REZENSION
FEDERATION
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2023 (deutsche Version)
- Verlag: Strohmann Games / Explor8
- Autoren: Dimitri Perrier, Matthieu Verdier
- Grafik: Miguel Coimbra
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: ca. 30 Minuten pro Spieler
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 8/10
Demokratie im Weltall
Im Jahr 2442 sind die Ressourcen der Erde erschöpft, im Weltall entstehen neue Föderationen. Um uns so einer Föderation anzuschließen zu können, benötigen wir Prestige, das wir uns in diesem strategischen Worker-Placement-Spiel auf den Planeten und im Senat erarbeiten.
REGELN
Legt den Spielplan aus und bestückt ihn mit diversen Markern und Plättchen, wie in der Anleitung vorgegeben. Jeder erhält ein eigenes Spielertableau, einen Akkreditierungsmarker (auf Stufe 1), ein erstes Raumschiff in den eigenen Hangar sowie die vier Gesandten (Worker) in Form von doppelseitig bedruckten runden Plättchen. Außerdem erhält jeder seine Missionsmarker in den eigenen Vorrat und - durch eine Auswahl entgegen der Spielerreihenfolge - ein Startplättchen, das eine erste Belohnung offeriert.
Gespielt werden fünf Runden. In jeder Runde konkurrieren zwei Gesetze (Wertungen) um ihre Aktivierung am Rundenende. Spielt ihr nur zu zweit oder dritt, werden in jeder Runde zu Beginn noch einige Aktionsfelder auf dem Spielplan abgedeckt.
Wer an der Reihe ist, wählt einen seiner Gesandten und setzt ihn auf ein freies Aktionsfeld des Spielplans, der in eine linke und eine rechte Hälfte geteilt ist und den sogenannten Senat darstellt. Die Planeten-Aktionen erlauben, je nach Farbe, das Sammeln von Kristallen, das Tauschen von Ressourcen, das Anheuern von Gelehrten, die auf verschiedene Weise Belohnungen einbringen, das Einsammeln von Modifikations-Plättchen sowie das Aktivieren von Produktionsstätten und das Eintauschen von Ressourcen in Punkte (bei den sogenannten Megastrukturen). Weitere Aktionsfelder sind die Senatsraum-Felder, die z.B. neue Raumschiffe liefern, den Akkreditierungsmarker steigen oder den Startspieler wechseln lassen und Missionen freischalten. Auch gibt es zwei Spionage-Felder, die gegen Bezahlung ein besetztes Feld kopieren. Zudem gibt es ein Ausweich-Feld, auf dem beliebig viele Gesandte eingesetzt werden können. Das Feld liefert immer einen blauen Kristall, der gleichzeitig auch Joker für rosafarbene und grüne Kristalle ist.
Beim Einsetzen eines Gesandten gibt es zwei Möglichkeiten:
- Wird der Gesandte mit der goldenen Investitionsseite eingesetzt, beeinflusst diese am Rundenende das Projekt dieser Spalte und somit auch die Wertung am Spielende. Außerdem wird ein Missionsmarker auf die gewählte Aktion des eigenen Spielertableaus gelegt. Pro Missionsfeld kann in der gesamten Partie nur ein Marker platziert werden.
- Wird der Gesandte mit der dunklen Abstimmungsseite eingesetzt, beeinflusst der Wert (1 bis 3) die Rundenwertung pro Reihe sowie die Verabschiedung eines Gesetzes am Ende der Runde.
Eingesetzte Modifikations-Plättchen können den Wert eines Gesandten verbessern bzw. eine Zusatz-Belohnung generieren, wenn sie beim Einsetzen auf die Gesandten gelegt werden.
Nach der verpflichtenden Hauptaktion darf eine optionale Zusatzaktion durchgeführt werden, wenn der Akkreditierungsmarker auf oder über einer Stufe zu finden ist, in der bereits ein Missionsmarker platziert wurde. Ist dann auch noch ein Raumschiff im Hangar verfügbar, kann dieses nun auf eine bereits mit einen Marker markierte Mission gezogen werden und so die entsprechende Mission sofort auslösen. Die Missionen gleichen den normalen Aktionen, teilweise sind sie aber stärker, liefern u.a. auch Punkte oder Medaillen.
Medaillen können auch auf den fünf Planeten gewonnen werden, wenn ein bestimmter Einfluss-Wert durch das Belegen von Feldern oder Voranschreiten mit der eigenen Figur erzielt wird. Die Medaillen werden in einer Art Wettrennen vergeben, denn der erste Spieler, der einen Einflusswert einer Medaille erreicht, nimmt diese an sich, erhöht den nötigen Einflusswert für die nächste Medaille dieses Planeten aber für die anderen Spieler. Jeder Spieler darf nur eine Medaille jeder Farbe besitzen.
Wurden alle Gesandten eingesetzt, folgt die Einkommensphase:
- Zunächst produzieren belegte Produktionsstätten auf dem grünen Planeten die entsprechenden Belohnungen, wie z.B. ein neues Raumschiff, die Aufwertung von Ressourcen bis hin zu Gold etc.
- Danach muss jeder die erreichte Akkreditierungsstufe mit dem angegebenen Kristall bezahlen. Kann ein Spieler nicht zahlen, rutscht er auf das untere Feld der Stufe zurück, die er bezahlen kann. Kann oder möchte ein Spieler gar nichts bezahlen, fällt er auf das untere Feld von Stufe 2 zurück.
- Pro Spalte im Senat werden nun die eingesetzten Gesandten mit der goldenen Investorenseite gezählt. Für jeden Gesandten rutscht der Projektmarker des Projektes über dieser Spalte ein Feld nach vorn. Sollte eine Leiste bis zum Maximum gesteigert sein, werden überzählige Investitionen auf das Gemeinschaftsprojekt in der Mitte übertragen, das den Spielern beim Fortschritt auch noch kleine Ressourcen-Boni liefert.
- Pro Reihe wird nun gezählt, wie hoch der (addierte) Wert der eingesetzten Abstimmungs-Gesandten pro Spieler ist. Wer den höchsten Wert (die höchste Summe) pro Reihe erzielt, erhält so viele Punkte, wie es der Stufe des eigenen Akkreditierungsmarkers entspricht.
- Zuletzt werden sämtliche Abstimmungs-Gesandte pro Hälfte des Senats addiert. Die Seite mit dem höheren Wert bestimmt das Gesetz, das nun verabschiedet wird. Die Gesetze beziehen sich auf den Fortschritt auf den Planeten und geben dann immer 2 Punkte pro erzieltem Einfluss in diesem Farbbereich auf dem Spielplan.
Nach jeder Runde werden alle Modifikatoren von den Gesandten entfernt und dauerhaft abgelegt. Die Gesandten kehren zu den Spielern zurück. Zwei neue Gesetze werden aufgedeckt.
Nach Runde 5 endet das Spiel. Jeder erhält nun die Punkte für seine eingesammelten Medaillen und für übriges Material (Gold, Kristalle, Modifikatoren, Raumschiffe im Hangar). Außerdem wird nun bei jedem Projekt geschaut, ob der Projektmarker bis ans Ende der Leiste vorgerückt ist. Nur diese Projekte werden nun gewertet, indem ein Einfluss-Ranking der Spieler im entsprechenden Bereich erstellt wird. Wer nun insgesamt die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- typisches Euro-Worker-Placement-Spiel mit neuen Kniffen
- Arbeiter (Gesandte) mit zwei verschiedenen Zusatz-Funktionen
- Abstimmung im Senat als beeinflussbare Entscheidung über die Runden- und Spielende-Wertungen
- schöne Verzahnung bei nicht allzu komplexen Regeln
- ansprechende Gestaltung
CONTRA
- Grundgerüst (Worker-Placement, Ressourcenmanagement) gibt es bereits häufig
MEINUNG
In diesen letzten Wochen und Monaten ist wohl vielen von uns wieder bewusst geworden, wie hoch das Gut der freien Meinungsäußerung und der Mitbestimmungsrechte doch eingeschätzt werden muss. Wer wünscht sich in unserer freien Gesellschaft ernsthaft einen Autokraten, der einen um die Entfaltung der eigenen Lebensvorstellungen bringt? Das Recht der demokratischen Abstimmung ist in Federation ein besonderes Konzept, das aus einem ansonsten eher klassisch wirkenden Eurogame etwas Besonderes macht.
Da befinden wir uns also im Jahr 2442 im Weltall. Außerirdisches Leben existiert. Föderationen werden gebildet. Um Siegpunkte zu machen, müssen Projekte erfüllt, Fortschritte erzielt, voran aber Ressourcen gesammelt und getauscht werden. Wäre da nicht die Spielstory, könnte man das, in Kombination mit dem bekannten Worker-Placement, schon als klassisches Eurogame im Strategiespiel-Sektor bezeichnen. Die Spielstory ist dann im eigentlichen Spiel sogar recht untergeordnet und könnte auch gegen eine andere ausgetauscht werden, ohne dass das großen Einfluss aufs Spiel hätte. Positiv zu erwähnen ist aber an dieser Stelle sowohl die wirklich ansprechende Gestaltung, die eingängige Ikonographie sowie das Spielmaterial an sich. Die Double-Layer-Boards sind stabil, auch die Plättchen sind aus dicker Pappe. 3D-Gesandte hätten da vielleicht noch für mehr Atmosphäre gesorgt als einfache Papp-Scheiben, aber diese Plättchen erfüllen auf praktische Art ihren Zweck.
Und da wären wir auch direkt bei dem, was Federation für mich ausmacht. Zum einen sind die „Worker“, die wir platzieren, an zwei verschiedene Anschlusshandlungen geknüpft, die zwar keinen Einfluss auf die gewählte Aktion haben, wohl aber auf spätere Wertungen. Das ist auf jeden Fall ein interessantes Konzept, da man hier bereits abschätzen muss, was einem beim Einsetzen wichtiger erscheint - Punkte am Rundenende für bestimmte Bereiche, Punkte für Mehrheiten in den Reihen - oder eben die Beeinflussung der Punkte am Spielende sowie das Freischalten von Missionen. Ja, hier ist dann auch gutes Timing gefragt, wann man welche Mission als Zusatzaktion einlöst. Überhaupt sollte man zusehen, so viele Zusatzaktionen wie möglich nutzen zu können, geben sie einem doch einen kompletten zusätzlichen Spielzug, und der ist oftmals nicht unentscheidend, denn Federation ist immer wieder auch ein Wettrennen. So gehen mir zwar versäumte Medaillen nicht komplett flöten, aber ich benötige zunehmend mehr Einfluss, je länger ich den Fortschritt hinauszögere.
Die demokratische Abstimmung lässt sich dann taktisch zugunsten der eigenen Vorteile beeinflussen. Alle bestimmen durchs Legen ihrer Gesandten, welche Wertung am Ende einer Runde stattfindet, und die Mehrheit siegt. Gut, wenn dann das Gesetz verabschiedet wird, das einem deutlich mehr Punkte einbringt als das andere. Auch an anderen Stellen gibt es solche individuellen Entscheidungen: bei den Megastrukturen zum Beispiel. Da werden einem auch immer zwei Wertungsoptionen angeboten, allerdings wird einem da nur das niedrigere eigene Ergebnis zugesprochen, sodass auch hier Timing gefragt ist, wann es sich besonders lohnt, so eine Wertung auszulösen. Bei den Projekten arbeiten alle zusammen. Oder auch nicht. Da kann ich Wertungen fürs Spielende geschickt ausbremsen oder sie pushen - je nachdem, was mir mehr hilft.
Der Weg zu den Zielen ist klar bestimmt: Ich benötige Ressourcen, muss mit ihnen haushalten, sie managen. Die Gelehrten und die Modifikatoren sind mehr Beiwerk - nicht zwingend nötig, aber doch sehr hilfreich durch ihre schönen Boni. Das Spiel lebt davon, eben alle Möglichkeiten auszureizen. Dabei sind die Regeln, trotz anfänglicher Fülle, von Personen mit Spielerfahrung schnell verinnerlicht. Das Spiel ist - rein vom Regelaufwand - weniger komplex, als es durch die Verzahnungen erscheint. Wer einmal im Flow ist, der erlebt schnelle Spielzüge und einen kurzweiligen Ablauf, der mit jeder Spielerzahl gut funktioniert.
Da im Spiel zu zweit und dritt immer Aktionsfelder gesperrt werden und zudem die neutralen Gesandten für mehr Konkurrenz bei den Mehrheiten-Wertungen sorgen, bleibt das Spiel auch ohne Vollbesetzung spannend. Ich bin grundsätzlich kein Freund von imaginären Spielern, die benötigt werden, um den Mechanismus eines Spiels am Laufen zu halten, wenn zu wenige Mitspieler am Tisch sitzen. Bei Federation greift aber glücklicherweise kein imaginärer Spieler ins laufende Spielgeschehen ein; einzig die Rundenvorbereitung erfordert etwas mehr Administration, aber auch die ist schnell erledigt und beeinträchtigt den positiven Gesamteindruck für mich in keiner Weise.
Gehen wir nur vom reinen abstrahierten Grundgerüst aus, dann ist Federation jetzt vielleicht gar nicht mal die ganz große Innovation. Durch seine tolle Umsetzung und die eigenen Kniffe weiß das Spiel aber völlig neue Aspekte ins bekannte Genre zu bringen. Mir gefallen die taktischen Stellschrauben beim Ansammeln von Einfluss und Punkten jedenfalls so gut, dass ich dem Spiel insgesamt sehr gute 8 Kultpunkte attestiere - für mich eine echte Empfehlung wert, egal, ob zu zweit, zu dritt oder zu viert.
VIDEO
Unser Video zum Spiel findet ihr auf YouTube: https://youtu.be/tH4G_xB0XuY
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 8/10
Ausstattung: 9/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
INGO
Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini
Eine Rezension vom 26.02.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein vergünstigtes Presse-Exemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: Explor8 / Strohmann Games
Weitere Fotos: Spielkultisten