REZENSION
FEIERABEND
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2020
- Verlag: 2F-Spiele
- Autor: Friedemann Friese
- Grafik: Lars-Arne "Maura" Kalusky
- Spieler: 1 bis6
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 45 - 75 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 10/10
Jetzt ist Feierabend!
Immer diese Worker-Placement-Spiele ... Schluss damit! Endlich gibt es ein After-Worker-Placement Spiel! Hier versuchen wir uns gut zu erholen, indem wir erholsame Freizeitaktivitäten machen, uns einen Partner besorgen und in den Urlaub fahren. Aber für letzteren müsst ihr erst mal kämpfen, denn wir beginnen mit einer 70 Stunden-Woche.
REGELN
Unser Feierabend ist schnell vorbereitet, außer man hat die ganze Zeit das Lied "Feierabend" von "Grossstadtgeflüster" im Kopf. Überhaupt habe ich bei diesem Spiel ständig Songtitel im Kopf, aber ich schweife ab ... Teilen werde ich diese Songs natürlich trotzdem mit euch ;) Nun gut, die Spielpläne werden zusammengesetzt und es wird darauf geachtet, die Seiten für die entsprechende Spielerzahl nach oben zu legen. Die Spieler nehmen sich die Fabrik, Scheiben und Arbeiter der eigenen Farbe. Die Scheiben werden auf die 6 verschiedenen Leisten gelegt.
Ein Startspieler wird ausgewählt, und die Spieler bekommen ein paar Euro und Streikmarker. Außerdem legen sie bereits eine bestimmte Anzahl Arbeiter auf den Hausplan zum Fernseher. Die restlichen Arbeiter kommen auf die Fabrik der Spieler. Jetzt geht es auch schon los.
Ziel des Spiel ist es die erholteste Gruppe von Arbeitern zu haben - "Today I don‘t feel like doing anything …" (Bruno Mars). Um dies zu erreichen, wählt man in seinem Zug eine von drei Optionen:
- Es können 1 bis 3 Arbeiter auf dem Hausplan eingesetzt werden. Die drei Felder des Hausplans können beliebig viele Arbeiter aufnehmen. Dort kann man - "Ich glotz' TV" (Nina Hagen) - fernsehen (1 Erholung gratis), in die Kneipe gehen (2 Erholung für 1 Euro) oder hinter der Theke arbeiten (2 Euro bekommen und 2 Erholung verlieren). Erholung wird dabei auf der Erholunsgleiste festgehalten.
- Oder es kann ein einzelner Arbeiter auf dem Freizeit-, Urlaubs-, Vergnügungsplan oder der Gewerkschaft eingesetzt werden. Hier gilt, dass jedes Feld nur von einem Arbeiter und gegebenenfalls seinem Partner besetzt wird. Der Freizeitplan bietet gratis Vergnügen. Hier gibt es ohne Euros zu bezahlen Erholung. Die meiste Erholung bringt ein Motorausflug mit dem Partner - "I’ll be riding shotgun, underneath the hot sun" (George Ezra). Dafür braucht man natürlich einen Partner.
Einen Partner gibt es auf dem Vergnügungsplan, wo es Erholung gegen Geld gibt. Bei einem Blind Date gibt es zur Erholung noch einen Partner- "Call me maybe" (Carly Rae Jepsen). Oder es geht in den Vergnügungspark und der Arbeiter bekommt je nachdem, wie viel Geld der Spieler ausgibt, mehr Erholung. Wer mit dem Partner kommt, hat mehr Spaß fürs gleiche Geld. Wer viel Spaß, ähm, Erholung mit dem Partner möchte, geht zusammen auf das Motel–Feld - "Denn hast du Sex im Hotel, geht's dir wieder gut" (Rosenstolz) ...
Wer sich auf dem Urlaubsplan das Recht erworben, hat Urlaub zu machen, kann dort eines der Urlaubsfelder verwenden. Ein Urlaubsfeld besteht aus drei Segmenten, denn die Spieler können sich (je nach erstreiktem Recht) aussuchen, ob sie 1 bis 3 Wochen Urlaub machen. Je länger der Urlaub, desto mehr Erholung gibt es, aber der Urlaub wird euch teurer. Mit Partner kostet es doppelt so viel, aber es gibt auch die doppelte Erholung - "Einmal um die Welt" (Cro).
- Als letzte Möglichkeit können eure Arbeiter auch zur Gewerkschaft gehen und sich dort Streikmarker holen, welche ihr bei eurer letzten Aktionsmöglichkeit nutzen könnt. Wer streikt, setzt keinen Arbeiter, sondern zahlt Streikmarker, um in den Leisten Arbeitszeit, Lohn, Gender-Pay-Gap, Gewerkschaft und Urlaub seine Position zu verbessern. Solange Streikmaker bezahlt werden können, können die Leisten wiederholt verbessert werden. Diese Leisten entfalten ihre Wirkung, wenn wieder zur Arbeit gegangen wird…
Jetzt kommt der Schock: Irgendwann ist die Freizeit vorbei - "Just another Manic Monday - I wish it was sunday" (The Bangles).
Ist am Ende eures Zuges eure Fabrik leer, so muss wieder gearbeitet werden - "Just get ready fi work, work, work, work, work, work" (Rihanna).
Dies passiert für jeden Spieler zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Zunächst verliert ihr so viel Erholung, wie eure Arbeitszeit vorgibt, allerdings reduziert sich der Verlust für jeden Arbeiter, der noch im Urlaub ist. Dann bekommt ihr so viel Geld wie euer Lohn angibt minus der Gender-Pay-Gap, denn euer Team beinhaltet Frauen. Durch die Gewerkschaftsleiste bekommt ihr weitere Streikmarker.
Dann holt ihr eure Arbeiter zurück, außer jenen auf den 2-Wochen oder 3-Wochen-Urlaubsfeldern, denn die werden einfach auf das nächstniedrigere Feld verschoben.
Sobald ein Spieler 40 Erholung erreicht hat, werden die Arbeiter nicht mehr zurück geholt. Alle Spieler platzieren noch ihre Arbeiter.
Wer an die Reihe kommt und keine Arbeiter mehr hat, der bekommt 1 Erholung. Wurden alle Arbeiter platziert, wird noch einmal gearbeitet. Dann gewinnt der Spieler mit der meisten Erholung das Spiel "Feierabend" ... (Grossstadtgeflüster, aber das hatten wir schon ...).
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- thematische Umsetzung
- klare Struktur
- gut zu erklären
- mehrere Wege zum Sieg
CONTRA
- keine Variation im Aufbau
MEINUNG
"Feierabend" ist vermutlich eines der thematischen Spiele im klassischen europäischen Spieldesign, welches ich kenne. Wir haben total schlechte Arbeitsbedingungen (kein Urlaub, 70 Stunden pro Woche, niedriges Gehalt, Gender-Pay-Gap und eine schwache Gewerkschaft). Dementsprechend schwer fällt es unserem Team, sich zu erholen.
Endlich überspringen wir in einem Spiel mal den ganzen Arbeitsteil. Wir spielen den Teil, der außerhalb der Arbeit geschieht. Wir platzieren unsere Arbeiter auf Freizeit- und Vergnügungsfeldern, die uns manchmal für Geld Erholung bescheren. Wir können unsere kostbare Freizeit aber auch investieren, um uns zusammen mit der Gewerkschaft zu organisieren und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Vielleicht können wir so genug Geld und Zeit aufbringen, um in den Urlaub zu fahren.
Die Regeln sind nicht so komplex, wenn man die Struktur versteht. Im eigenen Zug wird ein Arbeiter platziert, ggf. mehrere, oder es werden Streikmarker ausgegeben, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Manche Felder brauchen Geld, andere einen Partner, und insgesamt sollten wir unsere Erholung vermehren. Leider ist die Freizeit irgendwann vorbei - alle müssen arbeiten. Das erzeugt Stress, und wir verlieren wieder Erholung.
Während der gerade beschriebene Teil recht typisch für Spiele mit Personaleinsatz (Worker-Placement) ist, kommt hier der innovative Teil. Jeder Spieler holt die Arbeiter zu einem individuellen Zeitpunkt zurück. Natürlich verliert ihr dann wieder Erholung, aber es gibt auch Geld. Wie im echten Leben - irgendwann muss jeder wieder Geld verdienen, aber erholsam ist das nur für die, die wirklich ihre Berufung gefunden haben. Spielerisch sorgt es dafür, dass geschaut wird, wann welche Plätze auf den Spielbrettern wieder frei werden. Möchte ich gerne zu einem Blind Date, um einen Partner zu bekommen, sollte ich schauen, wann die Spieler auf den Blind-Date- Feldern wieder arbeiten gehen. Dies kann dazu führen, dass Streik-Aktionen gestückelt werden, statt in einem Rutsch kombiniert, oder dass doch noch schnell ein Schwung Arbeiter auf den Hausplan eingesetzt werden.
Auch die Frequenz, in der Spieler Leute zurück zur Arbeit schicken müssen, kann ganz unterschiedlich sein. Jemand mit viel Lohn findet es vielleicht gar nicht schlimm, oft zu arbeiten; jemand mit kurzer Arbeitszeit auch nicht, und durch Urlaub oder Rente kann die Frequenz des Arbeitens durchaus beeinflusst werden.
Je nachdem, wie man seine Strategie so aufbaut, sind unterschiedliche Wege zum Sieg möglich und ein anderes Timing beim Einsetzen der Arbeiter ist gefragt. Die Gewerkschaft stärken und dann schön lange in den Urlaub gehen oder viel Geld aushandeln und dann immer wieder in den Vergnügungspark, sind durchaus Strategien, die den Sieg bringen können. Allerdings hängt dies auch von euren Mitspielern ab.
Bei "Feierabend" findet die Interaktion wieder sehr klassisch indirekt statt: durch das Belegen und Freiräumen von den After-Work-Feldern. Belegen viele Spieler immer wieder den Urlaub, so müsst ihr euch etwas einfallen lassen, wie ihr ohne Urlaub zu Rande kommt. Dies beeinflusst das Spiel für jeden Spieler und schafft durchaus eine genügende Interaktion, denn ihr solltet unbedingt darauf achten, wer noch wo etwas einsetzen kann, damit ihr, bis die Stechuhr wieder ruft, noch alle Erholung zusammenbekommt. Mit steigender Anzahl an Partien lernt man besser die Nuancen der anderen Spieler zu lesen, zu verstehen, wann sich bestimmte Züge lohnen und auch mal neue überraschende Strategien zu probieren. Besonders bei wechselnden Mitspielern ist dies interessant.
Hier kommen wir vielleicht zum einzigen Manko von "Feierabend" und vermutlich auch einem schwerwiegenden. Es gibt keine Variation im Spielaufbau. Klar, die Spielfelder werden schon der Spieleranzahl angepasst, aber der Aufbau für 4 Spieler sieht immer aus wie der Aufbau für 4 Spieler. Keine zufälligen Elemente tauchen bei "Feierabend" auf. Wer also mit der selben Gruppe über längere Zeit spielt, wird vermutlich nach ein paar Partien eine eingespielte Gruppe haben, die keine neuen Wege findet, den anderen ihre Strategie zu verweigern.
Ich hatte bei meinen Testrunden zum Glück immer ein paar Mitspielern ausgetauscht. Leider konnte ich aufgrund der Corona-Pandemie im Herbst 2020 keine Partie mit 5 oder 6 Spielern spielen. Meine Einschätzung ist hier aber, dass 4 Spieler das Optimum sind. Mit 2 Spielern ist es etwas kalkulierbar, auch wenn es funktioniert, und ab 5 Spielern erwarte ich immer längere Wartezeiten zwischen den eigenen Zügen. Ich bin also auch gar nicht so erpicht auf eine Runde mit 6 Spielern.
Neue Mitspieler anzulernen ist aber gar nicht so schwierig. Zum einen hilft es, dass die meisten Mechaniken recht thematisch sind, und zum anderen ist das Spielfeld klar strukturiert. Die drei runden Spielpläne suggerieren zwar etwas anderes, aber jeder dieser Spielpläne hat nur drei verschiedene Optionen, die auch noch mechanisch sortiert sind. Auf dem einem Plan gibt es gratis Erholung, auf dem anderem muss dafür bezahlt werden und der letzte ist der Urlaubsplan.
FAZIT: "Feierabend" ist ein recht klassisches Personaleinsatzspiel mit einem neuen Kniff und einer hervorragenden Umsetzung des Themas. Einzig die fehlende Variation auf dem Spielplan könnte auf lange Sicht dafür sorgen, dass man irgendwann das Gefühl hat, schon alles in diesem Spiel gesehen zu haben, wenn man es öfters mit der gleichen Gruppe spielt.
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 7/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 09.11.2020
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: 2F-Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten