REZENSION

HAITHABU - TRIBES OF THE NORTH

  • Genre: Kartenspiel
  • Jahr: 2023
  • Verlag: H2.O (Herold und Herold Verlag)
  • Autoren: Guntram und Florian Herold
  • Grafik: Theresa Viehhauser
  • Spieler: 2 bis 4
  • Alter: ab 8 Jahren
  • Dauer: ca. 30 bis 45 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 6/10

Historisches Kräftemessen

Wir befinden uns in der Zeit zwischen dem 5. und 13. Jahrhundert. Die Römer wurden aus dem nördlichen Raum Europas zurückgedrängt. Vier Stämme kämpfen nun in diesem geschichtlich unterlegten Kartenspiel um die Vorherrschaft.

KICKSTARTER PREVIEW

Jeder Spieler erhält das Kartenset seines Volksstammes - das der Franken, der Angelsachen, der Langobarden oder der Wikinger. Jedes Set besteht aus 20 Karten (18 Zahlenkarten mit Werten von 1 bis 9 und zwei Joker), die als verdeckt gemischter Nachziehstapel vor dem jeweiligen Spieler liegen. Vom eigenen Stapel zieht nun jeder fünf Karten auf die Hand. Dazu gesellt sich die Helden-Karte, die offen vor dem Spieler ausgelegt wird.


Legt nun noch, je nach Spielerzahl, zwei oder drei Metropolen- sowie drei oder vier zufällige Wertungskarten aus.

Gespielt wird reihum. Die erste Runde verläuft ein wenig anders als die weiteren. Jeder hat die Möglichkeit, eine oder mehrere  Handkarten in die Mitte zu spielen. Dabei müssen Reihen gebildet werden, die einer festen Zahlenfolge entsprechen. Wichtig: Eine 9 und 1 sind benachbart, eine Reihe könnte also z.B. die Kombination 8-9-1-2 sein, wobei die Anzahl der Karten, die ausgespielt werden, vom Spieler bestimmt wird. Er kann auch nur eine einzige Karte spielen. Im Spiel zu viert dürfen maximal vier Reihen gleichzeitig gebildet werden, im Spiel zu zweit oder dritt nur drei Reihen. Es ist nicht verpflichtend, eine neue Reihe zu beginnen. Der zweite Spieler kann bereits auch Karten an die Reihe vom ersten Spieler anlegen. Einzige Einschränkung in Runde 1: Alle Karten, die man selbst spielt, müssen in eine (!) Reihe gelegt werden!

Wer ab der zweiten Runde an der Reihe ist, durchläuft nun stets drei Phasen:
(1) Werten: Der Spieler kann eine ausliegende Kartenreihe werten, sofern er mit mindestens einer eigenen Karte an dieser Reihe beteiligt ist, und eine passende Wertungskarte ausliegt, die der Anzahl der in dieser Reihe liegenden Karten entspricht. Löst ein Spieler die Wertung aus, erhält der, der die Karten-Mehrheit (Anzahl der Karten) in dieser Reihe besitzt, die höhere Punktezahl (in Form der Wertungskarte), der Zweitplatzierte erhält aus den nun entfernten Karten dieser Reihe seine Belohnung ausgezahlt (1 bis 2 Punkte).

(2) Aktion ausführen:

  • Karten spielen: Eine oder mehre Karten von der Hand dürfen in eine (oder mehrere) Reihen gespielt werden, sofern sie jeweils zu einer Zahlenfolge ohne Lücken beitragen. Eine Joker-Karte ersetzt eine beliebige Zahl.
  • Karten nachziehen: Der Spieler ergänzt seine Kartenhand wieder auf fünf.
  • Karten tauschen: Der Spieler schiebt eine selbst gewählte Anzahl an Handkarten unter seinen Nachziehstapel und zieht dafür entsprechend viele neue Karten nach. Diese Aktion darf niemals zweimal hintereinander durchgeführt werden.

Es darf immer nur eine (!) der drei Optionen pro eigenem Spielzug genutzt werden!


(3) Metropolenwertung:
Hat eine Kartenreihe nun ihre maximale Anzahl von neun Karten erreicht, wird eine Metropolen-Karte vergeben. Die Wertung entspricht der der normalen Wertungskarten, nur sind die Punkte höher.

Heldenkarte: Jederzeit (auch in fremden Spielzügen) kann ein Spieler einmalig seine Heldenkarte spielen. Das sagt er laut an. Pro Spielzug darf nur eine Heldenkarte ausgelegt werden. Der Spieler spielt sie nun in Phase 1 in eine der ausliegenden Reihen. Es dürfen keine zwei Helden in der selben Reihe liegen. Eine Heldenkarte fungiert als Joker, zählt bei einem Gleichstand aber als 10 und gewinnt somit jeden Gleichstand.

Das Spiel endet, wenn ...

  • zwei Spieler (im Spiel zu dritt oder viert) keine Aktion in Phase 2 mehr ausführen können (bzw. ein Spieler im Spiel zu zweit). 
  • die letzte Wertungskarte aufgedeckt wurde.
  • die dritte Metropolenkarte (bzw. die zweite, je nach Spielerzahl) vergeben wurde.


Jeder zählt nun die erhaltenen Punkte seiner gesammelten Wertungs- und Punktekarten. Wer die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt diesen Durchgang. Es wird empfohlen, drei Durchgänge hintereinander zu spielen, bevor der endgültige Sieger feststeht.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • einfaches, aber dennoch trickreiches Kartensammel- und Anlegespiel
  • kleine taktische Überlegungen werden eingefordert
  • atmosphärisch illustrierte Karten


CONTRA 

  • sortiertes Kartenlegen ist nicht neu
  • Thema kommt im eigentlichen Spiel gefühlt nicht vor

MEINUNG

Mit hübschen Miniaturen wird die Kickstarter-Kampagne von Haithabu - Tribes of the North beworben. Diese erhält man allerdings nur in einer doch teureren Add-On--Variante des Spiels, wobei der eigentliche Spielablauf dadurch nicht beeinflusst wird. Die Miniaturen sind reine Deko-Objekte, die beim Ausspielen einer Heldenkarte noch eine schöne Tischpräsenz erzeugen - ich brauche sie nicht, aber das sollte jeder selbst entscheiden, was er bereit ist, für so ein kleines Kartenspiel auszugeben. Entscheide ich mich nur für das Spiel, dann bin ich mit 25 Euro dabei (als "Early Bird" sogar mit nur 14 Euro). Möchte ich entsprechend große Miniaturen und weitere Extras hinzu, dann steigt der Preis auf bis 120 Euro ...

Haithabu erzählt eine historische Geschichte, die übrigens noch vom im April 2022 verstorbenen Wieland Herold als Berater ins Spiel eingebracht wurde. Die Illustrationen der Karten sind entsprechend atmosphärisch, das eigentliche Spiel hingegen ist dann doch abstrakter Natur. Das Thema ist zwar - eben durch die Illustrationen - allgegenwärtig, gefühlt wird es spielerisch aber nicht wirklich. Im Kern handelt es sich um ein  Kartensammel- und Anlegespiel, so wie es zum Beispiel Lost Cities / Keltis auch sind. Ich konzentriere mich also spielerisch auf die Zahlen, nicht auf die Illustrationen, Sonderfähigkeiten der Charakter gibt es keine. Das Ablegen der Karten, nach Nummerierung sortiert, ist somit nichts wirklich Neues, dennoch hat Haithabu - Tribes of the North eigene taktische Ideen.

Da wäre zum einen die Reihenfolge der einzelnen Phasen. Dadurch, dass ich nur zu Beginn meines Zuges aktiv eine Wertung auslösen kann, fehlt mir natürlich die Möglichkeit, die Kartenreihe zuvor noch einmal zu pushen. Das geht einmalig mit der Heldenkarte, aber die ist dann auch weg. So ist es mehr das Ziel, Vorlagen zu bilden, mit denen die anderen Spieler dann geschickt umgehen müssen. So geht es ja stets um Mehrheiten. Manchmal kann es da auch besser sein, als Zweitplatzierter zu werten, bevor man von einem anderen Spieler gänzlich aus der Wertung gekickt wird oder ein Kontrahent eine noch höhere Wertung beansprucht. Trotzdem sollte ich immer versuchen, mich in eine gute Position zu bringen. So kann es auch attraktiv sein, gleich mehrere Karten auf einmal zu spielen, doch wie viele sind wirklich nötig, um eine Wertung zu gewinnen? Wer zu viel investiert, dem fehlen am Ende wichtige Karten. Wer sich zu wenig einbringt, wird keine hohen Punkte einfahren. Die Metropolen-Wertung ist natürlich das Interessanteste, aber lassen meine Mitspieler es zu, dass ich mit einer sicheren Mehrheit überhaupt zum 9-Karten-Ziel gelange? Da sind auf jeden Fall immer schöne kleine taktische Überlegungen im Spiel.

Ungewöhnlich ist auch die Tatsache, dass ich keine neuen Karten nachziehe, sondern dafür eine Aktion aufbringen muss, in dieser Runde aber dann nichts anderes mache, außer eventuell eine Wertung auszulösen. Da ist dann auch Timung gefragt. Nach nur einer gespielten Karte lohnt es sich kaum, eine Zieh-Aktion durchzuführen. Manchmal kann die Tauschaktion aber auch weiterhelfen, um passende Karten anlegen zu können.

Je weniger Spieler mitspielen, umso weniger Freiraum gibt es fürs Ablegen der Karten. Da wird man dann manchmal auch etwas vom Spiel gespielt. Je mehr Spieler teilnehmen, am besten vier, umso stärker fällt das Gerangel um die Punkte aus, umso kurzweiliger ist Haithabu für mich.

Zum Test stand uns ein Vorabexemplar zur Verfügung, dessen Anleitung teilweise  noch verbesserungswürdig wäre. So taten wir uns etwas schwer, die Wertungsphase richtig zu verstehen, einfach weil da ein paar erklärende Sätze fehlen, wie mit den ausliegenden Karten umzugehen ist. Das kann (und sollte) bis zum finalen Produkt aber noch verbessert werden und ist somit kein Kritikpunkt, der Einfluss auf meine Wertung hat.

Fazit: Haithabu - Tribes of the North ist ein gelungenes taktisches Mehrheiten-Kartenspiel, das sein Potenzial umso mehr ausschöpft, je mehr Spieler beteiligt sind. Die Regeln sind simpel, der Ablauf ist (bekannt) abstrakter Natur, durch die kleinen eigenen Kniffe aber für Freunde von flott gespielten Kartenspielen auf jeden Fall einen näheren Blick wert. Ich vergebe gute 7 Punkte unter einer Bevorzugung der genannten Voraussetzungen, was die Spielerzahl angeht.

Hinweis: Das Spiel kann bis Mitte November 2022 auf Kickstarter finanziert werden: https://www.kickstarter.com/projects/heroldundherold/haithabu-tribes-of-the-north

VIDEO

Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube:  https://youtu.be/ewgUm98i27s

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 18.10.2022

Diese Preview wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: H2.O - Herold und Herold Verlag
Weitere Fotos: Spielkultisten