REZENSION

KHÔRA

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2021
  • Verlag: iello Expert / im Vertrieb von Hutter Trade
  • Autoren: Head Quarter Simulation Game Club
  • Grafik: David Chapoulet, Jocelyn Millet
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 14 Jahren
  • Dauer: ca. 75 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 8/10

Verzahnte Zivilisation

Als Herrscher einer antiken griechischen Stadt möchten wir diese zu Ruhm und Reichtum führen. Wir steigern unseren wirtschaftlichen, kulturellen und militärischen Fortschritt, nutzen politische Vorteile und entwickeln unsere Stadt spielerisch zur - hoffentlich - punkteträchtigsten Metropole. 

REGELN

Belegt den Spielplan mit Wissensmarkern, setzt eure Spielermarker auf die Startfelder der vier Leisten „Bürger“, „Steuern“, „Ruhm“ und „Truppen“, macht das gleiche auf den drei Fortschrittsleisten eures persönlichen Spielertableaus („Wirtschaft“, „Kultur“ und „Militär“). Sucht euch eine Stadt aus und legt sie auf euer Tableau. Legt den Entwicklungsmarker auf die unterste Stufe und nehmt euch ggf. den dort angebenden Vorteil, z.B. erste Philosophiemarker oder Schritte auf einer Leiste.  Außerdem erhält jeder ein identischen Set aus 7 Aktionsplättchen, nummeriert von 0 bis 6, drei Würfel in der Spielerfarbe (wobei ein Würfel zunächst noch auf der Spielertafel blockiert wird), die Errungenschaftsmarker und 4 Drachmen Startkapital an Geld.

Die Politikkarten werden gemischt. Jeder von euch erhält 5 zufällige Karten auf die Hand, wählt eine aus und gibt die anderen weiter. Das wiederholt sich, bis ihr letztlich 5 Karten ausgewählt habt („Draften“). Behaltet die Karten auf eurer Hand, es gibt kein Handkartenlimit. Da gibt es dann Karten, die einmalige Sofort-Effekte beim Ausspielen auslösen; andere Karten liefern dauerhafte Vorteile, und noch einmal andere Karten dann Punkte am Spielende für bestimmte Voraussetzungen. Die Kosten der Karten (Geld, Wissensmarker) stehen immer oben auf den Karten; manche Karten sind kostenlos.

Stellt das Ereigniskartendeck zusammen. Die oberste und unterste Karte ist in jeder Partie die selbe, weitere 7 aus 14 Karten werden zufällig zwischen diese Karten gelegt und bilden den Ereigniskaten-Stapel.

Los geht‘s. Gespielt werden 9 Runden. Jede Runde ist unterteilt in verschiedene Phasen.

(A) Ereigniskarte aufdecken und vorlesen.

(B) Einkommen generieren: Du erhältst so viele Münzen, wie es der Stufe deines Markers auf der "Steuern"-Leiste entspricht.

(C) Würfeln und Aktionen planen: Du wirfst deine verfügbaren Würfel (zu Beginn des Spiels zwei) und legst sie vor dir ab. Lege nun zu jedem Würfel verdeckt ein Aktionsplättchen. So programmierst du deine Aktionen für die Aktionsphase. Der Wert der Aktion muss vom Würfel bezahlt werden, heißt, eine 6er-Aktion ist nur dann kostenlos, wenn sie mit einer Augenzahl von 6 bezahlt wird. Natürlich kannst du jederzeit einen höheren Würfel für eine niedrigere Aktion nutzen. Die Aktionen 0 und 1 sind somit immer nutzbar. Solltest du hingegen einen zu niedrigen Würfel für eine Aktion wählen, musst du beim anschließenden Aufdecken deiner gewählten Aktionsplättchen die Differenz mit Bürgern zahlen. Rücke auf der Leiste entsprechend nach unten.

(D) Aktionen: Nun werden die Aktionen der Nummerierung nach durchgeführt. Zunächst führt also jeder Spieler, der einem seiner Würfel das Plättchen mit der 0 zugeordnet hat, diese Aktion aus. Danach folgen die 1er-Aktionen, bis hin zu 6. Manchmal ist die Spielerreihenfolge wichtig. Startspieler eine Runde ist immer der, der die niedrigste Summe erwürfelt hat. 

Das sind die möglichen Aktionen:

  • 0 - Philosophie: Erhalte einen Philosophie-Marker. 
  • 1 - Gesetzgebung: Erhalte 3 Bürger, ziehe 2 Karten vom Politik-Stapel und behalte eine davon als Handkarte.
  • 2 - Kultur: Erhalte so viele Siegpunkte, wie es der Stufe deines kulturellen Fortschritts auf deiner Spielertafel entspricht.
  • 3 - Handel: Erhalte eine Münze mehr, wie es der Stufe deines wirtschaftlichen Fortschritts auf deiner Spielertafel entspricht. Du darfst für 5 Münzen eines beliebigen „kleinen“ Wissensmarker (ohne Lorbeerkranz) aus dem Vorrat kaufen. Die Wissensmarker gibt es in drei Farben.
  • 4 - Militär: Erhalte so viele Truppen, wie es der Stufe deines militärischen Fortschritts auf deiner Spielertafel entspricht. Du darfst anschließend eine Erkundung durchführen. Suche dir einen Wissensmarker (ja, man könnte sie vielleicht auch Eroberungsmarker nennen, aber wir sind hier offensichtlich friedfertig unterwegs ...) auf dem Spielbrett aus. Neben dem Marker stehen die notwendigen Truppen, die du haben musst, um diesen Marker nehmen zu dürfen. Bei vielen Erkundungen zahlst du den Marker mit dem Verlust von Truppen (wohl doch nicht so friedfertig ...?). Höherwertige Marker bringen dafür einen Lorbeerkranz mit sich (wichtig fürs Spielende) und ggf. eine Sofort-Belohnung, nämlich Münzen oder Punkte.
  • 5 - Politik: Spiele eine Politik-Karte von deiner Hand aus und lege sie vor dir ab. Du musst die Kosten entrichten, falls vorhanden. Geld geht zurück in den allgemeinen Vorrat. Wissensmarker musst du nur vorweisen, nicht abgeben! Je nach Aktionskarte der Karte führst du die Aktion direkt aus bzw. erhältst nun einen dauerhaften Vorteil oder eine Möglichkeit, am Spielende Punkte zu machen.
  • 6 - Entwicklung: Funktioniert von der Bezahlung wie die Politik-Karten. Du erklimmst die nächste Stufe deiner Stadt-Entwicklung auf deinem Spieler-Tableau. Auch hier lassen sich Sofort-Effekte, dauerhafte Effekt oder Spielende-Effekte aktivieren.


Nachdem alle Aktionen entsprechend der gewählten Plättchen durchgeführt wurden, geht es weiter mit der nächsten Phase.

(E) Fortschritt: Du kannst deinen Fortschritt auf einer deiner drei Leisten um eine Stufe steigern, indem du die Kosten für das nächste Feld in Münzen bezahlst. Ggf. schaltest du dadurch Boni (Bürger, Punkte, Steuern, Ruhm) frei. Auch ist es möglich, sich einen dritten Würfel zu erspielen, also künftig 3 statt 2 Aktionen zu planen und durchzuführen.

(F) Ereignis ausführen: Jetzt tritt das Ereignis in Kraft, das in Phase (A) aufgedeckt wurde, es sei denn, der Text des Ereignisses bezieht sich explizit auf eine andere Phase.

(G) Errungenschaften: Nun können Errungenschaftsmarker platziert werden. Wer eine Errungenschaft erspielt hat (z.B. 10 Siegpunkte, 12 Truppen, 3 ausgespielte Karten etc.), legt seinen Marker auf das entsprechende Feld (und erhält dafür einen Schritt auf der Ruhm- oder Steuern-Leiste), sofern dort noch kein Marker liegt Es können mehrere Spieler in der selben Runde eine Errungenschaft erreichen, jedoch ist dieses Feld dann für zukünftige Runden gesperrt.

Nun beginnt die nächste Runde.

Philosophie-Marker: Die Philosophie-Marker helfen dir, bestimmte Aktionen auszuführen. Du kannst in Phase (C) pro Marker, den du bezahlst, 3 Bürger erhalten, um deine Würfel manipulieren zu können, sofern deiner Bürger dafür nicht ausreichen. Du kannst in Phase (D) einen fehlenden Wissensmarker beim Bezahlen von Karten oder Entwicklungsstufen temporär und mit der Bezahlung von 2 Markern ersetzen. Und in Phase (E) kannst du für jeden Marker, den du bezahlst, eine weitere Stufe auf einer Fortschrittsleiste empor steigen, sofern du die Kosten dafür bezahlen kannst.

Schlusswertung: Nach 9 Runden endet das Spiel. Nun gibt es noch einmal Punkte ...

  • ... für eine freigespielte Endwertungs-Option auf deiner Stadt-Entwicklung (Punkte je ach Erfüllung der vorgegebenen Voraussetzung).
  • ... für ausgespielte Endwertungskarten (Punkte je nach Erfüllung der vorgegebenen Voraussetzung).
  • ... für jeden gesammelten Wissensmarker mit Lorbeerkranz, und zwar in Höhe deiner Ruhm-Stufe. Stehst du beim Ruhm z.B. auf Stufe 5, ist jeder Lorbeer-Marker 5 Punkte wert. 


Die Punkte werden zu den im Spiel erzielten Punkten hinzuaddiert. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • interessante Mechanismen
  • schöne Verzahnung
  • verschiedene Wege zum Ziel
  • eingängiger Ablauf, gut unterstützt durch Spielerhilfe und Symbolik
  • Varianz durch Politikkarten und immer andere Würfelergebnisse


CONTRA

  • das Glück spielt definitiv auch mit
  • Karten unterschiedlich stark
  • nüchterne Präsentation gefällt nicht jedem

MEINUNG

Eher nüchtern wirkt Khôra zunächst, wenn es auf dem Spieltisch liegt. Man sieht Plättchen, Marker, Leisten; das Thema kommt nur dezent zum Vorschein. Das ändert sich etwas, sobald jeder seine Stadt gewählt hat, die Politikkarten auf der Hand hält und das erste Ereignis aufgedeckt wird. Dann schimmert das Setting (antikes Griechenland) mit schönen Illustrationen zumindest ein wenig durch. Das Spielmaterial ist aber ansonsten top, wirkt elegant, und ist zudem auch zweckmäßig durch eine einfache Ikonographie und so schöne Features wie die Double-Layer-Boards. Einzig die Symbol- und Schriftgröße ist teilweise ein Anlass, doch mal wieder einen Sehtest zu machen und sich gegebenenfalls eine Lesebrille anzueignen ...

Sowohl die Anleitung als auch die Spielerhilfen auf den Spielerboards leiten wirklich hervorragend durch die Spielphasen. So ist der Spielablauf schnell verinnerlicht. Auch sonst sind die Aktionen, die man im Spiel macht, nicht schwer zu verstehen. Da bewegt sich das Spiel auf einfachem Kennerspiel-Niveau. Was Khôra aber dennoch anspruchsvoll macht, ist die tolle Verzahnung der einzelnen Leisten und Mechanismen. Da haben Kenner auf jeden Fall einen Vorteil gegenüber Neulingen, da sie bereits wissen, welche Auswirkungen welcher Fortschritt etc. hat.

Ein toller Mechanismus ist die Aktionsauswahl, die an die Würfel gekoppelt ist. Das geheime Programmieren der Aktionen ist strategisch geprägt. So muss ich im Voraus planen, was ich in dieser Runde machen möchte bzw. was ich überhaupt erreichen kann. Da die Aktionen im Anschluss ihrer Nummerierung nach durchgeführt werden, bedingt eines das andere. Oft ist da dann gutes Ressourcenmanagement gefragt; die Boni im Spiel, die man nebenbei bekommt, sind wichtig, und auch die Philosophie-Marker sollte man nie unterschätzen.

Varianz kommt durch die immer wieder anderen Würfelergebnisse ins Spiel, aber auch durch die Politik-Karten.  Da sollte ich schon beim Draften darauf achten, dass ich für mich passende Karten auswähle, auch was die Wissensmarker angeht. Stimme ich die mit meinen Stadt-Entwicklungsstufen ab, kann ich da sehr gut doppelt profitieren.

Schön ist es auch, dass es verschiedene Wege zum Ziel gibt. So kann ich gezielt auf Punkte im Spiel spielen, meine Kultur und meine Wirtschaft steigern, ich kann auf Endwertungsziele spielen oder auch auf Lorbeer-Marker, die zwar für die „Bezahlung“ der Aktionen nicht wichtig sind (da zählen nur die Farben der Marker), am Ende aber Punkte bringen in Höhe der Ruhm-Stufe, die dazu dann hoffentlich stark erhöht werden konnte, denn sonst bringen einem die teuer erkauften Marker nicht so viel.

Das ganze Spiel besteht also aus der taktischen Vorgabe, alles im Blick zu behalten und stets das Benötigte ausreichend zu steigern. Dennoch ist auch Glück im Spiel vorhanden. Was bringt mit der dritte Aktionswürfel, wenn ich mit meinen drei Würfeln immer nur Ergebnisse wie 1-1-2 würfele. Ja, da könnte man schon mal vor Ärger in den Tisch beißen, weil die höheren Aktionen dann nur über Bürger ausgeglichen werden können. Meistens gleicht sich das während einer Partie aber einigermaßen aus, es sei denn, man gehört wirklich zur Gruppe der ständigen Pechvögel. Auch die Politik-Karten scheinen unterschiedlich stark zu sein, zumal manche Karten gar kostenlos sind, während andere mühsam erarbeitet werden müssen. Da wirkt das Draften zu Beginn aber auch entgegen, sodass kein Spieler sich sämtliche kostenlosen Karten sichern kann, während andere Sorgen haben, überhaupt eine Karte ausspielen zu können.

Nicht abhängen lassen sollte man sich zudem bei den Errungenschaften. Hier bietet Khôra noch ein kleines Wettrennen um bestimmte Spielziele, die zusätzliche Steuern und Ruhm einbringen. Fokussiertes Spielen ist also wichtig, gerade in Vollbesetzung, wenn die Möglichkeiten beschränkter sind, wenngleich sich das Spiel nie anstrengend anfühlt. Es spielt sich erstaunlich fluffig und zudem - durch die verschiedenen Spielphasen - auch abwechslungsreich.

Alles in allem gefällt mir Khôra ausgesprochen gut. Sicher, es gibt doch einige Zivilisationsspiele, und es gibt auch einige Spiele, die so ein Fortschreiten auf Leisten beinhalten. Dennoch ist Khôra für mich ein kleines Highlight innerhalb dieses Genres. Dass man da manchmal auch ein wenig vom Pech verfolgt sein kann und nicht alles bis zum Spielende immer gerecht verteilt abläuft, gehört zum Konzept, dem ich, da es meinen Geschmack voll getroffen hat, sehr gute 8 Kultpunkte attestiere - ja, sogar mit Tendenz zur 9, wenn mir die Würfel einigermaßen hold sind ;)

Für mich ist Khôra auf jede Fall eine schöne Bereicherung in meinem Spieleregal, und wer nicht gerade eine durch und durch zum Vorschein tretende Spielstory oder absolute Planbarkeit, ohne Glück, von einem Spiel verlangt, sondern eher eine Spielzug-Optimierung,  taktisches Ressourcenmanagement und eine Vorausplanung der nächsten Schritte bevorzugt, dem kann ich das Spiel auf jeden Fall ans Herz legen.


VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/rt2LMVpjwng

KULTFAKTOR: 8-9/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 9/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 07.03.2022

Bildnachweis:
Coverfoto: iello / Hutter Trade
Weitere Fotos: Spielkultisten