REZENSION

FINDORFF

  • Genre: Strategiespiel
  • Jahr: 2022
  • Verlag: 2F-Spiele
  • Autor: Friedemann Friese
  • Grafik: Maura Kalusky
  • Spieler: 1 bis 5
  • Alter: ab 12 Jahren
  • Dauer: ca. 75 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Was passiert, wenn man rückwärts geht?

In Friedemann Frieses Heimatstadt-Spiel bauen wir Bremens Stadtteil Findorff auf. Dafür durchlaufen wir immer wieder vier Aktionen und die Bürokratie. Während letztere am Anfang noch lästig erscheint, gewinnt sie schnell an Attraktivität.

REGELN

In Friedemann Frieses Heimatstadt-Spiel bauen wir Bremens Stadtteil Findorff auf. Dafür durchlaufen wir immer wieder vier Aktionen und die Bürokratie. Während letztere am Anfang noch lästig erscheint, gewinnt sie schnell an Attraktivität.
Zunächst wird das Brett mit Produktionsgebäuden und Aktionsplättchen aufgebaut. Die Plättchen werden dabei an die Spielerzahl angepasst und so gestapelt, dass sie mit jedem Kauf immer teurer werden. Der Torfmarkt wird gefüllt, bis Torf 5 Thaler kostet.

Alle bekommen je einen Aktionsstreifen, einen Vorabeiter und mehrere Häuser in der eigenen Farbe. Dazu gibt es noch eine Warenhaus-Karte und die Bürokratie-Übersicht. Der Vorarbeiter kommt auf das Feld für den Einkauf. Abhängig von der Startposition bekommen alle ein paar Thaler.

Alles andere Material wird bereit gelegt. Die Gebäudekarten werden gemischt und es wird gedraftet, oder es werden die vorgeschlagenen Sets gebildet und den Spielern gegeben. Die übrigen Karten kommen offen in den Markt.

Jetzt kann es schon losgehen.

Wer am Zug ist, kann 0 bis 3 Schritte mit dem Vorarbeiter machen und dann die Aktion des Feldes ausführen. Die Aktion kann so oft ausgeführt werden, wie das Symbol der Aktion am Streifen liegt. Durch den Einkauf von Aktionsplättchen können Symbole hinzugefügt und so in einem Zug eine Aktion mehrfach ausgeführt werden.

Die vier Aktionen sind eigentlich ein Kreis, und ein Schritt vom Verkauf führt direkt wieder zum Einkauf. Nur jedes Mal, wenn die Grenze zwischen diesen beiden Feldern überschritten wird, wird für die entsprechende Person Bürokratie ausgelöst.

Zunächst kommen die vier Aktionen, und dann erkläre ich die Bürokratie.

Beim Einkaufen können Orte gekauft werden, die die Produktion von Ziegeln, Gleisen oder Torf erlauben. Also der Torf wird natürlich gestochen, nicht produziert, aber ihr wisst schon. Es können auch Aktionsplättchen gekauft werden, damit eine gewählte Aktion öfter ausgeführt werden kann. Dann können Gebäude erworben werden. Die Kosten für ein Gebäude stehen auf der Gebäudekarte. Diese Karte kommt entweder von der Hand eines Spielers oder vom Markt. Die Kosten bestehen aus Thalern, Ziegeln und Gleisen. Diese Kosten werden bezahlt, die Karte ausgelegt, und das Gebäudeplättchen wird auf den Spielplan gelegt. Gebäude können sofortige einmalige Belohnungen oder Einkommen in der Bürokratie bringen, teilweise auch permanente Effekte auslösen.

Beim Einstellen werden Mitarbeiter aus dem Vorrat genommen.

Beim Produzieren werden Mitarbeiter in Produktionsgebäuden platziert. Dafür gibt es Gleise, Ziegel oder Torf.

Beim Verkaufen kann ein Ziegel verkauft werden. Dafür wird ein eigenes Haus auf den Plan gestellt. Es können zwei Torf verkauft werden, die dann in den Markt gelegt werden. Die belegten Felder zeigen den Preis, zu dem der Torf verkauft wird. Ein Gleis kann für 10 Thaler verkauft werden.

Verkaufte Gleise oder Gleise, die beim Bezahlen für Gebäudebau verwendet werden, kommen nicht zurück in den Vorrat, sondern auf die Eisenbahnlinie des Spielbretts. Dort können Gleise in der ersten Spielhälfte Torf aus dem Markt entfernen (der Preis steigt) und in der zweiten Hälfte Torf dem Markt hinzufügen (der Preis sinkt).

Wer einen Schritt vom Verkauf macht, durchläuft die Bürokratie. Jedes eigene Haus entfernt ein Torf aus dem Markt (der Torfpreis steigt). Jedes Paar aus eigenem Haus und Arbeiter produziert 4 Thaler und platziert 1 Gleis auf die Eisenbahnstrecke. Alle Mitarbeiter gehen von den Produktionsstätten wieder in den eigenen Vorrat, leider stellt sich dabei einer immer etwas ungeschickt an und verstirbt auf dem Weg nach Hause. Die Person wandert also zurück in den allgemeinen Vorrat. Ach ja, und Gebäude mit Einkommen schütten dieses noch aus.

Bürokratie ist kein eigener Zug. Wer damit fertig ist, bekommt immer noch die reguläre Aktion des Spielzuges.

Spielende: Wurde die Bahnstrecke komplett mit Gleisen belegt, endet das Spiel, nachdem alle am Tisch die gleiche Anzahl an Spielzügen hatten. Dann werden Punkte gezählt:

  • Gebaute Gebäude sind 50 Punkte wert.
  • Gleise im eigenen Warenhaus bringen 10 Punkte.
  • Ziegel sind 4 Punkte wert.
  • Jeder Thaler liefert 1 Punkt.


Wer nun die meisten Punkte besitzt, hat Findorffs Entwicklung vorangetrieben und vermutlich bald einen Bremer Stadtteil nach sich benannt.

Hinweis: Das Spiel bietet auch einen Solo-Modus, der im Rahmen dieser Rezension jedoch nicht getestet wurde.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • kreative Möglichkeiten für die Aktionswahl
  • kaum Wartezeit
  • interessant für Bremen-Freunde und Geschichtsbegeisterte


CONTRA

  • Drafting für zwei Spieler ist Murks
  • dröge Gestaltung
  • vergessene Erinnerungsstützen auf dem Plan

MEINUNG

Einen Besuch der Hansestadt Bremen zum Weihnachtsmarkt oder im Sommer, um in trendigen Cafés oder schicken Restaurants zu dinieren, kann ich nur empfehlen. Und jetzt hat Friedemann Friese seiner Heimatstadt ein kleines spielerisches Denkmal gesetzt: Findorff.

Dieser Stadtteil Bremens wurde wegen des Torfvorkommens erschlossen und im Laufe des 19. sowie frühen 20. Jahrhundert ans Schienennetz und damit der Kohleversorgung angeschlossen. Benannt ist er nach Jürgen Christian Findorff, der sich für die Besiedlung dieses Gebietes einsetzte. Woher ich das weiß? Nun, ich habe Findorffs Anleitung gelesen und das Spiel gespielt.

Wer ein Fan von Geschichte im Allgemeinen oder gerade Fan der Bremer Stadtgeschichte im Besonderen ist, der wird an Findorff viel zu entdecken haben. Die wichtigen Gebäude sind samt Baujahr im Spiel zu finden. Wir lernen etwas über die Entwicklung von Torfabbau, Eisenbahnen und Kohleversorgung in Findorff und können die historisch anmutende Stadtkarte von Bremen betrachten.

Dem Bewohner Findorffs wird diese Stadtkarte vielleicht Freude bereiten („Oh, ich wohne genau gegenüber von dem Park.“ „An dem Fluss stand das Haus meiner Oma.“ etc.), aber dem durchschnittlichen Feingeist und Connaisseur der Brettspielillustration sagt die Gestaltung des Spielplans wohl eher nicht zu. Für mich war es immer ein Hindernis, mit dem recht belanglosen Schachtelbild und dem farblosen Spielplan, die Leute zum Spielen zu animieren.

Ungerecht ist dies dem Inhalt dieses Spiels gegenüber. Denn Findorff hat einige Raffinessen bei nicht zu hoher Komplexität, sowie eine angenehmer Spieldauer.

Zunächst erscheint Findorff recht gewöhnlich. Wir haben vier Aktionen, die im Prinzip sind: Kaufe Fabriken, heuere Leute an, produziere, verkaufe, um dann bessere Fabriken, mehr Leute, mehr Produktion und mehr Verkauf zu haben, mit dem Ziel, Gebäude zu errichten. Aber in einem 2F-Spiel wäre das zu gewöhnlich.

Drei Kernaspekte machen das Ganze spannender, als es zunächst scheint:

  • Das Ziel sind die Gebäude, und die Produktion ist nur das Mittel. Mit 50 Punkten pro Gebäude, was meist ungefähr 30 Punkte Gewinn beim Bau eines Gebäudes plus kommende Belohnungen oder Einkommen bedeutet, sind Gebäude die größte Quelle für Punkte. Von den 400 bis 500 Punkten am Spielende kommen ca. drei Viertel von Gebäuden.
  • Gleise bringen das Spiel voran und bestimmen das Spielende. Das können Spieler auch forcieren. Es handelt sich somit um ein Rennen.
  • Bürokratie wechselt schnell vom unliebsamen Nebeneffekt zum erwünschten Helfer.


Spieler werden Gleise verkaufen und Häuser bauen, um Einkommen zu bekommen, was Findorff einen sehr flexiblen Spannungsbogen beschert. Während es am Anfang so scheint, als würden wirklich wenige Gleise platziert, so kann die Gleisproduktion ganz schnell explodieren. Dies wirkt sich auf den Torfmarkt aus. Zunächst bedeuten Gleise höhere Torfpreise, und der Torfproduzent freut sich. Dann bringen Gleise Kohle in die Stadt, und niemand will mehr Torf. Dieses Anschwellen und Abebben der Preise kann je nach Verhalten aller am Tisch mal schnell, mal ausgedehnt stattfinden.

In den ersten Partien von Findorff werden die meisten - trotz unterschiedlicher Wege, an Geld zu kommen - zunächst dem Fluss der Aktionen folgen. Immer von oben nach unten, Aktion für Aktion, bis sie genug von etwas haben, um immer mehr Aktionen zu überspringen. Aber irgendwann geht mal jemand rückwärts. Also streng genommen geht diese Person drei Felder nach vorne, bei einem Vier-Felder-Kreis ist das aber praktisch ein Schritt zurück. Dabei wird jedes Mal Bürokratie ausgelöst. Es könnte sein, dass jemand so viele Arbeiter und Häuser besitzt, dass der Tod eines Mitarbeiters in jedem Zug nicht wichtig ist. Oder ein Gebäude schüttet in jeder Bürokratie 8 Thaler aus, mit drei Aktionen einfach mal 24 Thaler. Wer den Punkt erreicht, an dem geplant wird, wie immer effizient drei Schritte gemacht werden können, um das Einkommen durch Bürokratie zu nutzen, hat meines Erachtens Findorff voll durchschaut.

Aber auch schon vorher macht der Wettlauf um die verschiedenen Gebäude Spaß, bei dem jeder Durchlauf der Aktionen immer wieder besser wird. Die Interaktion beschränkt sich dabei aber meist darauf, den anderen Aktions- und Produktionsplättchen zum günstigen Preis wegzuschnappen, zum richtige Zeitpunk am Torfmarkt zu verkaufen und sich die richtigen Gebäude aus dem offenen Markt zu sichern. Dabei sorgt das Drafting, also die Kartenauswahl am Anfang des Spiels, für die Möglichkeit, eine eigene Gebäudestrategie zu planen. Außer bei 2 Spielern, da war das eine Katastrophe: Ich wähle mir aus neun Karten fünf aus und gebe den Rest weiter … Ende. Da hatte ich Partien, wo jemand wirklich gute Gebäude auf der Hand hatte und sich diese direkt sicherte. Dies führte zu einer abgebrochenen Partie, weil der Punkteunterschied so schnell anwuchs, dass wir uns beide die Zeit sparen wollten. Vielleicht sollten im 2-Spieler-Spiel dann doch eher kleinere Schritte beim Draften (von 1 Karte, 1 Karte, 2 Karten, 2 Karten, 3 Karten) gemacht werden.

Auch wenn meine Ausführungen zum Rückwärtsgehen es vielleicht nicht so erscheinen lassen, aber im Grunde ist Findorff von den Regeln nicht außerordentlich komplex, und viele Züge sind wirklich flott. Die Spieldauer ist mit maximal 90 Minuten, wenn es alle kennen, sehr angenehm. Darum ist Findorff auch für jene Spieler geeignet, die sich nicht in komplexe Rohstoffverwaltungsspiele stürzen wollen. Für jene Zielgruppe wäre es aber nett gewesen, wenn die Erinnerungsstützen auf dem Plan noch etwas vollständiger gewesen wären. So kann ich fast die Einkaufsaktion damit erklären, dass alles da oben gekauft werden kann. Leider nur fast, denn wenn im oberen Bereich des Spielbretts ein Symbol für das Kaufen einer Gebäudekarte gewesen wäre, dann wäre dort die komplette Einkaufsaktion abgebildet. Bei der Verkaufsaktion wird gezeigt, dass ein Ziegel ein Haus bringt und ein Gleis 10 Thaler, aber Torf wird ignoriert. Klar, da ist der riesige Torfmarkt als Erinnerung, aber es dürfen ja zwei Torf pro Verkaufsaktion verkauft werden, das fehlt dann da als Erinnerung. Dies sind Kleinigkeiten, die es mir erleichtert hätten, das Spiel zu erklären. Platz wäre dafür auf dem Spielplan schon gewesen, denn die Gebäudeplättchen werden eigentlich nur aus kosmetischen Gründen auf den Spielplan gelegt. Vielleicht soll aber auch sichtbar gemacht werden, welche Gebäude schon gebaut wurden.

Als jemand, der regelmäßig einen Blick auf Friedemann Frieses Neuheiten wirft, hatte ich den Eindruck, dass Findorff eine Weiterentwicklung der Aktionswahl von Futuropia ist. Auch dort gab es eine vermeintlich richtige Reihenfolge der Aktionen, und der Ausbruch aus selbiger Reihenfolge war meist der Schlüssel zum Sieg. Dies finde ich in Findorff viel eleganter umgesetzt, da dort mit weniger Regeln sogar mehr Abweichungen möglich sind.

FAZIT: Findorff ist ein gutes Kennerspiel (im Sinne der „Spiel des Jahres"-Jury), welches besonders auch Freunden von Bremen (oder noch besser den Bewohnern Findorffs) Freude bereiten wird. Ohne komplexe Regeln lädt es ein, aus einer Aktionsauswahl auszubrechen. Sein Äußeres hingegen kann jedoch den ein oder anderen abschrecken.

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 7/10
Ausstattung: 5/10
Spielablauf: 8/10

EUER REZENSENT

LUTZ

Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast

Eine Rezension vom 11.01.2023

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: 2F-Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten