REZENSION
MARACAIBO
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2019
- Verlag: dlp Games
- Autor: Alexander Pfister
- Grafik: Fiore GmbH, Aline Kirrmann, Andreas Resch
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 30 Min. pro Spieler
- Schwierigkeitsgrad: schwer
- Taktiklevel: 10/10
Machtkampf in der Karibik
In der Karibik des 17. Jahrhunderts segeln wir von Ort zu Ort, um unseren Einfluss in drei Nationen zu vergrößern. Das Besondere: "Maracaibo" enthält optional einen Story-Modus mit Legacy-Elementen, die das Spiel mit jeder Partie verändern.
REGELN
Zu Beginn unserer Karibikrundreise wird der Spielplan, je nach gewünschter Schwierigkeit, vorbereitet. Dazu werden die jeweiligen Legacy- und Questplättchen auf das Spielfeld gelegt. Außerdem setzten die Spieler ihren Entdecker auf das Startfeld der Entdeckerleiste, ihr Spiel auf das Stadtfeld (Havana) und jeweils einen Marker auf die Startfelder beider Einkommensleisten (Dublonen-und Siegpunkte).
Jeder Spieler erhält sein persönliches Schiffstableau und besetzt die insgesamt zwölf Schiffsverbesserungen mit je zwei Holzscheiben. Zusätzlich nehmen sich die Spieler zwei Spielfiguren, eine Karrierekarte, Gulden (nach Spielerreihenfolge) und acht Handkarten, von denen eine als Projekt abgelegt werden kann und drei abgeworfen werden, so dass man vier Handkarten auf der Hand behält.
Beginnend mit dem Startspieler umrunden wir im Laufe des Spieles insgesamt viermal den Spielplan. Sobald ein Spieler mit seinem Schiff das Zielfeld erreicht, endet die aktuelle Runde sofort und es kommt zu einer Zwischenwertung.
Der Zug eines Spielers besteht genau aus drei Phasen:
(A) Das Segeln:
Hier hat jeder Spieler bis zu sieben Bewegungspunkte zur Verfügung, in denen er sein Schiff den Pfeilen entlang bewegen darf. Einige Orte zeigen eine rote Hand. Hier muss der Spieler anhalten. Generell gibt es zwei verschiedene Arten von Orten: Städte (große Kreise) und Dörfer (kleine Kreise). Der jeweilige Zielort beeinflusst die zweite Phase des Zuges.
(B) Hauptaktionen:
Insgesamt gibt es vier verschiedene Hauptaktionen, von denen der Spieler immer eine ausführen darf.
1. Landet der Spieler auf einem Stadtfeld, hat er zunächst die Option, die Stadt mit den verlangten Waren zu beliefern. Dazu wirft er eine Karte aus seiner Hand ab, die die entsprechende Ware anzeigt. Danach darf er eine Holzscheibe (Restriktionen beachten!) von seinem Schiffstableau auf ein freies Warenfeld legen. Auf diese Weise kann er im Laufe des Spieles diverse Boni freischalten.
Danach führt der Spieler die jeweilige Stadtaktion aus. Diese sind je nach Spiel unterschiedlich und können Geld-Boni, zusätzliche Kampfboni oder den Erhalt von Einfluss bei den Nationen beinhalten. Zwei wichtige Stadtaktionen sind das Entdecken und der Kampf.
Entdecken: Der Spieler darf seinen Entdecker höchstens so viele Felder bewegen, wie auf der jeweiligen Aktion angegeben ist. Er bekommt den Bonus, der auf dem Zielfeld angegeben ist. Landet er auf einem Questfeld, darf er diese Quest durchführen (siehe Dorfaktion "Quest"). Überschreitet er eine der drei farbigen Linien, gibt es einen zusätzlichen Bonus.
Kämpfen: Der Spieler deckt das oberste Kampfplättchen auf. Auf diesen sind die Kampfpunkte für die drei Nationen (England, Spanien und Frankreich) für diesen Kampf abgebildet. Der Spieler entscheidet sich, für welche dieser drei Nationen er kämpfen möchte und kann nun so viele Kampfaktionen durchführen, wie es ihm möglich ist (jede Aktion aber nur einmal). Der Spieler kann den Kampfwert erhöhen, indem er Kampfpunkte von seiner Kampfleiste auf dem Schiffstableau verbraucht oder Arbeiter ablegt.
Einfluss gewinnen: Der Spiel bewegt seinen Einflussmarker auf der Leiste der entsprechenden Nation ein (für zwei Kampfpunkte) oder zwei (für fünf Kampfpunkte) nach vorne.
Annektieren: Der Spieler kann einen Marker der kämpfenden Nation auf ein freies Fahnenfeld legen und den entsprechenden Bonus erhalten (vier Kampfpunkte), oder eine fremde Nation von einem Fahnenfeld verdrängen (sechs Kampfpunkte).
Zusätzlich gibt es weitere stärke Kampaktionen, die im Laufe des Spiels (z.B durch Schiffsverbesserungen) freigeschaltet werden können.
2. Landet der Spieler auf einem Dorf, darf er bis zu drei Dorfaktionen durchführen. Die Anzahl der Aktionen hängt davon ab, wie viele Bewegungspunkte eingesetzt wurden (Eine Aktion für 1-3 Bewegungspunkte, 2 Aktionen für 4-6 und drei Aktionen für sieben Schritte). Insgesamt gibt es drei verschiedene Aktionen:
(1) Eine Dublone nehmen
(2) Alle Handkarten abwerfen und zwei Dublonen nehmen.
(3) Eine Karte aus der Hand oder vom Planungsfeld kaufen. Die Karte wird ausgelegt, und der jeweilige Bonus kann ab jetzt verwendet werden. Einige Karten verlangen auch die Abgabe eines Arbeiters. Alternativ kann auch zusätzlich in eines der bereits aufgedeckten Prestigegebäude investiert werden.
3. Eine Quest erfüllen: Landet der Spieler auf einem Ort mit einem Questplättchen, kann er dieses als Hauptaktion erfüllen. Dazu gibt er die entsprechenden Handkarten mit denen auf dem Plättchen geforderten Waren ab, legt das Plättchen auf sein Schiffstableau und erhält den entsprechenden Bonus.
4. Ein Gehilfenaktion durchführen: Einige Karten ermöglichen es, einen Arbeiter auf einen entsprechenden Ort zu legen. Landet der Spieler mit seinem Schiff auf einem Ort mit seinem Gehilfen, kann er als Hauptaktion die Fähigkeiten dieses Gehilfen aktivieren. Sollte er sich dagegen entscheiden oder über seinen Gehilfen ziehen, erhält er zwei Doblonen.
Neben der Hauptaktion kann der Spieler beliebig viele Nebenaktion durchführen. Er kann Handkarten auf ein freies Planungsfeld legen, und/oder Aufgaben von der Karrierekarte erfüllen. Auf diesen sind jeweils drei Aufgaben abgebildet. Sobald der Spieler die Bedingungen erfüllt hat, kann er den Arbeiter vom entsprechenden Feld nehmen und bekommt zusätzlich den Bonus.
(C) Nachziehen:
Zuletzt zieht der Spieler neue Karten bis zu seinem Handlimit nach. Hier kann er entweder umsonst vom Nachziehstapel ziehen oder ausliegenden Karten für je eine Dublone erwerben.
Zwischen-und Endwertung:
Sobald ein Spieler das Zielfeld "20" erreicht, wird das Rundenende eingeleitet. Jeder Spieler hat jetzt noch einen Zug (in der letzten Runde zwei). Danach kommt es zur Zwischenwertung. Hier erhalten die Spieler Einkommen entsprechend der Dublonen und Siegpunktleiste und können noch eine Karte kaufen. Danach wird die nächste Runde vorbereitet (gelieferte Waren werden entfernt, neue Questplättchen ausgelegt und das nächste Prestigegebäude aufgedeckt). In der letzten Runde kommt es zur Endwertung. Diese Spieler erhalten zusätzlich Siegpunkte entsprechend der gekauften Karten und der Nationeneinflussleiste. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- schön verzahnte Wertungsmechanismen
- gelungene Grafik
- veränderbarer Spielplan erhöht den Widerspielreiz
- trotz langer Spieldauer kurzweilig, wenig Downtime
CONTRA
- kann zum Zeitfresser werden
- Thema zumindest unglücklich
- Spielertableaus schwierig handhabbar
MEINUNG
Nach der weiten Prärie ("Great Western Trail") und den dunklen Straßen Hong Kongs ("Blackout: Hong Kong") entführt uns Alexander Pfister diesmal in die blauen Gewässer der Karibik. Und von der ersten Studien der Regeln bis zu den finalen Testspielen hat man das Gefühl, dass Herr Pfister uns hier sein "Best of-Album" präsentiert. Aber der Reihe nach.
Optisch ist "Maracaibo" meiner Ansicht nach eines der schönsten Spiele aus der Feder Pfisters. Der Spielplan ist hell und freundlich gestaltet, und trotz der vielen Optionen im Spiel hat man durch den guten Kontrast im Design nie das Gefühl den Überblick zu verlieren. Die Holzschiffe und Arbeiter verleihen zusätzlich ein schönes und thematisches Flair. Auch von der Qualität des Materials bewegt sich das Spiel auf einem grundsätzlich soliden Niveau. Allein die Symbolik (besonders die Waren) auf den Karten ist aufgrund der kleinen Größe mitunter schwer wahrzunehmen. Größter Kritikpunkt ist das Schiffstableau, besonders die Holzplättchen, die schon bei der kleinsten Erschütterung verrutschen. Hier ist Vorsicht geboten und es empfiehlt sich die Scheiben nebeneinander zu legen, anstatt sie zu stapeln. Die Symbolik dagegen ist immer verständlich und eindeutig, auch wenn man sich aufgrund der schieren Menge erst einmal an selbige gewöhnen muss.
Spielerisch ist "Maracaibo" ein Brett. Die Mechanismen sind wunderbar miteinander verzahnt, die Synergien bauen logisch aufeinander auf, und es gibt mehrere gleichstarke Gewinnstrategien. Konzentriere ich mich auf das Erkunden, auf den Einfluss der verschiedenen Nationen, oder gehe ich auf Geld und kaufe besonders viele lukrative Karten? Diese Strategien werden dann auch besonders von der Entscheidung beeinflusst, wie ich meine Schiffsverbesserungen ausbaue. Durch die Legacyplättchen (wobei das Wort "Legacy" hier nur im weitesten Sinn verstanden werden darf), und den Storymodus bietet "Maracaibo" zusätzlich einen hohen Widerspielreiz, da Strategien aufgrund der sich veränderten Ausgangssituationen ständig angepasst werden müssen.
Apropos Strategien: Kernstück des Spieles ist die Frage, wie schnell ich mich mit meinem Schiff durch das blaue Gewässer bewege. Es gibt 21 Felder, sodass ich eine Runde theoretisch nach drei Zügen beenden kann. Dadurch verzichte ich natürlich auf viele starke und zusätzliche Aktionen, zwinge meine Gegner aber, mit mir Schritt zu halten. Oder bin ich eher ruhiger unterwegs und hoffe auf viele Aktionen, bevor einer meiner Gegner die Runde beendet. Diese Balance zu finden macht den besonderen Reiz "Maracaibos" aus und beeinflusst maßgeblich die Spieldauer. In gemütlichen Runden, in denen langsam von Dorf zu Dorf geschippert wird, kann die Spielzeit durchaus die 4-Stunden-Marke ankratzen. Erfahrende Spieler werden dieses nach einigen Partien aber gewiss zu verhindern wissen, sodass auch im Spiel zu viert eine Spieldauer von etwa zwei Stunden möglich ist. Trotzdem hatte ich auch während der längeren Partien nie das Gefühl mich zu langweilen. Downtime gibt es aufgrund der Schnelle der Aktionen eher wenig, und man ist dauernd an den Zügen des Gegners interessiert.
Spielerisch erfindet Pfister das Rad mit "Maracaibo" nicht neu. Vielmehr hat man den Eindruck, dass er sich hier mit den Lieblingsmechanismen aus seinen bisherigen Titeln ausgetobt hat und diese zu einem wohl durchdachten Spiel zusammengefügt hat. Der Einfluss bei den Nationen erinnert stark an die Gesellschaften aus "Mombasa", das Segeln durch die Karibik und den Wettrenncharakter findet man in "Great Western Trail" wiederm und die Multifunktionalität der Karten war ein Kernaspekt in "Blackout: Hong Kong". Trotzdem - oder gerade deswegen - bietet das Spiel einen besonderen Reiz. Schön ist es auch, nach "Blackout" wieder eine gut funktionierende Solovariante zu haben.
Zum Abschluss noch ein eher schwieriger Aspekt. "Maracaibo" ist der erste Titel nach "Mombasa", der wieder während der Kolonialzeit spielt. Seinerseits gab es ja aufgrund dieses Settings von verschiedenen Seiten Kritik. Wie immer man dazu stehen mag, soll nicht Thema dieser Rezension sein. Trotzdem halte ich ein Setting in der Karibik, in denen man sich mit den drei größten Kolonialmächten in dieser Region verbündet, unglücklich. Das sollte zumindest angesprochen werden. Autor und Verlag waren sich dieser Problematik bewusst und haben im Impressum der Anleitung dazu Stellung genommen. Das sollte, gerade aufgrund der aktuellen Entwicklung, bewusst wahrgenommen werden.
Trotzdem ist "Maracaibo" ein gelungenes, vielseitiges Spiel mit einem hohen Widerspielreiz, das bei mir immer wieder gerne auf den Tisch kommt. Deswegen vergebe ich unterm Strich auch 8 von 10 Admiralsmützen.
KULTFAKTOR: 9/10
Spielidee: 9/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 9/10
TEAM-TREND
Die Kultfaktor-Wertungen weiterer Spielkultisten:
Andreas: 9/10
Beate: 9/10
Torsten: 9/10
Klaus: 8/10
Ralf: 8/10
Ulf: 8/10
Jürgen: 7/10
EUER REZENSENT
MATTHIAS
Traingames, you say? Hold my beer!
Eine Rezension vom 07.07.2020
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: dlp Games
Weitere Fotos: Spielkultisten