REZENSION
FLIP 7
- Genre: Kartenspiel
- Jahr: 2025
- Verlag: KOSMOS
- Autor: Eric Olsen
- Grafik: O'Neil Mabile
- Personen: 3 bis 18
- Alter: ab 8 Jahren
- Dauer: ca. 20 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: leicht
- Taktiklevel: 2/10
"Das beste Kartenspiel aller Zeiten"?
Nacheinander und reihum bietet euch der Kartengeber neue Karten an, mit denen ihr Punkte sammelt. Aber Vorsicht! Wer zu gierig ist, verlässt eine Runde auch einfach mal mit null Punkten. Andererseits lockt der Flip 7 mit Bonuspunkten ... tja, schwere Entscheidung!
REGELN
Mischt die Karten zu einem verdeckten Stapel. Neben einigen Sonderkarten gibt es Karten im Wert von 0 bis 12 (wobei die 1 einmal im Stapel vorhanden ist, die 2 zweimal, die 3 dreimal, ... dementsprechend gibt es zwölf Exemplare von der 12; die 0 wiederum ist, wie die 1, nur einmal vorhanden).
Bestimmt den Kartengeber der Runde. Der gibt nun jedem, auch sich selbst, eine erste offene Karte, die jeder vor sich legt. Ist es eine Sonderkarte, wird direkt der Effekt ausgelöst (siehe unten).
Dann geht‘s direkt weiter. Reihum wird nun jedem von euch eine zweite, später eine dritte, eine vierte (...) verdeckte Karte offeriert, auch der Kartengeber selbst stellt sich stets diese Frage.
- Nehme ich eine mir angebotene Karte an, lege ich sie offen zu meinen bereits vorhandenen.
- Lehne ich sie ab, steige ich aus der laufenden Runde aus und erhalte so viele Punkte, wie der Wert der vor mir liegenden Karten vorgibt.
Nehme ich die Karte an, gibt es wiederum zwei Möglichkeiten:
- Es handelt sich um eine Zahlenkarte, deren Zahl noch nicht vor mir ausliegt? Perfekt, dann bleibe ich im Spiel.
- Es handelt sich um eine Zahlenkarte, deren Zahl bereits vor mir ausliegt? Dann habe ich Pech, denn ich habe mich verzockt und verlasse die Runde mit 0 Punkten.
Bei den Sonderkarten handelt es sich entweder um Bonuskarten (einfach zusätzliche Punkte oder sogar einen Verdoppler) oder um eine dieser drei Aktionskarten:
- „Freeze“ kickt eine Person aus der laufenden Runde. Das kann ein Konkurrent sein, das kann aber auch ich selbst sein. Die bis dahin gesammelten Karten werden dann gewertet.
- „Flip Three“ lässt eine Person drei Karten vom Stapel ziehen; wieder kann das ein Konkurrent sein oder man selbst. Diese Person muss die Karten offen vor sich auslegen und darf nicht vorher freiwillig aussteigen.
- „Second Chance“ lege ich offen vor mir aus. Ziehe ich eine doppelte Karte, werfe ich diese zusammen mit der Second-Chance-Karte ab, um im Spiel zu bleiben. Jeder darf maximal eine Second-Chance-Karte besitzen; zieht jemand eine zweite, muss die Karte an einen Konkurrenten verschenkt werden.
Reihum werden nun in einer Endlosschleife Karten angeboten und verteilt, solange, bis alle gepasst haben bzw. duch eine doppelte Karte aus der Runde geflogen sind. Eine Besonderheit ist dann noch der Flip 7, den man erzielt, wenn sieben Zahlenkarten mit unterschiedlichen Werten vor einem liegen. Ein Flip 7 bringt 15 Bonuspunkte und beendet die Runde sofort.
Alle Punkte werden notiert, dann startet die nächste Runde mit einem neuen Kartengeber. Achtung: Die Karten werden, solange noch welche im Stapel vorhanden sind, nicht neu gemischt! Man kann also abschätzen, wie viele Karten bestimmter Werte sich noch im Stapel befinden. Erst, wenn der Stapel geleert wurde, werden die abgelegten Karten neu gemischt.
Sobald jemand bei einer Wertung die 200 Gesamtpunkte-Marke überschreitet, endet das Spiel. Wer nun die meisten Punkte besitzt, gewinnt.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- lustiges Zockerspiel
- sorgt für Emotionen
- ideal für etwas größere Runden
- simple Regeln holen auch Wenigspielende ab
CONTRA
- sehr geringer eigener Einfluss
- in kleinerer Runde weniger witzig
MEINUNG
Schon bei Black Jack (oder 17 und 4) galt es, möglichst hohe Zahlenwerte anzusammeln, allerdings ohne dabei zu patzen. War es beim Klassiker eine Summe von über 21, ist es bei der Neuheit Flip 7 nun eine doppelte Zahlenkarte.
Die Regeln sind wirklich simpel. Also wirklich simpel. Meine eigene Entscheidung betrifft stets nur die mir gerade angebotene Karte, von der ich nicht weiß, was sich darunter verbirgt. Um viele Punkte sammeln zu können, ist es natürlich vorteilhaft, hohe Zahlenwerte vor mir ausliegen zu haben. Die Krux im Spiel ist jedoch, dass diese Zahlenwerte dann auch einfach so oft im Spiel sind, wie es der Zahl entspricht. 12 Punkte sind pro Karte also das Maximum, aber da die Karte auch zwölfmal im Stapel ist, ist die Wahrscheinlichkeit, eine zweite 12 zu erwischen und damit aus der Runde auszuscheiden, höher, als beispielsweise bei einer mickrigen 3.
Gerade die niedrigen Karten sind besonders gern gesehen, wenn es um einen Flip 7 geht. Wenn schon sechs Karten vor mir ausliegen, ist die Versuchung groß, auch noch eine siebte zu nehmen, in der Hoffnung, die Runde so sofort zu beenden und den Bonus einzustreichen. Natürlich sitzt aber auch immer Murphy mit am Tisch. Ja, wie wahrscheinlich ist es, bei noch 40 verbliebenen Karten im Stapel die zweite 2 zu ziehen? Sehr gering. Das Spiel beweist einem dann oft das Gegenteil.
Flip 7 ist also ein Spiel mit dem Glück, auch mit Wahrscheinlichkeiten und der Abschätzung, sich lieber mit wenigen, aber sicheren Punkten zu begnügen oder sein Glück herauszufordern - nicht mehr, nicht weniger. Das grenzt dann spielerisch schon fast an Banalität, das wirkt wie ein Auto-Battler, bei dem man einfach zusieht, was passiert. Eigener Einfluss? Kaum vorhanden. Einzig der Zeitpunkt, zu dem ich besser aussteige, liegt in meiner Hand. Wobei ...
Da gibt es ja auch noch die Sonderkarten. Mit "Freeze" kicke ich jemanden aus der laufenden Runde; passiert das direkt mit der ersten Karte, ist das für diese Person dann eine Nullnummer. Passiert es später, wenn bereits einige Karten angesammelt wurden, ist es dann wieder eine Risiko-Entscheidung. Ich kann einer Person, die knapp vor einem Flip 7 steht, diese Option verwehren, andererseits bringe ich ihre Punkte dann auch in die Wertung. Ist es vielleicht besser, diese Person ihrem Glück bzw. Pech zu überlassen, doch noch eine doppelte Karte zu ziehen? Aber vielleicht steigt sie ja eh vorher aus?! Beschere ich mir mit "Flip Three" schnell zusätzliche Karten oder hoffe ich darauf, dass sich ein Konkurrent mit dieser Verpflichtung verzockt? Richtig stark ist die "Second-Chance"-Karte. Wer so eine besitzt, hat erst einmal einen Freibrief zum Verzocken, denn bis dahin passiert einem nichts Böses. Nun gut, die zweite Chance kann auch schnell wieder weg sein, wenn jemand einem drei neue Karten aufbrummt ...
So entwickelt Flip 7 dann mit einfachsten Regeln echte Spannungsmomente. Da das Spiel als Wettrennen angelegt ist, muss man etwas wagen, um zu gewinnen. Die Personenanzahl ist dabei jedoch nicht ganz unwichtig. Im Spiel zu dritt, also in kleinster Besetzung (ja, theoretisch könnte man Flip 7 sogar auch zu zweit spielen) fehlt es noch an einer gewissen Dynamik. Da kann es sehr schnell passieren, dass sich die Konkurrenz verzockt oder aus einer Runde gekegelt wird. Wer da einmal einen Punktesprung nach vorn gemacht hat, was besonders mit der überaus starken x2-Karte möglich ist, der ist dann schwer wieder einzuholen, wenn diese Person von nun an defensiv spielt. Mehr als sieben Personen sind am Tisch möglich, aber dann wiederum sind mir die passiven Phasen für so ein schnelles Spiel schon zu lang, auch wenn wir hier nur von Sekunden, nicht Minuten reden. Mein persönlicher Sweetspot liegt bei ca. 5 oder 6 Personen am Tisch. Da richtigen sich „Angriffe“ nicht immer gegen die selbe Person, die Konkurrenz ist größer, und gleichzeitig entstehen bereits Emotionen, ohne dass alles zu chaotisch wird.
Wer rein taktische Kartenspielr mag, bei denen er aus eigener Kraft gewinnt, der ist bei Flip 7 völlig verkehrt. Das ist ein Spaßspiel, ein Absacker für Vielspielende, ein gutes Einstiegsspiel, um auch Nicht- bzw. Wenigspielende an den Tisch zu bekommen. Da fiebert man dann einfach mit, ob man es irgendwie hinbekommt, die magische Punktegrenze zu knacken, vielleicht sogar eine Aufholjagd hinzulegen, immer verbunden mit Emotionen, die besonders auch durch die allgemeine Stimmung am Tisch entstehen. Wenn alle wortlos Karten ziehen und ihre Punkte notieren, dann wird Flip 7 zu einer faden Angelegenhit. Mit witzigen Sprüchen und mit einer Portion Schadenfreude am Tisch kann Flip 7 sehr gut unterhalten, auch wenn es manchmal die eigene Frustresistenz auf die Probe stellt. Ja, es gibt so Pechvögel, die immer wieder direkt als zweite Karte eine doppelte ziehen. Die sind zwar dann auch wieder schnell mit im Spiel, sehen aber punktemäßig nur die Rücklichter der Konkurrenz - immer verbunden mit der Hoffnung, vielleicht doch noch den großen Zahlencoup zu landen.
Wenn ich Flip 7 nun insgesamt 7 Kultpunkte gebe, dann nicht nur als Hommage an den Titel des Spiels, sondern einfach als Durchschnittsnote für sämtliche Erfahrungen in meinen Testrunden. In kleinen Runden bzw. mit Personen, die solche Zockerspiele doof finden, war der Unterhaltungswert des Spiels deutlich geringer. Die Banalität des Spiels zeigt sich besonders, wenn man es online auf BGA (Board Game Arena) spielt. Das ist dann einfach immer nur ein Klick, und dann schaut man, was passiert. Wortlos gespielt, wäre das bei mir dann nur ein unterdurchschnittlicher Zeitvertreib. Das Spiel lebt eindeutig davon, welche Personen mit am Tisch sitzen und wie das Spielkonzept gelebt wird. Als Kartengeber sollte ich meine Mitspielenden mit antreibenden Worten dazu bringen, ins Risiko zu gehen - oder sie davon gezielt überzeugen, das Aussteigen doch auch eine gute Variante sein kann, wenn sie kurz vor einem Flip 7 stehen. Und die Mitspielenden können da gut mit eigenen Bemerkungen und Empfehlungen ins Geschehen einsteigen.
In der richtigen Gruppe wird Flip 7 zu einem kleinen Partyhit, der süchtig machen kann. Dafür allein dann schon gern noch 1 oder 2 Kultpunkte mehr; für diese Zielgruppe trifft der (vielleicht doch leicht ironische, auf jeden Fall selbstbewusste) Untertitel „Das beste Kartenspiel aller Zeiten“ auf der schillernden Schachtel dann als gutes Kaufargument tatsächlich zu.
KULTFAKTOR: 7/10*
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 5/10
* kann stark schwanken, auch weniger oder gar 9/10 möglich!
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 07.04.2025
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: KOSMOS
Weitere Fotos: Spielkultisten