REZENSION
LUNA MARIS
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Giant Roc
- Autor: Ricardo Amaral
- Grafik: Diego Sá
- Spieler: 1 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: 60 bis 120 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel bis schwer
- Taktiklevel: 9/10
Stress im All
In diesem Expertenspiel leiten wir eine Mondkolonie, die es sich zum Ziel gemacht hat, die Ressourcen des Mondes abzuschöpfen und zur Erde zu transportieren. Da ist eine gute Logistik gefragt - und wer geschickt spielt, kann sogar von Energiesparmaßnahmen profitieren ...
REGELN
Legt den Spielplan aus und bestückt ihn mit Markern, Karten und Not-Ressourcen, wie es die Anleitung vorgibt. Jeder erhält ein eigenes Spielertableau und einige Startressourcen (Wasser, Energie, Eisen) sowie drei Sonden, die während des Spiels errichtet werden können. Eine vierte Sonde steht bereits von Beginn an auf einem der Abbaufelder auf dem Spielplan.
Legt den Sauerstoff-Anzeiger auf das Feld 0 eurer Sauerstoff-Leiste, den Stresslevel-Anzeiger zunächst unter Feld 6 der Sauerstoff-Leiste. Achtung! Der Stresslevel begrenzt den Sauerstoff, der für Aktionen verwendet werden darf. Der Stresslevel kann sich jedoch verändern.
Zudem erhält jeder ein Startkartenset. Das besteht aus 6 Forscher-Karten vom Level 1; jede Karte zeigt 2 Symbole, die wir auch in den Modulen der Raumstation auf dem Spielplan wiederfinden.
Nachdem jeder eine Ausrüstung gewählt hat, die einmal pro Runde eine individuelle Aktion ermöglicht, werden nun noch die Startpositionen der Astronauten über zufällige Kartensymbole bestimmt. Dann kann es auch schon losgehen.
Gespielt werden 5 Runden. Jede Runde besteht aus 3 Phasen. Gespielt wird reihum.
(1) Produktionsphase: Erze (Eisen / Titan, wobei Titan jederzeit Eisen ersetzen kann) werden auf dem Fließband des eigenen Tableaus gelagert, das aus zwei Abschnitten besteht. Zu Beginn der Produktionsphase wird vorhandenes Erz um einen Abschnitt nach rechts bewegt. Sollte es vom Fließband fallen, wird es zu Abfall. Abfall wird auf einer eigenen Leiste gelagert und bringt am Spielende Minuspunkte. Danach produzieren die installierten Sonden auf den Abbaufeldern das, was das jeweilige Feld vorgibt (Eisen / Titan). Neue Erze kommen dann immer auf den linken Abschnitt des Förderbandes.
(2) Aktionsphase: Hier gibt es 3 verschiedene Optionen.
(a) Ein Modul nutzen: Wählst du diese Option, suchst du dir einen Raum (= Modul) der Mondkolonie aus, dessen Aktion du durchführen möchtest. Dazu musst du dich entlang der Verbindungen dorthin bewegen. Jeder Verbindungsabschnitt kostet 1 Sauerstoff, der auf der eigenen Sauerstoff-Leiste markiert wird. Du kannst auch in dem Sektor stehen bleiben, in dem du gerade stehst. Auch dann verbrauchst du aber 1 Sauerstoff, denn geatmet wird auch dort.
Um die Aktion eines Ortes zu nutzen, musst du eine Karte von deiner Hand spielen, die das Symbol dieses Moduls zeigt. Ist das Energie-Feld des Moduls unbesetzt, musst du deinen Astronauten darauf stellen, um die Aktion zu aktivieren. Das Aktivieren kostet 1 Energie, die du von deinem Tableau zurück in den Vorrat legst. Sollte das Energie-Feld bereits mit einer Figur belegt sein, brauchst du keine Energie zu bezahlen, allerdings schenkst du, sofern es nicht die eigene Figur ist, dem entsprechenden Mitspieler 1 Siegpunkt!
Führe dann die Aktion aus. So kannst du Erze abbauen bzw. in Titan umwandeln, du kannst Nahrungskarten erwerben, neue Forscher des Level 2 anheuern, im Industriekomplex Wasser oder Helium extrahieren (ggf. verursacht das auch Müll), in der Müllverwertung entstandenen Abfall umwandeln in Eisen, Energie oder Wasser, du kannst auf den Fortschrittsleisten für Müll und Industrie neue Aktionen freispielen, du kannst eine neue Sonde installieren, musst dafür aber deinen Stresslevel erhöhen. Du kannst Handkarten abwerfen, um den Stresslevel wieder zu senken. In den Kraftwerken erhältst du neue Energie. Und schließlich kannst du gegen Abgabe der geforderten Ressourcen Aufträge erfüllen, die, wie auch so mache andere Aktion, Punkte einbringen.
Wie gesagt: Jeder Aktion ist ein eigener Raum zugeordnet, der erst angesteuert und bezahlt werden muss.
Manche Module haben Zusatzaktionen, die optional alleine oder in Kombination mit der Hauptaktion des Ortes ausgeführt werden können, aber immer in vollem Umfang bezahlt werden müssen (egal, ob das Energie-Feld des Moduls belegt ist oder nicht). So kann man über diese Aktionen den CO2-Level absenken oder gegen Bezahlung neue, verbesserte Module erwerben, die dann für alle Spieler auf den Spielplan gelegt werden. Auch so etwas bringt Punkte.
Aktionen können durchgeführt werden, so lange genügend Sauerstoff vorhanden ist, der Marker also noch nicht den Stress-Marker erreicht hat. Auch muss, wie gesagt, ggf. Energie vorhanden sein, um Aktionen zu aktivieren. Und es müssen passende Karten gespielt werden, wobei Forscher des Levels 2 den Vorteil haben, dass man mit ihnen gleich zwei Module besuchen kann.
(b) Forscher ernähren: Hat man keine passende Karte mehr auf der Hand, kann man als Alternativ-Aktion ausgespielte Karten zurück auf die Hand holen. Das kostet 2 Siegpunkte pro Karte (bei weniger als 2 übrig gebliebenen Siegpunkten kann man die Aktion trotzdem durchführen, erhält aber nur eine einzige Karte zurück). Beides ist teuer bezahlt. Viel besser ist es, die Forscher mit Nahrungskarten zu ernähren. Die Zahl auf der Karte gibt vor, wie viele Forscher ich zurückholen darf. Vorsicht! Bezahle ich mit zu viel Nahrung, wird der Überschuss zu Abfall! Manche Nahrungskarten liefern dagegen auch noch einen kleinen Bonus. Ernähre ich meine Forscher, muss mein Astronaut sein eventuell gerade belegtes Energiefeld verlassen.
(c) Feierabend machen: Kann oder möchte ich keine der Aktionen (a) oder (b) mehr durchführen, passe ich für diese Runde und lege meinen Spielermarker auf die vorderste freie Position der nächsten Runden-Leiste. So wird dann auch die Spielerreihenfolge bestimmt. Wer früh passt, bekommt auch noch einen Bonus (Energie, Nahrung). Auch hier wird der eigene Astronaut neben ein durch ihn eventuell belegtes Energiefeld gestellt.
Haben alle gepasst, folgt die nächste Phase:
(3) Aufräumphase: Jetzt gibt es Punkte für zusammenhängend gebaute eigene Sonden, für errichtete verbesserte Module sowie für die Position im Ranking auf der CO2-Leiste. Der Erstplatzierte bekommt immer Pluspunkte, der Letztplatzierte Minuspunkte. Die eventuell eingesetzte eigene Ausrüstung wird nun reaktiviert und der Sauerstoff-Anzeiger wieder auf 0 gestellt.
Ende des Spiels / Schlusswertung: Nach Runde 5 endet das Spiel. Nun gibt es Punkte für die Position des eigenen Stresslevel- und des CO2-Markers, je 2 Punkte pro Level 2-Forscher im eigenen Kartendeck, Punkte in Abhängigkeit der erfüllten Aufträge sowie Punkte für übrige Ressourcen. Außerdem wird geschaut, wer nun noch die größte Nahrungs-Vielfalt auf seinen übrigen Nahrungskarten besitzt und wer auf den größten Nährwert gelangt. Bei beiden Kriterien wird ein Ranking erstellt, und es werden entsprechend Punkte vergeben. Müll bringt Minuspunkte. Wer nun die meisten Punkten besitzt, gewinnt.
Das Spiel bietet zudem Solo-Regeln.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- wunderbar verzahntes Strategiespiel
- erfordert eine gute Spielzug-Optimierung und Vorausplanung
- gleich mehrere schöne eigene Kniffe
CONTRA
- Material wirkt optisch ein wenig nüchtern
MEINUNG
Als ich Luna Maris zum ersten Mal auf dem Tisch liegen hatte, überkamen mich Zweifel, ob das Spiel auch wirklich Spaß bereitet oder doch eher nüchtern-trocken daherkommt. Die Optik ist, sagen wir mal, dezent gehalten. Die Aquarell-Illustrationen unterstützen diesen Eindruck. Doch im Spiel merkt man schnell: Das Spiel braucht keine übertriebene Gestaltung. Das Material ist zweckmäßig, hat eine gute Qualität (Double-Layer-Boards), einzig die Karten wirken etwas dünn und in ihren Farben verblasst. Die Symbolik ist, einmal verstanden, klar verständlich und auch die Zuordnung der Symbole zu den Aktionen ist schnell verinnerlicht. Währen die Optik nicht jeden anspricht, ist das technisch aber alles gut geraten.
Viel wichtiger als eine opulente Optik ist aber sowieso das Spielerische. Und hey, ja, ohne große Worte: Luna Maris ist da für mich ein echtes Highlight unter den Strategiespielen dieses Jahrgangs! Dabei hat man zunächst das Gefühl, es mit erprobten Mechanismen zu tun zu haben: Taktische Aktionsauswahl, Ressourcenmanagement, Karten-Steuerung als Motor, Fortschrittsleisten, Boni, Aufwertungen, Tausch von Ressourcen in Punkte - alles schon mal irgendwo gesehen, hier aber ganz fabelhaft kombiniert!
Das wirklich Schöne: Luna Maris bietet gleich mehrere eigene Kniffe, die das Spiel zu etwas Besonderem machen. Beginnen wir direkt mit der Aktionsauswahl. Dadurch, dass ich mit jeder Bewegung von einem Sektor der Mondkolonie in einen anderen Sauerstoff verbrauche, und dieser nur begrenzt zur Verfügung steht, ist hier schon eine gute Wegeplanung erforderlich. Es macht keinen Sinn, Aktionen, die jeweils am anderen Ende des Spielplans zu finden sind, hintereinander auszuführen, gehen mir auf dem Weg dorthin doch viele Aktionen flöten. Besser ist es, sich geschickt von Modul zu Modul zu hangeln.
Und da kommt schon der nächste schöne Kniff: Mitspieler können Module aktivieren - und ich kann schmarotzen, indem ich eine Aktion genau dann durchführe, wenn das entsprechende Energiefeld bereits belegt wurde. So spare ich natürlich Energie, und auch Energie ist kostbar. Das erzeugt dann manchmal groteske Situationen: Da hat man doch tatsächlich einen Plan im Kopf, was man alles erledigen möchte. Und dann kommt ein Mitspieler, und aktiviert ein Modul, das man eigentlich gar nicht ansteuern wollte. Ach ja, nun ist das gerade so günstig ... vielleicht also doch schnell mitnehmen? Und nach drei Spielzügen steht man dann doch tatsächlich an einem anderen Ende der Kolonie - natürlich am entgegengesetzten Ende zu dem Modul, das man eigentlich nutzen wollte. Diese Vorlagen und die Ausnutzung der selben sind definitiv ein sehr, sehr interessantes Spielkonzept, wobei ich mit der Nutzung fremder Energie auch einen Siegpunkt an den Kontrahenten verschenke. Der lässt sich meist verschmerzen - denkt man zumindest so lange, bis am Spielende dann nur 1 oder 2 Punkte zum Sieg fehlen ...
Spannende Überlegungen betreffen auch die Karten. Zwar habe ich anfangs alle Karten auf der Hand, doch gespielte Karten kommen nicht von allein zu mir zurück. Regelmäßig muss ich Ernährungs-Phasen einstreuen, damit ich die Aktionssymbole meiner Karten wieder auf der Hand halte, denn ohne sie kann ich zwar einen Raum betreten, nicht aber die Aktion durchführen. Schnell zeigt sich hier, wie praktische Level 2-Forscherkarten sind. Da ist man dann einfach noch flexibler. Bei der Ernährung ist aber auch Timing gefragt. So sollte ich schauen, welche Werte meine verfügbaren Nahrungskarten besitzen, und wann ich entsprechend viele Forscherkarten ausgespielt habe. Mehr Karten als Nahrung ausspielen, ist erst einmal kein Problem, dann muss ich mich halt entscheiden, welche Karten ich zurückhole. Unpraktisch wird es, wenn ich zu viel Nahrung ausgeben muss, um meine Karten zurückzubekommen. Überbezahlte Nahrung ist Müll - und Müll ist schlecht.
Ja, und dann gibt es noch so kleine Engine Builder-Effekte bei immer wiederkehrenden Zwischenwertungen, aber auch in der Produktion. Auch etwas, was mir gut gefällt.
Das alles in Summe macht aus Luna Maris für mich ein äußerst kurzweiliges Spiel mit hohem Denkanspruch. Ja, bei der Spielzug-Optimierung rauchen schon mal die Köpfe. Luna Maris ist auf jeden Fall ein Vielspieler-Spiel, wenngleich die einzelnen Aktionen schnell von der Hand gehen und auch gar nicht kompliziert sind. Das Spiel ist aber so herrlich verzahnt, dass jeder Schritt genau überlegt werden will. Stellt euch das Spielgefühl ein wenig so vor, als seid ihr auf dem Weg in die Stadt und überlegt euch, was ihr auf der Fahrt dorthin alles nebenher erledigen wollt. Gern geht man da ja im Kopf dann vorab einen Abfolge-Plan durch, den man versucht, einzuhalten, um Zeit zu sparen. Das ist bei Luna Maris mit dem Sauerstoff, den Karten und der Energie genauso. Die Spielzeit von meist gut 2 bis 3 Stunden im Spiel zu dritt oder viert (ca. 90 Minuten im Spiel zu zweit) vergehen so wie im Fluge.
Nun kann man, neben der Tatsache, dass sich Eisen und Titan bei nicht optimalen Lichtverhältnissen doch sehr ähnlich sehen, vielleicht noch die Kritik anbringen, dass das Spiel eine gewisse Lernkurve impliziert. Ja, wer Luna Maris öfter spielt, wird gewisse Wege-Kombinationen für sich entdecken, die man in einer bestimmten Reihenfolge absolvieren wird. Da das Spiel kaum Glücksfaktoren enthält, ist das eine logische Konsequenz. Aber: Letztlich sind es die unterschiedlichen Startpositionen, die wechselnden Aufträge, aber auch die Mitspieler, auf deren Entscheidungen man aktiv reagiert, die dann doch die nötige Varianz ins Spiel bringen.
Für mich ist Luna Maris - bis auf die minimalen Abzüge in der B-Note - nahezu perfekt und verdient sich somit herausragende 9 Kultpunkte! Klare Empfehlung an alle, die komplexe, planerische Spiele mögen, bei denen mehrere unterschiedliche Wege zum Sieg führen können.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/5YPAgrvQv6w
KULTFAKTOR: 9/10
Spielidee: 10/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 04.09.2022
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Giant Roc
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