REZENSION

NEUSTART

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: Spieltrieb
  • Autoren: Herbert Saurugg, Nicole Zeller, Till Meyer
  • Grafik: Christian Opperer
  • Spieler: 2 bis 8 (oder 2 bis 5 Teams)
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: 90 bis 180 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 8/10

Gutes Krisenmanagement gesucht!

Seid ihr in der Lage, den Katastrophenfall zu managen? Im eigenen Haushalt meist ja, aber was bedeutet ein Stromausfall für eine ganze Stadt? Im kooperativen Spiel, entwickelt in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge, kann man nun mögliche Probleme entdecken und gemeinsam Lösungen finden.

REGELN

Erste Informationen: Egal, in welcher Gruppenstärke gespielt wird: Alle beteiligten Parteien spielen mit und werden nur speziell unter den Teilnehmern verteilt. Gespielt werden kann bei größerer Spielerzahl auch in Teams. Schließlich gilt es, Schlimmeres zu verhindern.

Folgende Aktionsparteien gibt es: Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienst, Bauhof und Verwaltung. Sie alle gehören automatisch zum kommunalen Krisenstab.

Für den Stadtaufbau gibt es 15 Hex-Felder, die beliebig zusammengesetzt werden können. Für den Einstieg empfiehlt sich das Einstiegsszenario. Später lohnt es sich, auch mal langgezogene, schmale Städte oder andere Formen auszuprobieren.

Ein Hex-Feld zeigt: 

  •  den Namen des Stadtteils und dessen Zuordnung (Innenstadt, Vorort, Gewerbegebiet)
  •  einen Gewerbebetrieb, der teilweise Ressourcen beinhaltet
  •  einen Platz für Info-Marker
  •  städtische Einrichtungen, z.B. die Feuerwehr
  •  mehrere Häuser (hier können Brand- oder Ruinenmarker landen)
  •  einen Suchplatz, an dem man Ressourcen suchen und finden kann
  •  einen Platz für die Selbsthilfe-Basis
  •  ein Vorratsfeld
  •  mehrere Bedarfsfelder (sie müssen am Ende einer Runde immer gefüllt sein; ohne Essen warten neue Probleme. Notstromaggregate helfen, Nahrung zu sparen)
  •  einen Platz für Problemmarker (Unruhe, Aufstand) 
  •  und Freiflächen für Fahrzeuge und weitere Problemmarker (Vorfälle, Krankheiten, Tote…)


Die Depot-Tafel gehört zur Verwaltung. Hier können Vorräte gelagert und verteilt werden.

Jeder Spieler nimmt sich nun „seine“ Akteur-Tafel(n) und deren Fahrzeuge. Auch jede Tafel beinhaltet verschiedene Informationen:

  •  Akteur-Name und Akteur-Farbe 
  •  Aktuelle Aktionspunkte mit Markierungs-Chip (erschöpfte Parteien können nicht mehr arbeiten und müssen sich erst erholen vor den nächsten Aufgaben) 
  •  die Ressourcen-Leiste / Platz für Treibstoffkanister - ohne Treibstoff keine Bewegung
  •  die Kompetenz-Tabelle: Hier kann man nachlesen, was die Akteure wo besonders gut können, d.h. welche Aktionen besonders leichtfallen, also weniger Aktionspunkte kosten)


Im Vorrat bleiben Nahrung (Brot), Kanister, Kisten (braune Würfel), Informationsmarker, Merk-Marker für noch offene Aufgaben, Notstrom-Marker, Suchmarker, Würfel, grüne Häuser als „Selbsthilfe-Basis“, Ereignismarker (Brand, Krankheit, Vorfall), Todesmarker, grüne Helfer-Figuren, Problem-Marker (Unruhe, Aufstand) und schwarze Öltonnen. Beim Aufbau der Stadt werden verschiedene Güter nach Anleitung in den Stadtgebieten verteilt. Ressourcen sind meist noch irgendwo vorhanden, man muss sie nur finden.

Ein Timer wird benötigt, da dem gesamten Team nur eine bestimmte Zeit zum Entscheiden bleibt. Er liegt nicht bei, also am besten das Smartphone verwenden.

Zuletzt werden die Karten angepasst. Einstiegskarten (E) und Ereigniskarten (T) sind an die Wochentage angepasst und werden je nach Szenario einzeln gezogen. Auf der Vorderseite zeigen sich die Grundinformationen, die Rückseite erklärt dann das Ereignis, die Problem-Entwicklung sowie Strafe oder Belohnung. Grüne Karten gelten als positive Ereignisse und rote Karten sind, nun, nicht gut ...

Gespielt wird mehrere Tage lang (Montag bis Sonntag). Jeder Wochentag ist in zwei Zeiteinheiten unterteilt: Tag und Nacht. Jede Zeiteinheit wird in genau 7 Minuten (Timer) bemessen. Ziel ist es, die Stadt nach dem Stromausfall am Montag mit so wenig Schäden wie möglich über die Tage des Stromausfalls zu führen. Am Ende gibt es Punkte für erfolgreiche Aufgaben und Punktabzug für nicht verhinderte Ereignisse. Es sollte also gut überlegt werden, was wann erledigt werden sollte.

Grundregeln:

  •  Jede Bewegung von Stadtfeld zu Stadtfeld kostet einen Treibstoff.
  •  Aktionen können nur von den Teams ausgeführt werden, die anhand der Kompetenzleiste dazu in der Lage sind. 
  •  Aktionen können nur von den Teams ausgeführt werden, die noch ausreichend Aktionspunkte besitzen.
  •  Teams können Probleme gemeinsam lösen.
  •  Genutzte Fahrzeuge werden auf die Seite gelegt, um deren Abarbeitung anzuzeigen. 
  •  Teams können jederzeit entscheiden, in der nächsten Zeiteinheit ausruhen zu wollen, um die Aktionspunkte, mittels blauem Würfel, wieder aufzufüllen.


Das Spiel beginnt am Montag mit der Einstiegskarte. Ab dann wird den Karten gefolgt. Die Kartentexte werden vorgelesen und die entsprechenden Marker entsprechend den Anordnungen verteilt.

Dabei folgt der Tag immer einem genauen Ablauf:

  •  Zwei Ereigniskarten des entsprechenden Tages werden aufgedeckt und vorgelesen (ggf. werden Marker verteilt).
  •  Der Timer wird auf 7 Minuten gestellt und gestartet.
  •  Aktionen werden ausgeführt: Notwendiges ausführen (Brände löschen, Krankheiten heilen…) / Freiwillige Aktionen (Selbsthilfe-Basen errichten, Waren sicherstellen, Informieren…) 
  •  Bedarfsfelder mit Nahrung bestücken, entweder aus dem Depot oder dem Viertel selbst
  •  Sobald der Timer endet, endet auch die Zeiteinheit (Tag).
  •  Es ist Zeit, die Teams wieder aufzurichten (insofern sie sich nicht erholen wollen).
  •  Nun werden noch die Ereignismarker überprüft. Alle nicht abgearbeiteten Probleme können Folgeprobleme verursachen.


Es folgt die Nacht:

  •  Zwei Ereigniskarten der entsprechenden Nacht werden aufgedeckt und vorgelesen (ggf werden Marker verteilt).
  •  Der Timer wird auf 7 Minuten gestellt und gestartet.
  •  Aktionen ausführen (siehe Tag)
  •  Sobald der Timer endet, endet auch die Zeiteinheit.
  •  Es ist Zeit, die Teams wieder aufzurichten (insofern sie sich nicht erholen wollen).
  •  Nun werden noch die Ereignismarker überprüft usw.


Das Ende eines Wochentags beinhaltet eine kleine Zwischenwertung, bei der die Spieler schon verlieren, wenn Aufstände in mindestens vier Stadtvierteln liegen.

Das Spiel wird für den nächsten Tag vorbereitet:

  •  Informationsmarker werden gedreht oder entfernt
  •  die Versorgung der Viertel wird überprüft (gefüllte Bedarfs-Felder) und Felder werden geleert
  •  Problemmarker werden geprüft (Kranke versterben, Brände werden zu Ruinen, es entstehen Unruhen)
  •  Unruhe-Marker werden gezählt, ggf. Ende des Spiels


Ab Donnerstag werden zusätzlich die Würfel geworfen, um zu ermitteln, ob sich vielleicht doch gerade die Stromversorgung wieder einstellt.

Das Spiel endet, wenn ...

  • der Strom wieder da ist (Spiel gewonnen).
  • in vier oder mehr Vierteln Unruhen und Aufstände liegen (Spiel verloren).
  • die Selbsthilfe-Basis im Rathausviertel zerstört wird (Spiel verloren).


Haben die Spieler das Spiel gewonnen, gibt es eine Wertungstabelle, anhand deren Punktvergabe sie ihre eigene Leistung abmessen können. Auch Minuspunkte sind möglich, allerdings sollten die Spielenden dann noch einmal darüber nachdenken, ob sie für Krisenmanagement geeignet sind.

 GALERIE

Anklicken / Antippen für Komplettansicht 

CHECKPOINT

PRO

  • Szenario aus der heutigen Lebenswirklichkeit
  • interessante kooperative Entscheidungen
  • gutes Spielmaterial


CONTRA

  • Langzeitreiz etwas eingeschränkt

MEINUNG

Kein Strom mehr, was nun? Einmal mehr kommt das Thema „Stromausfall“ zum Tragen, hier in Neustart relativ sicher hergeleitet: der Energiekollaps einer ganzen Stadt, durch wachsende Energie-Ansprüche bei zunehmenden Einschränkung der Energiebereitstellung durch Umwelteinflüsse und Sicherheits-Automatismen.

Doch Entstehung hin oder her, der Strom ist weg. Welche Probleme erwartet ihr? Könnt ihr erfolgreiche Maßnahmen erkennen und durchführen, um die Stadt durch stromfreie sieben Tage zu führen? Bereits im eigenen Haushalt ist das schwierig: Haben wir genug Essen im Haus? Was muss zuerst verbraucht werden, da der Kühlschrank nicht mehr funktioniert? Kein Fernsehen, nach spätestens ein oder zwei Tagen kein Smartphone mehr - also auch keine Notrufe möglich. Ach so, der Herd geht ja auch nicht, also kaltes Essen. Und die Heizung? Die geht auch nicht. Das alles mag vielleicht 3 Tage noch gut gehen. Dann aber beginnen wir die Nachbarn mit einzubeziehen. Was aber, wenn die das gleiche Problem haben?

Normalerweise fangen wir beizeiten an zu schimpfen, auf Recht und Gesetz und den Staat mit seiner Fürsorgepflicht. Aber würden wir uns bei größeren Katastrophen schließlich auch an Aufständen beteiligen? Leben will schließlich jeder. Was passiert, wenn man uns erklären würde, was passiert ist und was unternommen wird? Kurz gesagt, die Spieler erhalten in diesem Spiel die Möglichkeit, kreativ und gefahrlos gemeinsam über Ernstfälle nachzudenken. Die gemeinsame Aufgabe besteht darin, eine ganze Stadt eine Woche lang im Katastrophenfall vernünftig zu organisieren und das Überleben der Menschen zu sichern. Dabei lernen die Spieler die Beteiligten und die Möglichkeiten eines realen Krisenstabes kennen und für die eigene Gruppe Strategien zu entwickeln.

Das Material ist dabei reichlich und qualitativ hochwertig. Die Regeln sind ebenfalls recht bald verständlich, allerdings sollte ein Spieler diese vorher schon mal gelesen und verstanden haben. Wichtig: Lasst jeden reden! Wie bei allen Koop-Spielen zeigen sich schnell einzelne sehr dominante Spieler. Das kann zwar den Spielsieg verstärken, ermöglicht aber auch ein Verstecken anderer.

Der Ablauf ist dabei gut durchdacht und logisch strukturiert. Allerdings bleibt er grundlegend in den Folgerunden gleich. So können starke Strategien (Grundlagen erkannt und umgesetzt) rasch und erfolgreich durchgesetzt werden. Hier ist es zwar möglich, durch Ereignisse und schwierigere Stadtplanung die Spieltiefe zu erhöhen, doch der Langzeitspielreiz sinkt bei gleicher Gruppe dann doch. Allerdings sollte, meiner Meinung nach, wirklich jeder das Spiel einmal gespielt haben, um verschiedene Aspekte im Katastrophenfall zu verstehen. Mir sind beispielsweise schnell und sicher funktionierende Verwaltungen und Bauhöfe ebenso lieb und teuer geworden wie Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei.

Das Fazit in den Testgruppen: Spannende Spielumsetzung bei funktionierender Mechanik – aber eher als Event oder nur gelegentlich. Beim ersten Spiel (oder in losen Abfolgen mit größeren Pausen) sehr gute 8 Kultpunkte. Wer hingegen ein Strategiespiel sucht, das immer wieder auf den Tisch kommen kann, der wird bei Neustart vermutlich nach kürzerer Zeit funktionierende Sieg-Strategien entwickelt haben, was den Langzeitreiz entsprechend einschränkt (6 Kultpunkte). Auf jeden Fall aber super, um erfahrbar Wissen zu vermitteln und sich recht realistisch mit dem Thema Krisenmanagement auseinanderzusetzen.

KULTFAKTOR: 8/10

KULTFAKTOR bei häufigem Spiel in der selben Gruppe: 6/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10

EURE REZENSENTIN

GABI

 (ehemaliges Team-Mitglied)

 

Immer-und-Überall-Spielerin, Spieleberaterin, Krankenschwester

Eine Rezension vom 23.06.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Spieltrieb
Weitere Fotos: Spielkultisten