REZENSION

MARRAKESH

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: Queen Games
  • Autor: Stefan Feld
  • Grafik: Franz Vohwinkel, Patricia Limberger
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ca. 90 bis 120 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 8/10

Viele, viele bunte Keshis

In diesem gehobenen Kennerspiel nimmt uns Stefan Feld mit nach Marokko. In Marrakesh besuchen wir die verschiedenen Stadtbezirke und Gebäude, um diverse Aktionen zu machen, die stetig verbessert werden können.

REGELN

Bereitet den Spielplan vor und bestückt ihn mit Markern und Plättchen. Jeder erhält ein eigenes Spielertableau, Start-Ressourcen (je 1x Münze, Dattel, Wasser), einen Sichtschirm, dahinter 12 Keshis (das sind die kleinen Holz-Zylinder, die, je nach Farbe, für Bewohner der Stadt oder Waren stehen), von jeder Farbe einen. Außerdem werden noch zwei (im Spiel zu zweit: drei) zufällige Keshis auf die markierten Oasen-Ablagefelder gestellt. Zudem erhält jeder 3 Assistenten. Zwei weitere werden auf die unterste Stufe der Palast- und der Moschee-Treppe gestellt, ein sechster Assistent wird zum Fischer und beginnt seine Fahrt über den Fluss auf dem Startfeld. Von den drei zufällig gezogenen Versorgungsplättchen wählt jeder noch eins aus, dessen Ressourcen am Ende des Durchgangs zur Ernährung der Bevölkerung gezahlt werden müssen, andernfalls drohen Ressourcen- und Punkteverlust.

Gespielt werden 3 Durchgänge. Jeder Durchgang besteht aus 4 Runden. Jede Runde ist gegliedert in folgende Phasen:

(1) Keshis auswählen und Assistenten einsetzen: Jeder wählt verdeckt 3 Keshis hinter seinem Sichtschirm aus und nimmt sie in die Hand. Haben alle Spieler ihre Wahl getroffen, werden die gewählten Keshis offenbart. Jeder stellt nun seine 3 Assistenten in die 3 Farbbereiche des eigenes Spielerboards, die den gewählten eigenen Keshis entsprechen. Der rote Keshi ist ein Joker. Da darf der Assistent in einen beliebigen Bezirk gestellt werden. Sämtliche gewählten Keshis aller Spieler werden nun in den Würfelturm geworfen. Es kann und soll sogar vorkommen, dass nicht die volle Anzahl aller Keshis herausfällt.

(2) Keshis nehmen und einsetzen: Die vom Würfelturm freigegebenen Keshis werden auf die Farbfelder der Turmablage sortiert. Reihum, beginnend beim Startspieler, wählt nun jeder immer eine Farbe aus, von deren Feld dann 1 oder 2 Keshis (je nach Verfügbarkeit) aufgenommen werden dürfen. Das geht so lange reihum, bis alle Keshis verteilt sind. Die genommenen Keshis werden auf die für sie vorgesehenen Felder in den farblich passenden Bezirken des eigenen Tableaus gestellt. Manche Felder lösen beim Belegen einen Soforteffekt aus, z.B. Punkte in der Dattelplantage oder einen auswählbaren Bonus auf dem großen Platz. Rote Keshis haben eigene rot markierte Felder in den anderen Farbgebieten (außer beim Markt). Sie dienen als sogenannte Wasserverkäufer und liefern immer ein Wasser, wenn ein Assistent in Phase (3) eine Aktion in diesem Bereich macht.

(3) Assistenten nutzen: In Spielerreihenfolge macht nun jeder Spieler drei aufeinanderfolgende Aktionen, je eine mit seinen eingesetzten Assistenten. An jedem Ort gilt: Ein Assistent kann dafür benutzt werden, einen weiteren Keshi der Bereichsfarbe in diesem Bereich einzusetzen. Alternativ kann die Orts-Aktion ausgeführt werden. Ihre Stärke richtet sich nach der Anzahl der dort bislang platzierten Keshis:

  • In der Dattelplantage gibt es eine Dattel pro vorhandenem Keshi.
  • In der Wüste kann eine bereits durch einen platzierten Keshi entdeckte Oase auf die Oasen-Ablage verschoben werden. Dort spielt sie den überdeckten Bonus frei. Das Verschieben kostet Ressourcen. Am Spielende bringen die drei wertvollsten Oasen individuell verschiedene Punkte für vorgegebene Dinge, z.B. für bestimmte gekaufte Luxuswaren-Arten etc. (siehe Markt).
  • In der Gelehrten-Schule sind die Keshis eine Voraussetzung, um eine Gelehrten-Schriftrolle aus der Auslage zu kaufen. Jede Schriftrolle fordert eine Mindestzahl an vorhandenen Keshis (1, 3, 5 oder 7 - je stärker der Effekt, umso mehr Keshis). Die Keshis müssen bei der Bezahlung der Schriftrolle nicht abgegeben werden, sondern nur vorhanden sein. Die zusätzlich geforderten Datteln müssen abgegeben werden. Schriftrollen bringen einmalige Boni (z.B. neue Keshis) oder dauerhafte Vorteile (z.B. jedes Mal eine Ressource, wenn eine Geldstufe auf der Moschee-Treppe überschritten wird etc).
  • In der Altstadt können Stadttore errichtet werden. Pro Keshi kann ein solches Tor von einem der vier Werkstatt-Felder gekauft werden. Je nach Werkstatt unterscheiden sich die Kosten und die dafür erzielten Siegpunkte. Wird das Tor auf einem farblich passenden Feld der Stadtmauer platziert, gibt es 2 Extrapunkte. Zudem erhält der Spieler einen Keshi in der Tor-Farbe, den er direkt platziert.
  • Im Palast und in der Moschee gibt es für jeden Keshi einen Schritt auf der jeweiligen Treppe. Auf manchen Stufen wartet eine Münze. Zudem gibt es immer dann einen Bonus, wenn die eigene Figur in einen neuen Bonus-Abschnitt der Treppe zieht. Da wird dann das Verhältnis zur anderen Figur auf der zweiten Treppenseite betrachtet und entlang dieser Verbindungslinie ein Bonus ausgewählt (Punkte, Geld, Keshis etc.). Ist ein Figur ganz oben auf der Treppe angelangt, gibt es für jeden weiteren Schritt einen Extrapunkt.
  • Beim Fluss gibt es für jeden Keshi einen Schritt auf der Fluss-Leiste. Beim Überschreiten von Stromschnellen wird ein Bonus freigespielt, der ab sofort am Ende einer Runde ausgezahlt wird. Die Flussbewegung kann mit Wasser, das abgegeben wird, verlängert werden. Am Ende der Leiste gibt es dann noch einmal Siegpunkte in Abhängigkeit der Zieleinfahrt, jeder weitere Schritt bringt einen Extrapunkt.
  • Beim großen Platz wird zunächst die sogenannte Zuschauerscheibe um ein Feld weitergedreht. Dann gibt es den Bonus eines platzierten Keshis so oft, wie sich Zuschauer neben diesem Feld auf der Scheibe befinden (1 bis 3x Geld, Schritte auf den Leisten, Ressourcen, Punkte etc.)
  • Der Marktplatz nimmt gleich drei verschiedene Keshi-Farben in beliebiger Anzahl auf, entsprechend können dort auch bis zu drei Assistenten gleichzeitig stehen. Pro Assistent und gegen Bezahlung des entsprechenden Waren-Keshis, der anschließend zurück in den Vorrat gelegt wird, darf 1x die Wechselstube bemüht werden, um einen Tausch gegen Ressourcen vorzunehmen, oder aber es kann eine der ausliegenden Luxuswaren gekauft werden, die die aufgedruckten Siegpunkte und teils auch Ressourcen einbringen.


(4) Flussbonus / Rundenende: Nach jeder Runde wechselt der Startspieler um eine Position weiter. Wer auf dem Fluss eine Stromschnelle überschritten hat, erhält ihren Bonus. Die Auswahl erhöht sich mit jeder weiteren Stromschnelle.

Ende des Durchgangs: Nach der vierten Runde sind alle 12 eigenen Keshis hinter dem Sichtschirm verbraucht. Jetzt gibt es noch eine Durchgangs-Wertung beim Fluss. Der Führende erhält die für diesen Durchgang ausliegende Belohnung des Flussplättchens. Zudem muss die Bevölkerung ernährt werden - in jedem weiteren Durchgang steigt die Anzahl der abzugebenden Ressourcen. Fehlt auch nur eine Ressource bei der Ernährung, verliert der Spieler alle übrigen Ressourcen und bekommt 4 / 8 / 12 Minuspunkte in Durchgang 1 / 2 / 3.

Zu Beginn jedes neuen Durchgangs wird ein neues Flussplättchen und eine neue Wechselstube ausgelegt. Jeder Spieler erhält 12 neue Keshis (je einen pro Farbe) für die nächsten 4 Runden aus dem Vorrat.

Spielende: Nach Durchgang 3 gibt es dann noch eine Schlusswertung. Übrige Ressourcen und Waren bringen Punkte im Verhältnis 2:1. Die (bis zu) drei wertvollsten aktivierten Oasen liefern ihrem Besitzer individuelle Punkte. Zudem bringt jeder Bereich des eigenen Spielerboards, der komplett mit Keshis gefüllt wurde (8 Keshis in der Bereichsfarbe plus 1 roter Wasserverkäufer), 10 Punkte. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.

Varianten: Dem Spiel sind 5 Erweiterungsmodule beigefügt, die das Spiel optional noch abwechslungsreicher gestalten.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • erfrischend neuartige Aktionsauswahl
  • Aktionen werden zunehmend stärker
  • schöne Verzahnungen
  • Boni sorgen für stetige belohenende Effekte
  • hochwertige Ausstattung


CONTRA 

  • Keshi-Verteilung kann auch mal ungerecht sein

MEINUNG

Man sagt ja Stefan Feld gern mal nach, dass er ein Anhänger des Punktesalats ist. Heißt: In seinen Spielen gibt es immer und überall Punkte für alles. Nun ja, das lässt sich auch bei Marrakesh nicht abstreiten, übrigens der vierte Teil der neuen Stefan-Feld-City-Collection bei Queen Games. Während die ersten drei Titel Neubearbeitungen bekannter Spiele sind, ist Marrakesh eine echte Neuheit, wunderbar ausgestattet, auch in der Standard-Version mit absolut hochwertigem Material, wobei man in der gut strukturierten Anleitung doch immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die Deluxe-Version noch eine Spur hübscher ist (mit bedruckten Assistenten, mit 3D-Stadttoren etc.).

Der Mechanismus von Marrakesh ist, trotz grundlegend bekannte Eurogame-Kost, angenehm frisch. Die Aktionsauswahl wurde hier an die Keshi-Auswahl geknüpft. Mit Keshis verstärke ich Aktionen bzw. mache sie überhaupt erst möglich, gleichzeitig bestimmen die Farben der Keshis aber auch, wohin die Assistenten gestellt werden, welche Aktionen also in dieser Runde möglich sind. Dadurch, dass die Keshis von allen Spielern eingesammelt und in den Turm geworfen werden, entsteht nicht nur ein kleiner Thrill, ob denn die benötige Farbe danach auch herausfällt, nein, es kann durchaus auch passieren, dass ein Mitspieler einen "fremden" Keshi einsammelt. Da immer zwei pro Farbe gesammelt werden dürfen, kann da auch mal ein Ungleichgewicht bei der Verteilung entstehen, aber das ist so gewollt. Man kann sich also nie wirklich sicher sein, ob eine geplante Aktion dann auch wirklich so funktioniert, wie man es gern hätte, allerdings gibt es auch keine Nullrunden. Notfalls erhält man ja immer noch einen Keshi in der Farbe des Bezirkes, in den der Assistent gestellt wurde.

So gilt es aber dennoch, seine Spielzüge klug zu planen. Hier ist vieles verzahnt. Und da ich die Reihenfolge der Aktionen mit meinen Assistenten selbst bestimme, kann so mancher Bonus eine willkommene Grundlage für eine dann folgende Aktion sein. Die Aktionen an sich sind nicht schwer zu verstehen, einzig ihre Vielfalt mag anfangs etwas erschlagen.

Ja, was ist mir wichtig? Auf dem Fluss nach vorne fahren, um nach jeder Runde Boni abzugreifen? Auf den Treppen emporsteigen, um Geld zu verdienen und weitere Belohnungen wie z.B. auch Keshis zu erhalten? Möchte ich Schriftrollen kaufen für schnelle Soforteffekte oder gar starke dauerhafte Effekte? Möchte ich Oasen erkunden und aktivieren, um am Spielende noch einmal individuelle Wertungen auszulösen? Möchte ich mit Ressourcen Luxuswaren kaufen für viele Direkt-Siegpunkte? Die Dattelplantage liefert mir schon beim Einsetzen der Keshis Punkte, aber eben auch die nötigen Datteln, die ich nicht nur für die Schriftrollen benötige, sondern auch für die Versorgung. Patze ich bei der Versorgung, gehen mir viele Punkte und alle Ressourcen flöten ... nicht gut! Setze ich die Besucherscheibe klug ein, kann ich auch hierüber meine Erträge steigern, und auch die Stadttore bringen mir Punkte und neue Keshis, wobei ich selber bestimme, wie viel ich dafür bezahle ... Durchatmen!

Die Anleitung beginnt mit dem Satz: “In Marrakesh gibt es einiges zu tun“. Und damit soll sie recht behalten. Auf alles gleichzeitig zu spielen, ist quasi unmöglich, auch wenn man das gern möchte. Jeder Ort kann mit jeder Keshi-Farbe prinzipiell nur dreimal pro Partie besucht werden (plus maximal bis zu dreimal mit dem Joker in rot, wobei man dessen Aktionen meistens doch eher auf verschiedene Bereiche aufteilt). Also ist gutes Timing und Effizienz gefragt. So sollte man sich besser erst einmal auf bestimmte Dinge konzentrieren und zunehmend erkunden, wie die Wechselwirkungen der Aktionen funktionieren. Die Regeln bleiben, trotz der vielen Einzelaktionen, leicht zugänglich und sind für erfahrene Spieler auch nicht überfordernd.

Besonders gefällt mir, dass Marrakesh das ganze Spiel über belohnend wirkt (lassen wir mal die etwas "lästige" Ernährungsphase außen vor, die einen dann doch noch unter Druck setzt). An jeder Stelle im Spiel kann ich irgendetwas Sinnvolles tun, sei es, um Erträge zu erzielen oder einfach nur, um andere Aktionen vorzubereiten. Durch die Glücksmomente des Würfelturms kann nie komplett strategisch gespielt werden, sondern eher taktisch. Ich muss aus dem Gegebenen das Beste machen, Spielzüge optimieren, ich muss gut planen, wann ich welche Aktion anvisiere. Das macht echt Laune, und die Spielzeit von gut 2 bis 3 Stunden vergeht wie im Fluge, da das Spiel die ganze Zeit über kurzweilig bleibt und nie zur Arbeit wird. Für dauerhafte Abwechslung ist zusätzlich mit den bereits beigefügten Mini-Erweiterungen gesorgt.

Alles richtig gemacht also. Einzig die Tatsache, dass ich manchmal weniger Keshis und damit weniger Aktionsmöglichkeiten als die Konkurrenz erhalte, wenn die gewählten Keshis unglücklich verteilt sind bzw. der Turm beim Auswerfen der Keshis nicht die eigenen Pläne berücksichtigen möchte, kann vielleicht mal kurzfristig ein wenig Unmut verursachen. Hausregel: Lasst den Turm notfalls weg und legt die Keshis direkt auf das Ablagetableau zur Auswahl, wenn euch das zusätzliche Zufallselement absolut stört - das macht das Spiel noch planbarer und nicht schlechter. Ich selber bin aber eh niemand, der wegen so etwas die Flinte ins Korn werfen und gar behaupten würde, das sei alles unfair. Nein, dazu gibt es im Spiel zu viele Chancen, solche kleinen Missstände wieder aufzuholen. Für mich trägt gerade dieses Element des Abschätzens der Mitspieler und eben auch der Turm zur Spannung bei.

Meinen Spielgeschmack hat Marrakesh auf jeden Fall sehr, sehr gut getroffen: Planung, Optimierung, Boni - und sogar etwas Action zur Auflockerung - das ist für mich auf jeden Fall ein Highlight unter den Strategiespielen des Jahres 2022. Wer Stefan-Feld-Spiele mag, der erhält in der großen Spielschachtel ein wirklich schönes! Ich vergebe starke 9 Kultpunkte!

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/1ukncqBZ0VU

KULTFAKTOR: 9/10

Spielidee: 9/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 9/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 01.10.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Queen Games
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