REZENSION
HEIMLICHE HERRSCHAFT
- Genre: Karten-/ Taktikspiel
- Jahr: 2022
- Verlag: Board Game Circus / BFF Games
- Autoren: Andreas Müller, Markus Müller, Raphael Stocker
- Grafik: Satoshi Matsuura
- Spieler: 2 bis 6
- Alter: ab 10 Jahren
- Dauer: ca. 30 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 6/10
Taktisches Tauziehen
Der Kaiser ist tot, der Thron steht für einen Nachfolger bereit. Doch welche Fraktion wird ihn einnehmen - die Kaiserliche Armee, die Hügelstämme, das Wasservolk oder die Untoten? Im Spiel sympathisiert jeder mit zwei zufälligen Parteien und versucht eine davon bis zum Spielende in die führende Position zu bringen. Doch oftmals konkurrieren mehrere Spieler um die selbe Fraktion!
REGELN
Mischt die sechs Rollenkarten. Jeder zieht verdeckt eine solche Karte und sieht sie sich geheim an. Die Karte gibt vor, für welche beiden Fraktionen der jeweilige Spieler antritt.
Stellt den grünen und den roten Spielmarker auf das Startfeld (4) des Spielplans, welcher eine Skala von 1 bis 12 zeigt. Mischt die Charakterkarten und legt sie als verdeckten Stapel in den Hafenbereich (links vom Spielplan). Deckt drei Karten vom Stapel auf und legt diese in die Taverne (unterhalb des Spielplans). Legt zudem die Karte „alter Kaiser“ rechts neben den Spielplan, offen, auf den Friedhof.
Nun bekommt jeder 5 zufällige Handkarten vom Charakterkarten-Stapel. Die Charakterkarten haben jeweils eine individuelle Funktion und sind stets einer bestimmten der vier Fraktionen zugeordnet. Von den fünf Karten legt nun jeder eine Karte verdeckt neben seine (ebenso verdeckt) ausliegende Rollenkarte. Verdeckte Karten zählen am Spielende zur eigenen Gruppe, werden aber während des Spiels nicht für die Endbedingung des Spiels mitgezählt. Nur offen ausliegende Karten bestimmen, wann das Spiel endet: je nach Spielerzahl, bei einer Auslage von 5 bis 8 offenen Karten vor einem Spieler. Außerdem wirft nun jeder Spieler noch eine Karte von seinen restlichen vier Karten auf der Hand ab. So bildet sich ein Abwurfstapel in der Wildnis (oberhalb des Spielplans).
Ziel ist es, eine der beiden eigenen Fraktionen bis zum (durch die Anzahl der offenen Karten bei einem beliebigen Spieler ausgelösten) Spielende in Führung gebracht zu haben. Bestimmt wird der Sieg einer Fraktion durch den grünen und den roten Marker. Mehr dazu gleich.
Gespielt wird reihum. Wer an der Reihe ist, durchläuft der Reihe nach folgende Phasen:
(1) Der Spieler legt entweder eine bis drei Handkarten in die Wildnis, um sie loszuwerden ODER der Spieler spielt eine seiner Handkarten offen in seine Auslage und führt die Aktion der Karte durch. Meistens werden die Marker verschoben, teils auch in Abhängigkeit bestimmter Bedingungen. Auch werden über die Kartenfunktionen Karten vertauscht, Karten von Mitspielern gestohlen, Karten umgedreht (z.B. eine verdeckte Karte aufgedeckt) etc. Oft gilt die Anweisung der ausgespielten Karte für beliebige Kartengruppen, d.h. nicht zwingend für die eigene. So kann man auch gut die Mitspieler ärgern oder versuchen, schnell herauszubekommen, für welche Fraktion sie spielen.
(2) Die Kartenhand wird nun auf 4 Karten aufgefüllt - egal, ob mit Karten aus der offenen Auslage (Taverne) oder zufällig vom Stapel (Hafen).
(3) Von diesen vier Karten muss nun wieder eine verdeckt in die Wildnis abgeworfen werden.
Nun werden noch offene Plätze in der Taverne mit neuen Karten aufgefüllt, und der nächste Spieler ist dran.
Ende des Spiels: Hat ein Spieler dann irgendwann die geforderte Anzahl an offenen Karten vor sich ausliegen, endet das Spiel nach diesem Spielzug. Jetzt wird ermittelt, welche Fraktion gewonnen hat:
- Befinden sich beide Marker auf dem Spielbrett im dunkel markierten Bereich (Felder 9 bis 12), gewinnen die Untoten. Diese Bedingung steht über allen weiteren Siegbedingungen!
Befinden sich nicht beide Marker gemeinsam im dunklen Bereich, sondern nur einer oder gar keiner, dann wird genauer hingesehen:
- Das Seevolk gewinnt, wenn die Marker sich ein Feld teilen oder auf zwei benachbarten Feldern liegen.
- Die kaiserliche Armee gewinnt, wenn der rote Marker sich mindestens 2 Felder vor dem grünen Marker befindet.
- Die Hügelstämme gewinnen, wenn der grüne Marker sich mindestens 2 Felder vor dem roten Marker befindet.
Alle Spieler, die die Sieger-Fraktion auf ihrer Rollenkarte vorfinden, nehmen an der Wertung teil. Gibt es nur einen Spieler mit dieser Fraktion, gewinnt der Spieler automatisch. Ansonsten zählen alle am Sieg beteiligten Spieler die Karten der Sieger-Fraktion in ihrer Auslage. Dazu zählen sowohl die offenen als auch die verdeckten Karten. Wer die meisten Karten dieser Fraktion besitzt, ist der Sieger des Spiels; bei einem Gleichstand gewinnt, wer insgesamt weniger Karten in seiner Auslage liegen hat. Bei einem erneuten Gleichstand gewinnt, wer die höhere Rollenkarten-Nummer besitzt.
Im Spiel zu zweit oder dritt kann es bei einer ungünstigen Rollen-Verteilung dazu kommen, dass niemand der Sieger-Fraktion angehört. In diesem Fall gibt es keinen Sieger.
GALERIE
Anklicken / Antippen für Komplettansicht
CHECKPOINT
PRO
- flottes Zwischendurch- oder Absackerspiel
- witzige Kartentexte und Illustrationen
- nette Mischung aus Bluff, Taktik und Ärgern
- schnell erklärt und gespielt
- besonders für Gruppen ab 4 Spielern geeignet
CONTRA
- es kann ungünstige Konstellationen geben, die den Spielspaß für einzelne Spieler ausbremsen
- in Vollbesetzung recht lange Downtime
MEINUNG
Wenn eine "spießige Schildkröte", ein "nörgelndes Nordlicht", eine "grantige Großmutter" und ein "kurzer Keulenschwinger" um den Thron des verstorbenen Kaisers kämpfen, fühlt man sich allein von den Kartenillustrationen und ihren Namen in den ersten Partien schon gut unterhalten. Ja, das Spielmaterial kann sich sehen lassen, die Alliterationen der Namen unserer Charaktere im großen Kartenstapel sorgen definitiv für ein Schmunzeln. Und dieser Humor zeigt auch schon, wohin die Reise in Heimliche Herrschaft geht.
Ein Spiel mit verdeckten Identitäten, Fraktionen, die man unterstützt - das kennen wir aus ähnlichen Spielen, "Social Deduction" wird das Genre genannt. Doch bei Heimliche Herrschaft hat jeder Mitspielende gleich zwei Fraktionen, die er supporten kann. Das eigentliche Spielprinzip ist simpel. Karten abwerfen (als Notaktion), ansonsten eine Karte offen ausspielen, Effekte durchführen, Karten nachziehen und zum Schluss auf drei Karten reduzieren. Simpel.
Die Karteneffekte sind unterschiedlicher Natur. Manche lassen einfach die beiden Marker auf dem Spielbrett wandern, andere machen das in Abhängigkeit von bestimmten Spielvoraussetzungen - in dem Fall ist dann Timing gefragt. Und es gibt auch interaktive Karten, die sich auf die Mitspielenden auswirken können, sei es in Form eines kleinen Diebstahls oder in der neckischen Aufforderung, doch mal eben eine verdeckte Karte umzudrehen, sodass sie nun zu den offenen zählt. Ja, auch hier geht es dann letztlich ums Timing. Wenn ich das Ende des Spiels auslöse, sollte meine Fraktion natürlich die Siegbedingung erfüllen, doch bin ich nicht der Einzige, der diese Fraktion unterstützt, dann konkurriere ich in der Anzahl der gesammelten Karten dieser Fraktion mit meinen Kontrahenten.
Was sich in der Theorie gut durchdacht und interessant anhört, ist dann in der Tat auch kurzweilig, dennoch gibt es Situationen, die das Spielgefühl verändern. So kann es gerade mit wenigen Spielern passieren, dass sich zwei Personen gegen eine andere verbünden, die dann absolut keine Chance hat, ihre Fraktion entsprechend zu pushen. Das passiert nicht ständig, aber es KANN passieren. Der Ärgerfaktor im Spiel ist dagegen gewollt, und den muss man dann auch aushalten. Lautet die Endbedingung, dass ein Spieler sieben Karten offen vor sich ausliegen hat, und ich zwinge meinen Nachbarn, dessen offensichtlich unterstützte Fraktion gerade nicht führt, wohl aber meine meine, dazu, dass er eine verdeckte Karte zur siebten offenen Karte machen muss, dann beendet er das Spiel, ohne es zu wollen und Einfluss darauf zu haben. So etwas mag nicht jeder, aber es ist Konzept des Spiels.
Heimliche Herrschaft ist kein wirkliches Deduktionsspiel, denn eigentlich wird durch die Siegbedingung schnell klar, dass man sich nur dann gegen die Konkurrenz durchsetzen kann, wenn man auch entsprechend viele Fraktionskarten gesammelt hat. So lässt sich doch recht schnell erahnen, wer welches Ziel vor Augen hat. Ein Bluffen ist nur bedingt möglich, zumindest, wenn man das Risiko minimieren möchte, am Ende zu wenige Anhänger im eigenen Team zu haben, obwohl die eigene Fraktion siegreich war. Wenn man Karten verdeckt ausspielen darf, dann kann einem das am Spielende helfen, aber man kann das halt nur zufällig über Karteneffekte machen, sodass sich damit nicht planen lässt.
Im Spiel zu zweit und zu dritt kann es bei ungünstiger Rollen-Verteilung sogar passieren, dass niemand gewinnt. Das ist dann auch etwas unbefriedigend, aber das passiert glücklicherweise nur sehr, selten.
Fakt ist: Das Glück spielt in Heimliche Herrschaft auch eine nicht unentschiedene Rolle. Ziehe ich stets die falschen Fraktionskarten, oder kommen eher schwache Aktionen in die Tavernen-Auslage, wenn ich dran bin, dann kann ich das Nachsehen haben gegenüber denen, die immer wieder zu ihrer Rolle passende Fraktionskarten ziehen, und deren Effekte dann am besten auch noch andere Spielende attackieren ... Wer hier nach Gerechtigkeit ruft, der wird das eine oder andere Mal enttäuscht.
Das Gute: Heimliche Herrschaft braucht kein perfektes Balancing aller Karten. Das Spiel ist als Spaßspiel angelegt, als schnelles Zwischendurch- oder Absackerspiel. Wenn es in einer Partie nicht rund läuft, verläuft die nächste bestimmt wieder anders. Dennoch kann ich es verstehen, dass einzelne Spieler auch mal Frust schieben, wenn sie schon nach der Hälfte des Spiels merken, dass sie nicht gegen die Konkurrenz ankommen - nicht, weil sie schlecht gespielt haben, sondern einfach, weil der eigene Einfluss von einer Übermacht anderer Ziele ausgebremst wird.
Unter Berücksichtigung beider Ausschläge vergebe ich insgesamt (sympathische) 7 Kultpunkte. Ich empfinde das Spiel als locker-flockig, mir macht es Spaß, Aktionen auszuwählen, mit denen ich das Spiel in meine Bahnen lenken kann. Dass das nicht immer funktioniert, kann ich angesichts der kurzen Spieldauer verschmerzen. Auch trösten die witzigen Charaktere über Schwächen hinweg. Wer ein ausgeglichenes Spielerlebnis erzielen möchte, der sollte möglichst in Vollbesetzung spielen. Ja, dann ist die Downtime höher, dann entsteht aber auch ein echter Fight um den Sieg einer Fraktion, dann geht es eng und spannend zu, da gerade im Spiel zu sechst jede Fraktion dreimal unter den Spielern verteilt ist. Zu zweit oder dritt können alle aneinander vorbei spielen, da jeder eine andere Fraktion nach vorn bringen möchte, wobei sich das Wasservolk als recht schwierig zu spielen erweist, oder - gerade im Spiel zu dritt, und das ist dann wirklich etwas doof, zwei Spieler gegen einen anspielen.
Eine Empfehlung geht von mir an Fans von solchen Spaß- und Ärgerspielen, die sich selbst nicht allzu ernst nehmen, besonders in Spielrunden mit mindestens 4, noch besser 5 oder 6 Spielern. Für das schnelle Vergnügen zwischendurch werde ich das taktische Tauziehen um den Thron auf jeden Fall noch öfter auf meiner Agenda haben!
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/x1TDGzwZISs
KULTFAKTOR: 7/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 10/10
Spielablauf: 6-7/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 30.08.2022
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Board Game Circus
Weitere Fotos: Spielkultisten