REZENSION
OBSCURIANS
- Genre: Taktikspiel
- Jahr: 2024 (Deluxe) / 2025 (Retail)
- Verlag: Funtails / HUCH!
- Autoren: Rocky Bogdanski, Kai Wetzel
- Entwicklung: Dr. Hans Joachim Höh, Maikel Cheney
- Illustration: Hendrik Noack
- Personen: 4 bis 6
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 30 bis 60 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Initiativlevel: 6/10
Mysteriöse Schattenhändler, elektrische Schafe und schlaue Schlussfolgerungen
Wir befinden uns auf einem fernen Wüstenplaneten. Als Händler, sogenannte Obscurians, treiben wir Handel mit sehr exotischen Waren der Galaxis. Jeder hat da seinen eigenen Auftraggeber, der darüber entscheidet, welche Waren wir für ihn zusammensuchen sollen, doch diese Aufträge sind für alle anderen Obscurians geheim. Können wir unsere Ziele verfolgen, ohne dass die Kontrahenten diese sabotieren und bevor der Sandsturm alles wegfegt?
REGELN
Nehmt euch jeweils ein eigenes Board in der gewählten Farbe, sowie, ebenfalls in eurer Farbe, die zehn sechseckigen Warenplättchen sowie die sechs runden Verdacht-Chips. Die Startperson erhält zudem die Karte „Wunderlampe“ und dazu das entsprechende Warenplättchen.
Mischt nun die sechs Auftragskarten zu einem verdeckten Stapel und teilt an jede Person eine zufällige Karte aus. Seht euch eure Karte geheim an! Jeder kennt nun also seinen eigenen Auftrag, aber nicht die Zuordnung der weiteren Aufträge. Alle möglichen Aufträge werden auf dem eigenen Board noch einmal in einer Übersicht zusammengefasst. Dabei geht es stets um das Zusammenstellen von Waren:
- Behalt: Belohnt am Ende möglichst viele Waren der eigenen Farbe.
- Nimm: Belohnt Sammlungen von 1 bis 5 Waren in fremden Farben.
- Sammel: Belohnt Sets aus 3 bis 5 Waren verschiedener Farben.
- Gib: Belohnt eine möglichst kleine (oder nicht mehr vorhandene) Warensammlung.
- Selektier: Belohnt viermal exakt eine vorhandene Ware einer Farbe, zudem Waren einer Farbe, die exakt zweimal vorhanden sind.
- Verlier: Belohnt es, das Spiel zu verlieren, indem das eigene Punktekonto durch eine Sammlung aus 4, 5 oder 6 Waren, eine Sammlung aus nur zwei Farben und komplett falsch eingesetzte Verdacht-Chips minimiert wird.
Aus den 13 Rundenkarten wählt ihr zunächst vier verdeckte Karten aus und mischt sie. Dann wählt ihr zwei weitere Karten aus und mischt in diese die Karte mit dem Sandsturm. Legt den Dreier-Stapel nun nach unten, den Vierer-Stapel um 90 Grad gedreht darauf.
Zu Beginn jeder Runde deckt ihr die oberste Rundenkarte auf. Sie verändert die Spielregeln der laufenden Runde (blockiert Aktionen, verstärkt sie, ermöglicht mehr Auswahl etc.).
Beginnend bei der Person mit der Wunderlampe, führt ihr nun reihum eure Spielzüge aus.
Bist du am Zug, darfst du, wenn du möchtest, zunächst beliebig viele deiner Verdacht-Chips verteilen, indem du sie den Personen am Tisch zuordnest, von denen du meinst, dass sie diesen Auftrag ausführen. Die Verdacht-Chips der Obscurians werden dann auf dem jeweiligen Board der verdächtigten Person gestapelt. Ihr könnt im Verlaufe des Spiels mehrere Chips eurer Farbe in einen Stapel spielen, zum Beispiel wenn ihr eure Meinung später noch ändert.
Im zweiten Schritt wirfst du die sechs Handlangerwürfel. Suche dir aus dem Würfelergebnis eine (!) Aktionsart aus und führe sie dann so oft aus, wie Würfel das entsprechende Symbol zeigen. Joker können optional hinzugerechnet werden (nicht jedoch für die Aktion „Verschieben“). Du kannst einen noch nicht eingesetzten Verdacht-Chip dafür verwenden, um eine beliebige Anzahl an Würfeln neu zu werfen, allerdings steht der Chip dann nicht mehr zur Verfügung.
Je nach gewählter Aktionsart führst du nun die verbundene Aktion (ggf. mehrfach) aus. Führst du eine Aktion mehrfach aus, darfst du bei jeder Einzelaktion neu entscheiden, welchen Obscurian du als Ziel dieser Aktion wählst.
- Rauben: Stiehl einem anderen Obscurian eine Ware deiner Wahl und lege sie zu deinen Waren.
- Schenken: Verschenke eine deiner Waren an einen Obscurian deiner Wahl.
- Tauschen: Tausche eine Ware aus deiner Sammlung mit einer beliebigen Ware eines anderen Obscurians.
- Verschieben: Tausche je eine beliebige Ware eines gegnerischen Obscurians mit einer beliebigen Ware eines anderen gegnerischen Obscurians.
- Sichern: Lege pro Würfelsymbol (zwei Schlösser) zwei Waren aus deiner Sammlung bis zu deinem nächsten Spielzug in den Safe unter dein Board. Diese Waren sind vor sämtlichen Aktionen geschützt. Hast du acht Schlösser (also viermal das Würfelsymbol) vor dir liegen, sicherst du alle Waren, die vor dir liegen, mit einer „Handelssperre“, die erst im nächsten eigenen Spielzug wieder entfernt wird. Bei einer Handelssperre kannst du auch keine Waren erhalten.
- Joker: Zählt optional als Rauben / Schenken / Tauschen / Sichern.
Am Ende deines Spielzuges gibst du die Würfel weiter an die nächste Person. Wart ihr alle einmal am Zug, wird die Person, die nun das Warenplättchen mit der Wunderlampe besitzt, neue Startperson der nächsten Runde.
Gespielt werden auf jeden Fall 4 Runden. Ab der fünften Runde kommt der Dreier-Stapel der Rundenkarten ins Spiel, in den der Sandsturm eingemischt wurde. Wird der Sandsturm aufgedeckt, endet das Spiel und es erfolgt die Schlusswertung:
- Dreht den Stapel mit den Verdacht-Chips auf eurem Board komplett auf die Rückseite und handelt jeden platzierten Chip nun der Reihe nach ab. Ein falscher Tipp wird aussortiert und bringt 0 Punkte, der erste richtige Tipp bringt der jeweiligen Person 10 Punkte, der zweite richtige Tipp bringt 5 Punkte und der dritte richtige Tipp immerhin noch 2 Punkte. Weitere richtige Chips bringen keine Punkte mehr.
- Wer sämtliche Kontrahenten korrekt eingeschätzt hat, erhält einen 8-Punkte-Bonus.
- Wer es geschafft hat, die Konkurrenz so zu verwirren, dass kein einziger Verdacht-Chip auf dem eigenen Board korrekt eingesetzt wurde, erhält ebenfalls einen 8-Punkte-Bonus.
- Wer die Wunderlampe besitzt, erhält weitere 5 Punkte, wer hingegen das „verfluchte Artefakt“ besitzt (ein Warenplättchen, das durch eine Rundenkarte ins Spiel gelangen kann), verliert 5 Punkte. Beide Spezialwaren zählen zwar als Waren, nicht aber zu den Farbwertungen der Obscurians hinzu; sie besitzen quasi keine Farbe.
- Wertet zudem nun euren eigenen individuellen Auftrag und erhaltet entsprechend die Punkte, die ihr euch über eure eigene Warensammlung erspielt habt.
Wer nun die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt, es sei denn, derjenige mit dem Auftrag „Verlier“ besitzt tatsächlich die wenigsten Punkte. In diesem Fall gewinnt dann die Person mit dem „Verlier"-Auftrag.
Hinweis: Auf den Fotos seht ihr die normale Retail-Version des Spiels. Es gibt auch eine Deluxe-Version.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- Mix aus taktischem Set Collecting und Deduktion
- schöne Ärger- und Spannungsmomente
- tolle Gestaltung und wertiges Spielmaterial
CONTRA
- nötige Personenanzahl schränkt die Zielgruppe ein
- mit viel Würfelpech bleiben eigene Aufträge teilweise schwer zu knacken
MEINUNG
Obscurians wurde uns vor einigen Jahren bereits von einem der beiden Autoren, Rocky Bogdanski, bei unserem SPIELKULT-Spieletreff als Prototyp vorgestellt, damals noch mit einem gänzlich anderen Thema, denn wir tauschten farbigen Federschmuck untereinander aus. Im finalen Spiel wurde das Setting nun auf einen fernen Wüstenplaneten verlegt, die Federn wurden zu skurrilen Waren (ich sage nur: elektrisches Schaf), wir selbst zu mysteriösen Schattenhändlern, und ja, mir gefällt diese düstere, geheimnisvolle Spielumgebung. Die Gestaltung des Spiels ist sehr ansprechend, das Material zudem hochwertig.
Spielerisch scheinen wir uns dann wirklich auf einem Basar zu finden, denn die Waren, die wir da als Händler so vor uns liegen haben, wandern von einem Obscurian zum anderen, bezahlt werden müssen sie lediglich mit passenden Würfelsymbolen, die Konkorrenz kann sich (meistens) nicht dagegen wehren, neue Waren zu erhalten, bestohlen zu werden oder Waren tauschen zu müssen. Einzig die Aktion „Sichern“ kann einem dabei helfen, bestimmte Plättchen zu schützen, vielleicht sogar alle, aber halt auch immer nur bis zum nächsten Spielzug. Von daher ist da immer viel Dynamik im Spiel.
Warum aber sollte ich meine Waren verschenken? Warum sollte ich vielleicht sogar zwei fremde Obscurians Waren tauschen lassen? Ganz einfach, weil ans eigene verdeckte Set Collecting noch eine Deduktionsaufgabe geknüpft ist. Anhand dessen, was die Kontrahenten an Waren sammeln (oder eben nicht), gilt es, Rückschlüsse auf den geheimen Auftrag jeder Person zu ziehen, dessen richtige Einschätzung am Ende honoriert wird. Da man auch stets den Verdacht-Chip des eigenen Auftrages verteilen darf, lässt sich hier auch gut bluffen. Überhaupt geht es darum, die Konkurrenz gerade anfangs auch gezielt in die Irre zu führen, damit sie idealerweise verkehrte Verdächtigungen platziert.
Den eigenen Auftrag bestmöglich zu erfüllen, ist dabei allerdings nicht immer so leicht. Eine ideale Sammlung kann schnell zerstört werden, wenn uns Waren abhanden kommen oder wie zusätzliche Waren erhalten, die wir gar nicht haben möchten. Gerade die letzte Person in der Reihenfolge kann in der letzten Runde da tatsächlich noch einiges durcheinanderwirbeln. In der Hinsicht scheint es so, als sei insbesondere der „Verlier"-Aufrag, auch der „Gib"-Auftrag recht schwer zu meistern. Bei „Gib“ möchte ich beispielsweise viele Waren loswerden. Wenn ich dann wiederholt nur „Raub"-Symbole in großer Anzahl werfe oder mich gar die aktuelle Rundenkarte, die ja immer eine interessante Abwechslung in den Ablauf bringt, dazu zwingt, alle Würfelergebnisse verwenden zu müssen, dann kann ich manchmal auch nur verzweifelt zusehen, wie meine Sammlung wächst statt schrumpft. Gerade dann sollte ich dringend anderweitig Punkte sammeln, nämlich über das Deduktionselement. Wer da schneller ist als die Konkurrenz, erhält für richtige Tipps auch mehr Punkte; Punkte, die die Person mit dem „Verlier"-Auftrag keinesfalls haben möchte. Wer verlieren möchte, muss umdenken, und absichtlich „falsch“ raten, was auch schwieriger sein kann, als man vielleicht denkt.
Ein nicht ganz unbedeutender Faktor bei Obscurians ist die Personenanzahl, die am Spiel teilnimmt. Idealerweise würde ich Obscurians in Vollbesetzung spielen, da dann alle Aufträge im Spiel vorhanden sind. Mit vier Personen fehlen halt einfach zwei Aufträge, was den Punkte-Bonus für das richtige Zuordnen der Verdacht-Chips zwar erleichtern kann, aber andererseits ist die Dynamik dann auch ein wenig abgeschwächter, denn insgesamt werden weniger Waren getauscht. Das ist dann persönliche Geschmackssache, was einem an dieser Stelle lieber ist. Fest steht: Vier Personen sind Pflicht, um Obscurians überhaupt spielen zu können, was die potenzielle Zielgruppe natürlich ein wenig einschränkt.
Fazit: Wer gern in Gruppen mit vier bis sechs Personen spielt und dem Mix aus taktischem Sammeln, Set Collecting und eben auch Deduktion etwas abgewinnen kann, der erhält mit Obscurians ein schön ausgestattetes Spiel, das ich sehr kurzweilig und auch spannend finde, das zudem schnell erklärt und flott gespielt ist. Für mich sehr gut, 8 Kultpunkte!
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/Xoqbhnn5QCE
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 22.03.2025
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Funtails / HUCH!
Weitere Fotos: Spielkultisten