REZENSION
EAST INDIA COMPANIES
- Genre: Strategiespiel
- Jahr: 2023
- Verlag: HUCH! / R&R Games
- Autor: Pascal Ribrault
- Grafik: Guillaume Tavernier
- Spieler: 2 bis 4
- Alter: ab 14 Jahren
- Dauer: 90 bis 120 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: mittel
- Taktiklevel: 7/10
Würzige Aktien
Als eine der europäischen Ostindien-Gesellschaften müsst ihr schwerwiegende Entscheidungen treffen: Soll euer neues Schiff einen großen Laderaum haben oder schneller reisen können? Wollt ihr lieber Tee oder Kaffee kaufen? Wollt ihr lieber langfristigen Gewinn oder doch eher Tageshandel mit den Aktien eurer Kontrahenten betreiben?
REGELN
Zunächst muss die Welt auf euch vorbereitet werden. Legt das Spielbrett mit der Landkarte bereit, legt die Märkte für Asien und Europa aus. Füllt die Märkte mit Waren, nämlich Tee, Gewürze, Kaffee und Seide. Legt die Schiffsstraße aus. Legt die Marker für Epoche und Phase auf die entsprechenden Leisten.
Jeder Spieler bekommt einen Hafen mit einer Ablage fürs eigene Kapital, das Einkommen in dieser Runde und Platz für zwei Galeonen, die direkt auch dort abgelegt werden. Die anderen Schiffe werden erst mal beiseite gelegt. Weiterhin bekommt jeder 3 Gesandte, 2 Handelshäuser, 2 Aktien der eigenen Firma und etwas Startkapital. Die übrigen Aktien kommen in die Bank. Der eigene Aktienmarker wird auf das niedrigste Feld (4 Gold) der Aktienleiste gelegt.
Jetzt können eure 5 Epochen mit je 7 Phasen beginnen.
In der ersten Phase werden die drei Gesandten genutzt und Würfel geworfen. Die Würfel geben eine Vorschau darauf, welche Waren in Europa gefragt sind (entfernt werden) und welche in Ostindien produziert werden. Die Gesandten werden zu den 5 Personen auf dem Spielbrett geschickt. Jede Person hat zwei Aktionsfelder, bis auf den Händler, der drei hat. Ein Gesandter wird auf ein Aktionsfeld gestellt. Stehen dort schon andere Gesandte, muss jedem Spieler, der mindestens einen Gesandten dort stehen hat, ein Gold gezahlt werden.
Manche Aktionsfelder haben einen Soforteffekt, andere erst einen Effekt in einer bestimmten Phase.
Sofort darf eine Hafenerweiterung genommen werden. Diese gibt dem eigenen Hafen einen Platz für ein weiteres Schiff und hat Lagerhäuser. Auch Schiffe dürfen sofort gekauft werden. Welche Schiffe gekauft werden dürfen, hängt von der jeweiligen Epoche ab. Schiffe kosten Gold und brauchen einen Platz im Hafen. Ist kein Platz frei, wird ein altes Schiff abgeworfen. Auch ein Handelshaus wird sofort errichtet. Dieses kostet drei Gold und wird auf ein Siegel in den Handelszonen gestellt. Jeder Spieler kann in jeder der drei Handelszonen maximal ein Handelshaus besitzen.
Die restlichen Aktionsfelder besprechen wir, wenn die Phase dafür kommt.
Ab der zweiten Epoche stehen die Gesandten schon auf dem Porträt der Person, dessen Aktionsfeld sie nutzen. Wer an die Reihe kommt, bewegt einen Gesandten zu einem Aktionsfeld der Person, auf der die Figur steht oder zu einem Nachbarn. Alternativ kann auch ein Gesandter in die Mitte und im nächsten Zug auf ein beliebiges Feld gestellt werden.
Wurde alle Gesandten platziert, so beginnt Phase B, die Börse. Zunächst gibt es ein Aktionsfeld, das die Zugreihenfolge verändert. Dann kommt reihum jeder dran und darf eine Aktie kaufen. Aktien kosten so viel, wie ihr Marker gerade anzeigt. Aktien werden aus der Bank gekauft, und das bezahlte Gold geht auch an selbige. Der Wert der Aktie steigt jedes Mal um einen Schritt, wenn eine Aktie gekauft wird. Diese Phase endet, sobald alle hintereinander gepasst haben.
Aktien dürfen auch wieder verkauft werden und zwar jederzeit im eigenen Zug, außer während Phase B und in der letzten Epoche. Gleiche Aktien werden zusammen verkauft, und erst nach dem Verkauf fällt der Wert pro Aktie um einen Schritt.
In der Navigationsphase wird je eine Karte verdeckt zum europäischen Markt und zum ostindischen Markt gelegt. Diese Karten können auch bewusst aus den möglichen Karten ausgesucht werden, wenn jemand die entsprechende Aktion genutzt hat. Dann nehmen alle Spieler ihre Schiffe aus dem Hafen in die Hand. Reihum wird immer ein Schiff verdeckt in eine der drei Handelszonen gelegt, wobei ein Schiff in Handelszone 1 zu legen 2 Gold, in Zone 2 ein Gold und in Zone 3 nichts kostet. Es gibt auch ein Aktionsfeld, das die Kosten für jede Zone auf Null setzt. Liegt schon ein Schiff in der Zone, kommt das nächste oben drauf. Wurden alle Schiffe ausgelegt, beginnt die nächste Phase.
Zunächst wird die Karte bei Ostindien aufgedeckt. Der Markt wird mit jenen Waren aufgefüllt, die auf der Karte und den Würfeln zu sehen sind. Dann werden alle Schiffe in Zone 1 aufgedeckt und nach Geschwindigkeit auf der Schiffsstraße sortiert. Bei Gleichstand ist eher dran, wer früher gelegt hat. In dieser Reihenfolge darf nun jedes Schiff maximal so viele Waren in Zone 1 kaufen, wie es transportieren kann. Je weniger Waren im Markt liegen, desto teurer wird der Einkauf. Wer nichts kaufen möchte, kann sein Schiff auch für 1 Gold in der Zone belassen, wodurch es in der nächsten Epoche als erstes kaufen darf.
Auf die gleiche Weise werden auch Zone 2 und Zone 3 abgehandelt, wobei jede Zone Tee und eine Zonen-spezifische Ware anbietet. Wer ein Handelshaus in einer Zone besitzt, bekommt auf jede Ware ein Gold Rabatt.
Jetzt kommt die Verkaufsphase. Zunächst wird die Karte am europäischen Markt aufgedeckt und die Waren, die Karte und Würfel zeigen, vom Markt entfernt. Mit absteigender Geschwindigkeit werden die Schiffe entladen. Gleichstände werden durch die Spielerreihenfolge entschieden. Ein Schiff kann seine Waren verkaufen und in den europäischen Markt legen, wodurch Einkommen generiert wird, welches auf dem Hafen getrennt vom Kapital gesammelt wird. Je mehr Waren einer Art im Markt liegen, desto niedriger deren Verkaufspreis. Alternativ können Waren in ein Lagerhaus gelegt werden, wenn dieses Platz hat. Lagerhäuser verkaufen in der nächsten Epoche ihre Waren vor allen Schiffen. Gesandte beim Händler erhöhen den Verkaufswert der entsprechenden Ware für diese Person.
Wurden alle Schiffe entladen, folgt die letzte Phase. Hier wird zunächst geschaut, wer in dieser Runde das meiste Einkommen gemacht hat. In der absteigenden Reihenfolge des Einkommens gibt es auf der Aktienleiste 2 Schritte vorwärts, einen Schritt vorwärts, keinen Schritte und einen Schritt rückwärts. Dann wird noch der Wert entsprechend der Einkommensveränderung im Vergleich zur Vorrunde verändert. Der Einkommensmarker zeigt, welche Dekade das Einkommen in der vorigen Epoche hatte. Dieser Marker wird auf den neuen Wert angepasst. Der Marker auf der Aktienleiste macht ebenso viele Schritte.
Ein Beispiel: Letzte Runde hatte ein Spieler 15 Gold Einkommen und in der aktuellen Runde 32 Gold. Der Marker wandert von 10+ auf 30+. Dies sind 2 Schritte vorwärts. Die macht auch der Börsenmarker.
Die Spielerreihenfolge wird neu bestimmt, und zwar nach dem aufsteigenden Einkommen (das niedrigste Einkommen beginnt). Jetzt wird das Einkommen zu Kapital, und Dividenden werden ausbezahlt. Jede Gesellschaft muss einem Spieler so viel Gold pro Aktie dieser Gesellschaft in seinem Besitz bezahlen, wie über dem Aktienwert auf der Aktienleiste angegeben ist. Die Gesandten wandern von den Aktionsfeldern auf die Porträts, der Epochenmarker geht zur folgenden Epoche, der Phasenmarker zum Anfang, und schon geht es weiter.
Nach 5 Epochen werden Barvermögen und die Werte der Aktien addiert. Wer das meiste Vermögen angehäuft hat, gewinnt.
GALERIE
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CHECKPOINT
PRO
- spielerisch gelungene Handelssimulation
- neue Strategien durch Aktienmarkt
CONTRA
- Dividenden
- Aktienmarkt verursacht viel Wartezeit
- Verklärung der Geschichte
MEINUNG
Tapfere Männer ziehen aus, um in Asien luxuriöse Güter günstig zu erstehen und in Europa gewinnbringend zu verkaufen. Diese Kaufleute schlossen sich gerne zu Handelskompanien zusammen, um Risiko und Profit, aber auch Verwaltung zu teilen. Diese Handelskompanien waren praktisch auch die ersten Unternehmen an der Börse. Historisch hat Europa zehn solcher Kompanien hervor gebracht und wir spielen davon vier: Die East India Company aus dem Vereinigten Königreich, die Svenska Ostindiska Companiet aus Schweden, die Compagnie française pour le commerce des Indes orientales aus Frankreich und die Vereenigde Oostindische Compagnie aus den Niederlanden.
Oh je, die VOC ... Nach mittlerweile 9 Jahren in den Niederlanden lässt mich diese sehr ambivalente Geschichtsperiode aufhorchen. Die Ostindien-Kompanien wurden gegründet, als die Hauptzeit des Kolonialismus' vorbei war, aber schnell wird klar, dass die Kompanien die Vorteile der kolonialen Strukturen voll ausgenutzt haben. Dabei wurden militärische Aktionen gegen andere Kompanien vorgenommen, als auch gegen Einheimische. Die VOC hat Sklavenarbeit und mindestens einen Völkermord auf dem Kerbholz. Die Anleitung verrät mir ganz am Schluss „[…] East India Companies ist ein Spiel, sogar eine Fiktion, aber keinesfalls Dokumentation. Und es muss als solches betrachtet werden.“ Das riecht stark nach einer späten Entschuldigung für eine nicht angemessene historische Aufarbeitung, denn die Runden sind mit Jahreszahlen versehen, und die Orte der Handelshäuser sind Orte, an denen eben Handelshäuser standen, z.B. Batavia, wo besagter Völkermord stattfand. Sollte ich also East India Companies wie Chaos in der alten Welt betrachten? Dort spielen wir vier böse Gottheiten, deren Nahrung das Leid der Menschen ist. Dort genießt jeder die Lust am Bösen. Und genau so eine Fiktion soll East India Companies laut Verlag sein. Schwierig.
Zum Spielerischen: Setting und die Mechaniken passen in diesem Spiel gut zusammen. Es gibt Ungewissheit, was produziert und nachgefragt wird, außer man hat besondere Kontakte, die darüber informiert sind. Die Kompanien versuchen schnell vor Ort zu sein und sich gegenseitig die besten Angebote wegzuschnappen, was hier übrigens nicht durch militärische Eingriffe stattfindet. Auch die Möglichkeit, an anderen Kompanien durch geschickten Aktienhandel zu verdienen, passt da schön rein.
Viel erwartet hatte ich mir vom Arbeitereinsatz. Denn bei East India Companies ist es wichtig, bei welcher Persönlichkeit ihr eure Figur letzte Runde platziert habt. Übrigens sind alle fünf Personen weiße Männer. Gut, sie sind ja auch alle in Europa stationiert, aber warum keine Frauen oder andere Ethnien? Muss ja nicht historisch korrekt sein, denn „[…] East India Companies ist ein Spiel, sogar eine Fiktion, aber keinesfalls Dokumentation. Und es muss als solches betrachtet werden.“
Die Bewegung der Arbeiter ist aber meistens nicht der wichtige Punkt, eher ist es wichtig, welche Aktion zuerst besetzt wird, da das Extra-Gold von anderen Spielern oder die zusätzlichen Kosten schon einen Unterschied machen können. Auch ist es strategisch spannend, sich zu überlegen, einfach eine Galeone auszutauschen oder erst den Hafen zu erweitern. Schnelle Schiffe sorgen für gute Preise bei Einkauf und beim Verkauf. Aber volle Lagerräume können auch ordentlich Gewinn bedeuten. Hier gibt es schon viele spannende Überlegungen.
Dann kommt die Navigation, bei der wieder die Reihenfolge der Schiffe sehr wichtig ist. Auch hier sind alle kleinen Entscheidungen von Bedeutung. Wer zu spät kommt, zahlt schnell viel für seine Waren oder muss die Schiffe sogar vor Ort parken.
Diese Elemente hätten für mich schon gereicht, um ein gutes Spiel zu haben, vielleicht sogar ein Spiel, das ich lieber mögen wurde als East India Companies. East India Companies bietet aber noch eine weiter Facette: den Aktienmarkt. Dieser funktioniert teilweise auf bekannte Art und Weise. Wenn wir Aktien kaufen, steigen diese im Wert, verkaufen wir sie, fällt der Wert. So kann ich bei geschicktem Timing all mein Vermögen in Aktion investieren und ein Bündel dann mit einem kleinem Gewinn abstoßen. Dies ist gerade am Anfang eine schöne kleine Finanzspritze. Aber natürlich bringen früh gekaufte Aktion viel Wertsteigerung, wenn sie das ganze Spiel über gehalten werden.
Nicht sehr intuitiv sind dann aber die Dividenden. Am Ende jeder Runde muss, je nach Wert der Aktien, 0 bis 5 Gold Dividende pro Aktie in Fremdbesitz gezahlt werden. Dieses Gold geht an die Person, die die Aktie hält. Hält die Bank eine Aktie, so werden keine Dividenden gezahlt. Dieses System würde mir ja noch einleuchten, wenn das Gold für das Kaufen der Aktie an die Firma gehen würde. Dies ist irgendwie verwirrend und für viele fühlt es sich so an, als ob gutes Spielen bestraft würde. Dies ist nicht direkt der Fall, aber es handelt sich u.a. um einen Aufholmechanismus. Dies kann aber auch ausgenutzt werden.
Eine Freundin hat es dieses Jahr geschafft, sich für die deutsche Manschaftsmeisterschaft im Brettspiel zu qualifizieren, wo East India Companies eines der vier gespielten Spiele 2023 war. Beim Turnier saßen dann zwei Mitspieler am Tisch, die hauptsächlich Profit aus Aktionen anderer Spieler schlugen und ihre eigenen Aktienwerte niedrig hielten. So bietet der Aktienmarkt schon interessante neue Möglichkeiten für East India Companies, aber gleichzeitig verbraucht er viel Zeit. East India Companies kann in 90 Minuten gespielt sein, aber 2 bis 3 Stunden ist da realistischer, so auch bei der deutschen Meisterschaft beobachtet. Viel Zeit davon geht für Überlegungen bezüglich Aktienmarkt drauf. Die Aktien bringen sicherlich einen interessanten Aspekt ins Spiel, gleichzeitig bedeuten diese aber so viel mehr Komplexität und Wartezeit. Mein persönlicher Favorit, der zeigt, warum Firmen Aktien auf den Markt werfen, ist übrigens immer noch Panamax (2014 beim Heidelberger Spieleverlag erschienen), wo der Zusammenhang zwischen Firmen und Aktien einfach am besten abgebildet wird.
Ich würde East India Companies nicht für zwei Spieler empfehlen, auch wenn dies die Spielzeit deutlich verkürzt. Der Dummy-Spieler, der uns den dritten Spieler nachahmt, funktioniert im Prinzip schon, kann aber bei extremen Märkten die Notlage verschärfen. Sollte sich einer der Märkte durch Würfel und Karten sehr negativ entwicklen, d.h. wenig Nachfrage in Europa und wenig Produktion in Ostindien liefern, so kauft und verkauft der Dummy einfach weiter. Dadurch erholen sich die Märkte dann auch nicht.
Fazit: East India Companies hat ein problematisches Setting, da die grausamen Taten der verschiedenen Ostindien-Kompanien ausgeblendet werden. Es geht nur um den Handel selbst. Dies wirkt im Jahr 2023 befremdlich. Der Spielablauf hingegen ist interessant, und es gibt immer wieder spannende Entscheidungen durch eine gute Simulation des Handels sowie die Extra-Würze durch den Aktienmarkt, allerdings hätte dieser nach meinem persönlichen Geschmack auch einfach weggelassen werden können, um Zeit und Erklärungen zu sparen.
KULTFAKTOR: 6/10
Spielidee: 7/10
Ausstattung: 7/10
Spielablauf: 6/10
EUER REZENSENT
LUTZ
Wahl-Niederländer, Elektrochemiker, Zuvielspieler, Rätselenthusiast
Eine Rezension vom 21.08.2023
Dieser Spieletest wurde unterstützt durch ein Rezensionsexemplar.
Bildnachweis:
Coverfoto: HUCH! / R&R Games
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