REZENSION

ECOGON  

ECOGON: STILLE WASSER

  • Genre: Familien-/ Taktikspiel (Legespiel)
  • Jahr: 2015 / 2019
  • Verlag: Gaiagames
  • Autor: Micha Reimer
  • Spieler: 1 bis 6
  • Alter: ab 8 Jahren (je nach Variante)
  • Dauer: ca. 30 bis 90 Minuten
  • Schwierigkeitsgrad: mittel
  • Taktiklevel: 7/10

Fressen und gefressen werden

In Ecogon erschaffen wir uns ein Ökosystem aus Sechseck-Plättchen, die wir geschickt aneinander legen, um Pflanzen wachsen zu lassen und Tiere zu etablieren. Ereignisse sorgen dafür, dass es immer wieder Veränderungen in der Auslage gibt.

3. NATUR-SPECIAL-TAGE 21.03.-25.03.2022


REGELN

Beide Editionen, Ecogon und Ecogon: Stille Wasser sind eigenständig spielbar, aber auch kombinierbar.

Gespielt werden kann kooperativ oder kompetitiv. Ich beschreibe hier zunächst die kooperative Variante.

Mischt die Sechseck-Plättchen verdeckt (in der Anleitung werden sie „Natur-Karten“ genannt) und teilt jedem Spieler zwei aus. Die Plättchen werden nicht auf die Hand genommen, sondern liegen offen vor den Spielern. Ein Start-"Lebensraum“ (leeres Landschaftsplättchen) wird in die Mitte gelegt.

Gespielt wird reihum. Bist du am Zug, ziehe ein weiteres Plättchen vom Stapel. Anschließend kannst du so viele Plättchen, wie du möchtest, ausspielen. Theoretisch könntest du auch gar kein Plättchen ausspielen. Auch dann ziehst du im nächsten Spielzug ein neues, darfst aber bis zum Ende des Spielzuges maximal drei Plättchen übrig haben, ggf. musst du sonst Plättchen abwerfen.

Um ein neues Plättchen anzulegen, gilt folgende Regel: Jedes Tier und jede Pflanze muss immer Zugang zu einem Lebensraum-Plättchen besitzen, zu Beginn zum Start-Lebensraum. Im oberen Teil jedes Plättchens finden wir ein „Angebot“, das diese Pflanze bzw. dieses Tier bereitstellt. Das sind Symbole, die eine Pflanze z.B. als „Kraut“ oder „Laubbaum“ bezeichnet bzw. die die Pflanze „Früchte“ oder „Samen“ liefern lassen. Auch Tiere offerieren Symbole im oberen Teil der Karte, nämlich ihre Größe (dargestellt durch Punkte) sowie ein Farb-Codierung (fliegend, laufend / Gewässergrund- oder Freiwasser-Tier) und Siegpunkte, die es gibt, wenn das Tier etabliert wurde. Im unteren Teil des Plättchens finden wir eine Anforderung an Symbolen, die das Tier für eine Etablierung benötigt.

Wie etabliere ich ein Tier? Dazu müssen andere Plättchen, die an dieses Tier angrenzen, die geforderten Symbole aufweisen. Verbundene Symbole als Anforderung gelten als „Entweder-Oder"-Option. Wurden alle Voraussetzungen erfüllt, belegt ihr das Tierplättchen mit einem Marker (im Spiel liegen getrocknete Bio- und Fairtrade-Bohnen in vier verschiedenen Farben zur Markierung bei).

Befinden sich mindestens zwei Lebensräume in der Plättchen-Auslage, wird nun alle 3 Spielzüge eine Ereigniskarte gezogen. Diese bringt Veränderungen ins Ökosystem: Neue Plättchen müssen angelegt, vorhandene Plättchen vertauscht oder entfernt werden etc. Sollte das Auswirkungen auf etablierte Tiere haben, müssen ggf. Marker wieder entfernt werden.

Das Spiel endet, wenn entweder die letzte Ereigniskarte (5 bis 20, je nach gewünschter Spiellänge) ausgeführt wurde oder aber kein Plättchen mehr nachgezogen werden kann. Das Spiel habt ihr gemeinsam gewonnen, wenn die Siegpunkte eurer etablierten Tiere mindestens doppelt so hoch sind wie es der Anzahl an verwendeten Ereigniskarten entspricht. Ist die Punktezahl niedriger, habt ihr gemeinsam verloren.

Im Fortgeschrittenen-Modus bekommen die verschiedenen Lebensräume eine Bedeutung:

  • In Ecogon gibt es Wiese (gelb), Waldrand (hellgrün) und Wald (dunkelgrün). Beachtet, dass Waldrand quasi als Übergang, wie eine Art Joker, fungiert. Wiesenplättchen (in gelb) dürfen hingegen niemals direkt an Waldplättchen (in dunkelgrün) angelegt werden.
  • In Ecogon - Stille Wasser gibt es Ufer (braun) und Stillgewässer (blau). Hier gilt: Die Ufer-Plättchen benötigen stets einen angrenzenden Ufer-Lebensraum, Gewässer-Plättchen einen angrenzenden Gewässer-Lebensraum. 
  • Kombiniert ihr beide Spiele, so kann Ufer (in braun) sowohl an Gewässer, an Wald, Waldrand oder Wiese angrenzen. Gewässer hingegen dürfen nur (!) an andere Gewässer oder an Ufer-Plättchen grenzen! Die zuvor genannten Legeregeln bleiben bestehen.


Zum Etablieren der Tiere benötigt ihr für jede Anforderung verschiedene Plättchen, die jeweils einen Teil der Anforderung erfüllen. Eine Anforderung aus mehreren Symbolen kann nicht durch ein einziges Plättchen erfüllt werden, das diese Symbole zufällig in Kombination liefert.

In der kompetitiven Variante sind die Regeln mit kleinen Anpassungen grundsätzlich ähnlich, allerdings etabliert immer derjenige ein Tier, der das entscheidende (!) Plättchen anfügt, mit dem nun auch das letzte Anforderungssymbol eines Tieres erfüllt wird. Ereignisse werden immer vom Spieler mit den wenigsten Punkten ausgeführt. Zum Schluss gewinnt derjenige, der die meisten Punkte sammeln konnte.

Das Spiel kann auch solo gespielt werden.

GALERIE

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CHECKPOINT

PRO

  • Ökosystem als Puzzle-Legespiel
  • lehrreich und herausfordernd
  • schöne Illustrationen
  • ökologischer Gedanke auch beim Spielmaterial


CONTRA 

  • Symbolik kann anfangs überfordern, dadurch anfällig für Legefehler
  • Ereigniskarten können mitunter für gewisse Frustmomente sorgen
  • kompetitive Variante spielt sich nicht so richtig rund

MEINUNG

Das Thema des Spiels liegt den Ecogon-Machern am Herzen, das merkt man bereits an der Ausstattung, die ohne Plastik oder Folie auskommt. Die verschiedenfarbigen Spielermarker sind dann tatsächlich Bohnen, die man, laut Anleitung, sogar einpflanzen und vermehren kann ... Das kann sich niemand beschweren, dass hier das Thema aufgesetzt wirkt.

In Ecogon legen wir also Plättchen für Plättchen unser eigenes Ökosystem aus. Die Einsteiger-Regeln verzichten dabei noch auf diverse Feinheiten. Zum Erlernen ist diese Variante sicher gut geeignet, da man weniger Restriktionen beachten muss. Erfahrene Spieler hingegen werden direkt zur Fortgeschrittenen-Variante wechseln, in der die Lebensräume nun klar in Gebiete unterteilt sind. Heißt: Nach Wald kommt stets Waldrand, bevor es auf die Wiese geht etc.

Die Legeregeln sind im Grunde nicht sehr komplex, dennoch anfällig für unabsichtliche Spielfehler, besonders in der Fortgeschrittenen-Variante. Gern wird beim Anlegen der Plättchen auch die Regel vergessen, dass jedes Lebewesen (Pflanze oder Tier) stets eine Verbindung zu einem Lebensraum-Plättchen haben muss, das zum Lebewesen passt. So macht es dann auch nicht immer Sinn, sämtliche Plättchen von der Hand spielen zu wollen, sondern lieber erst einmal auf Kombinationen zu achten, die gut zueinander passen.

Da mit offenen Informationen gespielt wird, kann man immer schauen, was die Mitspieler so auf ihrer „Hand“ haben und welche Anforderungen wo am besten erfüllt werden können. Gemeinsam muss also eine Lösung gefunden werden, wie möglichst viele Tiere etabliert, also ihre Anforderungen erfüllt werden können. Angebot und Anforderungen funktionieren wechselseitig. Oft profitierten Plättchen gegenseitig voneinander. Die abstrakten Symbole müssen allerdings immer genau betrachtet und verinnerlicht werden, sonst geht die Übersicht flöten.

Damit das Ökosystem dynamisch bleibt, gibt es Ereigniskarten, die in regelmäßigen Abständen aufgedeckt werden. Oftmals verlangen sie eine Änderung der Auslage. Wenn Plättchen hinzugefügt werden, ist das meist positiv. Aber so eine Veränderung kann auch echt mies sein. Hat man gerade eine tolle Kombination aus etablierten Plättchen erzeugt und muss dann z.B. eine Pflanzen-Art entfernen, die Grundlage für gleich drei Tiere bildet, die durchs Entfernen anschließend nicht mehr etabliert sind, dann kann das auch mal kleine Frustmomente auslösen.

Wer das Spiel besser kennt, achtet stärker darauf, möglichst mehr Plättchen in die Auslage zu bringen, als es nötig ist. So erhöht sich die Chance, dass vielleicht ein Plättchen abgeworfen werden kann, ohne dass dies weitreichende Folgen nach sich zieht. Dennoch: Die Ereigniskarten hätte ich nicht unbedingt in dieser Häufigkeit benötigt. Vielleicht wären sie in geringerer Frequenz für mich erträglicher, vielleicht hätte es sie auch gar nicht in ihrer Zufälligkeit gebraucht. Zumindest auf die destruktiven Karten könnte ich gut verzichten.  Das eigentliche Legen des Ökosystems ist ja schon durchaus herausfordernd genug, und davon lebt das Spiel.

Auf jeden Fall möchte ich euch, nach unseren Erfahrungen, immer zu der kooperativen Spielweise raten. Ja, ich weiß, dass es da das berühmte Alphaspieler-Problem geben kann. Wenn jemand extrem dominiert und den anderen ihre Spielzüge vorschreibt, ist das sicher auch nicht so gewollt. Nehmt euch da bitte zurück, wenn ihr vielleicht die bessere Übersicht über die Auslage besitzt, als andere. Man könnte das Spiel natürlich auch mit verdeckten Infos spielen, dann wird es aber glückslastiger. Dennoch liefert die kooperative Variante (mit den richtigen Mitspielern) das rundere Spielgefühl. Gemeinsam etwas aufbauen, entscheiden, verändern, versuchen, viele Punkte zu erreichen - das stärkt das Wir-Gefühl und verhindert unfaire Spielsituationen.

Gefühlt unausgeglichene Situationen entstehen öfters im kompetitiven Spiel. Da immer nur derjenige eine Tierart etabliert, der das für die Etablierung entscheidende Symbol angefügt hat, bereiten oftmals andere Spieler etwas vor, und jemand anderes staubt ab. Dem entgegen steht dann die Regel, dass derjenige mit den wenigsten Punkten die Ereignisse ausführt, und dann natürlich destruktiv spielen wird, wenn ihm die Gelegenheit dazu gegeben wird. Das macht den Spielgedanken, ein großes funktionierendes Ökosystem zu erschaffen, für mich irgendwie kaputt.

Fazit: Sowohl Ecogon als auch Ecogon - Stille Wasser sind liebevoll designte eigenstände Legepuzzle, die eine schöne Herausforderung bieten. Mit den Ereigniskarten muss man spielerisch allerdings umgehen können, also es auch ab und zu vertragen, wenn mühsam Aufgebautes wieder kaputt gemacht wird. Dabei ist das Spiel aber auf jeden Fall auch lehrreich und bringt uns auf eine abstrahierte Weise die verschiedenen Lebensgrundlagen von Pflanzen und Tieren näher. Die kompetitive Spielweise konnte uns leider nicht wirklich überzeugen; wer dagegen kooperative Spiele und Natur-Themen mag, der sollte sich Ecogon, egal in welcher Version, oder sogar kombiniert, gern mal näher ansehen. 

Ich vergebe in Summe gute 7 Kultpunkte, mit Tendenz zur 8 für die kooperative Variante und Abzug für die kompetitive Alternative. 

KULTFAKTOR: 7/10

Spielidee: 8/10
Ausstattung: 8/10
Spielablauf: 7/10

EUER REZENSENT

INGO

Vielspieler, Skifahrer, Italien-Fan, Medienheini

Eine Rezension vom 23.03.2022

Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.

Bildnachweis:
Coverfoto: Gaiagames
Weitere Fotos: Spielkultisten