REZENSION
FAIYUM
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2020
- Verlag: 2F-Spiele
- Autor: Friedemann Friese
- Grafik: Harald Lieske
- Spieler: 1 bis 5
- Alter: ab 12 Jahren
- Dauer: ca. 120 Min.
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Gemeinsam gegeneinander
Das Ägyptische Reich hat so viel Wüste, so viele unfruchtbare Regionen, aber viele Mäuler zu stopfen. Wir arbeiten für den Pharao und versuchen das fruchtbare Land in der Region Faiyum zu erschließen, welche später die Kornkammer des ganzen Reiches wird. Klar gehört alles, was wir erschaffen, dem Pharao, aber der Pharao sollte doch wissen, wer sich hier richtig angestrengt hat ...
REGELN
In Faiyum erschließen alle Spieler zusammen die Region Faiyum. Hierbei kommen neue Karten, die neue Aktionen erlauben, nach einem bestimmten System ins Spiel. Gleichzeitig wird es immer teurer, alle Karten immer wieder auf die Hand zurückzuholen. Hierbei gilt: Je später eine Karte gespielt wurde, desto günstiger ist sie. Wann Karten zu spielen sind, hängt davon ab, was alle Spieler auf dem Brett machen. Wer wird des Pharaos neue rechte Hand?
Zunächst wird das Spielbrett vorbereitet. Darauf sind verschiedene hexagonale Felder zu sehen, die Steine, Weintrauben, Weizen oder Bauplätze zeigen. Das markierte Feld bekommt eine Startsiedlung. Die Weizen und Traubenfelder sind versumpft, was durch ein kleines Holzkrokodil angezeigt wird. Auf den Damm kommt eine Straße. Die Spieler bekommen 5 Startkarten und etwas Geld. Die vielen Holzteile werden bereitgelegt. Am besten werden diese nach (theoretisch) unbegrenzten und begrenzten Markern getrennt.
Die nummerierten Karten werden nach einem bestimmten System gemischt, so dass ein kleiner Stapel Karten für das Ende des Spiels bereitliegt, der unter anderem die vier Naturkatastrophen beinhaltet.
Die restlichen Karten bilden den Stapel für das eigentliche Spiel. Davon werden acht in den Markt gelegt und nach ihrer Nummer sortiert. Die vier Karten mit niedrigen Nummern stehen dabei zum Verkauf bereit und die vier Karten mit den höheren Zahlen sind quasi eine Vorschau, was irgendwann kommen wird. Jetzt kann es schon losgehen.
Es wird reihum gespielt, und die Spieler machen einen Zug nach dem anderen, bis die vier Naturkatastrophen auftauchen, aber dazu später mehr.
In seinem Zug hat ein Spieler drei Optionen. Er kann eine Karte spielen, eine Karte kaufen oder verwalten.
Eine Karte spielen bedeutet, dass der Spieler diese Karte von seiner Hand nimmt und auf seinen persönlichen Ablagestapel legt. Entweder führt der Spieler dann diese Karte aus oder nimmt sich 2 Geld für die Karte. Die Aktion einer Karte verlangt meistens, dass etwas auf dem Spielplan platziert wird, Rohstoffe (Weintrauben, Weizen, Stein, Geld) bezahlt werden und dann gibt es eine Belohnung. Dies sind mehr Rohstoffe, Geld oder Punkte. Der entscheidende Punkt ist hierbei, dass etwas auf dem Spielplan platziert wird.
Das Platzieren der meisten Komponenten ist an bestimmte Bedingungen geknüpft. Arbeiter können je nach Karte andere Bedeutungen haben, aber grundlegend darf nur ein Arbeiter auf einem Feld stehen. Bauern sind tolle Karten. Sie kosten kaum etwas. Sie entfernen das Krokodil von ihrem Feld, welches für Geld direkt verkauft wird und produzieren den Rohstoff ihres Feldes. Allerdings weigern sie sich, bei Gebäuden einen Acker oder Straßen anzulegen.
Ein Weinhändler würde mehr bringen, dieser muss aber zu einer Siedlung gestellt werden, also müssen mehr Siedlungen gebaut werden. Die Siedlungen kosten nicht nur viele Grundstoffe, sondern können nur auf Felder ohne Krokodil gelegt werden; sie bringen aber Punkte ein. Diese Siedlungen sollten über Straßen verbunden werden, da dies Extrapunkte generiert. Straßen eröffnen die Möglichkeit Betriebe zu eröffnen, welche noch mehr Rohstoffe bringen.
So eröffnen verschiedene Karten verschiedenen Möglichkeiten. Da unsere Handkarten nur Bauern, Siedlungen und Straßen ermöglichen, wollen wir schnell neue. Darum kann ein Spieler, statt eine Karte zu spielen, eine Karte kaufen. Er bezahlt den auf dem Spielbrett sichtbaren Preis und nimmt die Karte auf die Hand. Eine neue Karte wird gezogen, um den Markt zu füllen. Diese Karte wird in den Markt sortiert, sodass die Marktkarten immer aufsteigend sortiert sind. So besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass niedrige Nummern früher im Spiel gekauft werden können als hohe.
Die letzte Option ist es zu verwalten. Dies ermöglicht es neues Geld zu erhalten und Karten zurückzuholen. Es gibt 3 Geld minus der übrigen eigenen Handkarten (minimal 0). Wer bis zu 2 Arbeiter vom Spielfeld nimmt, bekommt bis zu 2 Geld obendrauf. Die obersten 3 Karten des eigenen Ablagestapels kommen gratis auf die eigene Hand zurück, für weitere Karten muss bezahlt werden. Dann werden noch ein paar Karten aus dem Markt entfernt und andere rabattiert.
So spielen die Spieler, bis der reguläre Stapel aufgebraucht ist, dann kommen die am Anfang beiseite gelegten Karten ins Spiel. Es wird einfach weitergespielt, bis die vier Naturkatastrophen im Markt liegen. Ab jetzt dürfen die Spieler nicht mehr verwalten. Stattdessen darf gepasst werden, was dem ersten passenden Spielern Extrapunkte bringt.
Haben alle Spieler gepasst, so ist der Spieler mit den meisten Punkten der cleverste Berater des Pharaos.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- cleverer Marktmechanismus
- abwechslungsreicher Verlauf
- flexibles Planen
- hohe Interaktion
CONTRA
- Gestaltung ist besonders
- unsoziale Kurzsicht kann das Spiel sehr erschweren
MEINUNG
In Faiyum bauen wir zusammen eine Bucht in ein fruchtbares Agrarökonomen-Paradies um. Wir legen Sümpfe trocken, um Getreide und Wein anzubauen. Siedlungen werden angelegt und Wege geschaffen. Aber wir wollen mehr. Der Pharao wünscht sich Betriebe, Städte, Kultstätten, Feste, Mumien und viele andere Dinge.
Wir erfüllen die Wünsche des Pharaos natürlich. Und so bauen wir tatsächlich langsam Faiyum aus. Gesteuert wird dies durch einen Kartenmechanismus. Jede Karte hat eine Nummer, und alle Karten werden aufsteigend sortiert. Die niedrigsten vier stehen zum Kauf zur Verfügung. Tendenziell kommen also niedrigere Kartenwerte eher ins Spiel als hohe. Es kann aber passieren, dass durch die zufällige Auswahl der Karten auch mal früh ein paar hohe Kartenwerte zur Verfügung stehen. Dies kann bedeuten, dass diese Karte jetzt ignoriert wird, weil diese zu diesem Zeitpunkt nur Ballast wäre - oder direkt gekauft wird, da diese Karte schon früh ein Monopol bestimmter Aktionen bietet. Dies ist besonders interessant, denn wir bauen ja Faiyum für den Pharao zusammen auf, und somit ist alles auf dem Spielbrett Allgemeingut.
Platziere ich eine Siedlung, so bekomme ich 3 Geld und 3 Punkte (Juhu!), aber der Spieler mit der Karte des Weizenlieferanten kann nun einen Arbeiter in die Siedlung stellen und 2 Weizen bekommen (Buuuhhh!). Eine Karte nicht zu nutzen ist aber auch inneffizient, so versuchen wir alle Elemente so auf dem Brett zu platzieren, dass die anderen Spieler weniger Vorteile als wir davon haben.
Im Laufe einer Partie sammeln die Spieler verschiedene Karten und die meisten gibt es nur einmal. So sollte darauf geachtet werden, den anderen Spielern nicht zu viele Vorlagen zu bieten. So verläuft jede Partei anders, obwohl in jeder Partie alle Karten mal in der Auslage liegen. Auch ist es in jeder Partie so, dass Faiyum ganz grob zuerst Bauern und Siedlungen bekommt, dann Städte und Betriebe, dann Prunkbauten, sodass es wirklich so wirkt, als entwickelten wir die Region. Einmal kommt Faiyums Reputation wegen der Rosen und Parfüm, ein anderes Mal gibt es in Faiyum viele Erntefeste.
Die viele Interaktion wird noch weiter zugespitzt durch die Möglichkeit während des Verwaltens Arbeiter zurückzunehmen und dafür Geld zu bekommen. Hierbei stellt sich die Frage, welche Arbeiter ich zurücknehmen kann, um meinen Vorteil auszubauen, ohne die Situation der Gegner zu verbessern. Hier kommen wieder die verschiedenen Funktionen der Karten zum Einsatz. Habe ich als einziger eine Karte, die Arbeiter zu Betrieben stellt, so ist die Entscheidung, wo ich Arbeiter entferne, leicht.
Jetzt habe ich es wegen der laufenden Pandemie nicht geschafft, Faiyum mit 4 Spielern zu spielen. Ich habe aber in entsprechenden Internetforen folgendes gelesen: Wenn vier Spieler zu der Überlegung neigen, dass 2 Geldeinheiten nicht den Vorteil des Gegners aufwiegen, einen freien Platz für Arbeiter zu haben, so kann es passieren, dass die Arbeiter ausgehen und keine freie Plätze für diese vorhanden sind. Denn niemand nimmt Arbeiter zurück. Das Spiel wird hierdurch ausgebremst. Im Spiel zu zweit oder zu dritt ist diese Situation nie aufgekommen. Und selbst wenn, könnte ich mir einiges vorstellen, dieser Situation zu entgehen. Es ist allerdings müßig, darüber theoretisch zu diskutieren, deswegen werde ich das hier nicht tun.
Wer sich mit Brettspielen beschäftigt, wird irgendwann auf den Namen Friedemann Friese stoßen. Dessen Spiele sind immer etwas Besonderes. Und einige sind auch gute Spiele. Für mich gehört Faiyum klar dazu. Jede Partie entwickelt sich anders, die Regeln sind nicht zu kompliziert, vieles ergibt thematisch Sinn, es gibt Interaktion und es muss geplant werden.
Die meiste Planung entsteht durch die Regel, dass die zuletzt gespielten Karten wieder gratis aufgenommen werden können, während für andere Karten bezahlt werden muss. Somit sollten Karten, die man loswerden möchte, früh gespielt werden, aber meist muss man vorher Rohstoffe organisieren und dann liegen dieser Produktionskarten unter den anderen. So gibt es verschiedene Konflikte, die gelöst werden müssen.
Leider ist Faiyum optisch nicht so ansprechend. Die Gestaltung des Spielbretts ist funktional und im echten Leben nicht so schlimm, wie es auf den Fotos vielleicht für den einen oder anderen aussieht. Es werden Papyrus-Strukturen angedeutet und die Zeichnungen sind schon passend. Die Symbolsprache ist gut, und die meisten Karten haben logische Symbole, trotzdem werden die Spieler die ersten Partien viel Zeit mit dem Kartenglossar verbringen. Die meisten Holzteile sehen allerdings etwas zu abstrakt aus, um schön zu sein. Das ist wirklich schade. Die roten Scheiben mit dem dünnen Mast darauf erinnern einfach nicht an Städte. Mein Highlight waren da noch die Krokodile. Der optische Gesamteindruck ist aber einfach heutzutage nicht mehr ausreichend, um Spieler anzulocken. Ich befürchte, dass Faiyum dadurch bei der Allgemeinheit untergehen könnte.
Fazit: Lasst euch vom nüchternen Spielmaterial nicht abschrecken und probiert dieses stark interaktive Aufbauspiel für Planer aus. Alle bauen zusammen am Spielbrett, aber gegeneinander, somit ist Faiyum fur Freunde der Interaktion besonders zu empfehlen, quasi ein freundliches Food Chain Magnate (Splotter Spellen). Wäre es hübscher, so würde ich sogar zur 9 greifen.
KULTFAKTOR: 8/10
Spielidee: 9/10
Ausstattung: 6/10
Spielablauf: 8/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 11.05.2021
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: 2F-Spiele
Weitere Fotos: Spielkultisten