde muss ich ein Arbeiterplättchen aus meiner Auslage entfernen, die vor Spielbeginn auf dem eigenen Tableau in sechs Spalten bestückt wurde. Das entfernte Plättchen muss der Anzahl an in dieser Runde verwendeten Arbeitern entsprechen (1 bis 6). Nun ist jede Anzahl jedoch begrenzt. Habe ich zweimal 6 Arbeiter verwendet, liegt in dieser Spalte kein Arbeiterplättchen mehr - somit steht mir diese Aktion nicht mehr zur Verfügung. Maximal könnte ich dann noch 5 Arbeiter auf einmal einsetzen. So ist es meist sinnvoll, jede Anzahl - über die Runden verteilt - gemischt zu bedienen, um nicht am Ende nur noch Plättchen in der 2er-Spalte liegen zu haben. Dann sind die Möglichkeiten doch stark begrenzt.
Habe ich eine Strecke abgeschlossen, wird die angrenzende Stadt mit einem Energie-Plättchen der eigenen Farbe belegt. Die Punkte werden auf der Punkteleiste markiert. Sind alle Strecken, die an ein Kraftwerk (in grün) angrenzen, fertiggestellt, läuft das Kraftwerk in voller Auslastung und liefert ebenfalls einmalig Punkte.
Nach Runde 5, 10 und 15 gibt es jeweils eine Wertung, die aus drei Einzelwertungen besteht und bis dahin fertiggestellte Trassen, ausgelastete Kraftwerke und übrige Joker belohnt.
Nach Runde 15 gibt es nun noch Minuspunkte für jede begonnene Trasse, die nicht fertiggestellt wurde. Wer nun die meisten Punkte gemacht hat, gewinnt.
Varianten:
- Auf der Rückseite der Spielerboards gibt es eine veränderte Arbeiterplättchen-Auslage, die die Anzahl der maximal in einem Spielzug zu verwendenden Strecken noch stärker beschränkt.
- Neue Wertungsplättchen können für Abwechslung bei den Wertungsphasen sorgen.
- Die Abenteuerinsel kann auf die vorgedruckte Insel gelegt werden. Dann werden für jede abgelehnte Würfelzahl Plättchen gestapelt, je mehr, umso mehr Minuspunkte gibt es.
- Das Urlaubsplättchen wird aus dem Spiel entfernt.
Das Spiel kann gut solo gespielt werden. Die Regeln bleiben erhalten. Nach der Schlusswertung verrät eine Tabelle, wie gut der eigene Highscore eingestuft wird.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- interessanter Mix aus Denken, Glück und Optimierung
- aktuelles Thema als Setting
- besonders auch als Solospiel zu empfehlen
- im kompetitiven Spiel spielen alle gleichzeitig
CONTRA
- kaum Berührpunkte unter den Spielern im kompetitiven Spiel
- der relativ hohe Glücksfaktor kann zu kleinen Frustmomenten führen
- die Spannungskurve ebbt zum Ende hin öfters ab
MEINUNG
Das Thema könnte nicht aktueller sein. Somit trifft der Verlag Queen Games mit der neuen „Green Planet"-Reihe tatsächlich ins Schwarze, ähm, wohl besser ins Grüne. Ob Autor Dirk Henn das Spiel für dieses Setting entwickelt hat, kann man schlecht beurteilen. Jedes andere Thema, also beispielsweise Eisenbahnen, hätten hier ebenso gut funktioniert.
Das Spiel an sich ist insgesamt von abstrakter Natur. Es ist eine Art Roll-and-Write als Brettspiel, möchte ich sagen, denn die Würfel bestimmen, welche Felder gefüllt werden. Dass man sich für eine Brettspiel-Umsetzung mit Legeplättchen entschieden hat, ist sicher eine gute Wahl, denn so lassen sich die Aktionen doch deutlich leichter planen.
Powerline ist eigentlich ein Solospiel und als solches auch am flottesten. Ja, man kann es bis zu sechst spielen, dann aber solitär nebeneinander her; einzig die Punkte in den Wertungen erinnern an einen Wettkampf. Immerhin spielen aber alle gleichzeitig, sodass man immer etwas zu tun hat. So gilt es, egal ob solo oder kompetitiv, ein großes Zahlenpuzzle mit unbekannten Variablen zu lösen, heißt: Wie setze ich die Würfelaugen geschickt ein, um passende Felder abzudecken, wo benötige ich einen der wenigen verfügbaren Joker, wo muss ich Figuren auf die Insel schicken, um dahinterliegende Würfel nutzen zu können?
Wäre diese Aufgabe nicht schon anspruchsvoll genug, wartet noch eine weitere Beschränkung: Die Arbeiterplättchen. Da jede Anzahl an einzusetzenden Arbeitern begrenzt ist, muss man sich gut überlegen, ob man wirklich sechs Würfel nutzen möchte, wenn man davon drei Arbeiter auf die Insel schicken muss ... Es lohnt sich durchaus auch, nur eine Figur einzusetzen, einfach um auf diese Weise einen Joker freizuspielen. Das Management mit Würfeln und Arbeitern ist tatsächlich tricky. Die Altersangabe erscheint mir mit 8 Jahren als zu niedrig gewählt. Selbst erfahrene Erwachsene müssen erst einmal alles überblicken und koordinieren. Ich denke, „ab 10 Jahren“ trifft es in den meisten Fällen besser, wobei das natürlich eine individuelle Einschätzung bleibt.
Was sich nun nach einem sehr taktischen Spiel anhört, ist in der Praxis dann aber auch stark geprägt vom Glück. Und das kann erbarmungslos zuschlagen. Kann ich tatsächlich kein einziges Feld auf meinem Plan regelkonform belegen, dann müssen Figuren auf die Insel, ob ich es will oder nicht. Na, hoffentlich habe ich dann noch eine 2er Aktion zur Verfügung, sonst sind es am Ende sechs Figuren, die in einer Runde dorthin wandern und mir entsprechend Minuspunkte einbringen. Die Minuspunkte lassen sich mit dem Urlaubsmarker zwar noch einmalig ausgleichen, spielen wir aber mit verschärften Regeln, ohne das Urlaubsplättchen, oder mit noch eingeschränkteren Varianten, wird das alles immer komplizierter - und ja, das fehlende Glück kann einen dann auch wirklich um Punkte bringen. Gleiches gilt für angefangene Powerlines, die man nicht fertig bekommt, einfach, weil eine bestimmte benötigte Zahl nicht fallen will, oder weil man die Joker schon anderweitig verwendet hat.
Wer mit der Mischung aus Glück und Taktik klarkommt, den erwartet eine reizvolle Spielidee, in ihrer Umsetzung sogar unverbraucht. Dennoch: Die Würfel haben einen hohen Anteil am Ergebnis. So lassen sich Highscores nicht immer aus eigener Kraft erzielen. Wer das als Herausforderung sieht, der wird immer wieder neue Partien spielen, ganz einfach, um sich verbessern zu wollen. Wer dagegen eh mit zu viel Glücksabhängigkeit hadert und schnell frustriert ist, wenn mal gar nichts passt, was durchaus vorkommt, der wird mit Powerline weniger etwas anfangen können.
Powerline ist also kein strategisches, sondern ein taktisches Optimierungsspiel, das aber durchaus einen schönen Denkanspruch beim Kombinieren einfordert. Was anfangs noch recht seicht beginnt, da viele Optionen offen stehen, wird im Laufe der Partie zunehmend zur Herausforderung. Gerade zur Mitte hin gibt es oft die interessantesten Entscheidungen zu treffen, und dafür bekommt das Spiel von mir auch gute 7 Punkte. Zum Ende hin fällt die Spannungskurve dann jedoch meist wieder ab. Durch die vielen Beschränkungen weiß man dann einfach oft schon, dass man bestimmte angefangene Strecken gar nicht mehr fertigstellen kann bzw., wenn überhaupt, dann nur mit ganz viel Würfelglück. Das ist dann etwas schade. So sinkt mein Kultfaktor zum Ende hin eher auf 6 Punkte. Meine Gesamtwertung ist also eine Mischung aus beiden Eindrücken, wobei mich Powerline besonders als Solospiel angefixt hat, um auf neue Highscore-Jagd zu gehen.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/KV5FQooKlDs
KULTFAKTOR: 7/10*
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 6-7/10
* Zum Ende des Spiels hin öfters Tendenz zu 6/10, siehe Meinung
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 27.09.2022
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Queen Games
Weitere Fotos: Spielkultisten