REZENSION

NOCTURNE

  • Genre: Familien- / Taktikspiel
  • Jahr: 2024, deutsche Version: 2025
  • Verlag: AEG / Flatout Games, deutsche Version: KOSMOS
  • Autor: David Iezzi
  • Grafik: Beth Sobel
  • Spieler: 1 bis 4
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 6/10

Wie viel und vor allem wo?

Im Wald sammeln die Fuchsmystiker magische Zutaten durch mächtige Magie im Mondlicht. Erhältst du die besten Zutaten durch geschicktes Überbieten und Ausmanövrieren, und verwandelst du sie in die meisten Punkte?

REGELN

In Nocturne bieten wir auf die ausliegenden Objektplättchen mit unseren Zaubermarkern, aber es zählt nicht nur der Wert der Marker, sondern auch, wo sie platziert werden, denn mit jedem Gebot ändert sich das Plättchen, auf das geboten wird.

Zur Vorbereitung mischt ihr alle Plättchen und legt davon offen ein Raster aus, dessen Größe von eurer Personenzahl abhängt, z.B. 5 mal 5 Plättchen bei 4 Leuten. Jeder sucht sich einen Fuchs-Charakter aus und nimmt sich die Holzmarker (das sind die Zaubersprüche) der gewählten Farbe. Zudem erhält jeder eine geheime Start-Mixturenkarte; zu den restlichen Vorbereitungen komme ich später.

Ihr versucht in zwei Phasen, Dämmerung und Mondlicht, Objekte so zu sammeln, sodass diese euch bei ihren verschiedenen Wertungen möglichst viele Punkte bringen.

Du beginnst als Startperson, indem du einen deiner Marker auf eines der Plättchen legst. Reihum kommen nun die anderen dran. Wenn du am Zug bist, musst du dich entscheiden, einen Marker mit einem höheren Wert auf ein orthogonal benachbartes freies Plättchen zu legen oder zu passen. Wer passt, ist für diese Versteigerung raus. Haben alle gepasst, so gewinnt der zuletzt gelegte Marker das Plättchen darunter. Nimm dir das Plättchen und lege es in deine Auslage. Jetzt nimmt jeder alle Marker, die überboten wurden, zurück in den eigenen Vorrat, wobei alle, außer die Person, die gerade das Plättchen genommen hat, einen dieser Marke auf das Waldgeist-Tableau legen dürfen.

Auf dem Waldgeist-Tableau werden abgelegte Marker nach ihrem Wert absteigend einsortiert. Liegen dort bereits Marker, werden die neuen Sprüche entsprechend einfach dazwischen, dahinter oder davor gelegt. Bei gleichem Wert zählen schon liegende Marker als höher.

Wenn du die Auktion gewonnen hast, nimmst du dir das Plättchen unter deinem Marker und legst den Marker mit der Rückseite nach oben auf das leere Feld. Die meisten Plättchen werden erst am Spielende gewertet. Die verfluchten Truhen hingegen lassen dich sofort drei Plättchen vom Stapel ziehen und du darfst eines davon behalten. Die Runensteine lassen dich drei Mixturenkarten ziehen und eine davon behalten.

Hast du ein Plättchen gewonnen, so beginnst du die nächste Auktion auf einem Plättchen benachbart zu dem gerade genommenen Plättchen. Legst du beim Eröffnen einer Auktion deinen ersten Marker auf ein Plättchen ohne benachbarte Plättchen, kann dich niemand überbieten. Das ist dann ein "isoliertes Plättchen". Gewinnst du so ein Plättchen, darf dein linker Nachbar eine neue Auktion an beliebiger Stelle beginnen.

Du solltest auch auf die Dämmerungs-Ziele achten. Diese Karten bekommt, wer sie als erster erfüllt. Es geht dann darum, wer beispielsweise das erste isolierte Plättchen erhält, wer bestimmte Plättchen besitzt oder vorgegebene Formationen im zentralen Raster gelegt hat.

Sind alle Plättchen versteigert, oder möchte niemand mehr die ausliegenden Plättchen sammeln, endet die Dämmerung. In absteigender Reihenfolge bekommt nun jeder für jeden eigenen Marker auf dem Waldgeist-Tableau ein Plättchen von eben diesem Board (vor Spielbeginn belegt). Befinden sich noch Marker im eigenen Vorrat, gibt es dafür mächtige Schatten-Marker.

Nun sammeln alle wieder ihre Marker ein. Neue Plättchen werden ins Raster gelegt und das Waldgeist-Tableau wird mit neuen Plättchen bestückt. Jetzt werden auch die Nacht-Ziele aufgedeckt. Diese gelten am Ende für alle. Die Ziele geben Punkte, wenn eigene Marker, mit denen Plättchen genommen wurden, bestimmte Muster bilden oder auf bestimmten Positionen liegen.

Auch im zweiten Durchgang versteigert ihr wieder alle Plättchen der Auslage. Ist diese leer, gibt es Punkte. Jede Plättchenart bietet unterschiedliche Wertungen. Feuerfedern geben mehr Punkte, je mehr Federn ihr habt. Schädel geben eine feste Punktezahl. Pilze geben Punkte für bestimmte Setgrößen. Kräuter geben Zusatzpunkte für verschiedene Kräuter in eurer Sammlung.

Auf euren Plättchen findet ihr außerdem Symbole, welche ihr zum Erfüllen eurer Mixturenkarten benötigt. Diese Karten bieten Punkte, wenn ihr die darauf abgebildeten Symbole besitzt, wobei jedes Symbol nur für eine Zubereitung verwendet werden kann.

Vergesst nicht die Punkte für die Dämmerungs- und Mitternachtsziele plus ein paar Pünktchen für übrige Sprüche. Spielt ihr in der Fortgeschrittenen-Version, hat euer Charakter eine einmalige individuelle Fähigkeit. Wurde diese bis zum Spielende nicht verwendet, gibt es zwei Extrapunkte.

Besitzt du jetzt die meisten Punkte, bist du scheinbar nachts im Wald gut aufgehoben.

Neben einer abgespeckten Familien-Variante gibt es zudem eine Solo-Variante. Die Anleitung offeriert zudem noch einige Szenarien und Herausforderungen.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • origineller Bietmechanismus
  • optionale Familienspiel-Variante
    hübsche Gestaltung


CONTRA

  • zu zweit erhöhter Glücksfaktor

MEINUNG

Nocturne in einem Satz zu beschreiben, ist gar nicht so leicht. Wenn ich sage, dass es eine Kombination aus Biet- und Legespiel ist, dann denken alle eher an Isle of Skye. Sage ich, es ist ein Bietspiel, denken die Leute auch eher an so etwas wie Funkenschlag oder Modern Art. Beide Vergleiche treffen das Gefühl von Nocturne nicht.

Wir kombinieren hier das Bieten auf die Plättchen mit der Tatsache, dass beim Überbieten das Plättchen gewechselt wird. Die Plättchen sind dabei in einem Raster, der Wechsel des Objekts der Begierde darf nur in orthogonalen Schritten passieren. Das Spiel fühlt sich damit fast eher an wie ein klassisches Legespiel oder vielleicht ein Area-Control-Spiel. Dieser Mix ist einfach schwer zusammenzufassen.

Wenn ihr Nocturne einmal mitgespielt habt, ist das recht simpel zu verstehen, aber die Konsequenzen sind interessant. Nicht nur der gebotene Wert, sondern auch die Position im Raster verändert sich mit jedem Gebot. Auf einmal bietet ihr sehr hoch, einfach damit ihr die nächste Auktion beginnen dürft. Vielleicht gelingt das sogar mit einem isolierten Plättchen, also einem Plättchen, das euch niemand streitig machen kann. Oder ihr bietet niedrig in der Hoffnung, jemand bietet höher und bewegt sich dabei in Richtung eines bestimmten Plättchens. Es gab da mehrere Situationen, bei denen ich mich recht clever gefühlt habe.

Der Mechanismus ist gewitzt und fühlt sich eben nicht wie ein klassisches Bietspiel an. Wie bei vielen Bietspielen, versuche ich am Anfang einfach Schnäppchen zu machen, und wenn dann deutlich wird, wo die Reise hin geht, greife ich gezielt Plättchen durch hohe Gebote ab. Aber im Gegensatz zu klassischen Bietspielen, geht es hier manchmal mehr darum, wo ein Gebot abgegeben wird.

Wie bei anderen Spielen, in denen Plättchen oder Karten ausgelegt werden, gibt es auch bei Nocturne die Unsicherheit, dass, bei sinkender Anzahl von Personen am Tisch, auch die Anzahl der Plättchen, die aufgedeckt werden, sinkt. Damit wird der Einfluss des Zufalls größer. Wenn du z.B. Feuerfedern sammeln möchtest, könnte es vorkommen, dass zur Nacht gar keine aufgedeckt werden. Das macht es etwas schwieriger, strategisch zu spielen, aber normalerweise gibt es immer etwas Lukratives abzugreifen.

Durch die verschiedenen Ebenen für Punkte, nämlich Ziele, Mixturen und die Plättchenwertung, kann es schon passieren, dass jemand das Spiel mehr analysiert, als es Nocturne guttut. Wird die Spieldauer von den vorgesehenen 45 Minuten auf über 90 gestreckt, kann das Spiel diese halt nicht tragen. Aber es kann auch recht flott gehen.

Wer gerne etwas mehr Anspruch möchte, kann die individuellen Fähigkeiten der verschiedenen Spielerfarben nutzen. Diese lassen euch die Auslage oder die Reihenfolge des Waldgeist-Tableaus verändern oder auch Marker zurücknehmen. Nutzt du deine Fähigkeit nicht, so gibt dies dann zwei Punkte am Ende des Spiels. Das ist nett, aber keine große Veränderung.

Was mit da schon besser gefällt, ist das Familienspiel. Dort werden ein paar Elemente aus dem Spiel entfernt, nämlich die Zielkarten und das Waldgeist-Tableau. Dann können sich alle darauf konzentrieren, die Plättchen für ihre die darauf zu sehende Wertung zu holen, und es müssen nicht noch weitere Aspekte beachtet werden. Der spannende Kern von Nocturne bleibt dabei erhalten, aber die Aufgabe, zu entscheiden, welches Plättchen wertvoll und welches weniger wertvoll ist, ist leichter geworden. Gerade richtig, wenn ihr mit jüngeren Personen spielen möchtet. Dann wäre sicher auch schon ein Spielen ab 10 Jahren möglich.

Kinder werden sich, genau wie alle Erwachsenen, an den schönen Zeichnungen und Abbildungen auf dem Spielmaterial erfreuen. Die deutsche Anleitung ist soweit gut verständlich und klärt weitestgehend auch die Fragen, die in der englischen Version aufgrund einiger schwammiger Details im Raum standen.

Freunden von Bietspielen möchte ich Nocturne als ganz neue Erfahrung auf jden Fall ans Herz legen, und Personen, die Bietspiele bislang nicht mochten, möchte ich Nocturne als ungewöhnliche Variante empfehlen, damit sie ihre Antipathie endlich überwinden können.


VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/lpU5WPKCuF0

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 9/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 08.12.2024, überarbeitet am 01.02.2025

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS / AEG / Flatout Games
Weitere Fotos: Spielkultisten