REZENSION

MEEPLE LAND

  • Genre: Familienspiel
  • Jahr: 2020
  • Verlag: Blue Orange (EU) / im Vertrieb von Asmodee
  • Autoren: Cyrille Allard, Frédéric Guérard
  • Grafik: Tomek Larek
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 - 60 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Initiativlevel: 7/10

Unser Park soll größer werden

Der Traum vom eigenen Freizeitpark wird endlich erfüllt. In diesem Spiel errichten wir diverse Fahrgeschäfte, sonstige Attraktionen, Geschenk-Shops, Imbissstände und - Hygiene muss sein - Toiletten, immer an die Wünsche unserer Besucher angepasst, die in Bussen zu uns herangekarrt werden! 

REGELN

Na, da geht das Herz eines Bauplaners doch auf: Vor jedem von uns liegt ein leeres Grundstück - einfach nur grüne Wiese, auf der wir uns so richtig austoben können. Ausgestattet mit einer finanziellen Förderung von 15 fiktiven Dollar in Runde 1 (plus eventuelle Extra-Taler für die, die erst nach dem Startspieler an die Reihe kommen) besuchen wir nun reihum den Markt für Freizeitpark-Attraktionen und sonstige passende Immobilien. Von den gemischten Plättchen werden uns je 5 kleine, 5 mittlere und 3 große in zufälliger Auslage angeboten. 

Wer an der Reihe ist, nimmt nun etwas Geld in die Hand, um ein Plättchen zu erwerben. Der individuelle Preis ist nicht zu übersehen, er ist immer direkt auf dem Plättchen aufgedruckt. Natürlich sind große Attraktionen teurer als ein Toilettenhäuschen. Und schon wechselt das Geld den Besitzer und landet wieder in der Bank, wobei ich als Spieler mein Plättchen direkt auf mein Grundstück baue, zunächst angrenzend ans Eingangstor, später immer angrenzend zu bereits liegenden Plättchen. Dabei muss sich stets mindestens ein Weg fortsetzen. Wege dürfen aus dem Park führen bzw. unvollendet bleiben, einzig Sackgassen kosten uns am Ende Beliebtheit, denn unsere Besucher sind ein wenig lauffaul. 

Damit wir nicht den Überblick verlieren und unseren Park möglichst variantenreich gestalten, sollten wir auf unserem eigenen Spielzettel immer die gerade gebaute Attraktion ankreuzen. Natürlich kann ich meinen Park auch nur mit Achterbahnen des selben Typs zupflastern, allerdings ist das eher schlecht für die finale Beurteilung; da wird dann einfach gern viel Verschiedenes gesehen. 

Jede Attraktion gibt bereits ihre Zielgruppe vor. Besucher gibt es in vier verschiedenen Kleidungsfarben - blaue und grüne, sowie gelbe und pinkfarbene. Lustigerweise sind die gelben und pinkfarbenen Meeple am Spielende emotionaler als die blauen und grünen, heißt: sie bringen mehr Punkte, kosten aber auch mehr Minuspunkte, wenn wir sie nicht zufriedenstellen. Eine Risiko-Abwägung also. Und so mancher Besucher wird sich nur auf einer Attraktion vergnügen, wenn er direkt angrenzend seinen Wunsch-Service vorfindet, er also Geschenke oder Hamburger kaufen oder auf die Toilette gehen kann. So sollten wir diese Wünsche ernst nehmen, und entsprechende Gebäude direkt angrenzend zur Attraktion errichten, heißt: auf direktem Weg unmittelbar verbunden. 

Kann oder möchte ich nichts mehr bauen, passe ich. In diesem Fall lenke ich meinen Blick auf den Parkplatz, auf dem vor jeder Runde ein Bus mehr wartet, als Spieler teilnehmen. In jedem Bus sitzen mehrere Besucher-Meeple, so wie auf der Bus-Karte angegeben. Passe ich also, suche ich mir einen Bus aus und hole die entsprechenden Meeple vor meinen Park-Eingang. Von hier aus gewähre ich ihnen nun Einlass - und zwar auf farblich passende Felder meiner Attraktionen. Gibt es da einen Sonderwunsch, so muss dieser erfüllt sein, bevor sich hier ein Besucher niederlässt. Praktisch sind die Springbrunnen. Auch sie gelten als Attraktion und locken jeweils einen beliebigen Besucher an, quasi als Joker. 

Haben alle Spieler gepasst und einen Bus gewählt, endet die Runde. Neue Busse werden ausgelegt, der Rundenmarker wandert ein Feld weiter. Insgesamt werden 4 Runden gespielt, wobei es in jeder Runde immer 5 Dollar weniger finanzielle Zuschüsse gibt. In Runde 4 handeln wir komplett autonom. Geld verdienen wir mit Besuchern in unserem Park. Da zahlt jeder Besucher nämlich 1 Dollar plus eventuelle Zusatz-Dollar, wenn ein entsprechendes Besucher-Feld (mit einem Dollar-Zeichen nebendran) belegt wurde.

Während ich die Besucher jederzeit umgruppieren darf, behalten die Plättchen stets ihren Platz. Sollte mir der Platz nicht ausreichen, so kann ich mir für 6 Dollar einen Grundstückanbau kaufen. Sollte ich zudem aufgrund dusseliger Planung mein Wegenetz so gebaut haben, dass ich kein neues Plättchen mehr anschließen kann, gibt es die Rettung über einen zusätzlichen Eingang, den ich für 3 Dollar an eine beliebige Parkseite setzen darf und von hier aus immerhin noch weiterbauen kann, wenngleich der Park dann zweigeteilt ist.

Eine weitere Aktionsmöglichkeit ist es, eine Werbeanzeige zu schalten. Die Rückseite vom oberen Plättchen des Nachziehstapels der kleinen Service-Gebäude und Brunnen gibt einen Preis vor sowie bestimmte Besucher, die beim Kauf dieser Anzeige direkt - ohne Bus - anreisen und auch sofort im eigenen Park verteilt werden können. Natürlich kann ich diese Meeple auch erst einmal vor dem Eingang warten lassen. So kann ich gegebenenfalls noch mehr Einkommen genieren, wenn die Busse, die vorgefahren sind, zu wenige Besucher einer bestimmten Farbe liefern.

Nach Runde 4 ist unser Park dann ordentlich gewachsen und es gibt eine Schlusswertung. Je mehr unterschiedliche Attraktionen ich errichtet habe, umso mehr Punkte gibt es dafür. Jeder blaue und grüne Besucher in meinem Park bringt mir 1 Punkt, jeder gelbe und pinkfarbene zwei Punkte. Dummerweise gilt das in negativer Form von Minuspunkten auch für die, die immer noch vor dem Eingang stehen, also die Meeple, die ich zwar zu mir geholt habe, die aber keinen Platz in meinem Park gefunden haben. Mit einfachem Spazierengehen auf meinen fertigen Wegen geben die sich nämlich dummerweise nicht zufrieden. Zuletzt betrachte ich eben dieses Wegenetz. Bestraft wird dann, wie anfangs erwähnt, jede Sackgasse, also ein Weg, der ohne Fortsetzung an ein anderes Plättchen grenzt. 

Wurden nun sämtliche Punkte zusammengerechnet, steht der Sieger fest: Natürlich ist das derjenige, der insgesamt die meisten Zufriedenheitspunkte generieren konnte.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • altes PC-Spiel-Feeling auf Familienspiel-Niveau
  • zwei kurzweilige Kern-Mechanismen
  • eingängige Regeln
  • taktische Planung
  • schöne Illustrationen


CONTRA

  • auf Dauer wünscht man sich noch mehr Attraktionen
  • das Glück kann teilweise über bestrafende Elemente entscheiden

MEINUNG

Ich möchte euch kurz mitnehmen in meine Teenager- und Jugendzeit in den 90er Jahren. Aus heutiger Sicht lebten wir da noch wie auf einem anderen Stern. Bis zum Anfang der 90er Jahre empfang unser Fernseher nur drei Programme, eh die rettende Satellitenschüssel montiert wurde ... Meinen ersten PC bekam ich dann an Weihnachten 1992 - und schon verlagerten sich meine Freizeitaktivitäten doch deutlich in die digitale Welt. Internet gab es damals noch nicht, PC-Spiele aber schon. Ich war großer Fan von damals noch pixeligen Point-and-click-Adventure-Spielen („guck mal, ein dreiköpfiger Affe!“), Flipper-Spiele hatten es mir ebenso angetan, und so richtig angefixt wurde ich dann, da ich immer gern auf Volksfesten und in Freizeitparks die neuesten Fahrgeschäfte bestaunt habe, von den Park-Simulationen. „Theme Park“ hieß die erste, in der man Karussells bauen konnte und den Besuchern die Pommes versalzen, damit sie mehr Getränke konsumieren ... ja, was tut man nicht alles für Geld?! So richtig perfektioniert wurde das Genre dann ein wenig später mit diversen Editionen von „RollerCoaster Tycoon“. Ich erinnere mich noch gut an einen Cheat, der damals im Umlauf war, um unbegrenztes Geld zum Ausbau des Parks zur Verfügung zu haben ... aaaah, ich habe es geliebt, die begrenzten Grundstücksverhältnisse in eine bunte Welt des Vergnügens zu verwandeln.

Lange Vorrede für ein Brettspiel, das sich auf ein Terrain begibt, das bereits andere Spiele zuvor beackert haben, die wohl in die Fußstapfen dieser Freizeitpark-Simulatoren treten wollten. Nun ist es für ein Brettspiel deutlich schwieriger, eine echte Simulation zu erzeugen. Was am PC mit einigen Mausklicks und diversen Variablen geschieht, würde am Spieltisch in einem unendlichen administrativen Aufwand enden. So wurden die Brettspiele mit diesem Thema dann doch oft nur aufs Grundthema heruntergebrochen. Versuche wie „Trool Park“ endeten leider nicht da, wo ich solche Spiele gern gesehen hätte. „Unfair“, leider nur auf englisch erhältlich, ging dann schon deutlich mehr in die richtige Richtung, dennoch bestand der eigene Park am Ende "nur" aus einer verschachtelten Karten-Auslage, bei der diverse Symbole gezählt werden. Das alte „Theme Park"-Feeling? Nö, nicht wirklich vorhanden.

Und nun gibt es „Meeple Land“, das mich rein vom Cover bereits an die guten alten Zeiten der 90er Jahre erinnert. Das ist nicht negativ gemeint. Wieder habe ich diese Flashbacks an Nächte, in denen ich, ohne müde zu werden, am PC Achterbahnen konstruierte. In der Schachtel finden wir viel buntes Material; qualitativ ist das alles gut, und zudem fällt der Einstieg ins Spiel wirklich leicht, denn die Regeln sind schnell verstanden. Ja, natürlich ist „Meeple Land“ kein „RollerCoaster Tycoon“, bei dem man deutlich mehr verwalten konnte und bei dem auch mal unvorhersehbare Ereignisse einen Plan B erforderten. Aber das muss dieses Brettspiel auch nicht liefern. Für mich ist ein Brettspiel immer noch eine Zusammenkunft von Freunden am Spieltisch. Das soll dann ja auch nicht in Arbeit enden, sondern auf eine kurzweilige Art in eine andere Welt entführen. Genau das schafft „Meeple Land“.

Spielerisch ist ein Familienspiel, bestenfalls ein „gehobenes“, wenn man heutigen Kriterien folgt. Der Kernmechanismus ist zum einen die taktische Plättchen-Auswahl, verbunden mit dem Bau eines guten Wegenetzes, zum anderen ist es das Besucher-Management. So sollte ich immer drauf achten, welche Besucher mir die Busse in dieser Runde bringen, ob ich passende Attraktionen dazu finde, und die dann auch noch in möglichst großer Vielfalt errichte und mit angrenzenden Besucherwunsch-Gebäuden aufwerte. Was da anfangs wie ein kleines niedliches Puzzlespiel mit hübschen Illustrationen aussieht, ist dann doch deutlich trickreicher als gedacht. Na klar spielt hier auch das Glück mit, was da so in die Auslage kommt. Dennoch gibt es Auswege, die ich nutzen kann, wenn mal so gar nichts passen will.

So entsteht in mir dann Runde für Runde zunehmend mehr tatsächlich endlich dieses tolle PC-Spiel-Gefühl der 90er Jahre. Ich sehe, wie mein Park wächst, wie immer mehr Attraktionen entstehen, immer mehr Besucher angelockt werden, die mir immer mehr Geld bringen, um noch tollere Sachen zu kaufen. Das ist es, was „Meeple Land“ so ausmacht. Und doch ist es, neben diesem Glücksgefühl, doch taktisch, denn über Besuchermangel kann man sich eigentlich gar nicht wirklich beklagen. Eher passiert es, dass sich Besucher vor dem eigenen Eingang tummeln, die partout keinen Platz finden wollen. Das kostet mich am Rundenende nicht nur verschenktes Geld, sondern am Spielende auch Punkte. Dennoch gab es bisher keine Partie, in der ich das Gefühl hatte, am Ende vollkommenen Murks auf der grünen Wiese errichtet zu haben. Das Spiel ist eine Highscore-Jagd, ja, aber sie ist kurzweilig und erzeugt mit wenigen Mechanismen dennoch eine gewisse Spannung.

Oh, ich hätte ja durchaus viele Ideen, wie man das Spiel noch weiterentwickeln könnte, vielleicht sogar zum Kenner- oder Expertenspiel. Für ein Familienspiel ist es jedoch vollkommen in Ordnung so wie es jetzt ist. Natürlich würden sich Fans auf lange Sicht noch ein paar zusätzliche Attraktionen wünschen, die könnte man ja gut als Erweiterungen nachschieben (Platz wäre dafür noch im Karton), aber auch in der vorliegenden Form gefällt mir dieses taktische Lege- und Ressourcenmanagement-Spiel schon wirklich sehr gut! Verbunden mit meinem persönlichen Nostalgie-Bonus sind das für mich dann auch sehr gute 8 Kultpunkte! Wem es, wie mir, früher bei „RollerCoaster Tycoon“ und Co. auch mehr um die Parkgestaltung als um die wirtschaftlichen Dinge in ihrer vollen Komplexität ging, ja, wer keine Spieltiefe auf Expertenspiel-Niveau erwartet, der wird sich im „Meeple Land“ gut aufgehoben fühlen! Daumen hoch ... und denkt dran: Die nächste Fahrt geht rückwärts!

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/-ZGUxRJ8dkM 

KULTFAKTOR: 8/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 08.03.2021

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Blue Orange / Asmodee
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