REZENSION

LIBERTALIA

  • Genre: Taktikspiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: Feuerland Spiele / Stonemaier Games
  • Autor: Paolo Mori
  • Grafik: Lamaro Smith
  • Spieler: 1 bis 6
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht bis mittel
  • Taktiklevel: 5/10

Alte Piraten in neuem Gewässer

Auf den Winden von Galecrest unternehmen die Piraten drei Reisen, auf denen sie neue Crew-Mitglieder anheuern, von ihren Fähigkeiten profitieren, Beute machen und ihre Schatzkiste füllen, wenn sie vor Anker gehen.

REGELN

Jeder Mitspielende bekommt eine Schatztruhen- und Friedhofs-Tafel, zudem ein identisches Set aus 40 Karten, durchnummeriert von 1 bis 40. Zufällig werden die sechs Ruhmes-Marker in Spielerfarbe auf der Ruhmes-Leiste platziert. Jeder bekommt nun das Startkapital an Dublonen, das unter dem eigenen Ruhmes-Marker zu sehen ist.

Gespielt werden 3 Reisen, bestehend aus 4 bis 6 Tagen. Zu Beginn jeder Reise werden die Beutefelder jedes Tages mit zufällig aus dem Beutel gezogenen Beute-Markern bestückt. Die Anzahl der Marker entspricht der Anzahl der Mitspielenden.

Wählt nun eine Person aus, die ihr Kartendeck mischt und dann 6 zufällige Karten aufdeckt. Alle anderen suchen exakt diese 6 Kartennummern aus ihrem Deck heraus. So besitzt nun jeder die 6 identischen Handkarten.

Los geht die erste Reise. Zu Beginn jedes Tages der Reise sucht jeder eine Handkarte aus und legt sie zunächst verdeckt vor sich. Haben das alle getan, werden die Karten aufgedeckt und aufsteigend sortiert auf die Insel gelegt, d.h. die niedrigste Kartennummer nach links. Haben mehrere Spieler die gleiche Kartennummer gewählt, so werden die Karten nach der Ruhmes-Leiste sortiert. Wer mehr Ruhm besitzt, landet mit seiner Karte weiter rechts.

Jetzt folgt die Tag-Phase. Von links nach rechts werden die Aktionen mit Sonnen-Symbol auf den ausgespielten Karten ausgeführt.

Anschließend folgt die Dämmerungsphase, in der die Aktionen mit Sonnenuntergangs-Symbol von rechts nach links abgehandelt werden. Wichtig: Wer mit seiner Karte in dieser Phase an der Reihe ist, nimmt den Charakter vom Spielplan und legt ihn vor sich aus (die Auslage wird als das eigene „Schiff“ bezeichnet). Zusätzlich wird auch ein noch verfügbarer Beute-Marker vom Plan genommen. Hat dieser eine eigene Dämmerungs-Fähigkeit, wird diese nun ebenfalls ausgeführt. Manche Marker liefern Ruhm oder Dublonen, manche kosten Dublonen, wieder andere müssen erst einmal gesammelt werden, um Geld einzubringen, und der Säbel meuchelt einen Mitspieler, dessen Charakter vom Plan entfernt wird, sodass er diese Phase verpasst. Charaktere, die die Fahrt nicht überleben, kommen auf den jeweiligen Friedhof des Spielers.

Die Aktionen sind vielfältig und immer auf der jeweiligen Karte vermerkt. Wichtig! Ziel sollte es immer sein, möglichst viele Dublonen zu erhalten!

Nun folgt noch die Nacht-Phase. Alle bereits ausliegenden Charakter-Karten im eigenen Schiff mit Mond-Symbol werden nun aktiviert. Das passiert in jeder Nacht-Phase von neuem.

Anschließend folgt der nächste Tag der Reise, der auf die selbe Art und Weise gespielt wird. Wurden alle Tage einer Reise abgehandelt, werden nun die Anker-Symbole auf Karten im eigenen Schiff sowie die der gesammelten Beute-Marker aktiviert. Auch diese können positive, manchmal auch negative Effekte haben. Dann ist die Reise zu Ende. Die eigene Crew wird nun verdeckt auf den Friedhof gelegt, die Beute-Marker kommen zurück in den Beutel. Der aktuelle Dublonen-Besitz wird auf die Schatztruhe übertragen, die Dublonen an sich kommen zurück in den Vorrat.

Die erste Reise besteht aus 4 Tagen. Da die Mitspielenden jedoch 6 Karten auf der Hand gehalten haben, sind nun noch im Regelfall 2 Karten übrig, die mit auf die nächste Reise genommen werden (es sei denn, Kartenfunktionen erlaubten es, zusätzliche Karten zu spielen). Der Spieler mit dem gemischten Kartenstapel deckt nun 6 neue Karten auf, die alle aus ihren Stapeln heraussuchen und auf die Hand nehmen. Da nicht jeder die gleichen Karten aus der Vorrunde übrig behalten hat, gibt es nun asymmetrische Kartenhände.

Vor Reise 2 (nun mit 5 Tagen) werden die Beute-Felder neu belegt und jeder erhält die Dublonen entsprechend seines Ruhm-Ranges. Dann wird die Reise wieder so gespielt wie Reise 1, anschließend auch noch eine Reise 3 mit 6 Tagen Dauer.

Wer nach der dritten Reise das meiste Geld in seine Schatztruhe legen konnte, gewinnt.

Zu zweit wird eine dauerhafte Karte des imaginären „Fähnrich"-Mitspielers per Tafel auf die Kartenreihe gelegt. Beim Aufdecken der Karten werden diese entsprechend des Wertes des aufgedruckten Fähnrichs (20,5) angeordnet. 

Variante: Das Spiel bietet zudem eine Rückseite des Spielplans mit aggressiveren Aktionen der Beute. Alternativ kann mit den optionalen Beute-Plättchen auch eine Mischung aus eher ruhigeren und eher böseren Beute-Aktionen generiert werden.

Das Spiel kann per Automa auch solo gespielt werden.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • flottes Bluff- und Ärgerspiel
  • tolle neue Ausstattung
  • besonders in größeren Runden witzig
  • durch immer neue Karten- und Beute-Konstellationen immer wieder anders


CONTRA 

  • viel Administration nötig
  • mit nur 2 oder 3 Spielern weniger lustig
  • viel Kartentext führt zu gewissen Wartezeiten

MEINUNG

Die Ankündigung, dass Stonemaier Games eine Neuauflage des 2012 erschienenen Libertalia auf den Markt bringt, kam recht überraschend. Auch auf der Webseite des Verlages der deutschen Lokalisierung (Feuerland) gab es im Vorfeld keine große Promotion. Plötzlich war das Spiel da, und schnell landete es auf unserem Tisch.

Libertalia ist ein taktisches Bluff- und Ärgerspiel. Das Herzstück sind die 40 verschiedenen Karten, die immer in zufälliger Zusammenstellung auf die eigene Hand kommen. Da alle Spielenden aber die selben Karten erhalten, folgt nun ein „Ich denke, dass du denkst ..."-Spielchen. Bei der Auswahl der zu spielenden Karte muss ich nicht nur den Kartentext beachten (was gerade anfangs zu Wartezeiten führt, bis alle die Karten kennen), sondern auch ihren Wert und die ausliegende Beute. Ich weiß, dass ich mit einer niedrigen Zahl schneller am Tag zum Zug komme, aber unter Umständen in der Dämmerungsphase als Letzter dran bin, was dazu führen kann, dass ich, wenn überhaupt noch vorhanden, eine ungeliebte Beute nehmen muss, die mich eventuell sogar Geld kostet ... wenn ich denn überhaupt überlebe und mich niemand vorher meuchelt ...

Meucheln? Ja, Libertalia ist definitiv ein Ärgerspiel. Wie es sich für Piraten gehört, gibt es hier kein Gruppenkuscheln. Ich muss alles daran setzen, meine Mitspieler auszumanövrieren, ihnen die Beute vor der Nase wegzustehlen, sie von der Insel zu kicken. Ja, das kann auch mal die eigene Frusttoleranz auf die Probe stellen, denn oftmals entscheidet der gerade aktive Spieler, welcher Gegenspieler über die Planke geht. Es bietet sich natürlich an, gegen den Führenden zu spielen, aber manchmal sind es auch die Kartenfunktionen der noch nicht ausgewerteten Charaktere, die die Beförderung auf den Friedhof rechtfertigen ... Tipp: Wenn möglich nicht die wertvollste Karte bei einem ausliegenden Säbel ausspielen!

Die Neuauflage kommt mit mehr Charakteren daher als die ursprüngliche Version, die Beute-Marker haben nun Azul-Stein-Qualität und sind sowohl haptisch als auch optisch sehr gelungen. Neu ist auch die Ruhmesleiste zur Auflösung von Gleichständen. Vor allem aber ist die Optik des Spiels komplett überarbeitet worden. War die alte Ausgabe noch recht düster, im klassischen Piraten-Look, kommt die deutlich modernere Neuauflage fast schon locker-luftig daher. In unseren Spielrunden hat sich gezeigt, dass nicht jeder diese neue Gestaltung schön findet - ich persönlich finde sie aber sehr attraktiv.

Nun stellt sich die Frage nach Zielgruppe. Libertalia ist kein Spiel für Wenigspieler (zu viel Text), auch kein Spiel für diejenigen, die die Angriffe der Mitspielenden persönlich nehmen und sofort Frust schieben, wenn ihnen etwas gestohlen wird. Man sollte auch Spaß am Taktieren haben, denn wer einmal so richtig abgehängt wurde, findet nur schwer wieder Anschluss. Zu zweit oder dritt mag das Spiel sogar noch taktischer sein, aber so richtig spaßig wird es für mich erst ab 4 Spielern, noch besser mit 5 oder 6 Freibeutern. Libertalia liebt vom Chaos, vom Ungewissen. Da ist man sich gerade noch sicher, die dritte Landkarte für 12 Dublonen einzusacken, schon bringt ein anderer Spieler die Reihenfolge durcheinander, und ich bleibe auf einer Zahlung sitzen, anstatt neues Geld zu bekommen ...

Libertalia ist zugegebenermaßen wenig "echtes" Spiel. Die einzige Entscheidung besteht in jedem Spielzug aus dem Auswählen einer Karte und ggf. noch dem Aufnehmen eines Beutestücks. Der Rest ist Administration. Damit das nicht zur langweiligen Angelegenheit wird, ist die Spielgruppe schon sehr entscheidend für den Spielspaß. In größerer Runde, mit derben Piraten-Sprüchen und Spaß am Ärgern, macht Libertalia seine Sache sehr gut. Mit einer eher ruhigen Gruppe, die sich auch noch gegenseitig vor allem Bösen verschont, ist das Spiel recht beliebig. Die Karten alleine tragen nicht zur Spannung bei, denn nur manche von ihnen sind so attraktiv, dass man auf sie hin fiebert. Viele Karten möchte man auch einfach so nebenbei loswerden, ohne dass viel passiert.

Insgesamt vergebe ich sympathische 7 Punkte an Libertalia - Auf den Winden von Galecrest. Die Neuauflage ist auf jeden Fall sehr gelungen, keine Frage, der Spielspaß schwankt aber stets mit der Spielerzahl und den Mitspielenden. In einer optimalen Runde sind auch 8 Punkte drin, wenn man solche Spiele mag. Entscheidet selbst, ob euch dieses chaotische Tauziehen, ja, ein regelrechtes Gerangel ums Geld, gefallen kann. Ich jedenfalls, und auch viele meiner Mitspieler, finden das jedenfalls sehr unterhaltsam für eine kurzweilige „Ab- und-zu-"Piraterie zwischendurch.

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/XhoVc1gcvGc

KULTFAKTOR: 7-8/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 08.05.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Feuerland Spiele / Stonemaier Games
Weitere Fotos: Spielkultisten