REZENSION

ECOSYSTEM / ÖKOSYSTEM

  • Genre: Kartenspiel
  • Jahr: 2020 / deutsche Version: 2021
  • Verlag: Genius Games / deutsche Version: Schwerkraft Verlag
  • Autor: Matt Simpson
  • Grafik: Lindsey Falsone
  • Spieler: 2 bis 6
  • Alter: ab 14 Jahren (besser: ab 8 Jahren)
  • Dauer: ca. 15 bis 20 Min.
  • Schwierigkeitsgrad: leicht
  • Taktiklevel: 8/10

Natürliche Selektion

Ein eigenes Ökosystem aufbauen, nie war es so einfach! Siedelt möglichst viele verschiedene Tierarten an, erschafft weitläufige Wiesen und lange Bachläufe. Schnell werdet ihr jedoch bemerken: Alles auf einmal? Das geht nicht! Füchse haben sich noch nie gut mit Wölfen verstanden, und Bären haben Forellen zum Fressen gern ... 

NATUR-SPECIAL-TAGE 23.05.-04.06.2021


REGELN

In diesem flotten Kartenlegespiel errichtet jeder Spieler sein eigenes Ökosystem aus einem Raster von 5x4 Karten. Sämtliche Karten werden zunächst gemischt. Gespielt werden 2 Runden. In jeder Runde erhält jeder Spieler anfangs 10 Karten.

Der Ablauf ist simpel. Aus den 10 Handkarten sucht sich jeder Spieler eine Karte aus und legt sie verdeckt vor sich. Sobald alle Spieler eine Karte gewählt haben, decken sie sie zeitgleich und legen sie in ihr Ökosystem. Dann geben sie die restlichen Karten an ihren Nachbarn weiter (in Runde 1 im Uhrzeigersinn, in Runde 2 gegen den Uhrzeigersinn). Wieder sucht sich jeder Spieler eine Karte aus. Wichtig: Neu ins Ökosystem gelegte Karten müssen von nun an immer waagrecht oder senkrecht angrenzend an bereits ausliegende Karten angelegt werden.

Die eigene Kartenauslage muss am Ende aus 4 Reihen mit je 5 Karten bestehen. So lange das Maximum an Karten einer Reihe / Spalte noch nicht erreicht ist, kann der Spieler frei wählen, in welcher Richtung er sein Ökosystem fortsetzt. Sobald eine Reihe / Spalte jedoch an irgendeiner Stelle das Maximum an Karten aufweist, ist das Anlegen nun auf diese Begrenzung eingeschränkt. 

Hat jeder Spieler die ersten 10 Karten in sein Ökosystem gelegt, erhält er neue 10 Karten. Runde 2 funktioniert dabei wie Runde 1. Nach Runde 2 besitzt jeder Spieler 20 Karten (eben 4x5 Karten) in der eigenen Auslage. Diese Auslage wird nun anhand des Wertungsblocks bewertet. Jede Kartenart wird einzeln berechnet und gibt dabei u.a. die Vorlieben der Tiere wieder.

  • Bienen bringen 3 Punkte pro angrenzender Wiese.
  • Bären bringen 2 Punkte pro angrenzender Biene und / oder Forelle.
  • Forellen bringen 2 Punkte für jeden angrenzenden Bachlauf und / oder jede angrenzende Libelle.
  • Füchse bringen jeweils 3 Punkte, wenn sie nicht an Wölfe oder Bären angrenzen.
  • Adler bringen 2 Punkte pro Hasen und / oder Forelle in maximal 2 Positionen Entfernung.
  • Libellen bringen je 1 Punkt für alle verbundenen Bachlauf-Karten, von denen mindestens eine Karte an die Libelle angrenzen muss.
  • Hirsche bringen 2 Punkte für jede Reihe und Spalte, in der sich mindestens 1 Hirsch befindet.
  • Hasen bringen je 1 Punkt, schlagen beim Legen aber einen Haken und erlauben es, zwei bereits ausliegende Karten im Nachhinein miteinander zu vertauschen, was sonst nicht möglich ist.
  • Wölfe sind im Rudel stark. Der Spieler mit den meisten Wölfen, egal ob zusammenhängend gelegt oder einzeln verteilt, erhält 12 Punkte, der zweitplatzierte Spieler erhält 8, der dritte 4 Punkte.
  • Wiesen bringen 0/ 3/ 6/ 10/ 15 Punkte für 1/ 2/ 3/ 4/ 5+ zusammenhängende Karten.
  • Bei den Bachläufen wird wieder verglichen. Der längste zusammenhängende Bachlauf bringt 8 Punkte, der zweitplatzierte Spieler erhält immer noch 5 Punkte.


Angrenzend bzw. zusammenhängend bedeutet stets waagrecht und / oder senkrecht, nie diagonal.

Zudem werden noch Punkte bzw. Minuspunkte vergeben, je nachdem, wie viele Kartensorten im eigenen Ökosystem nicht (!) vertreten sind.


Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt.

Im Spiel zu zweit spielt ein imaginärer dritter Spieler mit, der ebenfalls 10 Karten besitzt. Für ihn wird in jedem Spielerzug immer eine Karte zufällig aus dem weitergereichten Kartenstapel entfernt.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • einfachste Regeln
  • trickreiche Wertung
  • spannende Punktejagd
  • wunderschöne Optik
  • mit Hausregeln auch als Solospiel verwendbar


CONTRA

  • zunehmende Lernkurve kann Varianz verhindern

MEINUNG

Wer meine Rezensionen liest, weiß, dass ich Spiele ungern im Solomodus spiele. Dass das bei Ecosystem, das im Laufe des Jahres 2021 übrigens als Ökosystem auch in Deutschland (in der Leichtkraft-Reihe des Schwerkraft Verlages) erscheinen wird, anders ist, obwohl gar keine Solo-Regeln vorgesehen sind, zeigt euch bereits, dass ich echt Gefallen an diesem kleinen Spiel gefunden habe. Doch der Reihe nach.

Die Spielregeln sind wirklich simpel. Aus anfangs zehn Karten eine auswählen, den Rest weitergeben. Das ganze so oft wiederholen, bis 10 Karten zusammenhängend in der späteren 5x4-Auslage liegen, mit 10 neuen Karten eine zweite Runde spielen. Fertig. Dazu braucht es keinerlei Spielerfahrung, das versteht wirklich jeder. Ideale Grundvoraussetzungen für ein Familienspiel also, aber Ecosystem ist mehr! Das Spiel ist nämlich keinesfalls banal.

Seine Spieltiefe zieht Ecoystem aus der Wertung am Ende einer Partie. Durch die 11 verschiedenen Kartenarten, die alle unterschiedlich gewertet werden, muss vieles beachtet werden, wenn man den Highscore knacken will. Natürlich lässt sich das Spiel auch einfach aus dem Bauch heraus spielen, aber spannender wird es, wenn man in jedem Spielzug versucht, eine möglichst punkteträchtige Karte, die zur eigenen Auslage passt, auszuwählen und für sie einen guten Platz zu finden. 11 verschiedene Kartenarten mögen am Anfang noch überfordern, aber die Spielerhilfen sind da wirklich praktisch, um alle Kartenwirkungen zu verstehen. Und nicht nur das: Die Wertungen sind vor allem auch zumeist thematisch logisch, sodass man sie sich herleiten kann. So fliegen Bienen gern auf Wiesen, Bären wiederum fressen Bienen und Fische. Fische bevorzugen Wasser, Adler jagen Hasen, Hirsche verteilen sich im ganzen Wald, und Wölfe sind gern im Rudel. Das macht schon alles Sinn.

Genau diese Wertung spornt in jeder Partie zu neuen Höchstleistungen an. Welche Karte benötige ich dringend? Sollte ich eine Karte auch mal destruktiv aus der Auswahl entfernen, da sie meinem Nachbarn viele Punkte bringen würde? Das Draften von Karten wurde hier klassisch umgesetzt, ohne Schnickschnack, den das Spiel aber auch gar nicht braucht. Dass man die zehnte Karte jeder Runde legen MUSS, mögen manche als „gespielt vorkommen“ empfinden, ich sehe das jedoch anders. Da man genau weiß, dass das mit der jeweils letzten Karte passiert, sollte man die Auslage so errichten, dass, egal welche Karte man dann auf die Hand bekommt, diese keinen Schaden anrichtet. Heißt: Man sollte vielleicht nicht gerade darauf vertrauen, einen Bachlauf oder eine Wiese mit der letzten Karte zu einer großen Kombo verbinden zu können.

Natürlich ist auch Glück im Spiel vorhanden. Während in Vollbesetzung durch die höhere Anzahl an Karten ein viel größerer Kartendurchlauf der einzelnen Kartenarten entsteht, ist es da mit der Planungssicherheit schlechter bestellt. Im Spiel zu zweit / dritt bekomme ich dagegen einen Kartenstapel öfter auf die Hand, generell lässt sich da schon besser abschätzen, welche Karten in dieser Runde so im Spiel sind, dafür ist die Kartenauswahl insgesamt geringer und es kann passieren, dass ich in einer Partie manche Kartenarten auch mal gar nicht zu Gesicht bekommt. Beides empfinde ich aber nicht als schlimm. Im Gegenteil: Es sorgt für eine gewisse Varianz und auch Spannung, ob ich bestimmte Kombos überhaupt so vervollständigen kann, wie ich das gern möchte.

Mit Hausregeln lässt sich das Spiel übrigens auch prima solo spielen. Dann kommen, analog zur 2-Spieler-Variante, einfach zwei imaginäre Spieler mit eigenen Stapeln ins Spiel, von denen in jedem Spielzug jeweils stets eine Karte zufällig entfernt wird. Das geht flott von der Hand. Imaginäre Spieler sind für mich sonst meist ein Graus, hier ist selbst das kein wirkliches Problem. Das Spiel hat solo dann direkt etwas Meditatives. So oder so: Es macht Spaß, die eigene Kartenauslage wachsen zu sehen und die Punktezahl zu maximieren. Da alle gleichzeitig spielen, lässt sich das Spiel auch bedenkenlos in Vollbesetzung spielen. Wartezeiten gibt es so gut wie keine. Je mehr Spieler mitspielen, umso größer wird das Gerangel um die Mehrheiten-Wertungen. Die gewinnen also an Relevanz mit steigender Spielerzahl.

Wo ich gerade von Hausregeln sprach: Meine Erfahrung zeigt, dass man bei häufigem Spielen dazu neigt, eine bestimmte Kartenauslage, die einem viele Punkte eingebracht hat, kopieren zu wollen. Meistens ist das aufgrund der zufälligen Kartenverteilung zwar nicht  1:1 möglich, dennoch kann es reizvoll sein, wenn man die erste Karte des eigenen Ökosystems gar nicht aus der Kartenhand auswählt, sondern sie zufällig zieht und dann erst wie gewohnt weiterspielt. Da macht es schon einen gefühlten Unterschied, ob ich das Spiel mit einem Hirsch oder mit einer Biene beginne, da ich mich instinktiv daran orientiere und andere Karten auswählen werde. So entsteht dann schon allein durch die wechselnde Anfangskarte eine nette zusätzliche Varianz.

Ecosytem hat mich mit seinen elegant schlanken Regeln und dennoch trickreichen Wertung, die viel Spieltiefe erzeugt, schnell in den Bann gezogen. Für mich ist es sogar schon so eine Art Spiel mit Suchtfaktor, obwohl es rein spielerisch gar keine große Innovation mit sich bringt. Es ist wirklich schnell gespielt, gern mal zwischendurch, zum Einstieg, als Absacker oder mit Kindern, und es büßt durch das immer neu zusammengesetzte Puzzle-Element beim Legen auch nichts an Reiz ein. Dazu sieht es wirklich hübsch aus. Die Illustrationen sind wirklich wunderschön und die fertige Auslage belohnt einen immer mit einem prächtigen Anblick. Dass die Karten im Kleinformat geliefert werden, ist hier übrigens überaus praktisch, würden die Kartenauslagen doch sonst viel zu viel Platz einfordern.

Ich freue mich, dass der Schwerkraft Verlag das Potenzial dieses kleinen Spiels erkannt hat und im Jahr 2021 eine eigene deutsche Version auf den Markt bringen wird. Während die Karten sprachneutral sind, ist es sicher für viele hilfreich, die Anleitung, die Spielerhilfen und den Wertungsblock in deutscher Sprache zu besitzen, zumal das englischsprachige Original in Deutschland eh nur extrem schwer zu bekommen ist. Von daher: Warten lohnt sich! Für mich ist Ecosystem / Ökosystem eine kleine Spieleperle und tatsächlich das derzeit attraktivste Spiele unter den kleinen Spielen mit Natur-Thema! Wer auf solche flotten Optimierungsspiele steht und der Thematik ebenso zugeneigt ist, kann hier auf jeden Fall zugreifen! Bis auf die minimale Einschränkung, dass das Glück manchmal mit über den Spielsieg entscheiden kann und man mit der Zeit vereinzelt zu spielerischen Blaupausen neigt, ist es für mich nahezu perfekt - macht echt starke 9 Kultpunkte! Klare Empfehlung in diesem Genre!

KULTFAKTOR: 9/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 10/10
Spielablauf: 9/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 27.05.2021

Bildnachweis:
Coverfoto: Genius Games
Weitere Fotos: Spielkultisten