REZENSION

MAPS OF MISTERRA

  • Genre: Taktik-/ Legespiel
  • Jahr: 2024
  • Verlag: Sit Down! / im Vertrieb von Hutter Trade
  • Autoren: Mathieu Bossu, Thomas Cariate, Timothée Decroix
  • Grafik: Stanislas Puech
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 10 Jahren
  • Dauer: ca. 45 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 6/10

Insel im Nebel

Mehrere Jahre, nachdem Der Kartograph unter Kennerspielern eine nicht unerhebliche Popularität erlangte, geht es auch in Maps of Misterra um die Kartierung einer rechteckigen Rasterfläche. Die Spieler schlüpfen in die Rolle von Abenteurern, die eine neu entdeckte Insel auf ihrem Pergamentpapier verewigen sollen. Als Anführer eines Expeditionstrupps, das mit einem Segelschiff über eine Nebellandschaft schwebt, hat sie der Ehrgeiz gepackt, das faszinierende Eiland als Landkarte darzustellen. Wer wird alle topographischen Gegebenheiten korrekt abbilden – oder zumindest so, wie es von den Geldgebern erwartet wird?

REGELN

Vor euch befindet sich ein zunächst leeres Pergament-Tableau mit quadratischem 5x5-Raster. Als fleißige und zuverlässige Kartografen wird von euch erwartet, dieses Tableau im Spielverlauf möglichst realitätsgetreu mit topographischen Gegebenheiten (Steppe, Wüste, Lagune und Dschungel) zu füllen. Doch nicht alles, was kartiert ist, muss zwangsläufig der Realität entsprechen. Daher wird die tatsächliche Insel mit all ihren Geländetypen auf dem großen Inselplan, der in der Tischmitte ausliegt, dargestellt.

Vorher erhält jeder von euch noch vier Vermutungskarten. Diese bringen bei Übereinstimmung mit dem eigenen Tableau später Siegpunkte ein. Auf diesen Karten äußern eure Geldgeber beispielsweise die Erwartung, dass in einer vollständig kartieren Reihe alle vier Geländetypen vorkommen. Auf einer anderen Karte geht es darum, möglichst große Zonen mit nur einem Geländetyp zu formen. Von den vier erhaltenen Vermutungskarten dürft ihr zwei auswählen, die ihr dann möglichst vor euren Mitspieler geheim halten solltet, um ihnen keinen Vorteil zu bieten. Maßgeblich für die Kartierung sind die Geländeplättchen, von denen von jedem Geländetyp gleich viele bereitliegen – jedes Plättchen trägt dabei eine bestätigte und eine unbestätigte Seite. Was es damit auf sich hat, erklären wir gleich.

Jede Person absolviert pro Zug zwei halbe Expeditionstage, die jeweils drei Phasen umfassen.     

Im ersten Spielzug setzt ihr euren Kartografen auf ein Strandfeld und könnt die Figur dann von dort aus im weiteren Spielverlauf auf ein horizontal oder vertikal angrenzendes belegtes Feld bewegen – oder stehenbleiben. Betretene Landschaftsfelder lösen verschiedene Effekte aus. Das Gebirge erweitert euren Sichtbereich, schließlich überblickt ihr von der Anhöhe aus eine weitläufige Landschaft. Die Steppe ermöglicht euch einen zusätzlichen Bewegungsschritt. Die Lagune bietet den Vorteil, die Auslage an Skizzenkarten zu erneuern. Der Dschungel hingegen verhindert eine Kartierung, schließlich herrscht im Dickicht kaum Durchblick. Das alles ist schön thematisch erklärt, was dem Spielfluss zugutekommt.

Anschließend dürft ihr eine ausliegende Skizzenkarte, die wie ein länglicher Domino-Stein stets zwei Geländetypen zeigt, von der Auslage nehmen und kartieren. Das heißt, ihr platziert diese Karte auf zwei beliebigen Pergamentfeldern eures Tableaus. Beim Kartieren wird die soeben gewählte Skizzenkarte auf dem Pergamenttableau abgelegt – und zwar so, dass zwei Pergamentfelder vollständig bedeckt werden und mindestens eine Hälfte der Karte dem Sichtbereich der Kartograf-Figur auf dem Inselplan entspricht. Das ist zum einen das Feld, auf dem die Figur gerade steht, zum anderen sind es die vier Felder, die in alle vier Himmelsrichtungen direkt dort angrenzen.

Wurde die Karte auf das Tableau gelegt, wird geprüft, ob das entsprechende Feld auf dem Inselplan bereits mit einem Geländeplättchen besetzt ist. Falls nicht, kommt ein Geländeplättchen dieses Geländetyps mit unklarer Seite nach oben auf den Inselplan. Falls zwar ein Plättchen vorhanden ist, der Gebietstyp jedoch abweicht, wird es durch ein Plättchen des neuen Geländetyps ersetzt, ebenfalls mit unklarer Seite nach oben. Erst, wenn das Inselfeld bereits mit einem unklaren Geländeplättchen des entsprechenden Geländetyps besetzt ist, wird es auf die bestätigte Seite gedreht. Bestätigte Plättchen bleiben immer liegen und werden nie ersetzt.

Wer nicht die Aktion Kartieren gewählt hat, kann stattdessen eine Region beanspruchen. Dazu wird die Skizzenkarte ungenutzt abgeworfen und ein Anspruchsmarker auf das Feld mit der Kartograf-Figur gelegt. Die Region (eine zusammenhängende Gruppe gleicher Geländeplättchen, wobei mindestens eines bereits bestätigt wurde) wird dann eurer Spielerfarbe zugeordnet.

Das Spiel endet, wenn entweder alle Insel-Felder mit bestätigten Plättchen belegt sind, sämtliche Skizzenkarten aufgebraucht wurden oder wenn es einer Person gelingt, ihr gesamtes Pergament-Tableau vollständig mit Karten zu belegen. Jetzt werden Punkte vergeben für Übereinstimmungen zwischen eurem Pergament-Tableau und dem Inselplan, für erfüllte Vorgaben eurer vor Spielbeginn erhaltenen Vermutungskarten sowie für beanspruchte Regionen. Bleiben Pergamentfelder bis zum Spielende leer, wird euch die entsprechende Anzahl an Punkten abgezogen.

In der Variante „Meister-Kartographen“ gibt es zusätzliche Punkte für jede vollständig kartierte Zeile oder Spalte auf dem Tableau, die mit den jeweiligen Feldern auf dem Inselplan übereinstimmt.

Das Spiel kann auch solo gespielt werden.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • neuer Kniff im Legespiel-Genre
  • gegenseitige Konfrontation aller Mitspieler
  • dadurch entstehen taktische Möglichkeiten
  • Spielmechanik wird in der Spielregel schlüssig begründet
  • Solomodus inklusive
  • gute Ausstattung


CONTRA

  • ständiger Abgleich zwischen Inselplan und Tableau kann verwirren
  • dadurch entstehen gelegentliche Spielfehler 

MEINUNG

Maps of Misterra erweckt zunächst den Anschein eines gewöhnlichen Legespiels, wie wir es bereits zuhauf gespielt haben, wäre da nicht der reizvolle Aspekt der doppelten Kartierung. Da ist zum einen das Pergament-Tableau, das jede Person vor sich ausliegen hat, und das während des Spiels mit Skizzenkarten, die Domino-typisch jeweils zwei Geländetypen darauf abbilden, gefüllt wird. Anhand der gewählten Skizzenkarten füllt sich mit fortschreitender Spieldauer auch der Inselplan, wobei die darauf dargestellte Realität nicht zwangsläufig mit eurer persönlichen Kartierung übereinstimmen muss.

Der Abgleich zwischen euren vor Spielbeginn erhaltenen Vermutungskarten und dem eigenen Pergament-Tableau ist ein wichtiger Aspekt, um am Ende zu punkten. Denn natürlich haben eure Geldgeber sehr klare Vorstellungen davon, wie euer kartiertes Pergament-Tableau auszusehen hat, und wer will schon seinem spendablen Mäzen widersprechen? Jedem gewieften Kartografen ist von daher natürlich klar: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Und mit allen Wassern gewaschen sollte man bei Maps of Misterra durchaus sein, denn jeder Spielzug eines Mitspielers kann die eigene Strategie mal mehr, mal weniger stark über den Haufen werfen. Dies kann man durchaus ausnutzen. Wer beispielsweise eine Skizzenkarte ausspielt und ein unklares Gebiet bestätigt, verhindert ein für allemal, dass aus einem Dschungelfeld jemals wieder eine Steppe wird.

Der Reiz liegt also in der eingangs geschilderten Balance zwischen realitätsnaher Kartierung und dem bewussten Verändern der Wirklichkeit, daher sollte jeder Kartograf von seiner künstlerischen Freiheit häufig Gebrauch machen. Schließlich – so verrät die Spielregel und vermittelt dabei fast schon Weisheit – „sollte eine Landkarte das betreffende Gebiet wahrheitsgemäß abbilden, jedoch spiegelt sie auch die Entscheidungen und Annahmen des Kartografen wider. Dabei passieren häufig Fehler, die Präzision steigt jedoch durch weitere Beobachtungen.“ Setting und Spielmechanik passen in diesem Fall wirklich hervorragend zusammen. Die gut aufbereitete Spielregel streut immer wieder passende Erklärtexte ein, die auf das Handwerk eines Kartografen Bezug nehmen und die somit indirekt das Regelverständnis unterstützen. So gehört sich das!

Jedoch will der ständige Abgleich zwischen Inselplan und Pergament-Tableau während der knapp einstündigen Partie gut verinnerlicht sein. So kompakt und auf den Punkt gebracht die Kernmechanik von Maps of Misterra auch sein mag: Es braucht nicht viel Ablenkung, um das Zusammenspiel aus Inselplan und Pergament-Tableau durcheinanderzubringen – erst recht dann, wenn man die bestmögliche Siegpunktzahl in die eigenen Überlegungen miteinbezieht. Mischen vier Personen mit, kann der Glücksfaktor recht beträchtlich sein, zu dritt oder gar zu zweit fällt er weitaus weniger ins Gewicht.

In Sachen Ausstattung hat man dem Spiel einerseits eine sinnvolle Schachteleinteilung spendiert, andererseits auch auf Feinheiten wie ein Punkteblatt nicht verzichtet. Dieses erleichtert am Spielende die Addition der Punkte und sorgt (auch im Zusammenspiel mit der schlüssigen Ikonographie) für ein hohes Maß an Übersicht.

Letztlich ist Maps of Misterra für mich ein schöner Legespiel-Vertreter, der durch die etwas andere Herangehensweise aus der Masse an vergleichbaren Titeln hervorsticht. Zu zweit besonders empfehlenswert!

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

CHRISTOPH

Kinder- und Kennerspiel-Spieler, Stefan-Feld-Fan, Im-Sommer-in-jeden-See-Springer

Eine Rezension vom 14.01.2025

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Sit Down! / Hutter Trade
Weitere Fotos: Spielkultisten