REZENSION
PLANET B
- Genre: Strategie
- Jahr: 2022
- Verlag: Hans im Glück / im Vertrieb von Asmodee
- Autor: Johannes Natterer
- Grafik: Dennis Lohausen, Franz-Georg Stämmele
- Illustrationen: Marcel Gröber, Ingram Schell, Felicia Fuchs
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: ca. 60 bis 180 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: hoch
- Taktiklevel: 7/10
Planet B - das S steht für "seriös"
Von wegen, es gibt keinen Planet B! Wir haben den sogar besiedelt, als die olle Erde den Geist aufgegeben hat. Und weil wir viel daraus gelernt haben, versuchen wir diesmal den meisten persönlichen Profit aus diesem Planeten zu holen, am besten mit einem Wahlsieg.
REGELN
Auf dem Planet B sind wir korrupte Politiker, deren Ziel nur das eigene Kapital ist. Durch Bestechung sichern wir uns einige Gefallen von Firmen. Dies erlaubt uns das Bauen und verwenden von Gebäuden, Beeinflussung der Nachrichten, Unterstützung durch verschiedene Lobbys und schließlich das Gewinnen der Wahl.
Da die nächste Wahl bereits vor der Tür steht, möchte ich keine Zeit verlieren und überspringe den Aufbau einfach. Wir spielen reihum einen Zug, bis das letzte Firmenplättchen platziert wurde, dann gewinnt die Person, die das meiste Privatvermögen (Punkte) gesammelt hat.
Ein Zug ist simpel: Einen Koffer auf eine der drei Firmen legen und dann die Aktionen der entsprechenden Firma ausführen. In der Regel sind dies drei verschiedene Aktionen aus einem Pool von vielen Aktionen.
Eine mögliche Aktion ist die Produktion. Hier werft ihr eine eurer zwei Produktionslinien an und bekommt deren Rohstoffe. Für 10 Billies, die Währung auf Planet B, dürft ihr Rohstoffplättchen einsetzen und so eure Produktion verändern.
Mit dem Hammer werden Gebäude gebaut. Dafür wird der Preis in Billies bezahlt und die entsprechenden Punkte genommen. Das Gebäude wird neben dem eigenem Tableau ausgelegt.
Mit Brainies und Workies (violette und orange Figuren) können Gebäude aktiviert werden. Auch dafür gibt es Aktionen, die es erlauben, neue Workies oder Brainies zu nehmen oder eigene Workies oder Brainies auf Gebäuden zu platzieren. Die Gebäude zeigen Gruppen von Arbeitsplätzen (Abteilungen). Wurde eine Abteilung komplett mit passenden Figuren gefüllt, so wird eine der zwei Gebäudeaktionen ausgelöst. Diese sind ganz unterschiedlich. Es können Rohstoffe produziert oder gefördert, Geld ausgeschüttet oder bezahlt werden, die Stimmung wird beeinflusst usw. Natürlich möchte jeder gern Gebäude bauen, die Siegpunkte bringen.
Eine weitere Aktion erlaubt es, eine Nachrichtenkarte zu nehmen. Diese Karten können sehr unterschiedliche Effekte haben, die oft Rohstoffe bringen oder Kosten, die die Stimmung verändern können, Punkte oder Geld bringen und sogar Effekte hervorbringen, die alle Personen am Tisch betreffen. Wichtig ist noch, dass wir zwar korrupt sind, aber eben nicht jeder davon weiß. Leider sind Journalisten nicht immer so bestechlich, wie wir es gerne hätten, darum hat ca. die Hälfte der Nachrichten ein Korruptionssymbol. Diese Nachricht ruft den Leuten in Erinnerung, dass wir eigentlich recht unappetitliche Körperöffnungen sind. Dies wirkt sich an verschiedenen Stellen aus, doch zum Glück haben die Zuschauer wenig Platz im Gehirn, darum zählt immer nur, was die letzten Nachrichten über einen berichtet haben. Wenn man also z.B. durch Nepotismus bei der Vergabe von Mund-Nasen-Schutz-Produktions-Aufträgen Millionen eingenommen hat, ist das schnell vergessen, weil die aktuellste Nachricht darüber informiert, dass die finnische Premierministerin tanzt.
Weitere Aktionen erlauben es, auf den Leisten der drei Wählergruppen Kapitalisten, Futuristen, und Konservative voranzuschreiten oder den Bonus des aktuellen Feldes auf selbigen Leisten zu nutzen und wieder an den Anfang zu gehen.
Dies soll zu den Aktionen für diese Besprechung genügen. Jetzt geht es um Wahlen.
Jedes Mal, wenn ein Koffer den letzten freien Platz bei einer Firma belegt, bekommt die Person, die den Koffer platzierte, zwei Stimmen in den Sack oder, falls die Person gerade als korrupt entlarvt wurde, 5 Geld. Die Koffer werden entfernt, das Firmenplättchen wird gewendet oder, wenn es bereits gewendet wurde, entfernt. Dann schreitet der Wahlmarker voran. Erreicht dieser das Ende der Wahlleiste, ist Wählen angesagt. Zunächst kommen die Workies und Brainies von den Gebäuden zurück. Dann gibt es für gute Stimmung Extra-Stimmen in den Beutel sowie Geld. Für schlechte Stimmung verlassen einen Brainies oder Workies und andere Personen dürfen Stimmen in den Sack packen.
Jetzt geht es los. Wer die Wahl ausgelöst hat, beginnt. Es werden reihum 3 Stimmen aus dem Sack gezogen, bis dieser leer ist. Dann zählen alle die Stimmen der eigenen Farbe, die gezogen wurden. Wer die meisten Stimmen hat, wird Präsidentin, die zweitmeisten reichen für den Vize, der dritte Platz geht an die L.A.M.A. (Leading Authority of Mischievous Actions) und der letzte Platz an den D.O.D.O. (Director Of Diminutive Orders). Jedes Amt schüttet sofort Punkte aus: von 25 Punkten für die Präsidentin bis zu 1 Punkt für den D.O.D.O. Während alle Stimmzettel des D.O.D.O. und L.A.M.A. zurück in den Sack wandern, verliert die Präsidentin alle Stimmen und der Vize nur einen Teil. Der Wahlmarker wandert wieder an den Anfang der Leiste, und schon kann es weiter gehen.
Jedes Amt bietet einmal pro Zug zusätzlich noch einen Vorteil: Die Präsidentin verabschiedet Gesetze, der Vize stellt sich mit den drei Lobbys gut, L.A.M.A. macht Stimmung und der D.O.D.O. sammelt Stimmen.
Wurde die letzte Firma auf den Spielplan gelegt, so bekommen alle noch einen Zug, dann werden die Punkte gezählt. Wer die meisten Punkte hat, ist vermutlich für die Notwendigkeit einen Planet C zu finden, verantwortlich.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- Witze, Easter Eggs, Anspielungen
- thematische Effekte
- interessanter Aufbau
CONTRA
- dauert recht lange
MEINUNG
Klimawandel, Umweltverschmutzung, Inflation, Zoonosen, Seuchen, die Steuererklärung, frischgebackene Eltern … Es gibt so viele Krisen auf der Erde, und wer hat sich nicht gewünscht, es gäbe eine einfache Lösung, die nur Opfer von den anderen verlangt. Planet B bietet genau diese. Einfach auf den nächsten Planeten umsiedeln und dort von vorn anfangen. Natürlich fangen wir mit dem selben Quatsch von vorn an, aber diesmal stehen wir ganz vorne beim persönlichen Vorteil. Wir haben Geld und Ambitionen für noch mehr Geld und Macht.
Okay, das hört sich jetzt nach ganz viel Geschichte an, aber Planet B ist kein Abenteuer oder Erzählspiel. Unsere Handlungen sind eher sehr typisch für Spiele in der europäischen Tradition. Wir wählen eine Firma und führen alle Aktionen aus, die diese bietet. Diese Aktionen versuchen wir so zu optimieren, dass wir zunächst Gebäude bauen, die unsere Pläne unterstützen, und dann viele Punkte erhalten, z.B. durchs Gewinnen der Wahl oder vielleicht auch durchs Bauen von fliegenden Autos.
Die relativ einfachen Teilaktionen bilden dabei aber ein interessantes Geflecht von möglichen Interaktionen. Erst wähle ich die Nachricht „Zeitexperiment“, um bei den Futuristen voranzuschreiten, dann löse ich den Gefallen ein und erhalte die Brainies, die ich zum aktivieren der Smoothie-Fabrik benötige. Da gibt es viele kleine Optimierungen, die zu tollen Zügen führen können. Der Nachteil ist, dass jeder am Zug die Möglichkeiten durchgehen muss, die sich bieten. So dauern die Züge schon mal etwas länger. Dies führt zur erhöhten Wartezeiten und einer langen Spielzeit, was mein größtes Problem mit Planet B ist: Es dauert mir zu lange, besonders in Anbetracht der vielen Unsicherheiten.
Neben dem zufälligen Aufdecken der Nachrichten und dem zufälligen Ziehen der Gebäudekarten, sind die Wahlen das stärkste zufällige Element. Einiges hängt von der zufälligen Ziehung ab, und auch wenn das Spiel das clevere System hat, dass jede Wahlschlappe einen stark in die nächste Wahl gehen lässt, fühlt sich das zufällige Ziehen in einem Spiel mit so viel Planung wie Planet B recht ärgerlich an, allerdings ist es auch eine diebische Freude zu sehen, wie jemand verzweifelt, weil alle anderen die Stimmen seiner Farbe ziehen. Da kommt es zu Emotionen am Tisch.
Die Gebäudekarten im Spiel bieten auch sehr unterschiedliche Fähigkeiten. So bringt ein Gebäude schnelle Billies, ein anderes produziert seltene Rohstoffe und wieder ein anderes macht einfach Stimmung. Am Anfang der Partie werden die Gebäude gedraftet, aber sonst sind diese zufällig, wie auch die Reihenfolge, in der Firmen das Spiel betreten. Die führt zu unterschiedlichen Spielabläufen. Ich habe jetzt zwar nicht erlebt, dass jemand eine Extrem-Strategie fahren konnte, z.B. nur Stimmen in den Sack packen und schnell die Wahl auslösen; meist mussten Punkte durch eigene Gebäude und Wahlen gewonnen werden, aber der Weg dorthin ist durch die unterschiedlichen Gebäude von Partie zu Partie anders.
Die größte Stärke von Plante B liegt auch in den vielen Karten. Die Effekte, die Gebäude oder auch Nachrichten auslösen, passen immer zur Karte. Fake News kosten Geld und bringen gute Stimmung (bei den eigenen Wählern). Für Soylent Green aus der Smoothie-Fabrik muss ein Workie oder Brainie bezahlt werden. Die Autowerkstatt kann recyceln und so Metall herstellen oder für Rohstoffe fliegende Autos bauen, was viele Punkte bringt. Die Logik der Verbindung zwischen Fähigkeit und Name eines Gebäudes zu finden ist schon eine amüsante Aufgabe. Und auch die Illustrationen und Namen der Karten stecken voller Anspielungen auf die Popkultur. So werden Plastik-Meeple aus Monopoly-Häusern gemacht. Die Immigrationsgesetze werden für die Aliens aus Mars Attacks angepasst. Der Maler mit Anspruch auf Kunstfreiheit malt außerhalb seines Bildes. Ich könnte hier vermutlich sehr viel Raum mit den Anspielungen im Spiel füllen.
Dieser Humor lässt mich schmunzeln, aber er ist nicht so im Vordergrund oder so albern, dass, nachdem das Lachen verhallt ist, Planet B gar nervig wirken würde. Wer bei zotigen Kartenspielen wie Munchkin oder Exploding Kittens beim Leprachaun und dem Rückenhaarangriff nur noch mit den Augen rollt, der wird vermutlich an Planet B trotzdem noch Spaß haben, selbst wenn der Witz abgenutzt ist. Für mich ist dies eine tolle Balance aus Scherz und Spiel.
Fazit: Planet B ist ein komplexes Spiel für Planer, die viele Zufallselemente mögen. Es nutzt hauptsächlich Arbeitereinsatz, kombiniert mit den zufälligen Wahlen. Highlights sind die vielen lustigen Anspielungen auf den Karten. Nicht so dolle ist für mich dagegen die lange Spielzeit.
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 10/10
Spielablauf: 6/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 18.04.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Hans im Glück
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